(siehe z.B. Tagesspiegel heute: Katastrophenalarm funktioniert nicht)
Seit dem letzten deutschen Sirenentest ist so viel repariert worden, daß
der dieses Jahr gleich ganz abgeblasen wurde. Es wäre fast so peinlich
gewesen wie das aktuelle Versagen der Alarmierung bei den Fluten.
Gibt es in D irgendeine Funk-Alarmierung (deutschlandweit gleich
aufgebaut), die sich für einen eigenen Alarm auswerten läßt? DIY
KatS-Kit oder so?
Hier in AT gabs auch Fluten, vergleichbare Wassermengen. Aber hier gibts
jeden Samstag 12 Uhr Sirenentest, und die funktionieren alle. Keine
Toten.
Die Handyalarmierung nützt auch nichts, wenn der Handymast weggespült
wurde, und er nützt nichts, wenn du im Keller ohne Empfang stehst.
Sirenen sind schon gut, hier funktioniert das System, inzwischen nicht
nur als Sirene, sondern auch als weitgehend unverständliche
Lautsprecherdurchsage.
Versuche einfach, deinen Verstand einzuschalten: bei Starkregen das Auto
nicht am Fluss parken, im Keller immer 2 Ausgänge, und wenn du dann
alles richtig gemacht hast, im 2. Stock deines massiv gebauten Hauses
stehst um die Flut um dich herum anzugucken, und es trotzdem in die
gerade nebenan gebaute Kiesgrube umkippt, dann weisst du zumindest,
warum du das mit der Kiesgrube schon immer eine doofe Idee fandest, Kies
lagert sich vor allem dort ab, wo lange Zeit starke Bäche flossen, wieso
kommt man auf die Idee, so einen Ort als Baugebiet auszuweisen ?
(Lokalpolitiker sind nie schuld und bei Katastrophen mit ihren
Bestechungsgeldern der lokalen Baulöwen schon über alle Berge).
Helge schrieb:> Aber hier gibts> jeden Samstag 12 Uhr Sirenentest, und die funktionieren alle.
Hier (Nordthüringen) gibt es diesen Test auch. Jeden Sonnabend um 11
Uhr.
Sirenen-Gesang schrieb:> Hier (Nordthüringen) gibt es diesen Test auch.
Das ist gut (und selten). Nur leider wurden ca. 85% der Sirenen in D
stillgelegt oder abgebaut. Ist dann eine Katastrophenwarnung notwendig,
gibts bei den paar Leuten mit der Katwarn-App eine Nachricht. Aber um 3
Uhr in der früh schlafen die meisten und werdens nicht mal mitbekommen.
Grad gelesen, daß Seehofer die lächerliche Summe von 90Mio hergeben
will, um ein paar Sirenen wieder betriebsbereit zu machen. Dann
funktionieren vielleicht 20%.
Sirenen-Gesang schrieb:> Hier (Nordthüringen) gibt es diesen Test auch. Jeden Sonnabend um 11> Uhr.
Toll, das sind aber die Tests der Sirenen der Feuerwehr. Da sind die
wenigsten noch in den Katastrophenschutz eingebunden.
Das soll jetzt erst wieder geändert werden, aber nicht sofort, im Rahmen
der nächsten Wartung ist das billiger, oder der übernächsten ...
Mal ganz davon abgesehen daß kein Mensch unter 50 die Bedeutung der
verschiedenen Alarme kennt.
Helge schrieb:> Hier in AT gabs auch Fluten, vergleichbare Wassermengen.
Ja, und nach den Berichten im Fernsehen vergleichbare Schäden,
wenn auch nicht ganz so schlimm wie in D.
Harald W. schrieb:> vergleichbare Schäden
Viele haben ihr bewegliches Gut noch retten können, und es gab keine
Toten. Nur ein paar "Spezialisten" haben ihre Autos direkt am Fluß
stehen lassen, was u.a. die flutwelle durch Hallein verstärkt hatte. Die
Autos verstopften den Kanal. Gegen Idioten ist kein Kraut gewachsen.
Helge schrieb:> (siehe z.B. Tagesspiegel heute: Katastrophenalarm funktioniert nicht)>> Seit dem letzten deutschen Sirenentest ist so viel repariert worden, daß> der dieses Jahr gleich ganz abgeblasen wurde. Es wäre fast so peinlich> gewesen wie das aktuelle Versagen der Alarmierung bei den Fluten.>> Gibt es in D irgendeine Funk-Alarmierung (deutschlandweit gleich> aufgebaut), die sich für einen eigenen Alarm auswerten läßt? DIY> KatS-Kit oder so?>> Hier in AT gabs auch Fluten, vergleichbare Wassermengen. Aber hier gibts> jeden Samstag 12 Uhr Sirenentest, und die funktionieren alle. Keine> Toten.
