Forum: Offtopic ISO13849 - PLd erreichen


von Bert S. (kautschuck)


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Hi,

Ich habe noch ein wenig Mühe mit dem Umsetzen von ISO13849, im 
speziellen mit der Einstufung der Kategorie.

Wenn ich das richtig interpretiert habe braucht ein PLd mindestens einen 
redundanten SRP/CS? PLd ist aber auch im Niveau SIL2, wo nur ein SRP/CS 
notwendig ist.

Es geht im Endeffekt um die Umsetzung eines Motorcontrollers, der ein 
PLd erreichen soll. Es soll ein Sicherheitsmikrocontroller verwendet 
werden welcher im Fehlerfall einen STO triggert. Der STO stellt die PWM 
ab, deaktiviert den Gate Treiber und schaltet die Energiezufuhr zum Gate 
Treiber komplett ab. Der Gate Treiber ist für SIL2/SIL3 ausgelegt und 
verfügt über die nötigen Diagnosewerkzeuge um Fehler zu melden. Ich 
möchte eigentlich ungern einen zweiten Sicherheitsmikrocontroller 
verbauen, und frage lieber nochmals nach, ob evtl. die oben genannten 
Funktionen bereits reichen und ob für PLd wirklich ein doppeltes SRP/CS 
implementiert werden muss. Allenfalls würde auch ein zusätzlicher 
Notstop reichen.

von Dirk E. (drbinsl)


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Hallo Bert,
ich ordne mal sinngemäß:
Du willst eine Sicherheitsfunktion 'STO' (Safe torque off) gem. Prozess 
der Risikoanalyse/-minderung nach DIN EN ISO 12100 technisch mit einer 
Sicherheitskette mit Kat.4/PL=d gem. DIN EN ISO 13849 realisieren.
1. Bei der von Dir genannten 'Verquickung' mit SILx gem. IEC 62061 resp. 
IEC 61508 wäre ich hinsichtlich der vergleichbaren Anforderungen 
vorsichtig: Eine normative Übersetzung PLx<->SILy existiert [aus Sicht 
der DIN EN ISO 13849] schon lange nicht mehr. Als inhaltlicher Ersatz 
gilt folgendes Dokument:
https://www.beuth.de/de/technische-regel/din-iso-tr-23849/224683275
2. Kategorie 4 impliziert definitiv eine homogene oder diversitäre 
Redundanz!
3. Was meinst Du mit einem 'Sicherheitsmikrocontroller'? Ist der als 
solcher gem. DIN EN ISO 13849 geprüft/zertifiziert? Oder meinst Du eine 
Safety SPS?
4. Bei Deinem letzten Satz fehlt mir der Faden: STOP Kategorie 0, 1 oder 
2 und wie ist diese in die Sicherheitskette integriert?

PS.: Wende Dich doch mal, wenn Du mit der Frage geschäftlich unterwegs 
bist, an "Deine" zuständige Berufsgenossenschaft.

Grüße Dirk

von Bert S. (kautschuck)


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Hallo Dirk,

Dirk E. schrieb:
> Du willst eine Sicherheitsfunktion 'STO' (Safe torque off) gem. Prozess
> der Risikoanalyse/-minderung nach DIN EN ISO 12100 technisch mit einer
> Sicherheitskette mit Kat.4/PL=d gem. DIN EN ISO 13849 realisieren.

Ich will einen STO so realisieren, aber nicht mit Kat.4/PL=d sondern 
lieber mit Kat.2 oder Kat.3 und PL=d. Aus ISO13849 ergibt sich die 
Möglichkeit für einen PL=d mit Kat.2, wenn die MTTFd als hoch eingestuft 
wird, dann wäre die Redundanz in Punkto Mikrocontroller nicht mehr 
nötigt.

Dirk E. schrieb:
> 1. Bei der von Dir genannten 'Verquickung' mit SILx gem. IEC 62061 resp.
> IEC 61508 wäre ich hinsichtlich der vergleichbaren Anforderungen
> vorsichtig: Eine normative Übersetzung PLx<->SILy existiert [aus Sicht
> der DIN EN ISO 13849] schon lange nicht mehr. Als inhaltlicher Ersatz
> gilt folgendes Dokument:
> https://www.beuth.de/de/technische-regel/din-iso-tr-23849/224683275

Danke dir, das mit SIL habe ich mir schon gedacht.

