Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Renesas RX111


von J. V. (janvi)


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unlängst habe ich ein ziemlich verzocktes Projekt mit einem Renesas 
Rx111 auf den Tisch bekommen. Ich staune sehr, da es nun doch noch etwas 
anderes halbwegs aktuelles außer den ARMs gibt. Allerdings bin ich mir 
unsicher ob ich mich darauf einlassen soll oder doch was anderes nehme. 
Gefühlsmässig würde ich das Teil maximal bei einem Cortex M3 einordnen 
obwohl es DSP hat den ich in diesem Projekt definitiv nicht brauche. 
Stromverbrauch, Sleep Mode ist auch kein Thema.

Das E2 Studio konnte ich auf Linux und Windows erfolgreich installieren. 
Das bestehende Projekt kriege ich aber nur unter Windows compiliert. Wie 
es aussieht gibt es einen Compiler von Renesas (nur auf Windows?) und 
eine passende Version des GCC (?) die dann auch unter Linux läuft (?) 
Als Download Kabel habe ich ein Renesas E1. Abgesehen davon daß dies 
nicht mehr hergestellt wird scheint es soweit ganz komfortabel zu sein.

Abschreckend sind die 1280 Seiten Hardware Manual und mindestens noch 
ein vielfaches weiteres Zeugs über die Software, aber nicht das was ich 
suche. Ich kenne die Renesas Geschichte nicht und halte den RX111 doch 
etwas für einen Exoten wo man gute Gründe haben sollte ihn einzusetzen 
weshalb ich mir ziemlich unsicher bin. Bislang hat mir noch niemand 
sagen können weshalb er im Projekt verwendet wurde. Ist das irgendwie 
ein halbkompatibles Ersatzprodukt für die alten Hitachi H8, NEC V60 oder 
M16 oder sonstwas ?

Mit der Timer Beschreibung fühle ich mich etwas verloren. Eigentlich 
möchte ich nur einen Inkrementaleingang mit Quadratursignal, 
vorzugsweise gleich 2x16=32 bit kaskadiert. Ausserdem eine Perioden oder 
Pulslängenmessung über einen weiteren Timer.  Ist die Annahme korrekt, 
daß die Renesas FIT sowas wie bei STM die HAL ist ?  Empfiehlt es sich 
die Initialisierung oder anderen Code auch mit dem Smart Config Tool zu 
erzeugen ? Dieses habe ich bislang noch gar nicht installiert.

: Bearbeitet durch User
von Olaf (Gast)


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> Abschreckend sind die 1280 Seiten Hardware Manual und mindestens noch
> ein vielfaches weiteres Zeugs über die Software, aber nicht das was ich
> suche.

Du findest es abschreckend das etwas gut dokumentiert ist? Das finde ich 
doch etwas eigenartig.

Renesas hat eine sehr grosse Verbreitung. Allerdings zumindest in Europa 
vor allem in der Industrie. Bei Bastlern sind sie nicht so angekommen.

> ein Ersatzprodukt für die alten Hitachi H8, NEC V60 oder M16 oder
> sonstwas ?

Das sind wenn du so willst die Nachfolger dieser alten Linien.

Olaf

von PittyJ (Gast)


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J. V. schrieb:
> Abschreckend sind die 1280 Seiten Hardware Manual und mindestens noch
> ein vielfaches weiteres Zeugs über die Software, aber nicht das was ich
> suche.

Also ich habe einen einfachen NXP M0, da sind das 600 Seiten. Und dann 
habe ich einen komplexen STM32H7 da sind das schon 3500 Seiten.
Da liegt der Renesas doch gut in der Mitte. So ist das heutzutage.

Ein Exot ist der schon. Low-Entry macht noch Atmel, der Rest Arm. Und 
Risc-V erscheint erst am Horizont.

Ich würde zu Arm wechseln, da gibt es in 5 Jahren immer noch Compiler, 
Kabel, Support ....

von Günni (Gast)


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Renesas ging aus Hitachi hervor. Die haben immer schon gute Bauteile 
gemacht. Als Motorola den 6800 in NMOS-Technologie auf dem Markt hatte, 
baute Hitachi den in Lizenz schon in CMOS - voll austauschbar, aber 
besser. Irgendwann entwickelte Renesas eigenen Prozessorfamilien, die 
meist "etwas Besonderes" waren und deshalb gern in Industrieprodukten 
eingesetzt wurden. (Ähnliches gilt auch für die Vxx-Prozessoren von 
NEC.) Damals hatten diese japanischen Firmen die ehemals führenden 
Amerikaner technologisch abgehängt.

von (prx) A. K. (prx)


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Günni schrieb:
> (Ähnliches gilt auch für die Vxx-Prozessoren von
> NEC.) Damals hatten diese japanischen Firmen die ehemals führenden
> Amerikaner technologisch abgehängt.

