Forum: Platinen Gibt es Überlegungen zum PCB-Design in einer vibrierenden Umgebung?


von Sarina A. (Firma: SDAE) (1sarina)


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Mein Board wird mechanischen Vibrationen von bis zu 3 kHz ausgesetzt 
sein. Ich habe das Brett fest gesichert, um den mechanischen Abstand zu 
minimieren. Dadurch stelle ich sicher, dass mein Board nicht 
herumspringt oder bei einigen Harmonischen destruktiv vibriert. 
Allerdings dämpfe ich die Vibration nicht.

Meine Intuition sagt mir, dass die Lebensdauer meines Boards durch diese 
ständige mechanische Belastung verkürzt wird, aber ich kenne die Schwere 
dieser Auswirkungen nicht a priori. Natürlich werden alle meine 
Komponenten diese Vibration erfahren ...

Gibt es Richtlinien für das PCB-Design in vibrierender Umgebung? Haben 
Sie einfache Ratschläge zur Umsetzung?

Ich habe mein Bestes versucht, um die Komponentenhöhe zu minimieren. Ich 
überlege vielleicht, das Board in Epoxid zu tauchen, wenn das hilft? 
Oder versuchen Sie vielleicht, die Vibration zu dämpfen (aber das 
scheint eine teure Lösung zu sein).



Vielen Dank!

: Verschoben durch Moderator
von pegelwendler (Gast)


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Vibration dämpfen ist nicht teuer.
Blindmutter aus Neopren 40 Cent pro Stück
https://www.reichelt.de/at/de/blindmutter-9-7mm-12-7mm-bm-m5-12-7-p53589.html

Lüfter-Dämpfungs-"Spätzle" 3 Euro für 4 Stück
https://www.reichelt.de/at/de/luefterbefestigung-zur-schwingungsdaempfung-4er-pack-inl-36201i-p143778.html

Gummipuffer 2 Euro pro Stück
https://www.conrad.de/de/p/pb-fastener-110090-gewindepuffer-innengewinde-m3-hoehe-8-mm-1-st-546418.html

Sowas benutzen ist auf alle Fälle besser als nix.

Gummischeiben bringen übrigens nichts, solange die Schraube aus Metall 
ist.

von ths (Gast)


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Platine mit RTV 3140 3 mm dick beschichten.

von Sigma (Gast)


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So spontan würde ich sagen dass man die Platine in Silikon oder komplett 
im Bauschaum einbetten könnte.

von Günni (Gast)


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Ich würde das Board fest an einem Rahmen befestigen und diesen dann mit 
Vibrationsdämpfern montieren. Durch die zusätliche Rahmenmasse sinkt die 
Resonanzfrequenz und die 3 kHz erreichen das Board selbst nicht mehr. 
Für das Board selbst reichen dann FR4 oder vergleichbare Materialien, 
wobei die Stärke nicht zu gering sein sollte.

von HildeK (Gast)


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Auch beim Layout kann man Vorkehrungen treffen. So sollten z.B. 
Keramik-Cs (SMD) nicht zu nahe am Rand liegen und quer zur langen 
Boardkante.

von Ahnungs L. (ahnungsloser_2)


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Vielleicht findest Du in diesem Video noch etwas inspiration:

https://www.youtube.com/watch?v=1Y2L6QLOi-c&t=1080s

von LMGTFY (Gast)


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von Hannes J. (Firma: _⌨_) (pnuebergang)


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Sarina A. schrieb:
> Gibt es Richtlinien für das PCB-Design in vibrierender Umgebung? Haben
> Sie einfache Ratschläge zur Umsetzung?

Es gibt zum Beipiel die NASA Workmanship Standards
https://nepp.nasa.gov/index.cfm/5511

Wie man da auch sehen kann wurden einige der NASA-eigenen Standards 
mittlerweile durch IPC-Standards ersetzt.

von Olaf (Gast)


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> Mein Board wird mechanischen Vibrationen von bis zu 3 kHz ausgesetzt
> sein.

Was sollen denn das fuer Anforderungen sein?

Es gibt verschiedene Klassen (z.B 3M5) und auch eine Norm(IEC 
60721-3-3).

https://www.etsi.org/deliver/etsi_en/300001_300099/3000190203/02.02.01_40/en_3000190203v020201o.pdf

Das ganze ist aehnlich wie ein Surge oder Burst test. Du definierst 
deine Anforderungen, bestehst den Test und hoffst dann das es fuer die 
Praxis auch noch reicht.

Eine Schaltung so auszulegen das sie diese Tests immer besteht ist 
genauso einfach wie eine Schaltung zu entwickeln die immer auf Anhieb 
durch den EMV-Test kommt. :-D Mit anderen Worten das ist unmoeglich, 
aber mit der Erfahrung steigt die Wahrscheinlichkeit das es einem doch 
gelingt.

