Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik GNSS Positionsgenauigkeit


von Alexander M. (a_lexander)


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Hallo Zusammen,

Ich bin aktuell dabei mich in das Thema GNSS einzuarbeiten und habe mir 
da ein paar Sensoren angeschaut. In den Datenblätter sind ja die 
Genauigkeiten aufgelistet, z. B. für den Neo6-m ergibt sich für GPS eine 
horizontale Genauigkeit von 2.5m.

Nur wie kommen die auf solche Werte? Bzw. mit welcher Formel wurde diese 
Genauigkeit ermittelt?
Da müssen ja die Distanzen der gemessen Positionen (Longitude / 
Latitude) mit einer Formel berechnet werden: Gibt es dazu eine Formel, 
die alle Hersteller verwenden oder macht das jeder wie er will?

Hier das Datenblatt:
https://www.u-blox.com/sites/default/files/products/documents/NEO-6_DataSheet_%28GPS.G6-HW-09005%29.pdf

Danke :)

Grüße

von Cyblord -. (cyblord)


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Alexander M. schrieb:
> Da müssen ja die Distanzen der gemessen Positionen (Longitude /
> Latitude) mit einer Formel berechnet werden: Gibt es dazu eine Formel,
> die alle Hersteller verwenden oder macht das jeder wie er will?

Was soll der Unsinn? Um die Genauigkeit zu ermitteln musst du die reale 
Position mit der gemessenen Positionen vergleichen. Was willst du da mit 
einer Formel?
Am Ende ist das sowieso nur die maximal mögliche Genauigkeit. Also was 
der Chipsatz bei der Berechnung der Position formal hergibt. Real hat 
man Abweichungen durch die Atmosphäre und Temperatur usw. die man nicht 
vorher weiß. Daher gibts DGPS usw.

: Bearbeitet durch User
von Günni (Gast)


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Die Position hängt auch von der Anzahl der gerade empfangenen Satelliten 
und der Position der Satelliten zueinander zum Zeitpunkt der Messung ab. 
Das ist auf der Seite
https://www.itu.int/en/ITU-D/Regional-Presence/AsiaPacific/SiteAssets/Pages/Events/2018/Drones-in-agriculture/asptraining/B_gps.pdf
in dem Kapitel "Satellite Geometry" beschrieben. Es gab vor etlichen 
Jahren dazu eine Broschüre von Trimble, in der (nicht nur) das super gut 
beschrieben war. Inzwischen hat Trimble auch ein Tutorial im Netz 
veröffentlicht, das aber an die Qualität der frühere Broschüre nicht 
heranreicht.

von Frank Fragmentus (Gast)


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Alexander M. schrieb:
> Nur wie kommen die auf solche Werte? Bzw. mit welcher Formel wurde diese
> Genauigkeit ermittelt?

delta s = c * delta t

C ist die Lichtgeschwindigkeit, delta t die zeitauflösung basierend auf 
den Systemtakt, bei GPS 10 MHz.

Wobei in c auch ein kleines delta steckt, da die Ausbreitungsbedienungen 
wegen dem Wetter in der Ionosphäre nicht homogen sind.

von MikeH (Gast)


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Wenn du dir die Fußnote anschaust, findest du raus, was gemeint ist:

CEP, 50%, 24 hours static, -130dBm, SEP: <3.5m

CEP bedeutet dabei "Circular Error Probable".
Vereinfacht gesagt, liegen 50% der Messwerte weniger als 2.5m vom wahren 
Wert entfernt.

von Pandur S. (jetztnicht)


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Die Genauigkeit wird relativ einfach gemessen. Du stellst das Modul an 
einen Ort diener Wahl und liest die Werte kontinuierlich aus. Dann mach 
ein Histogram davon.
Nebenbei... doch zur Formel, oder in die Richtung. Diese Systeme rechnen 
mit einem geometrischen Koerper, einem Geoid, nicht mit der Erde. Dieses 
Geoid kommt der tatsaechlichen Erde nahe, ist aber nicht genau. Der 
Unterschied ist ersichtlich in den Hohenangaben. Die Systeme geben die 
Hoehe uber dem Geoid an, nicht die Hoehe ueber Meer. Der Unterschied 
liegt in der hoehe ueber Meer, was bedeutet man nimmt eine definierte 
Meersehoehe, welche nicht ueberall dieselbe ist, und arbeitet sich von 
da hoch.Hat es irgenwo viel Material unten dran, zB grosse 
Eisenvorkommen ist dort die Schwerkraft erhoeht, welche Wasser anzieht, 
welche den Meeresspiegel uber dem Geoid erhoeht. Hat es wenig Material 
im Boden, zB Schaumstoff, erniedrigt sich die Erdanziehung, es fliesst 
weniger Wasser dorthin, und der Meeresspiegel ist dort tiefer. Bedeutet 
die Hoehenangabe eines GPS kann schnell mal 10m falsch sein.
Dass der Meeresspiegel unterschiedlich ist, zeigte sich vor einigen 
Jahre beim Bau einer Brueck ueber den Rhein. Die Schweiz bezieht ihre 
Hoehe auf den Golf von Genua, waehrend Deutschland sich auf Hamburg 
bezieht. Beide Ufer wurden mit den eigenen Hoehenangaben eingegeben, und 
die Bruecke war nachher 40cm falsch, resp schief. Eine relative Messung 
von Ufer zu Ufer wurde nicht gemacht, resp erst nachher.