Besonders bei V60/V70/V80. ;-)

Manche anderen Hersteller merkten, dass die Entwicklung zu immer höherer 
ISA-Komplexität in dieser Ära in die falsche Richtung lief und steuerten 
um. NEC merkte das nicht, übertraf alles Dagewesene um die Konkurrenz 
abzuhängen - flog auf damit aber die Nase und wurde von der Konkurrenz 
abgehängt.

Deutsche stehen mitunter verdient im Ruf des Overengineering. Japaner 
kriegen das freilich auch hin.

: Bearbeitet durch User
von MCUA (Gast)


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Soso, ein Exot, weil du es nicht kennst?

von Andreas M. (amesser)


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J. V. schrieb:
> Ich kenne die Renesas Geschichte nicht und halte den RX111 doch
> etwas für einen Exoten wo man gute Gründe haben sollte ihn einzusetzen
> weshalb ich mir ziemlich unsicher bin. Bislang hat mir noch niemand

Renesas wird oft in der Industrie eingesetzt und sehr viel im Automotive 
Bereich verwendet. In den wenigsten PKW Steuergeräten wirst Du ARM 
finden. Zu den Zeiten als das mit den Mikros in Steuergeräten angefangen 
hat war ARM noch sehr klein. Könnte sein dass sich das in Zukunft 
ändert, dann aber vermutlich eher Richtung Risc-V. Automotive ist 
kostensensitiv und ARM Lizenzkosten sind nicht ohne. Dazu kommt das 
Renesas auch ohne Murren  kundenspezifische ASICs gemacht hat so der 
Bedarf da war und die Stückzahl am Ende gepasst hat. Letzter Punkt 
schließlich ist die Langzeitverfügbarkeit. Bei ARM MCUs ist es schwer 
einzuschätzen wie lange ein bestimmtes Modell oder verfügbar sein wird, 
es geht hier um Zeiträume von 10 oder mehr Jahren...

von Olaf (Gast)


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> Zu den Zeiten als das mit den Mikros in Steuergeräten angefangen
> hat war ARM noch sehr klein.

Yep. Ich glaube z.B der M16C ist von 1999. Wenn ihr euch mal anschaut
was da alles an Peripherie drin ist dann entspricht das in etwa dem was
man heute von einem STM32 so kennt. Also bergeweise Timer, SPI, I2C, 
RS232, AD und DA(!) und 10k internes Ram. Ausserdem hatten sie bereits 
damals mit dem KD30 einen kostenlosen Debugger der ueber RS232 mit dem 
Controller reden konnte falls man zu arm fuer eine fette Umgebung war. 
Und das alles vor >20Jahren als hier noch jeder Bastler mit den 
laecherlichen AVRs rumgeboselt hat.

> Letzter Punkt schließlich ist die Langzeitverfügbarkeit.

Ja, da sehe ich die Firma auch SEHR positiv.

Der Nachteil von Renesas ist im Prinzip das der Laden 2-3weitere Firmen
zusammengekauft hat. Deshalb haben die sehr viele unterschiedliche, aber
aehnliche MCU-Familien und bergeweise Debug-Hardware.

> Könnte sein dass sich das in Zukunft ändert, dann aber vermutlich
> eher Richtung Risc-V.

Das denke ich auch. Ich gebe ARM noch 5Jahre bis es da steil bergab geht 
und in 10Jahren machen sie IMHO den Laden dicht weil dann jeder Risc-V 
nutzt.
Die Chinesen werden es mit Sicherheit wollen und der Rest kauft auch 
lieber etwas das billig ist.

Olaf

von MCUA (Gast)


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Den M16C gibt es seit 1994 (H8's seit Ende der 80er Jahre).
Zu der Zeit hat weder jemand an AVR noch an irgent welche Cortexe noch 
an PIC24 gedacht.

von m.n. (Gast)


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J. V. schrieb:
> unlängst habe ich ein ziemlich verzocktes Projekt mit einem Renesas
> Rx111 auf den Tisch bekommen.

