Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Schütz mit Sicherheitsfunktionen? Gegen Kleben usw.


von Schützi (Gast)


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Hallo,

eine Eigenschaft von Schützen ist ja dass potenziell die Möglichkeit 
besteht dass die Kontakte des Schützes "kleben" bleiben und dieses nicht 
mehr abfällt. Insbesondere bei langer Lebenszeit und ggf. auch Betrieb 
außerhalb der Spezifikationen.

Wenn ich jetzt an Maschinenbau etc. denke - installiert man ja meistens 
einen Öffner-Schalter(NOT-Aus) der bei betätigen eben ein Schütz 
abschalten/abfallen lässt.

Wenn dieses jetzt kleben würde, würde die Anlage weiterlaufen.

Gibt es für diesen Zweck erweiterte Schütze mit Funktionen die sowas 
oder ähnliches überwachen? Extra für Personenschutz etc.? Haben Schütze 
für solche Zwecke besondere Normen etc.?

Mit freundlichen Grüßen

: Verschoben durch Moderator
von M. P. (matze7779)


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Ja das gibt es.
Aber die Überwachung ist sehr kompliziert:

- Not-Aus drücken

Anlage noch an --> Kaputt

von Mein lieber Schwan (Gast)


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Anlage aus! Oh da ist ja noch Saft drin!

von lambda (Gast)


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Häufig verwendet man auch zwei Schütze in Reihe und wertet die 
Spiegelkontakte individuell aus. Wenn ein Schütz beim Abschalten nicht 
öffnet, lässt sich nicht mehr einschalten bis repariert wurde.

Dass beide Schütze beim gleichen Schaltvorgang kleben bleiben ist eher 
unwahrscheinlich.
Je nach Sicherheitsbedarf werden dann eben weitere Schutzvorrichtungen 
(z.B. Schutztür) nicht freigeben.

von Martin V. (oldmax)


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Hi
Man kann, um die Sicherheit zu erhöhen, zwei Schütze in Reihe schalten 
und die Hilfskontakte entsprechend auswerten. So kenne ich das aus 
Industrieanlagen.
Gruß oldmax

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Schütze mit sogen. zwangsgeführten Kontakten sind für diesen Fall 
gedacht. Da werden die Kontakte bei Bedarf auseinandergerissen.

von HochSkillen (Gast)


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Matthias S. schrieb:
> Schütze mit sogen. zwangsgeführten Kontakten sind für diesen Fall
> gedacht. Da werden die Kontakte bei Bedarf auseinandergerissen.

Nein: https://www.se.com/ch/de/faqs/FA133247/

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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HochSkillen schrieb:
> Nein: https://www.se.com/ch/de/faqs/FA133247/

Ah, dann hatte ich das falsch verstanden.

von Mario P. (Gast)


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Bei (Not-)Schaltern gibt es zwangsöffnende Kontakte. Bei Diesen
Matthias S. schrieb
> werden die Kontakte bei Bedarf auseinandergerissen.

Mario P.

von usuru (Gast)


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M. P. schrieb:
> Aber die Überwachung ist sehr kompliziert:
> - Not-Aus drücken
> Anlage noch an --> Kaputt

Sogar bei meiner China-Drehbank steht in der Bedienungsanleitung, dass 
man den not-aus-Knopf gelegentlich betätigen soll, um die 
Schutzschaltung zu überprüfen.

von emergency (Gast)


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Seit einiger Zeit gibts vor allem den Not-Halt, das ist was deutlich 
anderes als ein Not-Aus. An den Bedienpanels hab ich schon lange kein 
Not-Aus mehr gesehen.
Mein Stand ist, dass beim Not-Halt an sehr fetten Werkzeugmaschinen die 
Motoren sonstwas machen, ggf. auch der Zwischenkreis voll bestromt 
bleibt. Hauptsache keine Bewegung mehr.

von Gunnar F. (gufi36)


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nö, einfach zwei Schütze in Reihe, zeitversetzt einschalten. Der erste 
kann nicht kleben, weil ohne Last geschaltet wird.

von Wahlschweizer (Gast)


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Schützi schrieb:
> Gibt es für diesen Zweck erweiterte Schütze mit Funktionen die sowas
> oder ähnliches überwachen? Extra für Personenschutz etc.? Haben Schütze
> für solche Zwecke besondere Normen etc.?