Unser allseits beliebter Australier hat dazu mal ein lustiges Video 
gemacht:

https://www.youtube.com/watch?v=1Y2L6QLOi-c

Den Vibrator den du da sehen kannst ist eine billige Methode das auf dem 
eigenen Schreibtisch vorzutesten bevor es dann an den richtigen Test in 
ein Testlabor geht.

Ausserdem musst du noch unterscheiden ob deine Schaltung den Test nur 
ueberleben soll oder ob sie dabei auch noch vernuenftig funktioniert. 
Letzeres ist anstrengender. .-)

Olaf

von Sigma (Gast)


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Ahnungs L. schrieb:
> Vielleicht findest Du in diesem Video noch etwas inspiration:
> https://www.youtube.com/watch?v=1Y2L6QLOi-c&t=1080s

Auch die Kommentare sind wertvoll:

BobC
vor 4 Monaten
Als ich Instrumente für Flugzeuge entwickelte, verwendeten wir zwei 
Schütteltische.  Der eine befand sich in einer 
Temperatur-/Feuchtigkeitskammer, der andere in der Mitte eines 3 m 
großen Magnetfeldwürfels.  Der Tisch in der Klimakammer war zweiachsig 
(XY), der andere einachsig (Z).  Wir mussten die Instrumente 
verschiedenen betrieblichen Vibrationsprofilen unterziehen, um die 
Umweltspezifikationen für Propellerflugzeuge, Jets und Hubschrauber zu 
erfüllen.  Ein kompletter Vibrationstestlauf würde fast eine Woche 
dauern, vorausgesetzt, alles lief gut.

Auf den Rütteltischen haben wir so viel gelernt.  Früher haben wir 
unsere Instrumente eingegossen, bis ein Schütteltisch-Test zeigte, dass 
das eingegossene Instrument leichter beschädigt wurde als das nicht 
eingegossene.  Also haben wir stattdessen nur noch konforme 
Beschichtungen verwendet.  Wir stellten auch fest, dass Blechänderungen 
durch den Wechsel des Lieferanten die Resonanzen der Instrumente stark 
beeinflussen konnten, obwohl das Metallmaterial von jeder Quelle 
denselben Spezifikationen entsprach. Dies konnte durch das Einpressen 
von Rippen in Schlüsselbereiche behoben werden, so dass wir eine größere 
Auswahl an Blechmaterial verwenden konnten.  Bei einigen Instrumenten 
verwendeten wir Ultracaps als vorübergehende Notstromversorgung.  Diese 
fielen bei den Schwingungstests allesamt durch.  Wir haben alle von 
Digikey angebotenen Ultracaps getestet.  Wir mussten einige mit 
kundenspezifischen mechanischen Änderungen anfertigen lassen (Maxwell 
war bei uns vor Ort) und sie dann in einem Metallkäfig unterbringen, der 
das Schwingungsspektrum, dem die Ultracaps ausgesetzt waren, anpasste. 
Allein dieses Projekt beschäftigte unsere Schütteltische zwei Monate 
lang.

Die meisten Rütteltische können keine hohen Amplitudenimpulse liefern. 
Als ich eine superrobuste Ultra-Hochgeschwindigkeits-Digitalvideokamera 
entwickelt habe, waren wir mehr an einer hohen Impulsantwort 
interessiert als an Schwingungsmoden.  Also haben wir uns ein bisschen 
wie Höhlenmenschen verhalten: Wir montierten die Kamera auf einer großen 
Stahlplatte, befestigten einen 3-Achsen-Referenzbeschleunigungsmesser 
daran und schlugen dann mit einem Vorschlaghammer auf die Rückseite der 
Platte, wobei wir die Kamera in 26 verschiedenen Ausrichtungen (6 
Flächen, 12 Kanten, 8 Ecken) montierten.  Die Kamera wurde bei 
Crashtests in Autos und bei Tests von Raketensprengköpfen im Umkreis von 
10 Metern eingesetzt.  Sie war für eine Lebensdauer von 100g-Einschlägen 
ausgelegt.

von Olaf (Gast)


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> Auch die Kommentare sind wertvoll:

Ja, das kann ich nur unterstreichen. Man koennte zwar so ein paar
allgemeine Tips geben, aber letztlich kommt es auf sehr viele
kleine Details an. Aber teilweise widerspricht sich das auch,
nicht jede Loesung ist ueberall die beste oder auch nur eine
gut funktionierende.
Das ist ein typisches Beispiel wo man den Unterschied zwischen
jemanden frisch von der Uni und jemanden der das schon 20Jahre
macht und doppelt so viel verdient, sieht. .-)

Olaf

von Cyblord -. (cyblord)


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Sigma schrieb:
> So spontan würde ich sagen dass man die Platine in Silikon oder komplett
> im Bauschaum einbetten könnte.