Dirk E. schrieb:
> 2. Kategorie 4 impliziert definitiv eine homogene oder diversitäre
> Redundanz!

Daher eben Kat.2 oder Kat.3

Dirk E. schrieb:
> 3. Was meinst Du mit einem 'Sicherheitsmikrocontroller'? Ist der als
> solcher gem. DIN EN ISO 13849 geprüft/zertifiziert? Oder meinst Du eine
> Safety SPS?

Im Endeffekt ist es ein STM32F7 mit integrierten Sicherheitsfunktionen 
(functional safety) gemäss STM: 
https://www.st.com/content/st_com/en/ecosystems/functionalsafety.html

Dirk E. schrieb:
> 4. Bei Deinem letzten Satz fehlt mir der Faden: STOP Kategorie 0, 1 oder
> 2 und wie ist diese in die Sicherheitskette integriert?

Das mit dem Notstop (Kategorie 0) hat ja sowieso nichts mit dem STO zu 
tun und muss unabhängig an jeder Maschine sein.

Ich habe im Anhang mal eine grobe Übersicht über den STO erstellt und 
wie das aussehen soll von der Ansteuerung. Das Problem ist in diesem 
Fall, dass der STO nicht von außen getriggert werden kann und eigentlich 
nur zum Einsatz kommen soll, wenn am Motorcontroller ein schwerer Fehler 
auftritt (Überstrom, Überspannung, Kurzschluss etc.). Ich finde duzende 
Anwendungen, wo ein Sicherheitsrelais von außen triggert, aber irgendwie 
nicht wirklich was, wo ein STO getriggert werden muss, wenn der uC den 
einen Fehler entdeckt.

von Dirk E. (drbinsl)


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Hallo Bert,
Bert S. schrieb:
> Ich will einen STO so realisieren, aber nicht mit Kat.4/PL=d sondern
> lieber mit Kat.2 oder Kat.3 und PL=d. Aus ISO13849 ergibt sich die
> Möglichkeit für einen PL=d mit Kat.2, wenn die MTTFd als hoch eingestuft
> wird, dann wäre die Redundanz in Punkto Mikrocontroller nicht mehr
> nötigt.
Na, dann hast Du ja Bild 5 schon gesehen ;). O.k., also eine einkanalig 
geteste oder eine 'schwache' zweikanalige Struktur: Du hast die Wahl. 
Nun ist PL=d nicht sooo schwer zu realisieren, Du realisierst ja die 
Sifu in Hard- und Software. Must halt seitens der ausgewählten 
Bauelemente hohe MTTF[d]-Werte (nachweislich) erreichen können. Baust Du 
alles 'diskret' auf oder möchtest Du Fertiges zukaufen? Richte Dir ggf. 
schon mal darauf ein vom Hersteller entsprechende 'reliability datas' 
anzufordern.
Bert S. schrieb:
> Im Endeffekt ist es ein STM32F7 mit integrierten Sicherheitsfunktionen
> (functional safety) gemäss STM:
> https://www.st.com/content/st_com/en/ecosystems/functionalsafety.html
Na ja, da ist seitens STM schon eine gehörige Portion Marketing dabei 
;). Zumal ein Gutteil der Software-Anforderungen gem. IEC 61508 im 
Abschnitt 4ff der DIN EN ISO 13849 zu finden sind. Und 'triviale' 
HW-Module (Watchdog, POR/BOR etc.) als 'safety' zu bewerben.., nun ja :I
Bert S. schrieb:
> Das mit dem Notstop (Kategorie 0) hat ja sowieso nichts mit dem STO zu
> tun und muss unabhängig an jeder Maschine sein.
Richtg, das ist eine separat zu betrachtende Sifu.
Bert S. schrieb:
> Ich habe im Anhang mal eine grobe Übersicht über den STO erstellt und
> wie das aussehen soll von der Ansteuerung. Das Problem ist in diesem
> Fall, dass der STO nicht von außen getriggert werden kann und eigentlich
> nur zum Einsatz kommen soll, wenn am Motorcontroller ein schwerer Fehler
> auftritt (Überstrom, Überspannung, Kurzschluss etc.). Ich finde duzende
> Anwendungen, wo ein Sicherheitsrelais von außen triggert, aber irgendwie
> nicht wirklich was, wo ein STO getriggert werden muss, wenn der uC den
> einen Fehler entdeckt.
Leider ist Deine Grafik im Detail schlecht zu erkennen (meine Augen 
haben halt schon ein paar Jahre auf dem Buckel 8)).
Generell gilt: Es ist sicherzustellen, daß
1. die Sifu sicher angefordert werden kann, z.B. durch eine übergeornete 
Steuerung und
2. eine sichere 'Abschaltung' ggf. durch den Testkanal (bei Kat.2*) bzw. 
durch den zweiten fuktionsfähigen Kanal (bei Kat.3) gewährleistet sein 
muß.
*PS.: Wobei eine 'einfache' Testung in Deinem Anwendungsfall ggf. nicht 
ganz einfach zu realisieren ist.
Die technische Realisierung der Sifu muss in gewissen Umfang in der Lage 
sein Fehler in der Sicherheitskette selbst zu erkennen (diagnostic 
coverage, DC) und entsprechend darauf sicher zu reagieren (i.d.R. 
Ausfall in sichere Richtung).
Grüße Dirk

