Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Welche Elektronischen Bauteile müssen vor ESD geschützt werden?


von ambaum (Gast)


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Hi,

Ich möchte eine kleines PCB designen, mit welchem ich einige Sensoren 
einlesen kann und LED's dimmen kann. Da ein Touchscreen an meinem 
Raspberry hängt, und somit die mehrheit meiner GPIO's besetzt sind, 
möchte ich den PCF8574 und PCA9685 als i2c Expander verwenden. Mit dem 
PCF8574 kann ich Eingänge lesen und mit dem PCA9685 möchte ich mein 
LED-Strip dimmen.

Ich kenne mich damit nicht allzu gut aus, jedoch weiss ich, dass es 
sinnvoll wäre, meine Elektronik vor elektrostatischer Entladung zu 
schützen. Anscheinend sollen 10kV Entladespannung nicht unüblich sein.

Wie schütze ich meine Geräte und welche geräte muss ich schützen? Habe 
gehört, dass mittels einfachen Massnahmen schon viel getan ist. Habe bei 
den I2C-Treibern im Datenblatt eine angabe von 2kV 
ESD-SPannungsfestigkeit gelesen, was ja deutlich unter der Spannung 
liegt, welche ein Mensch/möglicher Blitzeinschlag der elektronik abgeben 
kann.

Mich würde vor allem interessieren, welche Bauteile üblicherweise 
geschützt sind, warum diese geschützt werden müssen und wie diese 
Bauteile geschützt werden müssen. Ist zum grossteil auch einfach 
persönliches interesse, da meine elektronik ja nur für den hobbygebrauch 
zuhause gedacht ist.

Ich freue mich über einige interessante Antworten, vielen Dank

: Verschoben durch Moderator
von Stefan F. (Gast)


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ambaum schrieb:
> Wie schütze ich meine Geräte und welche Geräte muss ich schützen?

Dazu muss man erst einmal wissen, wo vor genau du sie schützen willst, 
und wie viel es kosten darf. 100% Schutz gibt es nicht. Aber für viel 
Geld ist viel Schutz zu haben. Doch niemand möchte Geld verschwenden.

Dann braucht man die Schaltungsunterlagen deiner Geräte, sowie 
Informationen zum mechanischen Aufbau (Stecker, Gehäuse, etc).
Und man braucht Informationen über den Aufstellort, um darauf Abzuleiten 
mit welchem Risiko welche Störungen zu erwarten sind.

Auf jeden Fall gibt es dazu eigene Fachbücher uns sogar eine Fachfirmen 
die beraten und testen. Man kann das nicht mal weben schnell im Rahmen 
einer Diskussion vermitteln.

> Habe bei den I2C-Treibern im Datenblatt eine Angabe von 2kV
> ESD-SPannungsfestigkeit gelesen

Da würde ich nochmal genau hinschauen. Die "Absolute Maximum Ratings" 
dürfen niemals (egal wie kurz) überschritten werden. Will sagen: Wenn du 
2kV an zwei Pins anlegst, geht das IC garantiert sofort kaputt. Es geht 
auch bei 20V schon sofort kaputt.

Im Fall von ESD beziehen sich die Angaben immer auf eine gewisse (sehr 
geringe) Energiemenge in Kombination mit einem hohen Quellwiderstand. 
Wenn du dir einen Polyester-Pulli über frisch gewaschene Haare ziehst 
und dann direkt einen Pin von einem IC anfasst, macht es "Fitsch" und er 
ist mit einer hoher Wahrscheinlichkeit kaputt.

von Noch ein Kommentar (Gast)


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Beim Raspi bekommst du andere Probleme. Die Störungen verurachen 
Systemabstürze. Am empfindlichsten ist das USB. Schon alleine 50m Kabel 
an den GPIOs bringen die Treiber durcheinander. Defekte Hardware durch 
statische kV sind nicht so das große Problem.

Ich schlage vor, ignoriere ESP zunächst mal. Baue einen Prototypen auf 
Lochrasterplatine. Nach einem Jahr siehst du dann, ob die ESD Probleme 
zu nerfig werden.

von MaWin (Gast)


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ambaum schrieb:
> welche Bauteile üblicherweise geschützt sind,

Halbleiter.

Besonders kritisch kleine MOSFETs.

Halbkritisch CMOS ICs.

Wenn von einem Pin eine Spanningsdifferenz grösser x gegenüber Masse 
auftreten kann  ist es gefährdet.

Wenn der Pin abgeblockt wird gegen Masse, z.B. über die bekannten 100nF, 
geht der ESD Impuls in den Kondensator und gefährdet das Bauteil nich 
weiter.

Leider geht das nur bei Versorgungsspannungsanschlüssen.

Liegen vor dem Pin grössere Widerstande (z.B. 100k) sind die Pins auch 
geschützt, zumindest wenn sie Eingangsschutzdioden haben. Das geht aber 
nur an Eingängen.

MOSFETs sind geschützt, wenn an ihrem Gate höhere Spannungen verhindert 
werden, durch eine Z-Diode zum Source oder weil sie an einem IC Ausgang 
hängen


Ein Ausgang ist deutlich niederohmiger und damit unempfindlicher, aber 
gehen einen direkten Treffer auch nicht gefeit.

Wenn dem Ausgang was nachgeschaltet ist, z.B. ein Transistor, ist er 
aber nicht betroffen.

