Forum: Offtopic Begeisterung ist der Schlüssel


von Georg M. (g_m)


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FUNKAMATEUR, Editorials
Juni 2009

Begeisterung ist der Schlüssel

Ich bin 20 Jahre alt, funk- und elektronikbegeisterter Schüler an einem 
beruflichen Gymnasium mit der Fachrichtung Elektrotechnik und habe u. a. 
im FA 3/08, S. 300, die Modifikation eines BOS-Funkgeräts beschrieben. 
Als Angehöriger einer vermeintlich nicht mehr für den Amateurfunk zu 
begeisternden Generation melde ich mich hier erneut zu Wort.

Überall klagt man im Bereich der Elektronik und anderen technischen 
Wissenschaftsbereichen über Nachwuchsprobleme. Eine Erklärung für dieses 
Problem ist schnell gefunden: die „bösen“ Computerspiele, mit denen 
Kinder und Jugendliche ihre Zeit viel lieber verbringen. In der 
Vergangenheit war der Grund das übermäßige Fernsehen…

Man sollte sich besser einmal Gedanken machen, wieso Computerspiele so 
beliebt sind: Sie führen schnell zu Erfolgen, die Heranwachsende 
anderswo leider immer weniger erleben.

So fand ich es immer wieder merkwürdig, dass sich meine Lehrer an der 
Berufsfachschule wunderten, wieso Schüler nicht begeistert sind, wenn 
sie nach zwei Monaten trockener Theorie über das ohmsche Gesetz eine LED 
zum Leuchten bringen dürfen. Würde man die LED zuerst zum Leuchten 
bringen (Erfolgserlebnis) und erst dann Hintergründe untersuchen, wäre 
eine ganz andere Motivation gegeben. Jede „Was-passiert-wenn-Frage“ 
sollte von einem Praxisbeispiel begleitet werden. Der Aufwand ist dabei 
oft geringer als alles Gerede über die Theorie, das dann noch dreimal 
wiederholt werden muss, weil keiner dem Unterricht folgt…

Warum zweifelt niemand die eigene Methodenkompetenz an und versucht, sie 
modernen Erfordernissen anzupassen? Einfach zu sagen, dass die 
Jugendlichen nicht mehr für wissenschaftliche Themen zu begeistern sind 
und es dabei zu belassen, ist zu einfach. So ist es leider auch in dem 
ansonsten sehr sehenswerten Kurzfilm des WDR über Amateurfunk vom 18. 
April 2009 geschehen, der in dessen Mediathek hoffentlich beim 
Erscheinen dieser Ausgabe noch über tinyurl . com/covxn3 verfügbar ist.

Je praxisnäher etwas demonstriert wird, desto einfacher ist es, 
Jugendliche zu begeistern. Die Wheatstone-Brücke mit vier Widerständen 
und einem Voltmeter ist nicht halb so attraktiv wie eine nach demselben 
Prinzip aufgebaute Temperaturanzeige! Jedes noch so langweilige Thema 
mit einem interessanten Praxisbeispiel zu würzen, ist mit Sicherheit der 
richtige Weg. Die Frage nach dem „Warum“ kommt dann aus Neugier schon 
von ganz allein! Und wenn Sie selbst Kinder haben, sollten Sie nicht 
vergessen, dass gerade Ihr Vorbild und Ihre Aufmerksamkeit für die 
Ausprägung der Interessen Ihres Nachwuchses von immenser Bedeutung sind.

Haben die Ortsverbände in den vergangenen Jahren wirklich alle 
Möglichkeiten ausgeschöpft, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren? 
Wenn ein Jugendlicher nicht aktiv danach sucht, kommt er mit Themen wie 
Amateurfunk eher nicht in Berührung. Es ist, als ob man ein Produkt 
verkaufen wollte, ohne dafür zu werben. Dass etwas so nicht 
funktioniert, mussten schon viele Unternehmen schmerzhaft erfahren.

Lassen Sie es nicht so weit kommen. Überdenken Sie Ihre 
Methodenkompetenz und betreiben Sie aktiv Werbung für unser Hobby! Gehen 
Sie mit Ihren OV-Kollegen in die Schulen − Gelegenheiten gibt es sicher 
genug, man muss es nur wollen und die eigene Begeisterung weitergeben.

Sebastian Westerhold


https://www.funkamateur.de/editorials.html

von Percy N. (vox_bovi)


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Georg M. schrieb:
> Warum zweifelt niemand die eigene Methodenkompetenz an und versucht, sie
> modernen Erfordernissen anzupassen?

Georg M. schrieb:
> Je praxisnäher etwas demonstriert wird, desto einfacher ist es,
> Jugendliche zu begeistern.