Wenn es verlockend ist, dann mach es doch. Die RXe waren immer 
Edel-Controller mit guten Datenblättern. Nur die Beschaffbarkeit zu 
akzeptablem Preis für kleinere Stückzahlen (< 100) war zumeist wegen 
langer Lieferzeiten etwas lästig.
Mein letztes Datenblatt zum RX111 ist von 6/2013.

Heutige ARM-Controller (z. B. STM32) haben in den letzten Jahren 
deutliche Verbesserungen erfahren, sodaß diese für viele Anwendungen 
deutlich leistungsfähiger sind.
Einen 32-Bit Zähler mit Quadraturdekoder bietet der STM32G431 
beispielsweise direkt an (Timer2).

Selber würde ich den RX111 nicht ablehnen; aber eigene Projekte würde 
ich heute nicht mehr mit Renesas machen.

Olaf schrieb:
> Ich gebe ARM noch 5Jahre bis es da steil bergab geht
> und in 10Jahren machen sie IMHO den Laden dicht

Mit dieser Prognose werden morgen die Aktienkurse ins Unterirdische 
abstürzen.
Das hat man ja damals schon beim 8051 gesehen :-)

von Olaf (Gast)


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> Mit dieser Prognose werden morgen die Aktienkurse ins Unterirdische
> abstürzen.
> Das hat man ja damals schon beim 8051 gesehen :-)

Gib doch einfach zu das ich recht hab. :-D

Kuck mal, den 8051 gibt noch heute obwohl das eine raeudige MCU war.
Wieso? Weil vermutlich total billig.

Risc-V ist nicht billig sondern umsonst. (Lizenzkosten) Was mag das wohl
bedeuten? Das Teil wird nicht nur ARM beerdigen sondern die Nischen wo 
derzeit noch der 8051 als untoter Zombie rumwerkelt gleich mit.

Warum hat sich eigentlich ARM so breit durchgesetzt? Weil es relativ 
einfach ist eine eigene MCU zu designen, aber das ganze drumherum, 
Debugger, Compiler, Flasher, Entwicklungsumgebung ein grosser Aufwand 
ist. Das alles kann RISC-V aber genauso, bloss das du keine Ueberweisung 
nach ARM machen musst.

Olaf

von m.n. (Gast)


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Olaf schrieb:
> Risc-V ist nicht billig sondern umsonst.

Kostenlos wäre besser ;-)
Linux ist "kostenlos". Verwende ich Linux? Nein, denn ich stehe auf 
Luxus!

Mal sehen, ob sich der TO noch einmal meldet.

von (prx) A. K. (prx)


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Olaf schrieb:
> und in 10Jahren machen sie IMHO den Laden dicht weil dann jeder Risc-V
> nutzt

Aber klar doch, ARM macht dicht, und NVidia, die ARM gerade für $40 Mrd 
kaufen wollen, gleich mit. ;-)

Die ganzen Handyhersteller werden natürlich mal eben die Plattform 
wechseln, bloss weil es eine lizenzfreie ISA gibt. Und Apple wird jenen 
Kunden, die ihre Macs gerade erst von x86 auf ARM umstellen, kurz drauf 
was Neues anbieten können. Die haben ja darin Übung.

Es gibt auch andere Kriterien als Lizenzkosten.

: Bearbeitet durch User
von Olaf (Gast)


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> Es gibt auch andere Kriterien als Lizenzkosten.

Ich weiss und ich hab auch sicherlich etwas uebertrieben, aber die 
Richtung
in der es geht sollte doch wohl klar sein oder?
Und wie ich schon sagte China will sicher von Arm weg.

Olaf

von (prx) A. K. (prx)


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Olaf schrieb:
> Richtung in der es geht sollte doch wohl klar sein oder?

Ja. Es wird neben x86 und ARM eine weitere beliebte Architektur geben.

von Cyblord -. (cyblord)


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Risc-V ist das IPv6 der Mikrocontroller. Man ist immer kurz vor der 
totalen Umstellung. Nur macht irgendwie niemand mit.
Oder der Linux-Desktop.

: Bearbeitet durch User
von (prx) A. K. (prx)


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Cyblord -. schrieb:
> Risc-V ist das IPv6 der Mikrocontroller. Man ist immer kurz vor der
> totalen Umstellung. Nur macht irgendwie niemand mit.

