Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Leistungsmerkmale und Verkaufspolitik bei DSOs


von Analoger (Gast)


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Ich arbeite bisher mit 2 älteren analogen Oszilloskopen (100MHz und 
300MHz) und möchte mich mit einem Speicheroszi versorgen. Angeschaut 
habe ich die von Rigol, R&S und auch Agilent. Mit etwas Unverständnis 
nehme ich zur Kenntnis:

Oszilloskope werden so billig wie Drucker gehandelt - gezahlt wird dann 
für die Tinte! Heisst: Ein Gerät wird zum Spotpreis vermarktet und man 
muss für jede mickrige Option der SW bis zu 250,- draufzahlen. Geht's 
noch?

Der Hammer: Das gilt auch für die HW! Der Speicher z.B. ist als upgrade 
verfügbar, man bekommt aber kein Modul mit mehr RAM, sondern einen Code 
zur Freischaltung! Was soll das denn bitte sein? Ich denke, ich lese 
nicht richtig! Bisher war das völlig an mir vorbei gegangen!

Habe mir dann andere Hersteller ausgeschaut, da das Gleiche: Ein 
Oszilloskopkartell?

Der Witz ist, daß sie es sogar bei der Bandbreite so treiben! Früher 
hast du für das teurere Oszi mehr ausgegeben, weil es eine bessere HW 
hatte. Und was ist heute? Mehr Bandbreite erkauft man sich nicht mit 
besserer Elektronik, sondern man entsperrt eine künstliche 
Bandbegrenzungen durch Codes, die richtig ins Geld gehen. Den Vogel 
abgeschossen hat Rigol mit einem MSO, das bei 70MHz 1000,- kostet und 
bei dem man für das upgrade zu 350MHz fast 2000,- draufzahlen muss! Das 
70M hat ALLES drin. Aber die Wegnahme der Bremse verdreifacht den Preis.

Bin ich im Affenstall gelandet?

von Rainer Z. (netzbeschmutzer)


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Was Du schilderst, gibt es auch in anderen Bereichen. Ich hatte 
beruflich mit einem Hörgeräteträger zu tun, welcher mehr als eine 
Grundversorgung benötigte (seinerseits aus beruflichen Gründen, viel 
Kommunitation mit Kundschaft). Die Krankenkassen zahlen gewöhnlich nur 
einen Festbetrag für die Hörgeräte, obwohl Mitglieder Anspruch auf eine 
optimale Versorgung haben.

Langer Rede kurzer Sinn: Auch Hörgeräte-Modelle eines jeweiligen 
Herstellers verwenden einen identischen Chip. Dort werden je nach Modell 
mehr oder weniger Features freigeschaltet, d.h. die Herstellungskosten 
sind die gleichen, aber die Verkaufspreise unterscheiden sich massiv.

Bei modernen Oszilloskopen kenne ich mich nicht aus, ich habe ein 
uraltes Hameg HM 205-3, das für meine Zwecke noch immer reicht. Wenn ich 
Deinen Beitrag lese, bleibe ich bei diesem alten Gerät.

von Ste N. (steno)


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Analoger schrieb:
...
> Bin ich im Affenstall gelandet?

Sieh es doch mal von der positiven Seite. Mit einem einfachen Hack 
bekommst Du für wenig Geld das Spitzenmodell. Natürlich sollte man das 
nur für den privaten Gebrauch machen und warten bis die Garantie 
abgelaufen ist.

von Tom (Gast)


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Rainer Z. schrieb:
> Was Du schilderst, gibt es auch in anderen Bereichen. Ich hatte
> beruflich mit einem Hörgeräteträger zu tun, welcher mehr als eine
> Grundversorgung benötigte (seinerseits aus beruflichen Gründen, viel
> Kommunitation mit Kundschaft). Die Krankenkassen zahlen gewöhnlich nur
> einen Festbetrag für die Hörgeräte, obwohl Mitglieder Anspruch auf eine
> optimale Versorgung haben.
>
> Langer Rede kurzer Sinn: Auch Hörgeräte-Modelle eines jeweiligen
> Herstellers verwenden einen identischen Chip. Dort werden je nach Modell
> mehr oder weniger Features freigeschaltet, d.h. die Herstellungskosten
> sind die gleichen, aber die Verkaufspreise unterscheiden sich massiv.
>
> Bei modernen Oszilloskopen kenne ich mich nicht aus, ich habe ein
> uraltes Hameg HM 205-3, das für meine Zwecke noch immer reicht. Wenn ich
> Deinen Beitrag lese, bleibe ich bei diesem alten Gerät.

Was hat dein Beitrag jetzt mit dem hier zu tun??

von (prx) A. K. (prx)


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Analoger schrieb:
> Bin ich im Affenstall gelandet?

Nein. Nur aus der Traumwelt eines Technikers rausgeflogen und hart in 
der Realität kommerziellen Denkens gelandet. ;-)

Da ist das nämlich nicht unvernünftig, denn Optimierung von Design, 
Fertigung, Support und Bevorratung führt zur Reduktion der Anzahl 
unterschiedlicher aber gleichzeitig produzierter Geräte. Würde man dann 
aber nur exakt ein Modell mit allen Features zum dafür rentablen Preis 
anbieten, bliebe der Einstiegssektor unabgedeckt und damit offen für die 
Konkurrenz. Also bietet man ein funktionsreduziertes Pseudo-Modell 
billiger an und macht die Kohle bei den besseren Modellen und optionalen 
Features.

von Ein Kommentar (Gast)


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Die Produktion ist heutzutage so billig geworden - bei den Stückzahlen 
kostet die Entwicklung eines Low-End Gerätes mehr als sich nachher in 
der Produktion einsparen lässt.