Zwecklos. Ich habe vor Jahrzehnten einer Medizinstudentin (ca 5. 
Semester) die Elektroden eines DMM ihm Ohmbereich in die Hände gedrückt 
und sie aufgefordert, die Anzeige zu beachten (wobei ich ihre Hände 
gehalten habe). Dann meinte ich zu ihr "Dir ist klar, dass da jetzt ein 
Strom durch Deinen Körper fließt?"

Der Effekt war hochinteressant: Die Anzeige ging immer weiter in den 
Keller, ja lauter das Mädel kreischte ...

Begeisterung habe ich bei ihr nicht feststellen können, aber vielleicht 
gebrach es mir damals an Empathie.

von Christoph Z. (christophz)


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Percy N. schrieb:
> Zwecklos. Ich habe vor Jahrzehnten einer Medizinstudentin

n=1 -> geh mal weiter Händchen halten, bis du dir ein Urteil bildest 
(Klingt jetzt nicht nach dem unangehnemsten Hobby :-) )

von Joe G. (feinmechaniker) Benutzerseite


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Ich denke, mit mehr als 30 Jahren Berufstätigkeit an unterschiedlichen 
Bildungseinrichtungen ein gewisses Maß an Lehrkompetenz zu besitzen. In 
dieser Zeit habe ich unzählige Varianten der angeblich „modernen“ 
Wissensvermittlung kennengelernt. Jede neue Variante war DAS Heilmittel. 
Wenn es jedoch so einfach wäre, dann würde der Stein des Weisen schon 
längst benutzt werden. Leider ist das Problem viel zu vielschichtig und 
komplex, zudem vom jeweiligen Zeitgeist abhängig, um DIE Lösung zu 
haben.

PS: Warum betreiben Unternehmensberater eigentlich nie erfolgreich ein 
eigenes Unternehmen?

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Joe G. schrieb:
> PS: Warum betreiben Unternehmensberater eigentlich nie erfolgreich ein
> eigenes Unternehmen?
Sagen wir mal so: es reicht prinzipiell aus, wenn ich genug andere 
Unternehmen scheitern oder gewinnen gesehen und die Gründe analysiert 
habe. Dann kann ich schon mal Tipps geben, denn man muss ja nicht jeden 
Fehler selber machen.

Allerdings ist das Problem tatsächlich, dass der durchschnittliche 
Unternehmensberater genau dieses Ergebnis seiner Arbeit mangels 
Bezahlung nicht (in ausreichendem zeitlichen Abstand) betrachtet...

von Mario M. (thelonging)


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Joe G. schrieb:
> PS: Warum betreiben Unternehmensberater eigentlich nie erfolgreich ein
> eigenes Unternehmen?

Unternehmensberater sind wie Eunuchen. Sie wissen wie es geht.

von Gerald K. (geku)


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Mario M. schrieb:
> Unternehmensberater sind wie Eunuchen. Sie wissen wie es geht.

In der Theorie klappts, nur bei der Umsetzung gibt's Probleme.

: Bearbeitet durch User
von Harald W. (wilhelms)


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Georg M. schrieb:

> Begeisterung ist der Schlüssel

Hmm, ich habe grade versucht, damit meine Wohnungstür zu öffnen.
Hat nicht geklappt. :-)

> So fand ich es immer wieder merkwürdig, dass sich meine Lehrer an der
> Berufsfachschule wunderten, wieso Schüler nicht begeistert sind, wenn
> sie nach zwei Monaten trockener Theorie über das ohmsche Gesetz eine LED
> zum Leuchten bringen dürfen.

Ist es nicht so, das die Berufsfachschule für die Theorie zuständig ist 
und der Ausbildunsbetrieb für die Praxis?

> Haben die Ortsverbände in den vergangenen Jahren wirklich alle
> Möglichkeiten ausgeschöpft, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren?

Im Herbst ist in Hannover wieder eine Makerfair geplant. Da wird
sicherlich auch wieder der Amateurfung gezeigt. Auf der letzten
Makerfair haben sie sogar einewn eigenen Mittelwellensender gezeigt.

