Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Anordnung des Anti-Aliasing Filters bei Signalquellen mit hoher Impedanz


von Hannes (Gast)


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Hallo!

Ich möchte gerne das Signal einer Elektrode (Impedanz bis zu 20 kOhm) 
mit einem ADC messen (Eingangsimpedanz ca. 200 kOhm).

Wie sollten dazu Impedanzwandler und Anti-Aliasing Filter angeordnet 
werden und welche Größenordnungen für R und C sind zu empfehlen? Das 
Einganssignal ist im uV Bereich und die Abtastfrequenz des 24-bit 
Delta-Sigma ADCs beträgt 1kHz.

Vielen Dank!

Freundliche Grüße,
Hannes

von Wolfgang (Gast)


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Hannes schrieb:
> Ich möchte gerne das Signal einer Elektrode (Impedanz bis zu 20 kOhm)

Für "bis zu" kann man sich nicht viel kaufen. Mit einem 
Elektrometereingang liegst du auf der sicheren Seite. Ein passiver TP 
hinter dem OP erhöht unnötig die Ausgangsimpedanz. Pack das Filter in 
die Gegenkopplung. Bei einem µV-Signal wirst du sicher auch irgendwo 
verstärken wollen. Und überlege dir, wie du mit der begrenzten Steilheit 
des Filters umgehst. Ein TP erster Ordnung bewirkt noch keine Wunder.

von Hannes (Gast)


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Vielen Dank! An ein Filter in der Gegenkopplung hab ich noch gar nicht 
gedacht.

"Bis zu" 20 kOhm habe ich geschrieben weil die Elektrode Kontakt zur 
Haut hat und die Impedanz somit stark variieren kann. Verstärken kann 
ich das Signal mittels PGA direkt im ADC, wobei eine analoge Verstärkung 
auch gut wäre.

Leider steht nur ein OPV zur Verfügung und ich bin mir nicht sicher, 
welche Filterschaltung die geforderte hohe Eingangsimpedanz liefert.

von Andreas S. (Firma: Schweigstill IT) (schweigstill) Benutzerseite


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Ein offener OP-Eingang ist eine hervorragende Antenne für jegliche Art 
von "HF-Schmutz", der z.B. auch durch parasitäre Effekte im OP 
gleichgerichtet werden kann. Jeder kennt z.B. die typischen 
Störgeräusche durch Mobiltelefone, wenn sie in der Nähe von 
Audiosignalen liegen. Außerdem kommt noch die ESD-Thematik hinzu. 
Deswegen ist es bei Deiner Anwendung äußerst wichtig, schon gleich am 
Eingang eine sehr breitbandige, bis in den GHz-Bereich wirksame 
Filterung vorzusehen, z.B. mittels Ferriten, Durchführungskondensatoren, 
usw.. Hierzu gehört insbesondere auch ein entsprechendes 
Leiterplattenlayout.

Andererseits ist es bei vielen ADC, egal ob SAR oder Delta Sigma, 
wichtig, in unmittelbarer Nähe des Einganges einen kleinen Kondensator 
anzubringen, der die Ladungsinjektion bei internen Schaltvorgängen 
glattbügelt. Üblicherweise nimmt man dafür etwas im Bereich von 100 pF 
bis 1 nF. Bei echt differentiellen Eingängen sind das sinnvollerweise 
sogar drei Kondensatoren; die Hersteller haben meist entsprechende 
Applikationsschriften oder Beispielschaltungen im Datenblatt des ADC. 
Wichtig: sofern der Vorverstärker (OP o.ä.) nicht explizit für hohe 
kapazitive Ausganglasten spezifiziert ist, sollte man zwischen 
OP-Ausgang und besagtem Kondensatoren am ADC-Eingang noch einen 
Serienwiderstand von - je nach OP-Typ und ADC-Eingangswiderstand - 10 
Ohm bis 100 Ohm vorsehen. Natürlich kann man dies auch gleichzeitig als 
zusätzlichen Antialiasingfilter verwenden, dann aber nicht nur mit einem 
hochinduktiven Folienkondensatoren o.ä., sondern unbedingt mit einem 
parallelgeschalteten, kleinen Keramikkondensator direkt am Eingang. Das 
ganze ist auch keine rein e Theorie, sondern ich habe selbst auch schon 
stundenlang nach einem Fehler in der Elektronik und Firmware gesucht, 
der zu einem zunächst unauffälligen Messfehler von ca. 2 % führte und 
deswegen bei der ersten Inbetriebnahme auch gar nicht auffiel. Mit einem 
geeigneten Oszilloskop (2 GHz-Analogbandbreite, 10 GS/s) und zugehörigem 
x-GHz-Differentialtastkopf konnte ich dann bei Messungen direkt am 
ADC-Eingang winzige Spikes beim Umschalten des ADC-Kanäle und dem 
Schalten der S/H-Stufe erkennen. Mit 220 pF und wenigen Millimetern 
Leitungslänge war dann alles in Ordnung.