Wahrscheinlich ist die Überlegung:
Wir können 10000 Geräte zu je 2000€ verkaufen. Und dann können wir 
zusätzlich noch 1000 Geräte zu 999€ an Hobbybastler verkaufen. Wenn wir 
das Gerät sowieso schon entwickelt haben, wollen wir die 999 * 1000€ 
auch noch mitnehmen. Wie können wir verhindern, dass Leute die 2000€ 
ausgeben können ein Hobbybastlergerät kaufen.

von Analoger (Gast)


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Die Methodik ist mir durchaus geläufig, nur frage ich mich, warum da SO 
hohe Aufpreise durchsetzbar sind. Immerhin 2000,-. Gibt es da nicht 
einen Hersteller, der ähnlich teuere HW macht und mit weniger Aufpreis 
arbeitet?

Und ja "Hack" habe ich gelesen. Und auch dass es schief gehen kann.

von Ein Kommentar (Gast)


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> SO hohe Aufpreise

Dein Chef rechnet: Brutto kostet ihn ein Entwickler 100.000€ im Jahr. 
Wenn du eine Woche weniger brauchst, sind 3000€ für ein Messgerät ok.

Privat rechnest du: nach Steuern, Miete und Lebenshaltungskosten bleiben 
100€ im Monat übrig. 500€ für ein Messgerät ist richtig Geld.

von (prx) A. K. (prx)


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Analoger schrieb:
> Die Methodik ist mir durchaus geläufig, nur frage ich mich, warum da SO
> hohe Aufpreise durchsetzbar sind.

Rechne anders: Features mit signifikanten Kosten für Entwicklung und 
Support werden auf die Kundschaft umgelegt. Wer keinen optionalen 
Dekoder für den CAN-Bus braucht, der zahlt ihn dann auch nicht. Was 
bedeutet, dass jene, die das brauchen, mehr dafür zahlen müssen, weil 
sich die Kosten auf weniger Kunden verteilen.

Die einfachere und vermutlich zutreffendere Antwort ist aber: Weil sich 
Leute finden, die es bezahlen. Der Preis eines erfolgreichen Gerätes 
bestimmt sich nicht nur daraus, was der Verkäufer dafür kriegen muss um 
summarum Gewinn zu machen, sondern auch, was er auf dem Markt verlangen 
kann, ohne dass die Leute verschreckt abwandern.

von Peyer (Gast)


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Analoger schrieb:
> Die Methodik ist mir durchaus geläufig, nur frage ich mich, warum da SO
> hohe Aufpreise durchsetzbar sind. Immerhin 2000,-. Gibt es da nicht
> einen Hersteller, der ähnlich teuere HW macht und mit weniger Aufpreis
> arbeitet?

Weil jeder Hersteller die teuren Entwicklungskosten hat. Durch den Trick 
kann man sich nur die Entwicklungskosten des einfacheren Gerätes sparen. 
Verzichtet man auf das vereinfachte Gerät, wird die Entwicklung kaum 
günstiger.

von (prx) A. K. (prx)


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Peyer schrieb:
> Weil jeder Hersteller die teuren Entwicklungskosten hat.

Fast. Die Chinesen klauen nicht nur bei uns, sondern auch gegenseitig. 
Mehr oder weniger nachbauen und die Firmware "ausleihen" spart Kosten.

von Rudi S. (Gast)


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Analoger schrieb:
> Oszilloskope werden so billig wie Drucker gehandelt - gezahlt wird dann
> für die Tinte! Heisst: Ein Gerät wird zum Spotpreis vermarktet und man
> muss für jede mickrige Option der SW bis zu 250,- draufzahlen.
> [...]
> Den Vogel
> abgeschossen hat Rigol mit einem MSO, das bei 70MHz 1000,- kostet und
> bei dem man für das upgrade zu 350MHz fast 2000,- draufzahlen muss! Das
> 70M hat ALLES drin. Aber die Wegnahme der Bremse verdreifacht den Preis.

Kuck‘s mal von der Seite an: Der geneigte Käufer bezahlt 1000 € für ein 
70 MHz DSO und freut sich über eine „Ersparnis“ von 2000 € -- weil er 
den Freischaltcode zum 350 MHz MSO (!) schon in der Hosentasche hat.

Ist das nicht ein tolles Verkaufsargument: 1000€ für ein Teil im 
vermeintlichen Gegenwert von 3000€?

Was, wenn der Hersteller die Hacks leakt? Ich habe den Eindruck, viele 
Käufer denken da etwas zu kurz ...

Was bekommst Du denn wirklich an Gegenwert? 4 Kanäle mit je 250 Msps, 8 
bit (eff. <7 bit) Auflösung, keinen Echtzeit-Trigger, Eingangsverstärker 
unter aller Kanone, dafür viel Klicki-Bunti.

Aber Hauptsache 2000 € „gespart“ ...

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