Hallo in die Runde,
hier gibt es bestimmt jemand, der praktische Erfahrung beim Thema
thermische Entkopplung auf Platinen hat, oder?
Folgendes Szenario:
Ich habe eine kleine Platine (FR4, zweilagig 35µ), auf der sich neben
Zusatzbeschaltung im Wesentlichen sechs 7-Segmentanzeigen und ein
Temperatursensor DS18B20 befinden. Die 7-Segment werden gemultiplext,
folglich fließen hier schon einige mA, auch die Zusatzbeschaltung zieht
ein paar mA.
Lange Rede, kurzer Sinn: Die Platine erwärmt sich, in thermischer
Beharrung sind das ein paar Kelvin. Über die Zuleitungen zum DS18B20,
insbesondere Anbindung an die Massefläche, erwärmt dieser sich folglich
mit, was es so gut es geht zu vermeiden gilt (Ja, ich habe die Threads
zum Thema "Eigenerwärmung" und "Aufwärmzeit DS18" gelesen; Nein, es
wird nicht jede Sekunde eine Messung angestoßen; Nein, eine Kompensation
in Software ist keine Option, da das Temperaturdelta z.B. von der
variablen Helligkeit der Anzeigen abhängt).
Für mich stellt sich nun die Frage, wie sich diese thermische Kopplung
so gut es geht beim Platinenlayout vermeiden lässt. Meine Ideen bisher:
- Sperrflächen auf beiden Lagen unter dem Tempsensor-IC, sodass dort die
Massefläche weggeätzt wird
- Zuleitungen VCC, GND mit minimaler Leiterbahnbreite zum IC führen.
100n Kerko bleibt am IC
- Zuleitungen VCC, GND und Signal über 0 Ohm - Widerstände anbinden
Habe ich etwas übersehen? Gibt es weitere Tipps & Hinweise von den
Profis?
Bin gespannt auf Eure Rückmeldungen!
Danke & Grüße
-Großzügige Ausparung der Masseflächen auf allen Lagen
-Cutouts im PCB mit möglichst dünnen Verbindungen.
-Dünne Leiterbahnen
Beispiel siehe Anhang. Viel mehr kann man nicht machen und selbst dann
wird es eine gewisse Erwärmung geben. In dem im Anhang gezeigten
Beispiel sind es im Gleichgewichtszustand ca. 4 bis 5K über der
eigentlichen Raumtemperatur, kommt natürlich auf den Luftfluss an.
Allerdings befindet sich ca. 50mm neben der Messtelle ein Schaltregler
mit vergleichsweise hoher Leistung der ca. 30K über der Raumtemperatur
liegt.
Moritz E. schrieb:> Gibt es weitere Tipps & Hinweise
Ich habe meine DS18B20 in meinen Raumthermostaten nachdem schon der
Probeaufbau zu ähnlichen Problemen geführt hat:
Im Gehäuse ein 2cm breites mit alufoliebeklebter ABS Trennwand
abgetrenntes Kompartment nur für den DS18B20 mit Lüftungslöchern unten
und Lüftungslöchern oben eingerichtet, der DS18B20 in TO92 mit
ungekürzten Anschlussdrähten in die Rückseite der hinter der Trennwand
befindlichen Platine eingelötet, alle warmen Bauteile sind höher
montiert.
Noch besser wäre es natürlich, ihn über ein Kabel abzusetzen, aber
entscheidend ist: wird es im Kompartment warm (und das wird es) steigt
die Luft wie in einem Kamin auf und es wird unten durch die Löcher
frische Luft angesaugt. So hängt der DS18B20 da unten stets in einem
leichten Luftstrom von Temperatur mit Aussenluft.
Ich glaube, er misst so nicht mehr als 1K zu viel.
Also man platziert einen Temperatursensor flächig auf einer Platine will
aber gar nicht die Temperatur dieser Platine messen? Das ist merkwürdig.
Wenn ihr die Temperatur von was anderem messen wollt, solltet ihr den
Sensor auch da platzieren.