von Jester (Gast)


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Hannes schrieb:
> die Abtastfrequenz des 24-bit
> Delta-Sigma ADCs beträgt 1kHz.

Willst Du Aliase sicher vermeiden, sollte dein Antialiasfilter bei der 
Nyquistfrequenz eine Dämpfung von 24 x 6dB = 144dB aufweisen.

Einen 1-pol TP muss also ganz schön niederfrequent sein - grob 
überschlagen 24 Oktaven unter 500Hz - in Zahlen also bei rund 0.03 
mHz...

von Andreas S. (Firma: Schweigstill IT) (schweigstill) Benutzerseite


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Jester schrieb:
> Hannes schrieb:
>> die Abtastfrequenz des 24-bit
>> Delta-Sigma ADCs beträgt 1kHz.
>
> Willst Du Aliase sicher vermeiden, sollte dein Antialiasfilter bei der
> Nyquistfrequenz eine Dämpfung von 24 x 6dB = 144dB aufweisen.

Diese Betrachtung gilt aber nicht bei Delta-Sigma-Wandlern. Die 
Ausleserate (1 kHz) entspricht nicht der Abtastfrequenz, die um den 
Faktor 2^n mit n>=5 höher liegt und bezüglich Nyquist relevant ist, da 
üblicherweise in dem ADC selbst ein entsprechendes Filter enthalten ist. 
Anbei zwei Ausschnitte aus dem Datenblatt des Texas Instruments ADS1672. 
f_in ist hierbei die Eingangsfrequenz, f_data die Ausleserate (625 kS/s) 
und f_clk der Takt (20 MHz). Figure 30 verdeutlicht das sehr scharfe 
Einsetzen für Signale in der 1. Nyquistzone, Figure 33 das Verhalten 
über mehrere Nyquistzonen. Folglich muss ein zusätzliches Eingangsfilter 
nur so bemessen sein, dass es im o.a. Fall gemütlich ab ca. 15 MHz eine 
hohe Dämpfung (>= 100 dB) besitzt. Die Ausleserate lässt sich zudem noch 
weiter reduzieren, d.h. auf minimal 78,1 kS/s bei gleichem f_clk, was 
die Sache dann sogar noch weiter entspannt, siehe Table 2.

Bei der ganzen Betrachtung sollte man auch unbedingt auf die ENOB und 
Noise-free Bits achten, d.h. das Eingangsfilter braucht bei dem o.a. 
ADS1672 auch nicht auf die vollen 24 Bit, sondern höchstens 21 Bit 
Auflösung ausgelegt sein. Damit spart man bei einem Tiefpass erster 
Ordnung nochmals drei Oktaven. Wenn überhaupt ein steileres Filter 
benötigt werden sollte, würde sich auch eher ein Sallen-Key-Filter 
anbieten. Ein SC-Filter würde ich auf keinen Fall vor einem 
Delta-Sigma-ADC einsetzen, da hier wiederum sehr hochfrequente Störungen 
durchsickern können und werden. Außerdem schafft das weitere 
Abtasteffekte statt sie zu beseitigen.