Die Begriffe die Du suchst: Sicherheitsrelais / Sicherheitsschaltgeräte

von Metius (Gast)


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Schützi schrieb:
> eine Eigenschaft von Schützen ist ja dass potenziell die Möglichkeit
> besteht dass die Kontakte des Schützes "kleben" bleiben und dieses nicht
> mehr abfällt. Insbesondere bei langer Lebenszeit und ggf. auch Betrieb
> außerhalb der Spezifikationen.

Die "Lebenszeit" ist nicht so relevant wie die Anzahl der Schaltspiele. 
Der Betrieb außerhalb der Spezifikation ist grob fahrlässig. Wird eine 
Norm wie z.B EN ISO 13849 verwendet wird schon bei der kleinsten 
Sicherheitskategorie folgendes gefordert:
Die sicherheitsbezogenen Teile von
Steuerungen und/oder ihre Schutzeinrichtungen sowie ihre Bauteile müssen
in Übereinstimmung mit den zutreffenden Normen so gestaltet, gebaut,
ausgewählt, zusammengestellt und
kombiniert werden, dass sie den zu
erwartenden Einflüssen standhalten
können.


>
> Wenn ich jetzt an Maschinenbau etc. denke - installiert man ja meistens
> einen Öffner-Schalter(NOT-Aus) der bei betätigen eben ein Schütz
> abschalten/abfallen lässt.

Not-Aus != Not-Halt
Hier ist sicherlich der Not-Halt gemeint. Je nach Anforderung auch zwei 
Öffnerkontakte am Schalter und zwei Schütze (die im übrigen auch noch 
überwacht werden müssen).
Bei geringen Anforderungen an die Sicherheit kann auch schon mal ein 
Kontakt und ein Schütz/Relais ausreichen.



> Wenn dieses jetzt kleben würde, würde die Anlage weiterlaufen.
Korrekt. Das darf nicht passieren.

>
> Gibt es für diesen Zweck erweiterte Schütze mit Funktionen die sowas
> oder ähnliches überwachen? Extra für Personenschutz etc.? Haben Schütze
> für solche Zwecke besondere Normen etc.?
Es gibt Relaisbaugruppen die bereits Redundanz (zwei Relais und 
Überwachung) enthalten und ein Teil der Sicherheitsfunktion vereinfachen 
(z.B RLY3-MULT100 oder UE48-3OS). Es gibt auch komplexere Geräte wie 
"sichere Motorstarter" von Phönix.
Für eine Applikation die dem Personenschutz dient ist aber noch ein 
wenig mehr zu  beachten. Hier ein wenig zum nachlesen:
https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/3145

Und natürlich gibt es auch Normen für Schütze Relais: DIN EN IEC 
60947-4-1

Gruß

von Patrick Star (Gast)


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Schützi schrieb:
> Betrieb außerhalb der Spezifikationen (...)
> Wenn ich jetzt an Maschinenbau etc. denke - installiert man ja meistens
> einen Öffner-Schalter(NOT-Aus) der bei betätigen eben ein Schütz
> abschalten/abfallen lässt.

Und dann auch noch sicherheitskritischer Schalt-(bzw. Trenn-)Elemente?

Das darf nicht passieren. Und passiert es dennoch, ist der Entwickler
"out of spec" (deshalb normalerweise schnellstens "out of employment").

Wie kamst Du denn darauf?

Na, immerhin nanntest Du "Maschinenbau" und "Not-Aus" nur als eine Art
Beispiel... vielleicht meintest Du das ja im Grunde auch (/nicht) so?

Schützi schrieb:
> eine Eigenschaft von Schützen ist ja dass potenziell die Möglichkeit
> besteht dass die Kontakte des Schützes "kleben" bleiben und dieses nicht
> mehr abfällt. Insbesondere bei langer Lebenszeit

Allgemeine Maßnahme um Relais vor Verschleiß und kleben zu schützen:

Genaugenommen könnte auch jeglicher Stromkreis unter Last von einem
Halbleiter-Schaltelement (AC = TRIAC oder Thyristoren; DC = Thyristor
(Einzahl) oder Transistor) geschlossen, und erst daraufhin von einem
Relaiskontakt überbrückt werden. (Zwecks Öffnung des Stromkreises halt 
dasselbe in umgekehrter Reihenfolge: Halbleiterschalter zuletzt öffnen.)

