Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Wie gefährlich sind Tantal-Kondensatoren an Schaltreglern?


von Felix (Gast)


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Hallo Zusammen,

Ich habe hier eine Hobby-Schaltung von vor ein paar Monaten liegen und 
bin mir unsicher, ob ich die überhaupt gefahrlos betreiben kann.

Verbaut ist ein Schaltspannungsregler LM2575D2T-5R4G und die Schaltung 
ist genau nach Datenblatt erfolgt (s. Bild). Nur wurden aus Platzgründen 
Tantal-Kondensatoren für Cin und Cout verwendet und zwar 16V 100uF für 
den 12V Input und 10V 330uF für den 5V Output. Der 12V Input ist 
immerhin mit einer 1A Feinsicherung versehen.

Wie gefährlich in puncto Brandgefahr ist der Einsatz von Tantals an 
einem Schaltregler und besonders wenn die Nennspannung so dicht an der 
tatsächlichen liegt?

Danke und LG

von Bauform B. (bauformb)


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Felix schrieb:
> 16V 100uF für den 12V Input

Geregelte 12V oder Kfz-Bordnetz? Das macht den Unterschied zwischen 
viel-zu-knapp und explodiert-praktisch-sofort.

Schaut euch mal Al-Polymer-Elkos an. Mir scheint, deren einziger 
Nachteil ist der erlaubte Ripplestrom bei niedrigen Frequenzen. Mit dem 
LM2575 liegt ihr evt. so in der Mitte. Auf jeden Fall brennen die wie 
normale Elkos.

Ein Kompromiss wären Tantal-Polymer. Im Gegensatz zu den klassischen 
Tantals bringen die keinen eigenen Sauerstoff mit, brennen also viel 
unspektakulärer bis garnicht. Dann gibt es noch Typen mit 100% 
Surge-Test. Also, Tantal ist wirklich nicht gleich Tantal.

von Bert 0. (maschinist)


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Tantal-Cs rund um Schaltregler sind potentiell gefährlich, da hast Du 
recht.

Allerdings ist Dein Ansatz falsch: Aus Platzgründen verwendest Du 
Tantal, aber dennoch den uralten LM2575 mit nur 52kHz Schaltfrequenz und 
vergleichsweise riesigem Gehäuse.

Sinnvoller wäre es, einen moderneren Schaltregler, etwa im 1MHz Bereich 
zu wählen und die damit entsprechend niedrigeren Kapazitätswerte mit 
Keramik-Cs abzudecken, wenn keine Elkos eingesetzt werden sollen.

Gruß... Bert

: Bearbeitet durch User
von PC-Freak (Gast)


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Bert 0. schrieb:
> Tantal-Cs rund um Schaltregler sind potentiell gefährlich, da hast Du
> recht.

Dann würden jeden Tag Laptops explodieren. Tun sie aber nicht.

von Martin S. (sirnails)


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Bert 0. schrieb:
> Tantal-Cs rund um Schaltregler sind potentiell gefährlich, da hast
> Du
> recht.

Nein, hat er nicht. Tantal brauchen eine große Reserve zur Nennspannung. 
Und wenn die besteht (zum Scheitelwert), und man nur etwa maximal 70% 
ausnutzt, dann ist man eigentlich halbwegs auf der sicheren Seite.

Ich persönlich würde Tantal nur dann einsetzen, wenn der Hersteller das 
in seinem Datenblatt so angibt. Anonsten gibt's bessere Alternativen, 
die zwar größer sind, aber zumindest failsafe sind.

> Allerdings ist Dein Ansatz falsch: Aus Platzgründen verwendest Du
> Tantal, aber dennoch den uralten LM2575 mit nur 52kHz Schaltfrequenz und
> vergleichsweise riesigem Gehäuse.

Dafür hat er weit weniger ESD Probleme. Du kennst die 
Entscheidungsgründe nicht.

> Sinnvoller wäre es, einen moderneren Schaltregler, etwa im 1MHz Bereich
> zu wählen und die damit entsprechend niedrigeren Kapazitätswerte mit
> Keramik-Cs abzudecken, wenn keine Elkos eingesetzt werden sollen.

