Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Tiefpassfilter 2. Ordnung (Sallen-Key) → Warum ist die Ausgangs- zur Eingangsspannung zeitl versetzt


von Bartosz B. (bartosz)



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Hallo zusammen,

kurze Frage: Ich habe mir mal zu Übungszwecken einen Tiefpassfilter 2. 
Ordnung in Sallen-Key-Form gebaut. Ich frage mich nun, warum die 
Ausgangsspannung zur Eingangsspannung zeitlich versetzt ist. Es würde 
mich freuen, wenn ihr es mir kurz erklärt.

Vielleicht habe ich nicht den richtigen OPV gewählt. Ich muss dazusagen, 
ich nutze „nur“ _PSpice for TI 2021.1_ und habe nicht alles Mögliche zur 
Auswahl.

Hier habe ich schon geschaut.
https://www.electronics-tutorials.ws/de/filtern/filter-zweiter-ordnung.html

Ich denke, es sind die Kondensatoren, die noch etwas Spannung haben, 
wenn die Spannung der Quelle schon absinkt?
Ich wollte nur wissen, ob das Verhalten normal ist oder ob das an mir 
liegt.

von Christian S. (roehrenvorheizer)


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Hallo,

das liegt an der gewählten Frequenz, bei der bereits eine Dämpfung durch 
den TP erfolgt. Sie liegt nicht mehr ganz im Durchlassbereich. Man 
erkennt am rechten Bild, daß die grüne Kurve bereits eine geringere 
Amplitude hat, als die rote, die wohl den Eingang zeigt. Nimm eine 
tiefere Frequenz, und das Ding, das Tiefpass heißt, wird kaum, also 
nahezu keine Phasenverschiebung zeigen. Am OPV liegt es bei dieser 
niedrigen Frequenz nicht.


mfG

von Walter T. (nicolas)


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Ich bin gerade zu faul zu rechnen, in welchem Verhältnis die 
Grenzfrequenz und die Eingangsfrequenz stehen und welche 
Grundverstärkung eingestellt ist. Aber Du hast das ja vom Entwurf sicher 
parat. Daraus sollte sich ablesen lassen, welche Phasenverschiebung 
normal ist.

Gefühlt würde ich allerdings behaupten, dass das so hochohmig real nicht 
gut funktionieren wird.

von Christian S. (roehrenvorheizer)


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Bartosz B. schrieb:
> Ich denke, es sind die Kondensatoren, die noch etwas Spannung haben,
> wenn die Spannung der Quelle schon absinkt?
Um diesen Satz zu verstehen, brauche ich eine Interpretationshilfe. Es 
geht hier um Wechselspannung.

> Ich wollte nur wissen, ob das Verhalten normal ist oder ob das an mir
> liegt.
Das kann nur an Deinen Vorgaben liegen.

von Abdul K. (ehydra) Benutzerseite


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Das Verhalten nennt man Kausalität und ist normal.

von Dieter H. (kyblord)


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Gruppenlaufzeit? Schau dir mal deinen Phasengang an :)

von Rainer V. (a_zip)


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Dieter H. schrieb:
> Gruppenlaufzeit?

Hätt' ich jetzt auch genannt. Woher haste denn die Dimensionierung des 
Filters?
Wo soll die Grenzfrequenz liegen? Bin jetzt zu faul zum Umrechnen :-)
Gruß Rainer

von Bartosz B. (bartosz)


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Guten Morgen,

kurzer Einschub in der Pause:
Die Werte habe ich von Filter-Wizard übernommen.
https://tools.analog.com/en/filterwizard/
Man stellte auf LowPass und auf Passband -3dB bei 10Hz und Stopband 
-40dB bei 1kHz.
Ich habe den 2,13MΩ-Widerstand noch etwas angepasst, um genau 10Hz zu 
haben (ich weiß, ist nicht realistisch, aber ich wollte einmal ne klare 
Grenze haben, um zu testen).

Also ja, ich weiß, dass bereits bei 7Hz die Dezibel bei -6 liegen.

Stelle ich die Quelle auf 1 Hz ein, so ergibt sich jedoch auch eine 
Verzögerung.

von Bartosz B. (bartosz)


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Meint ihr diese Phase?

: Bearbeitet durch User
von jo (Gast)


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Bartosz B. schrieb:
> Hallo zusammen,
>
> kurze Frage: Ich habe mir mal zu Übungszwecken einen Tiefpassfilter 2.
> Ordnung ...

Schau dir mal (bei sinusförmiger Erregung) den Verlauf von Strom I und 
Spannung U an einem Widerstand sowie einem Kondensator an. Beim 
Widerstand sind I und U in Phase, beim Kondenstor eilt der Strom um 90 
Grad vor. (siehe Anlage)

Das mag zunächst mal überraschen, besonders beim Kondensator, ist aber 
eine Grundeigenschaft der Bauteile.

Anschauliche (aber natürlich laienhafte) Erklärung: In den Kondensator 
muss erst Strom fließen, damit sich eine Spannung aufbauen kann.
So ein Kondensator ist ein kleiner Stromspeicher, in gewisser Weise 
vergleichbar mit einem Akku: Auch einen Kondensator muss man erst 
aufladen, damit er eine Spannung aufbaut.