von Günni (Gast)


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Frank Fragmentus schrieb:
> delta s = c * delta t

Diese Formel beschreibt die Auflösung der Messung in Richtung der 
einfallenden Signale. Diese kommen meist von schräg oben, da tiefer 
stehende Satelliten oft durch Gebäude oder Berge abgeschirmt werden. Und 
Satelliten, die tiefer als 10° über dem Horizont stehen, kann man auch 
nicht nutzen, da das Signal durch die Athmosphäre nicht mehr gerade 
sondern leicht gekrümmt verlaufen. Damit passt die Formel nicht für die 
Genauigkeit der Position in horizontaler Richtung.

von Alexander M. (a_lexander)


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Vielleicht habe ich mich zu ungenau ausgedrückt:

Frage: Wie geht eine Positionsbestimmung bzw. Abstandsmessung in Meter 
bei Sensorwerten in Longitude / Latitude? Dazu benötigt es ja eine 
Formel...

z. B. aus 45°20 n und 45°30 = x Meter Differenz

Danke Pandur. Hat da jeder seinen eigenen geometrischen Körper oder gibt 
es da irgendwie eine Vereinbarung / Norm, damit alle Hersteller mit dem 
Gleichen testen?

von Stephan (Gast)


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Alexander M. schrieb:
> z. B. aus 45°20 n und 45°30 = x Meter Differenz

Da wäre Dein Stichwort ‚Haversine‘ Formel.

>eigenen geometrischen Körper
WGS-84 googeln

von Alexander M. (a_lexander)


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Ah okay. Danke :)

von Günni (Gast)


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Es gibt mehrere Referenzellipsoide, für die Nachbildung der Form der 
Erde. Früher rechnete man hier in Gauss-Krüger Koordinaten (ein 
rechtwinkliges Koordinatensystem, das die Erde nur sehr unzureichend 
abbildete und deshalb nur für kleine Entfernungen brauchbar war). Danach 
wurde das Bessel-Koordinatensystem verwendet, das für Europa eine 
brauchbare Abbildung lieferte. Für GPS benötigt man aber ein 
Koordinatensystem, das die ganze Erde hinreichend genau abbildet. So 
wurde das "WGS84" Koordinatensystem eingeführt. Wie man da Entfernungen 
berechnet, steht z.B. unter:
https://www.kompf.de/gps/distcalc.html .

von Frank Fragmentus (Gast)


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Alexander M. schrieb:
> Hat da jeder seinen eigenen geometrischen Körper

Der русски rechnet immer noch nach dem Kronstädter Pegel, während 
Westeuropa nach dem Amsterdamer pegel die Höhe über Meer bestimmt. Das 
delta ist aber vernachlässigbar.

von Wolfgang (Gast)


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Frank Fragmentus schrieb:
> Der русски rechnet immer noch nach dem Kronstädter Pegel, während
> Westeuropa nach dem Amsterdamer pegel die Höhe über Meer bestimmt. Das
> delta ist aber vernachlässigbar.

Ein Punkt recht da nicht, der liefert nur die Bezugshöhe.
Das Kartendatum oder Geodätische Datum beschreibt den an die Erdform 
lokal angepassten Referenzellipsoid.
https://de.wikipedia.org/wiki/Geod%C3%A4tisches_Datum

Günni schrieb:
> Danach wurde das Bessel-Koordinatensystem verwendet, das für Europa eine
> brauchbare Abbildung lieferte.

In Deutschland wird die Vermessung gerade auf Europäische Terrestrische 
Referenz-System 1989 (ETRS89) umgestellt.

von Frank Fragmentus (Gast)


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Wolfgang schrieb:

> In Deutschland wird die Vermessung gerade auf Europäische Terrestrische
> Referenz-System 1989 (ETRS89) umgestellt.

BTW: wie erkenne ich an dem Kartenmaterial/-datensatz, welche Bezugshöhe 
verwendet wird und wie kann ich das GPS-Gerät ggf. umstellen?

Da gibt es ja doch ein paar mehr Bezugshöhen:
https://www.spektrum.de/frage/wo-liegt-eigentlich-normalnull/690951

von Wolfgang (Gast)


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Frank Fragmentus schrieb:
> BTW: wie erkenne ich an dem Kartenmaterial/-datensatz, welche Bezugshöhe
> verwendet wird und wie kann ich das GPS-Gerät ggf. umstellen?

Der Sensor gibt NMEA-0183 Daten aus und die beziehen sich auf WGS84. Das 
Umstellen wird in deiner Software passieren müssen.

von Bauform B. (bauformb)


Angehängte Dateien:

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Frank Fragmentus schrieb:
> wie kann ich das GPS-Gerät ggf. umstellen?