Oder halt in, dafür entwickelte, Vergussmasse.

von Fpgakuechle K. (Gast)


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Sarina A. schrieb:

>
> Meine Intuition sagt mir, dass die Lebensdauer meines Boards durch diese
> ständige mechanische Belastung verkürzt wird,

Denk doch den Gedanken zu Ende und entscheide Dich gegen eine gedruckte 
Leiterkarte in dieser Umgebung. Nicht umsonst benutzt man die 
mechanische Elastizität eines WireWraps Aufbaus in 'gerüttelten 
Situationen'.

https://en.wikipedia.org/wiki/Wire_wrap

Und natürlich gehört eine Risikoanalyse dazu, wenn schon ein Ausfall 
wahrscheinlich ist, dann packt man nur das nötigste und ungefährliche in 
die gefärdete Komponente, alles andere lagert man aus. Vielleicht 
ersetzt man auch den µC mit dem ganzen beiwerk durch eine kleine 
diskrete Schaltung? Oder gerade andersrum? Weniger Bauteile, 
Verbindungsstellen, weniger Ausfälle.

Bei den Steckern etc schaut man auf arretierbare (lockable)  zum Löten 
gibt es auch Bauformen die besser hierfür geeignet sind als ander, bspw 
statt BGA CGA (column grid array). Bauteile nach MIL-Normen gelten als 
robuster auch resp. Vibrationen als die nach Consumer Standard.

https://nepp.nasa.gov/files/22577/11_129_JPL_Ghaffarian_Reliability%20of%20CGA%20LGA%20HDI%20Package%20Board%20Assembly%20JPL%20pub%2012-3_%20%20%20%20%20%202%2028%2012.pdf

Und wenn es unbedingt vergossen werden soll (was nicht unbedingt eine 
schlaue Idee ist) legt man die Schaltung von Anfang darauf aus. 
Hitzeabfuhr ist schlechter, Isolation (kriechstrom) ist besser. das hat 
Auswirkungen auf die Platzierung. Aber eigentlich kommt SMD einem Verguß 
schon recht nahe, also warum in diesem Fall noch alles zukleistern?!

https://www.osti.gov/pages/servlets/purl/1356221

Und natürlich sichert man alle Designentscheidungen durch Tests und 
Experimente ab, muss man halt mehrere Prototypen bauen. Bauen nach 
Hörensagen genügt nicht.

von Sarina A. (Firma: SDAE) (1sarina)


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Sarina A. schrieb:
> Mein Board wird mechanischen Vibrationen von bis zu 3 kHz ausgesetzt
> sein. Ich habe das Brett fest gesichert, um den mechanischen Abstand zu
> minimieren. Dadurch stelle ich sicher, dass mein Board nicht
> herumspringt oder bei einigen Harmonischen destruktiv vibriert.
> Allerdings dämpfe ich die Vibration nicht.
> https://1921681001.id/
> Meine Intuition sagt mir, dass die Lebensdauer meines Boards durch diese
> ständige mechanische Belastung verkürzt wird, aber ich kenne die Schwere
> dieser Auswirkungen nicht a priori. Natürlich werden alle meine
> Komponenten diese Vibration erfahren ...
> https://19216811.cam/
> Gibt es Richtlinien für das PCB-Design in vibrierender Umgebung? Haben
> Sie einfache Ratschläge zur Umsetzung?
>
> Ich habe mein Bestes versucht, um die Komponentenhöhe zu minimieren. Ich
> überlege vielleicht, das Board in Epoxid zu tauchen, wenn das hilft?
> Oder versuchen Sie vielleicht, die Vibration zu dämpfen (aber das
> scheint eine teure Lösung zu sein).
>
>
>
> Vielen Dank!


I got this,....

I got this,...

von Georg (Gast)


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Fpgakuechle K. schrieb:
> Nicht umsonst benutzt man die
> mechanische Elastizität eines WireWraps Aufbaus

Schon mal SMD-Widerstände gewirewrapt?

Georg

von Purzel H. (hacky)


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Richtlinien... erst muss man die Anforderunegn erfasst haben. Ja, es 
gibt MIL Normen, fuer zB Einbau in Panzer, Orbitalraketen, kann man 
nachlesen. Und das muss man dann auch messen koennen. Dafuer gibt es 
dann auch Testlabs, die Testen das fuer die zahlungskraeftige 
Kundschaft.
Man nimmt einen Schwingtisch, der kann die Frequenz durchsweepen, und 
mit einem synchronisierten Stroboskop kann man die mechanischen 
Schwingungen sichtbar machen. So schaut man sich die Schwingungsmoden 
an, und versucht das Ganze zu optimieren. Sinnvollerweise unterstuetzt 
man den Prozess mit Simulations Software.

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