Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Datenblatt lesen


von Lehmann (Gast)


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Hi, ich kämpfe mich durch ein Datenblatt eines Operationsverstärkers. 
Wie ist  das Diagramm zu lesen? Bei 10kHz und keiner kapazitiven Last 
(CL=0) habe ich einen Phasenwinkel von 90°. Kann doch nicht sein!?

von Jochen der Rochen (Gast)


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Warum sollte das deiner Meinung nach nicht sein können?

von Achim S. (Gast)


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Lehmann schrieb:
> eines Operationsverstärkers.

Welcher OPV ist es denn?

Lehmann schrieb:
> Bei 10kHz und keiner kapazitiven Last
> (CL=0) habe ich einen Phasenwinkel von 90°. Kann doch nicht sein!?

Deine Kurven gelten für das Verhalten ohne Rückkopplung (open loop). Je 
nach OPV-Typ und dessen interner Kompensation liegt die erste 
Grenzfrequenz bei einigen Hz, damit hast du bei 10kHz eben noch einen 
Open loop Gain von 45dB und eine Phase von 90°.

Mit Gegenkopplung hast du bei 10kHz wahrscheinlich genau die Verstärkung 
und genau die Phase, die du durch die Gegenkopplun einstellst.

Interessant wird die Kurve, wenn es bei höheren Frequenzen darum geht, 
ob die Leerlaufverstärkung und die Phasenreserve für deine vorgesehene 
Beschaltung noch ausreichen.

von Jens G. (jensig)


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Interessant an diesem Diagramm ist, daß die Phase über 1MHz bei 
Durchschreiten von 0° wieder positiv wird ...

von Lehmann (Gast)


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von Wolfgang (Gast)


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Lehmann schrieb:
> Hi, ich kämpfe mich durch ein Datenblatt eines Operationsverstärkers.
> Wie ist  das Diagramm zu lesen? Bei 10kHz und keiner kapazitiven Last
> (CL=0) habe ich einen Phasenwinkel von 90°. Kann doch nicht sein!?

Doch, der Frequenzgang eines OPs benimmt sich wie ein Tiefpass, d.h. die 
Verstärkung nimmt mit 20dB/Dekade ab. Die Phase benimmt sich 
entsprechend und dreht bei höheren Frequenzen durch weitere TP-Anteile 
weiter. Deshalb ist GBWP eine charakteristische Größe für einen OP.

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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Bei 90 Grad ist das auch kein Operationsverstärker mehr sondern ein 
Operationsdämpfer, -40dB Verstärkung.
Wichtig sind die Kurven um eine Schwingneigung abzuschätzen.

von Wolfgang (Gast)


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Christoph db1uq K. schrieb:
> Bei 90 Grad ist das auch kein Operationsverstärker mehr sondern ein
> Operationsdämpfer, -40dB Verstärkung.

Und für was hältst du die Verstärkungsangabe von +40dB zusammen mit der 
Phase von 90° bei f=10kHz?

von Jens G. (jensig)


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Wolfgang schrieb:
> Christoph db1uq K. schrieb:
>> Bei 90 Grad ist das auch kein Operationsverstärker mehr sondern ein
>> Operationsdämpfer, -40dB Verstärkung.
>
> Und für was hältst du die Verstärkungsangabe von +40dB zusammen mit der
> Phase von 90° bei f=10kHz?

Vielleicht isser auch auf mein Späßchen reingefallen - links -40dB, 
rechts +90° ...

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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Sehr merkwürdig, nirgends eine Schaltung zu der Messung, worauf ist die 
Phasenlage bezogen? In Fig.28 hat der sogar bei 1 kHz ohne kapazitive 
Belastung 90 Grad, und das scheint zu tieferen Frequenzen hin so zu 
bleiben.
Muss wohl mit dem unrealistischen Leerlaufbetrieb zusammenhängen. Im 
alten Datenblatt von National Semiconductor stand auch nichts anderes?

Im Bode-Diagram von ST beginnt die Phase wie erwartet bei 0 Grad
https://www.st.com/en/amplifiers-and-comparators/lmc6482.html
Fig. 17/18
Das ist aber für eine feste Verstärkung von 101 = 40dB gemessen.

