Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Serienwiderstände als EMV-Schutz?


von uC (Gast)


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Hallo!

Im Datenblatt eines GPS-Chips las ich, man solle bei längeren 
Leiterbahnen einen Serienwiderstand von ca 33 Ohm einfügen, um den Chip 
vor EMV-Einflüssen zu schützen.

Ist das etwas, was man generell machen sollte? Bei jedem Chip-Eingang 
Serienwiderstände?

Nur bei I2C, SPI, etc. oder auch bei GPIOs?

Müssen diese an beiden Enden der Leiterbahn angebracht werden? (Also 
z.B. bei einer I2C-Leitung von Chip 1 zu Chip 2 direkt bei den Pins 
BEIDER Chips?)

Wie handhabt ihr das?

Danke im Voraus!

von Stefan F. (Gast)


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Es geht dabei um Reflexionen an den Enden langer Leitungen. Meistens ist 
diese Maßnahme nicht nötig, deswegen wird es auch nur in wenigen 
speziellen Fällen gemacht.

von MaWin (Gast)


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uC schrieb:
> Ist das etwas, was man generell machen sollte

Na ja, wenn IC-Eingänge nach aussen geführt werden  muss man sich 
Gedanken machen, wie die EMV Tests überleben. Der Pin alleine reicht 
nicht. Ein Vorwiderstand hilft viel. Extra Schutzdioden sind stärker als 
eingebaute. Ein Kondensator nach Masse blockt Spannungsspitzen ab. 
Spulen in Reihe begrenzen die Stromanstiegsgeschwindigkeit. Aber je 
schneller die Signale zum Pin sind, um so weniger darf man bremsen. USB 
etc. sind also anspruchsvoll.
Ein 33R begrenzt auch die Spannungsanstiegsgeschwindigkeit an einem 
Ausgang und dämpft klingeln..

von Günni (Gast)


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Stefan ⛄ F. schrieb:
> Es geht dabei um Reflexionen an den Enden langer Leitungen. Meistens ist
> diese Maßnahme nicht nötig, deswegen wird es auch nur in wenigen
> speziellen Fällen gemacht.

Um 1980 wurde von Herstellern von Halbleitern geraten, 33 Ohm 
Widerstände in Daten- und Steuerleitungen bei Systemen einzufügen, wenn 
am Datenbus mehr als 5 Bausteine angeschlossen waren und eine 
Leitungslänge von etwa 10 cm überschritten wurde. Damit wurden 
Reflexionen gemindert und die Laufzeiten wurden etwas symmetriert. 
Damals galten Bausteine mit einer Zugriffszeit von unter 100 ns übrigens 
als "schnell". Bei heutigen Systemen sorgen die Layoutprogramme für 
gleichmäßige Laufzeiten auf den Datenleitungen und nur geringe 
Impedanzänderungen, die zu Reflexionen führen.

von Prokrastinator (Gast)


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Der Serienwiderstand macht vieles.
Er begrenzt die Spannungsanstiegsgeschwindigket in Zusammenhang mit der 
Leitungskapazität, vermindert Reflexionen und begrenzt den Strom bei 
ESD.
Dabei ist er mit um die 33R noch klein genug auf das Nutzsignal wenig 
Einfluss zu haben.
Welchen Teil man nun braucht oder ob der eher schädlich ist, muss man 
aus Seiner Schaltungsfunktion ableiten.

Ich verwende sie für alles was raus geht, was auf Kabel geht, 
abgestrahlt werden kann oder als rudimentären Pin Schutz.

von Stefan F. (Gast)


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Früher waren die parallelen Ports für Drucker oft mit Tiefpässen aus 
100Ω und 220pF bis 1nF ausgestattet.

Bei Anschlüssen für niedrige Frequenzen (Schalter, etc) nehme ich 
Widerstände im Bereich 1 - 10 kΩ. Damit sich die Versorgungsspannung 
nicht zu stark erhöhen kann, kommt eine ggf. Zenerdiode zwischen VCC und 
GND.

Ich denke auch, dass man mit derart einfachen Maßnahmen zusammen mit den 
Chip-internen ESD Dioden bereits einen weitgehenden praxisnahen Schutz 
für das Umfeld Büro/Heim erreicht.

Innerhalb von Platinen habe ich Serien-Widerstände noch nie gebraucht. 
Bei vielen Mikrocontrollern kann man die Flankensteilheit per Software 
konfigurieren. Bei I²C und UART Schnittstellen wirken meist integrierte 
analoge Filter (teils ebenfalls konfigurierbar).

von Georg (Gast)


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Günni schrieb:
> Bei heutigen Systemen sorgen die Layoutprogramme für
> gleichmäßige Laufzeiten auf den Datenleitungen und nur geringe
> Impedanzänderungen, die zu Reflexionen führen.