Schöner Vergleich. Aber je umfassender der zeitliche Horizont ist, desto 
revolutionärer wirken manche Umstellungen. Die deutsche Ladenschlusszeit 
war (ist?) auch so ein Umsturz im Schneckentempo. Unterhalb eines 
Zeithorizontes von 30-40 Jahren merkt man kaum etwas davon.

Wobei die Umstellung auf IPv6 für die meisten Anwender sowieso 
unsichtbar bleibt. So unsichtbar, dass vermutlich auch einige hier im 
Forum nicht wissen, dass sie es längst verwenden. ;-)

: Bearbeitet durch User
von Cyblord -. (cyblord)


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(prx) A. K. schrieb:
> Wobei die Umstellung auf IPv6 für die meisten Anwender sowieso
> unsichtbar bleibt. So unsichtbar, dass vermutlich auch einige hier im
> Forum nicht wissen, dass sie es längst verwenden. ;-)

Eben nicht. IPv6 sollte jedem Endgerät eine Adresse geben. Das war die 
Idee. Nur hängen die meisten Endgeräte immer noch hinter einer NAT. 
Vergeben die Provider immer noch IPv4 Adressen ins Internet. DAS sollte 
ja längst nicht mehr nötig sein.

von c-hater (Gast)


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Olaf schrieb:

> Der Nachteil von Renesas ist im Prinzip das der Laden 2-3weitere Firmen
> zusammengekauft hat. Deshalb haben die sehr viele unterschiedliche, aber
> aehnliche MCU-Familien und bergeweise Debug-Hardware.

LOL. Das hat Atmel ohne Zukäufe ganz alleine hinbekommen...

von (prx) A. K. (prx)


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Cyblord -. schrieb:
>> Forum nicht wissen, dass sie es längst verwenden. ;-)
>
> Eben nicht. IPv6 sollte jedem Endgerät eine Adresse geben. Das war die
> Idee. Nur hängen die meisten Endgeräte immer noch hinter einer NAT.

Wenn dein Homerouter nicht zu alt ist, und du ihn nicht kastriert hast, 
hat er wahrscheinlich aktives IPv6. Heute oft auch im DSL ohne echtem 
IPv4 mit DS-lite - und in IPv6 ohne NAT. Smartphones können und nutzen 
IPv6 im WLAN seit Äonen, wenn man sie lässt. Die Chancen stehen daher 
nicht schlecht, dass man damit im WLAN per IPv6 unterwegs ist, ohne es 
zu wissen.

Im Mobilfunk hat es indes sehr lange gedauert, ist immer noch nicht 
selbstverständlich, besonders beim Roaming. Ein Problem der 
Mobilfunkanbieter. Die sind extrem vorsichtig, lieber kein Risiko 
eingehen. Kundenprobleme sind teuer und geben schlechte Presse.

> Vergeben die Provider immer noch IPv4 Adressen ins Internet. DAS sollte
> ja längst nicht mehr nötig sein.

Der Knackpunkt sind nicht die Privatnutzer. Die kriegen IPv6 
automatisch. Sondern die Netze von Unternehmen. IPv4 kann dort nicht 
verschwinden und eine umfangreiche Umstellung auf Dual Stack ist bei 
grösseren Unternehmen ein gewaltiger organisatorischer Aufwand. Lies: 
teuer. Weshalb das erst geschieht, wenn wesentliche Teile vom Netz per 
IPv4 nicht mehr erreicht werden.

Und auch deshalb passt der Vergleich. Sogar besser aus du selbst geahnt 
hast: RISC-V kommt, aber ARM bleibt. IPv6 kommt, aber IPv4 bleibt.

: Bearbeitet durch User
von Thomas Z. (usbman)


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Olaf schrieb:
> Und wie ich schon sagte China will sicher von Arm weg.

kurzfristig sicher nicht, aber auf lange Sicht ganz sicher. Firmen wie 
GigaDevice oder auch WCH zeigen wo es hingeht. Für die ist ARM nur eine 
Zwischenstation, das wird auch massiv vom Peking gefördert. Die dicken 
ARMs werden sicher nicht so schnell verschwinden. Am unteren Ende bei 
den 8 Bittern wird meiner Meinung nach Pic überleben AVR wird begraben 
und der Oldi 8051 wird auch überleben übrigens genauso wie 6502 dann 
halt als core

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