Die auch alles andere als klein sein werden. Schau Dir mal die Kapazität 
von Kerkos bei 1 MHz an.

von Peter D. (peda)


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Felix schrieb:
> Wie gefährlich in puncto Brandgefahr ist der Einsatz von Tantals an
> einem Schaltregler und besonders wenn die Nennspannung so dicht an der
> tatsächlichen liegt?

Tantals explodieren hauptsächlich durch den Einschaltstromstoß, daher 
nimmt man sie nicht für Spannungsregler direkt am Eingang.
Eine Brandgefahr besteht nicht, da elektronische Bauteile typisch 
schlecht entflammbar sind. Sobald der Tantal sich verbraucht hat, 
verlöscht alles wieder.

von Martin S. (sirnails)


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Martin S. schrieb:
> maximal 70% ausnutzt

50% sollte es heißen.

von MaWin (Gast)


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Felix schrieb:
> Wie gefährlich in puncto Brandgefahr ist der Einsatz von Tantals an
> einem Schaltregler

Also ich kann berichten, dass mir ein uA78D40 mit 5V auf 25V wirklich 
den 68uF/35V Ausgangstantal in Rauch aufgehen liess, inklusive einer 
seitlich austretenden Stichflamme, da aber nur Elektronikzeugs drumrum 
war ging das von alleine wieder aus.

Hinterher habe ich dann gelesen, dass Tantals keinen hohen Ripplestrom 
mögen.

Ebenso hat es mir mal alle Tantaltropfenkondensatoren auf einer Platine 
in Rauch aufgehen lassen bloss weil ich das eingeschaltete Netzteil 
einsteckte statt schon eingesteckt einzuschalten. Harte Einschaltströme 
sind auch nichts für die.

Es gibt aber Tantals die als robuster beworben werden und der übliche 
Hinweis lautet: nimm die doppelte Spannung.

von Martin S. (sirnails)


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Mit Einschaltströmen hat das weniger zu tun, außer der Stromimpuls ist 
so groß, dass er sich durch den Ri auf > 450°C erhitzt. Da braucht es 
viel Strom dafür gemessen an den extrem kurzen Zeiten.

Wahrscheinlicher ist, dass im Einschaltmoment ein starkes Überschwingen 
der Spannung auftritt, und das schlägt die Oxidschicht sofort durch.

35V Tantal bei einem 25V effektiv Schaltregler ist weit unter der 50% 
Regel.

Ansonsten Tantal-Polymer oder Tantal mit Flüssigelektrolyt verwenden. Da 
hat man diese Probleme nicht.

von ohje (Gast)


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MaWin schrieb:
> Es gibt aber Tantals die als robuster beworben werden und der übliche
> Hinweis lautet: nimm die doppelte Spannung.

Haha, hier im Forum wurde ich mehrfach aufs übelste angekläfft für die 
Aussage. Dabei empfehlen das die Hersteller. Teils zumindest. Aber die 
Menge der Datenblattabstinenzler hier ist leider groß.

Das Problem mit inrush-Strömen ist übrigens hinlänglich bekannt, und man 
kann das in diversen Appnotes zum Einsatz von Tantals lesen. Die muss 
man aber auch lesen.

Bei meinem Arbeitgeber werden jedenfalls seit 30 Jahren Tantals in 
Schaltreglern verwendet, und es sind keine erhöhten Ausfallsraten 
bekannt. Und unsere Produkte haben eine lange Lebensdauer im Feld (>20 
Jahre) und sind oft 24h/7d in Betrieb, wir reden da auch von Stückzahlen 
im Bereich 100k-1M die wir da in Betrieb haben.

Ein "allgemeines" Problem gibt es nicht.

Es gibt sowieso mehrere Sorten Tantalkondensatoren.
Ta-Polymer verhalten sich beispielsweise anders.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Martin S. schrieb:
> Tantal brauchen eine große Reserve zur Nennspannung.
> Und wenn die besteht (zum Scheitelwert), und man nur etwa maximal 70%
> ausnutzt, dann ist man eigentlich halbwegs auf der sicheren Seite.
Kann ich bestätigen. Ich habe selbst zigtausende Industriesteuerungen 
mit Tantal-Cs an den Schaltreglern. Und dann kommt in 5V-Zweige einfach 
ein 16V-Tantal rein.