Das ist zu schön um wahr zu sein, da muss der Entwickler schon selber 
was dafür tun, und das heisst auch er muss was von HF und 
HiSpeed-Technik verstehen. Richtig ist dass ein gutes CAD-System 
Werkzeuge dafür anbietet, aber eine KI die von selbst ein Layout 
EMV-gerecht bearbeitet ist in weiter Ferne. Was es bei sehr guten 
Systemen gibt sind Analyse-Programme die auf mögliche EMV-Probleme 
hinweisen.

Die hier im Forum so beliebten Autorouter sind dafür nicht geeignet.

Georg

von Klaus R. (klara)


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Hallo,
Phillips, der Entwickler von I2C, hatte seiner Zeit empfolen für längere 
Leitungen 330 Ohm in Reihe zu Clock und Data zu verwenden. Es werden 
Überschwinger vermindert und der Einfluß der Port-Eingangskapazität. Vor 
EMV dürfte auch etwas geschützt werden.
mfg Klaus

: Bearbeitet durch User
Beitrag #6685932 wurde von einem Moderator gelöscht.
von P. S. (namnyef)


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Was man "generell machen sollte" ist die Schaltflanken von digitalen 
Signalen so flach wie möglich bzw. nur so steil wie nötig zu halten. Das 
reduziert Welleneffekte auf der Leitung (Reflexionen), die Belastung des 
Versorgungssystems und die Störabstrahlung. Serienwiderstände direkt am 
Beginn einer Leitung sind eine Möglichkeit das zu erreichen.

Der genaue Wert des Widerstands ist nur dann kritisch, wenn 
Welleneffekte immer noch eine Rolle spielen, obwohl man die Flanke schon 
so flach wie möglich gemacht hat. Also wenn man tatsächlich einen echten 
"Serienabschluss" haben will, bei dem Serienwiderstand und 
Ausgangsimpedanz des Treibers zum Wellenwiderstand der Leitung passen 
müssen.

Aber bei SPI oder I²C wird man in vielen Fällen die Flanken so flach 
machen können, dass Welleneffekte keine Rolle mehr spielen. Daher nimmt 
man meist einfach Widerstände, die man sowieso schon in der BOM hat. 
Irgendwas im Bereich 33R bis 150R sollte für viele Fälle ausreichend 
sein.

von M.F. (Gast)


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uC schrieb:
> ... um den Chip vor EMV-Einflüssen zu schützen.

Vor elektromagnetischer Verträglichkeit muss niemand geschützt werden. 
EMV ist eine gute Sache und kein Grund für Schutzmaßnahmen.

von HildeK (Gast)


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uC schrieb:
> Im Datenblatt eines GPS-Chips las ich, man solle bei längeren
> Leiterbahnen einen Serienwiderstand von ca 33 Ohm einfügen, um den Chip
> vor EMV-Einflüssen zu schützen.
Du meinst die Verbesserung der EMV? [EMV=elektromagnetische 
Verträglichkeit ]
Da haben kleine Serienwiderstände nur insofern einen Einfluss, dass sie 
die Signalqualität verbessern, was dann auch eine Reduzierung von 
Störeinflüssen zur Folge hat.

> Ist das etwas, was man generell machen sollte? Bei jedem Chip-Eingang
> Serienwiderstände?
>
> Nur bei I2C, SPI, etc. oder auch bei GPIOs?
Bei I2C eher weniger, bei den anderen Signalen kann man sich auf 
Taktleitungen bzw. auf Signale, deren Flanken wesentlich sind, 
beschränken.

> Müssen diese an beiden Enden der Leiterbahn angebracht werden? (Also
> z.B. bei einer I2C-Leitung von Chip 1 zu Chip 2 direkt bei den Pins
> BEIDER Chips?)
Normalerweise sitzen die möglichst nahe an der Quelle. Heißt: bei 
bidirektionalen Signalen dann auf beiden Seiten.

Prokrastinator schrieb:
> Der Serienwiderstand macht vieles.
> Er begrenzt die Spannungsanstiegsgeschwindigket in Zusammenhang mit der
> Leitungskapazität,
Nein, genau das tut er nicht! Der Serienwiderstand ist eine quellseitige 
Anpassung auf den Wellenwiderstand der Leitung und der ist reell.
Wenn du tatsächlich die Slewrate reduzieren willst, dann musst du das 
mit einem RC-Glied machen. Das funktioniert jedoch nur korrekt am Ende 
der Leitung.