So wird Schalten unter Last vermieden bei diesem Relais, und es wird
nicht kleben (/können), ja nicht einmal wesentlich verschleißen. Und
trotzdem kann man von seinem niedrigen Spannungsabfall profitieren.

Zweites Relais seriell jeweils noch vor dem Halbleiterschalter ein
und nach ihm aus ... macht aus der Sache wieder eine "galvanische
Trennung". Da dieses sowieso nie unter Last geschaltet wird, wird es
ebensowenig verschleißen (oder kleben).


Noch mal: Die letzte Beschreibung enthält KEINE Anleitung zu einem
Selbstbau eines Sicherheits-Schaltgerätes (obwohl das eigentlich ja eh
aus der Beschreibung hervorgehen sollte - sicher ist sicher) ... sondern
einzig und alleine eine Option, Relais vor dem Kleben/sogar jeglichem 
Verschleiß, zu bewahren, und dennoch die galvanische Trennung zu nutzen.

Man braucht halt zusätzlich einen entspr. Halbleiterschalter und auch
statt einem ZWEI Relais entspr. Stromtragfähigkeit. Und übrigens: Von
"Betrieb außerhalb der Spezifikationen" handelt auch DIESE Geschichte
in keinster Weise. Weil man das vernünftigerweise einfach nicht macht.

von Spaßvogel (Gast)


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Das mag jetzt etwa 20 Jahre her sein, als ich mit meinem Nachbarn ins 
Gespräch kam. Als er mitgekriegt hat, daß ich Elekrotechniker bin, 
wollte er mir unbedingt etwas mitteilen. Das schien ihm am Herzen zu 
liegen.
Er war Servicetechniker und mit Reparatur/Wartung von Röntgengeräten in 
Röntgenlaboren beschäftigt.
Er sagte, manchmal kommt es vor, daß so ein Hauptschütz kleben bleibt.
Dann bekommt der Patient das Strahlungspaket nicht nur Millisekunden ab, 
sondern es können mitunter Sekunden vergehen, bis es jemand gemerkt hat. 
Gut, wir haben es nicht weiter vertieft. Aber irgendwie ist das doch 
eine ganz dumme Sache? Ich habe es nicht vergessen.

Beitrag #7004020 wurde von einem Moderator gelöscht.
von HildeK (Gast)


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Gunnar F. schrieb:
> nö, einfach zwei Schütze in Reihe, zeitversetzt einschalten. Der erste
> kann nicht kleben, weil ohne Last geschaltet wird.

Dann muss aber auch festgestellt werden, ob das zweite nicht doch 
geklebt hat. Denn dann ist das erste der Schalter der Last und kann in 
absehbarer Zeit auch kleben.

Patrick Star schrieb:
> Genaugenommen könnte auch jeglicher Stromkreis unter Last von einem
> Halbleiter-Schaltelement (AC = TRIAC oder Thyristoren; DC = Thyristor
> (Einzahl) oder Transistor) geschlossen, und erst daraufhin von einem
> Relaiskontakt überbrückt werden. (Zwecks Öffnung des Stromkreises halt
> dasselbe in umgekehrter Reihenfolge: Halbleiterschalter zuletzt öffnen.)

Hier gilt das selbe. Man muss feststellen können, dass das 
Halbleiterelement auch noch funktionsfähig ist. Sonst schaltet eben ohne 
erkennbaren Unterschied nur noch das Schütz.

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Spaßvogel schrieb:
> Er sagte, manchmal kommt es vor, daß so ein Hauptschütz kleben bleibt.

Mein Papa hat über 40 Jahre ein Röntgeninstitut betrieben und so ein 
Fall ist nie eingetreten. Es wurde sowohl die Hochspannung zur Röhre mit 
Ölschaltern geschaltet als auch das Netzteil über Schütze. Es gab zwar 
überall Not-Aus Pilze, aber die wurden nie gebraucht, ausser bei der 
Prüfung.

von Clemens S. (zoggl)


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Metius schrieb:
> https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/3145

Danke für das Dokument.