Die u-blox Empfänger kannst du mit dem CFG-DAT Befehl per UBX-Protokoll 
umstellen.
NAV-PVT liefert die Höhe über dem Meeresspiegel und die Höhe über dem 
Ellipsoid in einer Message.

von Wolfgang (Gast)


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Frank Fragmentus schrieb:
> Da gibt es ja doch ein paar mehr Bezugshöhen:
> https://www.spektrum.de/frage/wo-liegt-eigentlich-normalnull/690951

Aber nicht für Deutschland.

In GPS-Geräten sind üblicherweise etwas über 100 verschiedene 
Referenzellipsoide mit ihren Parametern abgelegt.

von Harald W. (wilhelms)


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Pandur S. schrieb:

> Dass der Meeresspiegel unterschiedlich ist, zeigte sich vor einigen
> Jahre beim Bau einer Brueck ueber den Rhein. Die Schweiz bezieht ihre
> Hoehe auf den Golf von Genua, waehrend Deutschland sich auf Hamburg
> bezieht. Beide Ufer wurden mit den eigenen Hoehenangaben eingegeben, und
> die Bruecke war nachher 40cm falsch, resp schief. Eine relative Messung
> von Ufer zu Ufer wurde nicht gemacht, resp erst nachher.

Diese Normalnull-Unterschiede sind aber allgemein bekannt.
Auf gut deutsch: Da hat der zuständige Vermesseungingenieur
ziemlich geschlampt. :-(

von Wolfgang (Gast)


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Harald W. schrieb:
> Pandur S. schrieb:
>
>> Dass der Meeresspiegel unterschiedlich ist, zeigte sich vor einigen
>> Jahre beim Bau einer Brueck ueber den Rhein. Die Schweiz bezieht ihre
>> Hoehe auf den Golf von Genua, waehrend Deutschland sich auf Hamburg
>> bezieht. Beide Ufer wurden mit den eigenen Hoehenangaben eingegeben, und
>> die Bruecke war nachher 40cm falsch, resp schief. Eine relative Messung
>> von Ufer zu Ufer wurde nicht gemacht, resp erst nachher.
>
> Diese Normalnull-Unterschiede sind aber allgemein bekannt.
> Auf gut deutsch: Da hat der zuständige Vermesseungingenieur
> ziemlich geschlampt. :-(

Bei der Hochrheinbrücke zwischen den Laufenburgs waren es 54cm 
Höhenfehler, 27cm Normalnull-Unterschiede mit falschem Vorzeichen - 
passiert ;-)
https://www.nzz.ch/article9GGSK-1.230957

von Alexander M. (a_lexander)


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Vielen Dank für die Infos :-)

von Frank Fragmentus (Gast)


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Wolfgang schrieb:
> Frank Fragmentus schrieb:
>> Da gibt es ja doch ein paar mehr Bezugshöhen:
>> https://www.spektrum.de/frage/wo-liegt-eigentlich-normalnull/690951
>
> Aber nicht für Deutschland.

Ja recht.


>
> In GPS-Geräten sind üblicherweise etwas über 100 verschiedene
> Referenzellipsoide mit ihren Parametern abgelegt.

Und woher weiss das Gerät, welcher grad der richtige oder gar der 
gewünschte ist?!

>Die u-blox Empfänger kannst du mit dem CFG-DAT Befehl per UBX-Protokoll
umstellen.

OK.

> Diese Normalnull-Unterschiede sind aber allgemein bekannt.
> Auf gut deutsch: Da hat der zuständige Vermesseungingenieur
> ziemlich geschlampt. :-(

Nee, allgemein bekannt sicher nicht, ich kenn die nur aus meiner 
Topographie-Ausbildung und das die Schweizer auch da aus der Reihe 
tanzen, wusste ich bis gestern auch nicht.

> Bei der Hochrheinbrücke zwischen den Laufenburgs waren es 54cm
> Höhenfehler, 27cm Normalnull-Unterschiede mit falschem Vorzeichen -
> passiert ;-)

Wundert mich nicht, das ist menschlich, eben (nationale) 
Berufsblindheit. Da sind auch schon Raumsonden auf den Mars drauf statt 
vorbei geschossen, weil keiner auf die Idee kam, das verschiedenen 
Ingenieure verschiedene Masssysteme verwenden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Mars_Climate_Orbiter#Verlust

Schönes Zitat:
"Planung ist eigentlich nichts anderes als die Ersetzung des Zufalls 
durch den Irrtum" ;-)

von Wolfgang (Gast)


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Frank Fragmentus schrieb:
> Und woher weiss das Gerät, welcher grad der richtige oder gar der
> gewünschte ist?!

Die Entscheidung kann dir der Hersteller nicht abnehmen. Das musst du 
dem Gerät selbst sagen. Nur du kannst wissen, welches geodätische Datum 
deine Karten oder Bezugsdaten verwenden.

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