Moritz E. schrieb:> Habe ich etwas übersehen?
Ja, dass nach kurzer Zeit alles die gleiche Temperatur annimmt, egal wie
das Layout gestaltet wird, das ändert höchstens die Zeitkonstante nach
dem Einschalten. Für eine sinnvolle Temperaturmessung muss der Sensor
dort sitzen, wo die Temperatur gemessen werden soll, und nicht auf einer
Platine mit der Anzeigeelektronik. Dort misst er die Temperatur dieser
Elektronik - aber wenn das die Absicht ist braucht man auch kein
besonderes Layout.
MaWin schrieb:> So hängt der DS18B20 da unten stets in einem> leichten Luftstrom von Temperatur mit Aussenluft
Das ist eine Kompromissmöglichkeit, aber keine Grundlage für eine
Präzisionsmessung. Für einen Heizkörper kann es reichen, muss aber
sorgfältig getestet werden.
Georg
Vielen Dank soweit für die sehr konstruktiven Rückmeldungen.
Im Nachhinein ist man immer schlauer, vielleicht hätte es geholfen, die
zwei Zusatzinfos gleich mitzugeben:
- Es soll die Raumtemperatur gemessen werden
- Die Platine bleibt später "offen" (steht nur auf vier Distanzbolzen)
auf dem Schreibtisch, es kommt kein Gehäuse drum herum.
Ich überlege nochmal, ob im nächsten Muster ein DS18B20 im TO92-Gehäuse
zum Einsatz kommt. Bisher war ich fest vom SO-8 Gehäuse ausgegangen, da
ausschließlich SMD Bauteile zum Einsatz kommen. Ein THT Bauteil wäre
aber kein Beinbruch, form follows function..
Kevin, danke für die Darstellung inkl. Bild. Inwiefern sich Cutouts
realisieren lassen, werde ich mal prüfen!
Georg, Du hast natürlich vollkommen Recht. Mein Ziel wäre, das
Gleichgewicht zwischen Erwärmung durch die Platine und
Sensorverlustleistung auf der einen Seite und "Kühlung" durch die
Umgebungsluft möglichst nahe an der tatsächlichen Umgebungstemperatur zu
schaffen.
Dabei kommt mir folgende Idee - Im SO-8 Package hat der IC fünf
NotConnected-Pins. Macht es Sinn, diese als "Kühlpins" zu nutzen, d.h.
durch geschickten Einsatz von breiten Leiterbahnen Zusatzbeschaltung
Kühlkörper / Kühlfähnchen diese fünf Pins mit einem kleineren,
thermischen Widerstand an die Umgebung anzubinden, als die drei
Leitungen Vcc, GND und Daten an die Wärmequelle Platine?
(Am Ende ist es alles nur Spielerei, aber der Ingenieur in mir gibt sich
erst zufrieden, wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind.. :-) )
Grüße
Moritz
Ich würde, unter deinen Bedingungen, versuchen möglichst viel Abstand
zwischen warmen Teilen (dazu gehört auch z.B. der Spannungsregler) und
dem Sensor zu lassen. Eurokarte, das warme Zeug in eine Ecke, den Sensor
die diagonal entgegengesetzte Ece - fertig.
Und die Massefläche brauch man nicht überall, in deinem Fall versaut sie
dir das Ergebnis wenn sie die Abwärme zu deinem Sensor transportiert.
Den würde ich da vielleicht nur mit einer einfachen Leiterbahn anbinden.
Dann sollte das eigentlich funktionieren...
Nachtrag:
Moritz E. schrieb:> Dabei kommt mir folgende Idee - Im SO-8 Package hat der IC fünf> NotConnected-Pins. Macht es Sinn, diese als "Kühlpins" zu nutzen, d.h.> durch geschickten Einsatz von breiten Leiterbahnen / Zusatzbeschaltung /> Kühlkörper / Kühlfähnchen diese fünf Pins mit einem kleineren,> thermischen Widerstand an die Umgebung anzubinden, als die drei> Leitungen Vcc, GND und Daten an die Wärmequelle Platine?