Stefan ⛄ F. schrieb:
> Innerhalb von Platinen habe ich Serien-Widerstände noch nie gebraucht.
Eine Frage der Größe der Platine und der Steilheit der Signalflanken. 
Ich habe sie bei Taktsignalen (bzw. generell bei flankensensitiven 
Signalen) immer verwendet.
> Bei vielen Mikrocontrollern kann man die Flankensteilheit per Software
> konfigurieren.
Ja, gibt es.
Nach einem erheblichen Reinfall beim Vertrauen auf diese Variante 
(i.MX6) habe ich dann im Redesign Serienwiderstände auf die Platine 
gebracht. Das heißt: ich warne davor, diese Funktionen als Allheilmittel 
zu verwenden.
Auch bei anderen Bausteinen (Xilinx FPGA) ist mir dessen Wirkung negativ 
aufgefallen - es geht nichts über ohmsche Serienwiderstände ...

von M. Н. (Gast)


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uC schrieb:
> Im Datenblatt eines GPS-Chips las ich, man solle bei längeren
> Leiterbahnen einen Serienwiderstand von ca 33 Ohm einfügen, um den Chip
> vor EMV-Einflüssen zu schützen.
>
> Ist das etwas, was man generell machen sollte? Bei jedem Chip-Eingang
> Serienwiderstände?

Hier geht es konkret darum, dass eventuelle Einstreuungen in die 
Leiterbahnen durch GPIOs und alle möglichen anderen Pins in das GPS 
Modul geführt werden können und dort zu Störungen führen können.

Um das zu verhindern, muss der widerstand folglich nahe am GPS Modul 
sein, egal ob Ausgang oder Eingang, um zwischen GPS-Modul und 
Leiterbahn-"Antenne" zu liegen.

Alternativ können auch noch kleine Kondensatoren (pF bereich) an die 
Pins gehängt werden, um noch besser zu filtern. Hierbei muss dann aber 
irgendwann darauf geachtet werden, dass man bei Ausgängen nicht die 
maximale Lastkapazität übersteigt und generell die Bandbreite des 
signals nicht zu stark limitiert, sodass selbst das Nutzsignal zu stark 
gedämpft wird.

Generell ist das nicht überall notwendig, oder sinnvoll.

Was hier einige noch gemeint haben, ist die übliche Serienterminierung, 
um Leitungsreflexionen anzupassen. Da MUSS aber der Widerstand an der 
Quelle platziert werden und hat einen komplett anderen Wirkmechanismus 
und dient für ganz andere Effekte. Das hat aber mit deiner Frage nichts 
zu tun.

von Georg (Gast)


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M. H. schrieb:
> Da MUSS aber der Widerstand an der
> Quelle platziert werden

Ganz korrekt: die Quelle muss den gleichen Innenwiderstand haben wie die 
Leitung, was man notfalls mit einem Serienwiderstand einstellen kann, 
wenn der Treiber zu niederohmig ist, und am anderen Ende muss die 
Leitung mit ihrer Impedanz abgeschlossen werden. Jedenfalls wenn die 
Frequenz hoch und die Leitung lang ist.

Georg

von Wolfgang (Gast)


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Georg schrieb:
> Jedenfalls wenn die Frequenz hoch und die Leitung lang ist.

Da fehlt das Wort "relativ".
Es kommt auf das Verhältnis von Leitungs- zu Signalwellenlänge an.

von HildeK (Gast)


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Georg schrieb:
> und am anderen Ende muss die
> Leitung mit ihrer Impedanz abgeschlossen werden. Jedenfalls wenn die
> Frequenz hoch und die Leitung lang ist.

Das ist zwar der Idealfall, aber hier geht es um digitale Signale und da 
kann man es selten realisieren. Eine quellseitige Serienterminierung ist 
annähernd so gut.

von M. Н. (Gast)


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Georg schrieb:
> Jedenfalls wenn die
> Frequenz hoch und die Leitung lang ist.

Wolfgang schrieb:
> Es kommt auf das Verhältnis von Leitungs- zu Signalwellenlänge an.

Jein. Bei digitalen Signalen muss man betrachten, wie das Verhältnis der 
Anstiegszeit zur Signallaufzeit (rise time / flight time) ist. Das ist 
der ausschlaggebende Faktor.

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