Martin S. schrieb:
> Wahrscheinlicher ist, dass im Einschaltmoment ein starkes Überschwingen
> der Spannung auftritt, und das schlägt die Oxidschicht sofort durch.
Das erscheint mir sehr plausibel.
Und was sie gar nicht mögen, ist Verpolung. Das tragen sie dann auch 
nach anschließender korrekter Polung "lebenslang" nach. Wenn auch dieses 
Leben nicht mehr lang ist...

Felix schrieb:
> 16V 100uF für den 12V Input und 10V 330uF für den 5V Output.
Der Ausgang ist unktitisch, weil/wenn dort keine Überspannung zu 
erwarten ist.
Aber wenn der Eingang steckbar ist, dann kann es je nach Quelle schon 
mal "Britzeln" beim Einstecken und so ein "Gebritzel" zeugt von höheren 
Spannungen. Und wenn da schon 12V normal sind, dann ist bis 16V eben 
keine brauchbare Reserve.

: Bearbeitet durch Moderator
von Bernd W. (berndwiebus) Benutzerseite


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Hallo Bauform B.

Bauform B. schrieb:

> Geregelte 12V oder Kfz-Bordnetz? Das macht den Unterschied zwischen
> viel-zu-knapp und explodiert-praktisch-sofort.

Oh ja.

> Ein Kompromiss wären Tantal-Polymer. Im Gegensatz zu den klassischen
> Tantals bringen die keinen eigenen Sauerstoff mit, brennen also viel
> unspektakulärer bis garnicht. Dann gibt es noch Typen mit 100%
> Surge-Test. Also, Tantal ist wirklich nicht gleich Tantal.

Richtig.

Ein Tipp für den TO: Mal nach den materiellen und strukturellen 
Eigenschaften
von Tantal Kondensatoren schauen:
Beispiel:
https://www.newark.com/pdfs/techarticles/kemet/Replacing-MnO2-with-Conductive-Polymer-in-Tantalum-Capacitors.pdf

Persönliche Erfahrung: Direkt nach dem Schaltregler nur keramische 
Kondensatoren, am besten COG/NP0 wegen den Piezoeffekten, und statt 
einem großen besser mehrere kleine paralell, aber ein paar cm weiter 
weg, und im Idealfall hinter einer Entstördrossel (bedämpft) können 
schon Tantals sitzen. Und direkt paralell über den Tantals eine 
Supressordiode.

Mit freundlichem Gruß: Bernd Wiebus alias dl1eic
http://www.l02.de

von Felix (Gast)


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Bauform B. schrieb:
> Geregelte 12V oder Kfz-Bordnetz?

Kommt aus einem "normalen" 12V-3A-Netzteil.

Nach euren Tipps würde ich dann für eine Neuauflage einfach 
Alu-Elektrolyt nehmen mit ausreichend hoher Nennspannung und versuchen 
das platztechnisch irgendwie hinzubiegen.

von ohje (Gast)


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Lothar M. schrieb:
> Martin S. schrieb:
>> Wahrscheinlicher ist, dass im Einschaltmoment ein starkes Überschwingen
>> der Spannung auftritt, und das schlägt die Oxidschicht sofort durch.
> Das erscheint mir sehr plausibel.
> Und was sie gar nicht mögen, ist Verpolung. Das tragen sie dann auch
> nach anschließender korrekter Polung "lebenslang" nach. Wenn auch dieses
> Leben nicht mehr lang ist...

Ich mache dahingehend Messungen bei Standardmässig jeder Inbetriebnahme 
einer Platine. Mit dem längsten zulässigen Kabel, und hart aufschalten 
(falls das eine Anforderung ist).

Sowas ist SEHR lehrreich.

Auf die Art findet man schnell heraus, warum manche Entwickler große 
Elkos auf die Platinen packen, obwohl der Zweck nicht sofort ersichtlich 
ist.
Und man lernt schnell, warum Schalter bei DC ein Problem sein können. 
Wir haben eine Lösung mit PMOS dafür. Die wiederrum eigene Probleme 
mitbringt.

Klemmen mit Z-Dioden (wie solche SMAJ) klappt nur sehr bedingt. Wenn man 
bei jedem Einschalten hart an die oberste Grenze rennt, ist das der 
Lebensdauer nicht zuträglich.

Ja, die liebe Stromversorgung. Das meistunterschätzte Problem in der 
Elektronik.

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