Nein, die Wassermengen waren mit Sicherheit nicht ansatzweise
vergleichbar. So schlimm die Videos darüber sind, das war "harmlos".
Von einem Polizeibericht in Hallein:
"Früh hatten die Einsatzkräfte zur Vorsicht aufgerufen und die
Bevölkerung gebeten nicht die Gebäude zu verlassen, sowie Keller und
untere Stockwerke zu meiden."
Für viele hier in der Nordeifel war genau das das Todesurteil, denn
diese Häuser existieren nicht mehr. Die sind komplett weg. Und es ist
längst nicht nur Schuld.
Es war allerdings nicht so, dass es keine Vorwarnungen gab. Man konnte
schon Dienstag kostenfrei Sandsäcke erhalten und befüllen. Es gab die
Vorwarnungen also durchaus.
Wir haben gestern von der Tafel aus Trinkwasser und Werkzeuge zu den
Helfern nach Bachem direkt an die Ahr gebracht. Selbst da sind die
Häuser 50m entfernt bis zum kompletten ersten Stock abgesoffen, Autos
hängen 5m über Grund in den Bäumen, die noch stehen. Ich würde schätzen,
die Ahr hatte mindestens 7-8m über Normalpegel. Und zumindest in Bachem
stehen meiner Beobachtung (und Erinnerung) nach zumindest noch alle
Gebäude, auch die direkt an der Ahr. Die Brücken allerdings sind bis auf
eine (über die nur Einsatzkräfte fahren dürfen) alle weg. Strom immer
noch weg, kein Trinkwasser. Weiter "oben" in Mayschoß etc. sieht es wohl
aus wie nach Bombenangriffen.
Ich hab mit einem der Helfer aus Ahrweiler sprechen können. Man ist
Hochwasser gewohnt, auch höhere Stände. Daher hat man sich wenig Sorgen
gemacht. Niemand hat mit solch einem Extrem gerechnet.
Sirenen gibt es hier übrigens in allen Orten die ich kenne und die
funktionieren auch (einmal im Monat wird getestet) und die haben hier
auch alarmiert.
Am Warnsystem ist vieles verbesserungswürdig, aber manchmal ist man
einfach auch machtlos gegenüber einer Katastrophe. Auch das gehört zu
den Einsichten, die man gewinnen sollte.
Ahrweiler und Heimersheim war ich früher schon. Da ist viel ins
Feuchtgebiet gebaut. Das große Hotel zum Beispiel. Wenn der Fluß
übergeht, dann nach oben, Breite ist verbaut. Wie es weiter oben
aussieht, weiß ich nicht.
Die Häuser hier in Flußnähe sind wenigstens im EG Steinhäuser, meist
ältere mit meterdicken Mauern bis in den Fels. Die Bauweise ist gegen
Flut weniger empfindlich. Bei Industrie und Neubauten in den
Flutgebieten wurde gesagt, räumen. Leider gibts hier ein paar
Dorfkaiser, denen solche Gebiete unwichtig waren.
Helge schrieb:> Bei Industrie und Neubauten in den> Flutgebieten wurde gesagt, räumen. Leider gibts hier ein paar> Dorfkaiser, denen solche Gebiete unwichtig waren.
Du wirst sehen: Das geht genau so weiter. In einem Jahr werden die
nächsten Gebäude in Überflutungsgebieten genehmigt und auch errichtet
werden. Dei Definition von Wahnsinn ist: Immer das Gleiche tun, aber
andere Ergebnisse erwarten.
Hallo Helge.
Helge schrieb:> Die Häuser hier in Flußnähe sind wenigstens im EG Steinhäuser, meist> ältere mit meterdicken Mauern bis in den Fels. Die Bauweise ist gegen> Flut weniger empfindlich.
Wenn das Wasser die Fundamente unterspült, hast Du ein Problem. Oft ist
es kaum möglich, Fundamente bis auf den Fels zu bauen. Der Bauherr muss
das ja auch bezahlen können.
Hier ist der "gewachsene" Fels auch in den obersten Schichten verwittert
und mit Lehm durchsetzt.