: Bearbeitet durch User
von Jens G. (jensig)


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Christoph db1uq K. schrieb:
> Im Bode-Diagram von ST beginnt die Phase wie erwartet bei 0 Grad
> https://www.st.com/en/amplifiers-and-comparators/lmc6482.html
> Fig. 17/18
> Das ist aber für eine feste Verstärkung von 101 = 40dB gemessen.

Ja, das macht auch alles viel mehr Sinn ...

von Christian S. (roehrenvorheizer)


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Lehmann schrieb:
> Wie ist  das Diagramm zu lesen?

Hallo,


die Diagramme auf der Seite 13 des zunächst nicht verlinkten 
Datenblattes zum geheimen aber bekannten R2R-OPV zeigen fast alle 
open-loop-Eigenschaften. Figure 26  oben drüber zeigt fast die gleichen 
charakteristischen Kurven wie das benannte Diagramm Figure 30. Figure 26 
sagt z.B. aus, daß bei 10 kHz Kleinsignal noch etwa 45 dB Verstärkung 
übrig bleiben, egal mit welchem Lastwiderstand über 600 Ohm. Das gleiche 
sieht mal in Figure 30, wenn man ganz links die 10 kHz-Linie hoch geht 
bis zur Geraden. 45 dB links. Somit ist davon auszugehen, daß in Figure 
30 ebenfalls open-loop für die Messung vorausgesetzt wurden.

Bei gegebener Frequenz, z.B. 100 kHz zeigt die Gerade eine Verstärkung 
von 28 dB an, die man links abliest. Geht man auf der 100 kHz-Linie vom 
Schnittpunkt mit der Geraden weiter hoch zur Kurve, und kann rechts die 
Phase ablesen, die etwas weniger als 90 Grad beträgt, sagen wir 85 Grad.

Im Bereich mit nennenwerter Verstärkung herrscht aufgrund des 
Tiefpassverhaltens negative Phasenlage der Ausgangsspannung vor, dagegen 
bei Dämpfung, z.B. in einer invertierenden Schaltung herrscht dann 
positive Phasenlage vor, wie man der unteren Diagrammhälfte unterhalb 
der Null entnehmen kann. Je mehr der OPV dämpfen soll in seiner 
invertierenden Schaltung, desto mehr wird die Phase voreilen. An der 
Phasenskala wurden oben die Minuszeichen wohl extra weg gelassen, um die 
Schrift nicht nach rechts rücken zu müssen. Wie es gemeint ist, sollte 
ja jeder Betrachter wissen...

Man sieht auch, daß der Schnittpunkt der Geraden bei 0 dB Verstärkung 
ziemlich genau bei 1 MHz liegt, was mit dem angegebenen GBW von 1 MHz 
überein stimmt. Bei 1 MHz verstärkt der OPV überhaupt nicht mehr, egal 
ob open loop oder closed loop. Das Signal kommt genauso klein raus wie 
es rein geht.

Tiefpassverhalten ist hier nochmal schön dargestellt am Beispiel eines 
TP erster Ordnung:
https://www.eit.hs-karlsruhe.de/hertz/teil-c-wechselstromtechnik/netzwerke-bei-veraenderlicher-frequenz/amplituden-und-phasengang.html#:~:text=Diese%20Schaltung%20l%C3%A4sst%20also%20die%20tiefen%20Frequenzen%20passieren,%CF%89%20%E2%86%92%20%E2%88%9E%20%CF%86A%20%3D%20-90%C2%B0%20geworden%20ist.

Man möge Fehler korrigieren, wenn meine Einschätzung da falsch sein 
sollte.

mfg

: Bearbeitet durch User
von Lehmann (Gast)


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Christian S. schrieb:
> die Diagramme auf der Seite 13 des zunächst nicht verlinkten
> Datenblattes zum geheimen aber bekannten R2R-OPV zeigen fast alle
> open-loop-Eigenschaften. Figure 26  oben drüber zeigt fast die gleichen
> charakteristischen Kurven wie das benannte Diagramm Figure 30

sorry, da habe ich die Datenblätter von 6482 und 6484 
durcheinandergebracht.