Das ist kontraproduktiv. Über deine Kühlleiterbahnen würdest du mehr
Wärme von anderswo zu deinem IC leiten. Du willst aber eine
Wärmeisolation. Und thermische Dioden gibt es (soweit ich weiß) nicht.
Mit diesem Themenkomplex habe ich mich jahrelang herumgeschlagen. Wie
auch immer man es macht, man macht es eigentlich immer falsch. In meiner
Bedienungsanleitung steht ein längerer Text dazu, siehe Anhang.
Der TO-92 bringt in jedem Fall etwas gegenüber der
Leiterplatten-Montage. Eine völlige Entkopplung ist aber faktisch nicht
möglich, weil die Beinchen des DS18B20 aus Kupfer bestehen und das
leider nicht nur Strom, sondern auch Wärme gut leitet. Du kannst
versuchen, mit einem TO92-Kühlkörper noch etwas Abhilfe zu schaffen,
aber auf Null wirst du nie kommen. Ich habe mal eine Serie gemessen mit
SMD-Sensoren vs. TO92 - bei einer Verlustleistung von ca. 120mW in der
Dose waren das fast 1K Unterschied.
Ausfräsungen in der Leiterplatte bringen überraschend wenig. Durch die
Faserrichtung der Leiterplatten leiten die in der Ebene leider die Wärme
ziemlich gut.
Du kannst dir die Theorie der elektrischen Entwärmung mal anschauen.
Leider habe ich auch nach einigem Googeln nichts wirklich Gutes
gefunden, am besten ist noch
https://www.fh-dortmund.de/de/fb/3/personen/lehr/hahn/medien/Waermetransport.pdf.
Du kannst mal versuchen, mit ein paar Messungen ein thermisches Modell
deines Systems aufzubauen, trivial ist das aber nicht.
Wenn man mal die Äquivalenz zwischen thermischen Ketten und
elektronischen Schaltkreisen verstanden hat (Verlustleistung => Strom,
Temperaturdifferenz => Spannung, Wärmewiderstand => Widerstand), hilft
das, zu verstehen, was da eigentlich passiert.
Du hast dir offentlichtlich Gedanken zur Eigenerwärmung gemacht. Hast du
das mal praktisch getestet, d.h. mit verschiedenen Auflösungen und
verschiedenen Messintervallen geprüft, ob sich der Sensor selbst
erwärmt? Worst case (12 bit im 1s-Raster) zieht der Sensor 7,5mA während
750ms, bei 5V im Mittel also 28mW. Ein TO92 hat rund 100K/W, das wären
2,8K Selbsterwärmung. Aber das ist Theorie, für eine praktische Messung
war ich immer zu faul.
Bin gespannt, wie dur weiterkommst - das Thema ist viel komplexer, als
man zunächst glaubt.
Cyblord -. schrieb:> Also man platziert einen Temperatursensor flächig auf einer Platine will> aber gar nicht die Temperatur dieser Platine messen?
Quatsch. Der Sensor mit seinem TO-92 schwebt an seinen Beinen über/neben
der Platine. Problem ist, dass die Beine aus elektrisch gut leitfähigem
Material bestehen. Leider besteht ein physikalischer Zusammenhang
zwischen elektrischer Leitfähigkeit und Wärmeleitfähigkeit, so dass die
Beine als Nebeneffekt Wärme von einer erwärmten Platine zum Chip
transportieren.
Wolfgang schrieb:> Quatsch. Der Sensor mit seinem TO-92 schwebt an seinen Beinen über/neben> der Platine.
Nur geht es hier um ein SMD Package. Da schwebt nichts.
Cyblord -. schrieb:> Nur geht es hier um ein SMD Package. Da schwebt nichts.
Und das wäre auch das erste was ich ändern würde. Auch wenn SMD "geiler"
ist. In diesem Fall sind die Beinchen ein Vorteil, man kann sie auch
möglichst lang lassen, um den Sensor thermisch zu isolieren, das wirkt
weit besser als Freifräsungen usw.
Georg
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