Schande über diesen Verein. Wer es heute nicht schafft ein 
Inhaltsverzeichnis mit funktionierenden Kapitellinks zu erstellen, 
sollte mit Faxgeräten gesteinigt werden.

Hier auf Seite 14 & 16 hast du eine brauchbare Schaltung:
http://antriebstechnik.fh-stralsund.de/1024x768/Dokumentenframe/Kompendium/Sicherheitshandbuch/Sicherheitshandbuch.pdf


sg

von Gunnar F. (gufi36)


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Matthias S. schrieb:
> Mein Papa hat über 40 Jahre ein Röntgeninstitut betrieben und so ein
> Fall ist nie eingetreten.

Meine Oma wurde nie vom Bus überfahren!
Und???

von Karl B. (gustav)


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von Patrick Star (Gast)


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HildeK schrieb:
> Patrick Star schrieb:
>> Genaugenommen könnte auch jeglicher Stromkreis unter Last von einem
>> Halbleiter-Schaltelement (AC = TRIAC oder Thyristoren; DC = Thyristor
>> (Einzahl) oder Transistor) geschlossen, und erst daraufhin von einem
>> Relaiskontakt überbrückt werden. (Zwecks Öffnung des Stromkreises halt
>> dasselbe in umgekehrter Reihenfolge: Halbleiterschalter zuletzt öffnen.)
>
> Hier gilt das selbe. Man muss feststellen können, dass das
> Halbleiterelement auch noch funktionsfähig ist. Sonst schaltet eben ohne
> erkennbaren Unterschied nur noch das Schütz.

Jein, da hast Du mich wohl mißverstanden: "Muß" nur, wo wirklich muß.

Patrick Star schrieb:
> Allgemeine Maßnahme um Relais vor Verschleiß und kleben zu schützen:
> (...)
> Noch mal: (und vor allem der auf ":" folgende Absatz)

Dabei ging es mir also nur um Verschleiß- bis Klebe-Vermeidung i. A.

(Weil sich der TO laut erster Hälfte der TE zumindest nicht_nur für
sicherheitskritisches zu interessieren schien, ...)

Natürlich: Für ausr. relevante Sachen wird man _Sicherheits_-Maßnahmen
auch mal ergreifen, wenn/wo es nicht auch per Norm vorgegeben ist.

Ob man das Sensorisch macht und/oder mittels Hardwareverriegelung, ist
einem dann selbst freigestellt. Man könnte alles mögliche kombinieren.
(Sogar freiwillige PILZkultur ist nicht ausgeschlossen.)

von Peter D. (peda)


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Matthias S. schrieb:
> Mein Papa hat über 40 Jahre ein Röntgeninstitut betrieben und so ein
> Fall ist nie eingetreten. Es wurde sowohl die Hochspannung zur Röhre mit
> Ölschaltern geschaltet als auch das Netzteil über Schütze.

Wir verwenden weder riesen Schütze noch Ölschalter.
Die Interlocks schalten einfach die 15V zum PWM-IC (SG3525) ab. Die 
Zwischenkreisspannung 380V liegt also ständig an, sobald das Gerät 
eingeschaltet ist. Aber ohne die 15V kann der PWM-IC keinen Takt 
erzeugen und alle IGBTs in der Leistungsstufe bleiben gesperrt, d.h. der 
HV-Ausgang bleibt sicher auf 0V.

Im Regelmodus wird die HV mit 2 Spannungsteilern überwacht. Stellt die 
Bedien-CPU eine zu große Spannungsdifferenz fest, wird ausgeschaltet.
In HV-Spannungsteilern kann ja ein Widerstand hochohmig werden oder ein 
Kondensator/TVS-Diode durchschlagen. Bei nur einem Spannungsteiler würde 
dann die Regelung auf den Endwert hochlaufen.

Mit etwas Überlegung kann man es vermeiden, die Punkte mit der höchsten 
Belastung zu schalten und hat trotzdem keine Einbuße in Bezug auf die 
Sicherheit.

: Bearbeitet durch User
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