LED Treiber haben oft eine ESD Robustheit im Datenblatt genannt.

von michael_ (Gast)


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ambaum schrieb:
> Mich würde vor allem interessieren, welche Bauteile üblicherweise
> geschützt sind, warum diese geschützt werden müssen und wie diese
> Bauteile geschützt werden müssen. Ist zum grossteil auch einfach
> persönliches interesse, da meine elektronik ja nur für den hobbygebrauch
> zuhause gedacht ist.

Im Hobbybereich brauchst du dir keinen Kopf machen.
Auch C-MOS Bauteile sind ausreichend geschützt.
Bis auf ganz wenig Ausnahmen. Die du erst mal nicht hast.

von Elektrickser (Gast)


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ambaum schrieb:
> was ja deutlich unter der Spannung
> liegt, welche ein Mensch/möglicher Blitzeinschlag der elektronik abgeben
> kann.
Täusch dich mal nicht. 2kV hat man schnell zusammen, gerade bei hohen 
Eingangswiderständen.

von michael_ (Gast)


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Aber nur, wenn man in seiner Bastelbude Kunstfaserteppich, Rollsessel, 
Kunstfaserklamotten, Plasteschuhe hat.
Und dazu übertriebene Reinlichkeit.
An einem versifften Bastelplatz und ungewaschenen Haaren hat ESD keine 
Chance :-)

von Lazy Frog (Gast)


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michael_ schrieb:
> An einem versifften Bastelplatz und ungewaschenen Haaren hat ESD keine
> Chance

Bei den aktuellen hohen Temperaturen bildet sich am Körper zusätzlich 
ein dicker Schweißfilm, der die Kleidung gleichmäßig durchtränkt und 
sämtliche elektrostatische Aufladungen zuverlässig ableitet 🥵

von oszi40 (Gast)


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Ein entscheidender Faktor für statische Aufladungen ist die 
Luftfeuchtigkeit. Im Sommer bei 60% entstehen relativ wenig Funken. In 
der Heizungsperiode trocknet die Luft mehr aus und statische Aufladungen 
kommen häufiger vor.
Ungeschützte MOS-Eingänge sind die problematischsten Fälle. Schon ein 
Blatt Papier auf dem Schreibtisch bewegt, erzeugt eine messbare 
statische Aufladung. Schlimmer noch sind synthetische Textilien und 
Stühle. Deswegen ist bei bestimmten Arbeiten ein Antistatikband am 
Handgelenk recht nützlich, da die Folgen statischer Aufladungen nicht 
immer sofort zu erkennen sind.

von ESD Schutzwart (Gast)


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Stefan ⛄ F. schrieb:
> Dann braucht man die Schaltungsunterlagen deiner Geräte, sowie
> Informationen zum mechanischen Aufbau (Stecker, Gehäuse, etc).
> Und man braucht Informationen über den Aufstellort, um darauf Abzuleiten
> mit welchem Risiko welche Störungen zu erwarten sind.

Dann benötigen wir hier noch den Längen- und Breitengrad, bzw. 
Postleitzahl, Ort und die Straße mit Hausnummer von dem Ort des 
Geschehens. Da jeder Ort sehr speziel sein kann.

von Karl B. (gustav)


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ambaum schrieb:
> Mich würde vor allem interessieren, welche Bauteile üblicherweise
> geschützt sind,

Beispiel BF964
https://www.alldatasheetde.com/datasheet-pdf/pdf/26196/VISHAY/BF964.html
Wie viele mir davon bereits beim Herausnehmen aus dem Antistatikgummi 
und Einlöten kaputtgegangen sind, kann ich garnicht aufzählen.
ESD-Arbeitsplatz-Ausstattung und ESD-Band absolut crucial.

ciao
gustav

von HildeK (Gast)


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> Welche Elektronischen Bauteile müssen vor ESD geschützt werden?
Im professionellen Bereich praktisch alle. Auch in den Datenblättern von 
SMD-Widerständen sind ESD-Angaben drin, hauptsächlich für die 
Verarbeitung.

von Dirk K. (knobikocher)


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ambaum schrieb:
> Anscheinend sollen 10kV Entladespannung nicht unüblich sein.

Korrekt. Siehe
https://de.wikipedia.org/wiki/ESD-Simulationsmodelle

ambaum schrieb:
> Wie schütze ich meine Geräte und welche geräte muss ich schützen? Habe
> gehört, dass mittels einfachen Massnahmen schon viel getan ist.

Transient Voltage Suppressor (TVS) Dioden an Ein- und Ausgängen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Suppressordiode

Bzw. halt überall dort, wo eine Elektrostatische Entladung (englisch 
ESD) stattfinden kann. Wenn du ein Gehäuse um deine PCB haben wirst, 
sind das eben typischerweise alle nach außen verfügbare Ein- und 
Ausgängen.

ambaum schrieb:
> Mich würde vor allem interessieren, welche Bauteile üblicherweise
> geschützt sind,

Alle, die nicht durch ESD in Mitleidenschaft gezogen werden sollen. 
Welche bei z.B. 10mJ oder auch einfach der Spannung von 10kV wie beim 
HBM zerstört oder auch nur geschädigt werden, steht in den 
entsprechenden Datenblättern.

Ein bedrahteter 1k Widerstand geht dadurch nicht kaputt, ein einfacher 
Transistor schon.

Viel Erfolg!

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