Du solltest die das mal in einem guten Fachbuch anschauen. Auch 
https://www.elektronik-kompendium.de/sites/grd/1006231.htm könnte Die 
weiterhelfen.

> Ich denke, es sind die Kondensatoren, die noch etwas Spannung haben,
> wenn die Spannung der Quelle schon absinkt?

Im Prinzip hast du das richig erkannt, nur die Sichtweise ist noch 
leicht verschoben. Aber das wird schon!

> Ich wollte nur wissen, ob das Verhalten normal ist oder ob das an mir
> liegt.

Das Verhalten ist normal. Durch das Zusammenspiel von Widerstand und 
Kondensator können solche Strukturen wie ein Tiefpass entstehen. Dieser 
beeinflusst sowohl Amplitude als auch Phase der Ausgangsspannung.

von W.S. (Gast)


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Bartosz B. schrieb:
> Ich frage mich nun, warum die
> Ausgangsspannung zur Eingangsspannung zeitlich versetzt ist.

Das ist eigentlich normal. Genau das würdest du auch sehen, wenn du 
einen digitalen Filter programierst. Der Punkt ist, daß ein Filter 
möglichst eine 'schöne' d.h. symmetrische Sprungantwort haben soll.

Denke mal an die bekannte Kurve, wenn man einen Kondensator über einen 
Widerstand an eine Sannung legt. Die resultierende Kurve der Spannung 
über den Kondensator ist stark asymmetrisch: zuerst gibt es einen Knick 
und dann steigt sie mit der Zeit immer schwächer an.

So also soll ein Filter möglichst NICHT funktionieren. Und genau 
deshalb braucht ein Filter eine Symmetrie im prinzipiellen Aufbau: 
gleichviel an Einfluß von der Vergangenheit her und von der Zukunft her.

Das erreicht man (bzw. beim analogen Filter ergibt es sich), indem der 
'Jetzt'-Zeitpunkt in der zeitlichen Mitte des Filters liegt, was in der 
Realität gleichbedeutend ist mit einer Signalverzögerung. Das 
hereinströmende Signal geht über die noch in der Zukunft liegenden 
Zustände in die Gegenwart und wandert dann in die Vergangenheit, in der 
es dann untertaucht. So ungefähr kann man sich das vorstellen.

W.S.

von Yalu X. (yalu) (Moderator)


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Bartosz B. schrieb:
> Vielleicht habe ich nicht den richtigen OPV gewählt.

Ich habe mal deinen Screenshot_2021-10-26_093417.png und den berechneten
Phasengang (mit idealem Opamp) übereinandergelegt (s. Anhang). Bis 600
Hz verlaufen die beiden Kurven gleich, darüber merkt man, dass der
OPA348 nicht ganz perfekt ist.

Bartosz B. schrieb:
> Stelle ich die Quelle auf 1 Hz ein, so ergibt sich jedoch auch eine
> Verzögerung.

Bei 1 Hz ist die Phasenverschiebung -8,12°, was einer Verzögerung von
22,6 ms entspricht und gut zum Screenshot_2021-10-26_092848.png passt.
An der Verzögerungszeit ändert sich auch bei noch niedrigeren Frequenzen
praktisch nichts (der Grenzwert für f->0 liegt bei 22,5 ms).

Phasengang und Verzögerung entsprechen also beide den Erwartungen.

Ein reales Filter ohne Phasenverschiebung gibt es leider nicht. Salopp
gesprochen muss das Filter ja immer erst mindestens ein Stückchen des
Eingangssignals gesehen haben, bevor es sich entscheiden kann, was es
als Ausgangssignal liefern soll.

von Bartosz B. (bartosz)


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Vielen Dank @Yalu, @W.S. und @jo.
Dass beim Kondensator der Strom und 90° voreilt, wusste ich.
Danke euch für die guten Erklärungen und Mühen.
Ich wuste nicht, dass das so normal ist – selbst bei kleinen Frequenzen.
Das bringt mich gerade auf einen anderen Gedanken: Wie baut man dann 
Filter, wenn es um den Gigahertz-Bereich geht? Da haben OPVs allein 
schon wegen der Konstante aus Verstärkung und Bandbreite nichts mehr 
verloren, richtig? 🤨

von Rainer V. (a_zip)


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Bartosz B. schrieb:
> Wie baut man dann
> Filter, wenn es um den Gigahertz-Bereich geht?

Na ja, da reicht ein kleines Stückchen Leiterbahn...das hat dann alles 
was es braucht: ohmschen Widerstand, Kapazität und Induktivität. Im 
übrigen ist es etwas sinnfrei, bei einem TP mit 1KHz Übergangsfrequenz, 
mit ein paar kleinen Herz herumzumachen. Interessant ist allemal der 
Bereich um die 1KHz herum. Du willst ja schließlich wissen wie steil die 
Amplitude bei höheren Frequenzen abfällt. Die immer vorhandene 
Phasenverschiebung zeigt dir das entsprechende Bode-Plot. Damit hast du 
alles, um dein Filter auf Tauglichkeit zu prüfen.
Gruß Rainer

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