: Bearbeitet durch User
von Jester (Gast)


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Andreas S. schrieb:
> Jester schrieb:
>> Hannes schrieb:
>>> die Abtastfrequenz des 24-bit
>>> Delta-Sigma ADCs beträgt 1kHz.
>>
>> Willst Du Aliase sicher vermeiden, sollte dein Antialiasfilter bei der
>> Nyquistfrequenz eine Dämpfung von 24 x 6dB = 144dB aufweisen.
>
> Diese Betrachtung gilt aber nicht bei Delta-Sigma-Wandlern.

Diese Betrachtung gilt IMMER!

Bei Oversampling-ADCs -- darunter fallen meist Delta-Sigma-Wandler, aber 
halt nicht immer und nicht ausschließlich -- kommt einem zugute, dass 
Teile des Antialiasfilters im Chip integriert sein können.

> Die
> Ausleserate (1 kHz) entspricht nicht der Abtastfrequenz, die um den
> Faktor 2^n mit n>=5 höher liegt und bezüglich Nyquist relevant ist, da
> üblicherweise in dem ADC selbst ein entsprechendes Filter enthalten ist.

Ja - aber nur, wenn der ADC "gut gemacht" ist. Und das ist halt nicht 
immer der Fall. Manche 'Kandidaten' (und ich hatte da schon welche) 
kümmert sich mehr schlecht als recht um 50/60Hz Unterdrückung - aber das 
war's dann auch schon. Handzahm sind die Teile in den seltensten Fällen 
-- wenigstens nicht so zahm wie das alte CS5371/CS5376-Gespann.

Worauf ich eigentlich raus wollte: Dem Antialias-Filter wird oft viel zu 
wenig Aufmerksamkeit geschenkt -- egal, ob das nun intern oder extern zu 
liegen kommt.

Dass "idiotische" 1-pol-Filter mit 30 uHz weder realisierbar noch 
praktikabel sind, müsste eigentlich jedem klar sein.

Nur wenn man weiß, welchen ADC der TO einsetzen will, kann man 
entscheiden, ob ein 1-pol-Filter reicht -- oder auch nicht. Freimütige 
Dimensionierungen wie "da nehm ich mal 1kOhm und 100nF" sind hier wenig 
zielführend.

> Bei der ganzen Betrachtung sollte man auch unbedingt auf die ENOB und
> Noise-free Bits achten, d.h. das Eingangsfilter braucht bei dem o.a.
> ADS1672 auch nicht auf die vollen 24 Bit, sondern höchstens 21 Bit
> Auflösung ausgelegt sein.

Andersrum wird ein Schuh draus: Bei 21-bit-Wandler wären 144dB 
Aliasunterdrückung wie Perlen vor die Säue. Und nur weil auf einer 
'Mogelpackung' 24 bit draufsteht, müssen noch lange keine 24 bit drin 
sein. BTDT

Wenn dem TO 20 bit reichen, dann mag er einen ADS1672 einsetzen. Aber 
selbst dann fallen hinten nicht automatisch 20 bit raus.

von Hannes (Gast)


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Bei dem ADC handelt es sich um einen MCP3912.

LG

von Andreas S. (Firma: Schweigstill IT) (schweigstill) Benutzerseite


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Jester schrieb:
> Wenn dem TO 20 bit reichen, dann mag er einen ADS1672 einsetzen. Aber
> selbst dann fallen hinten nicht automatisch 20 bit raus.

Bei dem ADC1672 besonders interessant sind die "schwach periodischen" 
Artefakte in den unteren Bits, die er selbst generiert. Ich war mal 
längere Zeit auf der Suche nach einem schwingenden Vorverstärker und 
wurde nicht fündig. Auch als der Vorverstärker abgeklemmt und der 
differentielle ADC-Eingänge direkt kurzgeschlossen war, trat dieses 
Artefakt unverändert auf. Die Verteilung der Werte entsprach auch 
ziemlich genau der Rauchverteilung in Figure 13, aber ich hätte eher ein 
"typisches Rauschen" und nicht ein als deutlich periodisch erkennbares 
Störsignal erwartet. Für die Anwendung war das auch kein großes Problem, 
aber man muss es eben wissen.

In den anderen Rauschdiagrammen, wie sie im Datenblatt zu finden sind, 
sieht man tatsächlich keinen Peak, der auf diese Periodizität schließen 
lässt. Wahrscheinlich wurde da ein wenig nachgeholfen.

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