Wenn im Wasser Treibgut ist, insbesondere Balken und Bäume, die wirken
in Längstrichtung treibend als Rammbock und quer setzten sie sich fest,
fangen noch mehr Treibgut, stauen damit das Wasser auf und sorgen für
einen heftigen Staudruck bzw. beeinflussen die Strömung so, dass sich
tiefe Kolke bilden können, die Unterspülung fördern.
Als Beispiel ein paar selbstgeknipste Bilder im Anhang.
Ein eher "leichterer" Fall verglichen mit den Häusern, wo jetzt nur noch
ein Kolk ist.
"Eifgenbachtal_MarkusmuehleNachHochwasser-I_17-31-04_26Jul2021.jpg"
Bild der Markusmühle im Eifgenbachtal (Rheinisch-Bergischer Kreis/NRW)
Das Wasser hat die Wand weggerissen. Nachdem die Fundamente unterspült
waren, fiel die Wand in den Bach.
Auf dem Bild ist aber schon eine provisorische Splittschüttung und
Baustützen, um das Gebäude abzufangen.
"Eifgenbachtal_MarkusmuehleNachHochwasser-Fundament-I_17-32-35_26Jul2021
.jpg"
Im Bachbett liegt noch ein Teil des Fundamentes. Die kleineren
Bestandteile des Bruchsteinmauerwerks und die Bestandteile des Fensters
sind einfach weg.
"Eifgenbachtal_MarkusmuehleNachHochwasser_FluegelmauerBrueckeL294-II_17-
40-33_26Jul2021.jpg"
Das ist eine Flügelmauer der Brücke über die die L294 zwischen Burscheid
und Dabringhausen den Eifgenbach überquert. Man beachte den keilförmigen
Spalt zwischen Flügelmauer und Brücke sowie das verschobene und
verquetschte Kunststoffabflussrohr oben.
Das ist die talabwärtige Seite der Brücke. Der Bach muss den kompletten
Querschnitt unter der Brücke ausgefüllt haben, und der Rest ging
seitlich vorbei. Auf der bachaufwärts liegenden Seite ist zwischen der
Brüstungsmauer auf der Brücke und seitlichen Büschen bis ca. Gürtelhöhe
(bezogen auf Strassenniveau) viel Treibgut zusammengeschwemmt.
Eine Mühle gibt es dort seit 1465. allerdings sind weder die Gebäude
noch die Brücke aus dieser Zeit. Aber auch nicht gerade von "gestern".
Wikipedialink: https://de.wikipedia.org/wiki/Markusm%C3%BChle> Bei Industrie und Neubauten in den> Flutgebieten wurde gesagt, räumen. Leider gibts hier ein paar> Dorfkaiser, denen solche Gebiete unwichtig waren.
Seien wir mal realistisch. Es gibt gerade im Ahrtal z.B. kaum anderswo
Platz zum bauen. Die Tallage wurde schon vor Jahrhunderten gewählt, weil
sie eben auch Vorteile hatte.
Ähnliches gilt aber auch für andere Orte z.B. an der Erft, wo am
Mittel/Unterlauf nicht so eine drangvolle Enge herrscht. Orte sind
historisch nicht "irgendwie" entstanden, sondern wurden auch vor
hunderten von Jahren nach Nützlichkeitsabwägungen gegen Risikoabwägungen
gewählt.
Fehlende Retentionsflächen waren es nicht nur alleine. Der Fluss hat
sich diese einfach zurückgeholt, und selbst das hat ja nicht gelangt.
Das sagt mir, das in dem Fall auch Retentionsflächen nicht mehr gelangt
hätten, selbst wenn sie die gesamte Bebauung im Tal ersetzt hätten.
Wenn dann also ein alter historischer Ortskern so extrem absäuft, dann
könnte sich schon gewaltig etwas verschoben haben.*)
Wo würdest Du den Ort neu aufbauen wollen? Oben auf dem Berg? Irgendwo
im Hang? Da sind Weinberge, die Du dann zubauen würdest, und die Region
lebt zu grossen Teilen vom Weinbau. und natürlich vom Tourismus, und die
Touristen erwarten halt ein enges pittoreskes Städtchen mit
Fachwerkhäusern und Bruchsteinmauerwerk an einem engen gewundenen
Flusstal.
Du wirst sowieso ein beachtliches Problem bekommen, einen Wiederaufbau
halbwegs authentisch hinzubekommen. Aber für den Tourismus ist das
essentiell.