Bezüglich Theorie und Praxis: Wer sich wirklich für einen elektro-
nische Ausbildung entscheidet, sollte auch zuhause etwas basteln.

von Jonny O. (-geo-)


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Joe G. schrieb:
> PS: Warum betreiben Unternehmensberater eigentlich nie erfolgreich ein
> eigenes Unternehmen?

tun sie doch. Eine Unternehmensberatung ist ein Unternehmen. :)

von Percy N. (vox_bovi)


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Christoph Z. schrieb:
> geh mal weiter Händchen halten, bis du dir ein Urteil bildest
Dann aber ohne Multimeter!
> (Klingt
> jetzt nicht nach dem unangehnemsten Hobby :-) )
Je nachdem, wie sehr es knistert, wenn der Funke überspringt ;-)

: Bearbeitet durch User
von Jens G. (jensig)


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Harald W. schrieb:
>> Begeisterung ist der Schlüssel
>
> Hmm, ich habe grade versucht, damit meine Wohnungstür zu öffnen.
> Hat nicht geklappt. :-)

Vielleicht war sie ja schon offen ... ;-)

von Percy N. (vox_bovi)


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Jens G. schrieb:
> Harald W. schrieb:
>
>>> Begeisterung ist der Schlüssel
>>
>> Hmm, ich habe grade versucht, damit meine Wohnungstür zu öffnen.
>> Hat nicht geklappt. :-)
>
> Vielleicht war sie ja schon offen ... ;-)

Ja, daran ist mancher ein Leben lang gescheitert!

Beitrag #7085622 wurde von einem Moderator gelöscht.
von Sebastian W. (balticlab)


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Das mir mein Editorial aus dem Jahr 2009 hier deutlich über 10 Jahre 
später noch einmal über den Weg läuft, hätte ich nicht gedacht. Freut 
mich aber um so mehr.

Weniger freut es mich zu sehen, dass die Methodenkompetenz immer noch 
ein Problem ist. Es können halt nicht viele Leute so erklären/ lehren, 
dass es andere Personen mitreißt und diese zu begeisterten 
lerninteressierten Personen macht.

Zeitgleich kratzt es halt sehr am Ego, wenn Jemand einsehen müsste, dass 
er einfach langweilig im erklären ist und es doch nicht so sehr am 
Gegenüber liegt.

von Max M. (Gast)


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Georg M. schrieb:
> Begeisterung ist der Schlüssel
>
> Ich bin 20 Jahre alt, funk- und elektronikbegeisterter Schüler

Da habe ich aufgehört zu lesen.
Wenn mir ein 20J Schüler Bubi erzählen möchte das Begeisterung der 
Schlüssel ist um in der Arbeitsrealität zu bestehen, bin ich raus.

Der Gute ist jetzt wohl 33J.
Fragen wir ihn doch heute mal ob er sein Hobby zum Beruf gemacht hat und 
wie viel Begeisterung ihn heute überkommt.
Das ist kein Ponyhof in den Entwicklungabteilungen.

von Sebastian W. (balticlab)


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Max M. schrieb:
> Da habe ich aufgehört zu lesen.
> Wenn mir ein 20J Schüler Bubi erzählen möchte das Begeisterung der
> Schlüssel ist um in der Arbeitsrealität zu bestehen, bin ich raus.

Nicht so verbittert. Nur, weil bei vielen älteren Arbeit und 
Begeisterung wenig miteinander zu tun haben, muss man das nicht der 
jüngeren Generation auch versauen. Außerdem hat Niemand gesagt, dass 
Begeisterung der Schlüssel zur Berufswelt ist. Wobei es zweifelsohne 
sehr nützlich wäre. Es geht ums Lernen. Die meisten Fachlehrer gestalten 
ihren Unterricht ungefähr genau so spannend wie ein kleiner grauer Stein 
am Straßenrand es wäre.

> Der Gute ist jetzt wohl 33J.
> Fragen wir ihn doch heute mal ob er sein Hobby zum Beruf gemacht hat und
> wie viel Begeisterung ihn heute überkommt.
> Das ist kein Ponyhof in den Entwicklungabteilungen.

Mach das doch mal und lass uns wissen was er sagt. Meine Vermutung aus 
meiner Glaskugel gelesen wäre wie folgt: Er hat sein Hobby auf jeden 
Fall zum Beruf gemacht. Er ist sicher immer noch sehr begeistert von 
elektrotechnischen Herausforderungen und das einzige was ihn in der 
Arbeitsrealität nervt und dämpft sind die alten Ingenieure, die meinen 
absolut alles zu wissen, regelmäßig eine "Früher haben wir... / Früher 
mussten wir auch... / Ihr habt es heute so leicht...."-Story zu erzählen 
während der Autor des Editorials sich vermutlich denkt "Dein dickes Ego 
passt nicht zu deinem veralteten, lernresistenten Wissen".
Und in jedem Fall wird er selbst aus seinem Editorial verinnerlicht 
haben erst sich selbst und seine Methoden in Frage zu stellen, bevor er 
über die lernunfähige Jugend flucht in einer verzweifelten Hoffnung dem 
antiken eigenen Wissenschwund noch künstlich etwas länger ein wenig 
Relevanz zuzumessen.

Ist zwar nur eine Vermutung was er sagen würde, meine Glaskugel lag da 
aber noch nie falsch.

: Bearbeitet durch User
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