von Bert S. (kautschuck)


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Hallo Dirk,

Danke für deine ausführliche Antwort. Ich habe anbei noch ein scharfes 
Bild, irgendwie hat es mir das letzte runterskaliert.

Dirk E. schrieb:
> Na, dann hast Du ja Bild 5 schon gesehen ;). O.k., also eine einkanalig
> geteste oder eine 'schwache' zweikanalige Struktur: Du hast die Wahl.
> Nun ist PL=d nicht sooo schwer zu realisieren, Du realisierst ja die
> Sifu in Hard- und Software. Must halt seitens der ausgewählten
> Bauelemente hohe MTTF[d]-Werte (nachweislich) erreichen können. Baust Du
> alles 'diskret' auf oder möchtest Du Fertiges zukaufen? Richte Dir ggf.
> schon mal darauf ein vom Hersteller entsprechende 'reliability datas'
> anzufordern.

Die ausgewählten Bauteile haben die hohen MTTFd Werte, von daher wäre 
das sicher kein Problem. Ich möchte alles selber aufbauen und so wenig 
wie möglich zu Fertigen Teilen greifen.

Dirk E. schrieb:
> Na ja, da ist seitens STM schon eine gehörige Portion Marketing dabei
> ;).

Gut zu wissen :)

Dirk E. schrieb:
> 1. die Sifu sicher angefordert werden kann, z.B. durch eine übergeornete
> Steuerung und

Das habe ich soweit vorgesehen, dass ein externer Mikrocontroller über 
CAN einen STO anfordert.

Dirk E. schrieb:
> *PS.: Wobei eine 'einfache' Testung in Deinem Anwendungsfall ggf. nicht
> ganz einfach zu realisieren ist.
> Die technische Realisierung der Sifu muss in gewissen Umfang in der Lage
> sein Fehler in der Sicherheitskette selbst zu erkennen (diagnostic
> coverage, DC) und entsprechend darauf sicher zu reagieren (i.d.R.
> Ausfall in sichere Richtung).
> Grüße Dirk

Ich denke das sollte machbar sein. Als Gatetreiber will ich folgenden 
verwenden:
https://www.ti.com/lit/ds/symlink/drv8350f.pdf?ts=1624356870941&ref_url=https%253A%252F%252Fwww.mouser.fr%252F

Dieser hat einen Diagnosekanal, wo beim Abschalten 
(Ladungspumpenspannung zu niedrig oder auch Enable Pin inaktiv) auf Low 
geht. Somit kann der uC neben dem Abschalten der PWM, Enable Pin auf Low 
auch gleich noch die Gate Spannung unterbrechen.

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