Wo willst Du anderswo Gewerbe oder Wohnflächen ansiedeln? Auf
fruchtbarem Ackerland, das wir vermutlich in wenigen Jahrzehnten extrem
dringend brauchen werden? Wo willst du Kiesgruben anlegen? Du kannst
eben nicht jeden X-beliebigen Sand oder Kies zum Bauen verwenden.
Bausand und Kies gehören übrigens zu den letzten Bodenschätzen, die sich
aus Deutschland noch exportieren lassen. Viele europäische Länder
importieren Sand!
Und ja, wenn sich Politiker erdreisten, die gesellschaftliche
Sinnhaftigkeit von Einfamilienhäusern zu hinterfragen, geht das "Volk"
steil. Das ist eben die andere Seite der Medaille.
Ich fürchte, dass Leute, die führen, überall auf der Welt zu Korruption
neigen. Hier hast Du momentan noch relativ viele Möglichkeiten, dagegen
anzugehen oder Tranzparenz zu verlangen. In totalitären Staaten würde
das nicht funktionieren.
Momentan kann ich nur konstatieren, dass die meisten Leute, mich
eingeschlossen, damit Überfordert sind, solche Situationen
einzuschätzen. Ich habe die Entwicklung der Situation schon Tage vorher
verfolgt, und war (obwohl AUF einem Berge wohnend) besorgt, aber
derartiges hätte ich auch nicht erwartet, obwohl ich, auf das Ahrtal
bezogen, den Fall von 1911 (?) kannte.
Auf die Führung von Gemeinden und Unternehmen bezogen:
Generell können "Schlipsköpfe" eine solche Situation mangels
physikalischen Einfühlungsvermögen nicht einschätzen, und die
hemdsärmeligen "Macher" sind zu risikofreudig, um angemessen zu
reagieren.
Gedankenexperiment: Was wäre, wenn "rechtzeitig" Gewarnt und evakuiert
worden wäre, aber die Flut nur deutlich weniger schlimm eingetreten
wäre? Du hättest den gleichen Shitstorm auf die Verantwortlichen, nur
aus anderen Gründen. Die ganzen Querdenker gehen doch schon steil, weil
ihnen Coronamasken zu unbequem sind. Eine Evakuierung, die ihnen nicht
einleuchtet oder sich als zu vorsichtig heausstellt......
Bei solchen Vorhersagen hat man es immer mit Unwägbarkeiten zu tun, und,
obwohl viele dieser Vorhersagen gut eingetroffen sind, bleibt es
letztlich nur eine "Wahrscheinlichkeit" mit der etwas eintrifft.
"Wahrscheinlichkeit" bedeutet, sobald Du Dich auf etwas festlegst,
zockst Du, und wer zockt, kann sich auch verzocken.
Das ist beim Bashing von Schuldigen immer zu beachten.
*) Ob und wie weit dieses Ereignis vom Magdalenenhochwasser von 1342
übertroffen wird, darüber müssen Experten mit Ihren Statistiken brüten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Magdalenenhochwasser_1342
Dieses Hochwasser war aber vornehmlich an anderer Stelle bzw. wurde in
der Eifel nur wenig dokumentiert.
Mit freundlichem Gruß: Bernd Wiebus alias dl1eic
http://www.l02.de
Ich sehe grad, das gebiet hat ja häufiger Hochwasser -
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Hochwasserereignisse_an_der_Ahr
. In den Zeitungen war jetzt zu lesen, daß die Warnungen von Hochwasser
>5m schon Stunden vor dem Ereignis durchgegeben wurden, und nicht bzw.
zu spät gewarnt wurde.
Retentionsflächen halten so ein Hochwasser nicht ganz, aber bringen eine
zeitliche Streckung und damit niedrigere Wassermengen. Das können auch
die Dorfkaiser in AT ganz gut ignorieren. In manchen Ecken wird über
sowas schon 20 Jahre gestritten. Was ein Ort versaubeutelt mit Betondamm
und Eindeichung fürs neue Industriegebiet badet der nächste Ort den fluß
runter dann aus. Fluch und Segen zugleich ist da die immer bessere
Kanalisation versiegelter Gebiete.
Gestern im TV waren auch die ersten ernsthaften Überlegungen dazu, wie
das Ahrtal wieder aufgebaut werden kann, und was nicht wieder
hingestellt werden darf. Es wird nicht anders gehen, als daß einige ihr
Bauland verlieren. Die Frage ist, wie der Verlust durch jahrhunderte
bekannte Risiken kompensiert wird, die Gemeinden werden die Mittel dazu
nicht aufbringen können.