Sehe ich das Diagram meines 1. Posts richtig? Bei 500kHz und CL=1pF 
funktioniert beigefügte Schaltung da durch den Phasendreher von 45° die 
Gegenkopplung eine Gegenkopplung bleibt und keine Mitkopplung wird?

von Achim S. (Gast)


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Lehmann schrieb:
> Sehe ich das Diagram meines 1. Posts richtig? Bei 500kHz und CL=1pF
> funktioniert beigefügte Schaltung da durch den Phasendreher von 45° die
> Gegenkopplung eine Gegenkopplung bleibt und keine Mitkopplung wird?

Mit CL=1pF (wie im Text geschrieben) ist er unity gain stable, die 
Phasenreserver liegt ca. bei 45°.

Mit CL=1nF (wie in deinem Schaltbild gezeigt) geht die Phasenreserve 
gegen Null und er bekommt Schwingneigung.

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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Das Datenblatt von National Semiconductor zeigt schon das gleiche 
Diagramm. Da hatte wohl die "Zarin der Linear-Datenblätter" keinen guten 
Tag.
https://www.electronicdesign.com/archive/article/21799031/whats-all-this-czar-stuff-anyhow
"Also, we have a Czarina of Linear Data Sheets.  And, oh, I almost 
forgot, I also declared myself to be the Czar of Proofreading. "

von Lehmann (Gast)


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Achim S. schrieb:
> Mit CL=1nF (wie in deinem Schaltbild gezeigt) geht die Phasenreserve
> gegen Null und er bekommt Schwingneigung.

ich sehe bei 500kHz und CL=1000pF=1nF eine Phase von 45°. richtig?

von Achim S. (Gast)


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Lehmann schrieb:
> ich sehe bei 500kHz und CL=1000pF=1nF eine Phase von 45°. richtig?

500kHz wäre wohl die Frequenz deines Nutzsignals. Die spielt aber 
keinerlei Rolle dafür, ob der Verstärker stabil oder instabil wird. 
Relevant ist die Schleifenverstärkung und die Frage, ob er noch 
Phasenreserve hat, wenn die Schleifenverstärkung >= 1 ist.

Dein Spannungsfolger hat eine Signalverstärkung=1 (die Rückkopplung 
bringt das volle Ausgangssignal wieder zum Eingang), demnach ist die 
Schleifenverstärkung identisch zu Leerlaufverstärkung des OPV. Du musst 
also in deinem Diagramm schauen, wie viel Phasenreserve noch vorhanden 
ist, wenn die Leerlaufverstärkung die 0dB erreicht. Das ist laut 
Diagramm mit CL=1nF bei ca. 900kHz der Fall, und die Phasenreserve 
nähert sich dort stark der Null. Der Verstärker wird entweder "nervös" 
(kräftiges Überschwingen) oder instabil.

von Lehmann (Gast)


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Danke soweit.

Das heißt: Bei CL=0 kommt es nicht zum Schwingen da die Verstärkung dann 
-25dB beträgt?

von Wolfgang (Gast)


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Lehmann schrieb:
> Bei 500kHz und CL=1pF
> funktioniert beigefügte Schaltung da durch den Phasendreher von 45° die
> Gegenkopplung eine Gegenkopplung bleibt und keine Mitkopplung wird?

Das ist das Geheimnis der Phasenreserve bei einem gegengekoppelten 
System.

von Achim S. (Gast)


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Lehmann schrieb:
> Das heißt: Bei CL=0 kommt es nicht zum Schwingen da die Verstärkung dann
> -25dB beträgt?

Nein. Bei CL=0 erreicht die Phase bei ca. 3,3MHz die Nulllinie. Bei 
dieser Frequenz beträgt der open loop gain ca. -15dB, nicht -25dB. 
Schwinggefahr besteht also nicht.

Wie viel Phasenreserve du bei CL=0 hast, habe ich dir weiter oben schon 
beschrieben. (bei ca. 1,2MHz wird der open loop gain 0dB, die 
Phasenreserve ist ca. 45°)

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