Forum: Platinen Wie ätzt die Industrie Platinen?


von Maxl (Gast)


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N Abend,

Mal ne Frage zur industriellen /§professionellen
Fertigung von PCBs. Hab das erste mal bei Jlcpcb
Bestellt.
Da kann man die Videos zu den Fertigungsschritten sehen. Die ätz 
Flüssigkeit sieht dort klar aus,
Weiß man ob in dem Maßstab noch der Feinätzkristall oder gar Salzsäure / 
Wasserstoffperoxid zum Einsatz kommt? Oder wird da was ganz anderes / 
schnelleres Verwendet?

Gruß und schönen Abend noch!

von Roland E. (roland0815)


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Da wird nicht nur geätzt, sondern auch wieder Kupfer auf die Platinen 
abgeschieden.

Ja, völlig anders als zu Hause...

von Thomas R. (Gast)


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So oder ähnlich hatte ich das bei Siem... in meiner Studienzeit in den 
Ferien gemacht - ist aber lange her. Das waren Kleinserien.

beidseitig Kupferfolie
CNC-Bohren
Schleifen, bürsten und waschen
Palladium-Bad damit Kupfer-Atome in den Bohrlöchern kleben bleiben
ins Kupfervitriol-Bad, damit später in den Bohrungen etwas Kupfer bleibt
galvanische CU-Durchkontaktierung eine verstärkte Kupferschicht entsteht
Film negativ entwickeln
chemisch verzinnen, da entstehen Leiterbahnen
Folien abwaschen sog. "Strippen"
Kupfer wegätzen, die verzinnten Leiterbahnen bleiben übrig
zum ätzen wurde eine Mischung aus Salzsäure oder Schwefelsäure mit 
Wasserstoffperoxid verwendet
Platine waschen
Lötstopmaske
Optisch testen

Die Abteilung war ungefähr so groß wie eine Doppelgarage.
Das passt aber nicht ins Badezimmer ;-)

Beste Grüße,
Thomas

von Carsten S. (dg3ycs)


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Hi,

Maxl schrieb:
> Weiß man ob in dem Maßstab noch der Feinätzkristall oder gar Salzsäure /
> Wasserstoffperoxid zum Einsatz kommt? Oder wird da was ganz anderes /
> schnelleres Verwendet?

Es kommt darauf an was du unter "Industriell/Professionell" verstehst.

Bei kleinen und mittleren Fertigungen von KMU Elektronikherstellern für 
den eigenen Leiterplattenbedarf, die früher durchaus mal üblich waren, 
mittlerweile aber seltenheitswert haben dürften, ist/war das Ätzen mit 
sauren Medien wie Kupferchlorid (Nichts anderes ist HCL/H2O2 oder es 
gibt auch Patente ohne H2O2 mit Luftregeneration) sowie Fe(III)Cl 
durchaus üblich. Das ist der Bereich den ich durchaus als Professionell, 
aber nicht als Industriell einordnen würde.

Ätzen mit Persulat kenne ich eigentlich nur aus dem 
Labor-/Prototypenbereich.

Im "Industriellen" Bereich, also die (größeren) Lohnfertiger für 
Leiterplatten oder die Eigenproduktion von wirklich großen Herstellern 
mit Losgrößen im mindestens höheren sechstelligen Bereich und deutlich 
darüber hinaus (wo es die noch gibt und nicht auch auf externe 
Zulieferer gesetzt wird) wird traditionell üblicherweise eher Alkalisch 
geätzt. Also mit einem Ätzmedium auf Amoniakbasis.
(Gibt/Gab da auch das eine oder andere experimentelle Verfahren das aus 
einer Abwandlung davon besteht oder gar ganz anders Funktioniert. Ob 
davon mittlerweile etwas den Schritt aus dem Labor/Versuchsanlage und 
Werbeprospekt in die reale Produktionswelt geschafft hat kann ich nicht 
sagen.)

Der Grund für diese Wahl liegt daran das es gleich ZWEI deutliche 
Vorteile gegenüber den sauren Verfahren bietet:

1. Das Kupfer kann wesentlich einfacher aus der verbrauchten Ätzlösung 
wieder zurückgewonnen und wieder dem Kreislauf hinzugefügt werden, was 
in industriellen Maßstab durchaus ein relevanter Kostenfaktor ist.

In Moderneren Anlagen ist das ganze dann neben der Rückgewinnung des 
Kupfers noch mit einer automatischen Wiederaufbereitung der Ätzlösung 
zur Zudosierung nur der Verbrauchten Anteile (z.B. Amoniak) verbunden so 
das es im Prinzip ein Kreislaufprozess ist bei dem im Vergleich zur 
Einmalnutzung nur ein Bruchteil an Sonderabfall anfällt und auch der 
Verbrauch an Neustoffen deutlich kleiner ist.

Bei den sauren Medien ist eine solche Aufbereitung nicht möglich. Zwar 
kann man bei Kupferchlorid das Ätzmedium in dem Sinne weiterverwenden 
das man es auffrischen kann und die Menge sogar ansteigt, aber 
irgendwann ist der Punkt erreicht wo man die bei jeder weiteren 
Betriebsstunde zusätzlich Anfallende Menge Kupferchlorid einfach keine 
Verwendung mehr hat und man die zusätzlichen Mengen doch als 
Problemstoff entsorgen muss.

Die Rückgewinnung von Kupfer aus den Sauren Medien ist deutlich 
aufwändiger und schon gar nicht in der Form möglich das man es direkt 
wieder in den Materialkreislauf einbringen könnte. Viel mehr muss es die 
kompletten Metallurgischen Prozesse erneut durchlaufen.

2. Bei Basischen Ätzmedien ist es Möglich Zinn als Ätzresist zu 
verwenden.

Bei Professionellen Platinen hat man ja Durchkontaktierungen. Diese 
entstehen dadurch das man Platinen die nur mit einer dünnen 
Kupferschicht beidseitig vorbeschichtet sind zuerst Bohrt, die 
Bohrlöcher von innen Leitfähig macht und dann elektrolytisch so lange 
Kupfer abscheidet bis auf den Aussenseiten die gewünschte Kupferdicke 
(z.B. 35µm, 70µm) erreicht ist.
Startet man dabei z.B. mit Platinen die mit 18µm Vorbeschichtet sind 
muss man dazu 17µm Kupfer nachträglich abscheiden. Danach ist die 
Kupferschicht in den Dukos 17µm dick, aussen dann 17+18µm)

Bei dem "sauren" Ätzen in kleineren Anlagen verfährt man nun so, dass 
man die rohen Platinen zuerst Bohrt, dann auf 35/70/etc. µm Aufkupfert 
und dann mittels als Folie aufgebrachtes Ätzresist die zu erhaltende 
Flächen Schützt. Die Dokus werden dabei von der Folie beidseitig 
überdeckt und so geschützt. Dann wird geätzt.
Der NAchteil dabei ist das, sofern die Folie im Bereich einer 
Durchkontaktierung beschädigt wird, Ätzmedium in das Bohrloch eindringt 
und damit die Durchkontaktierung entweder komplett zerstört (taube DuKo) 
oder beschädigt womit dann eine DuKo mit undefinierten Eigenschaften 
(Widerstand/Stromtragfähigkeit) entsteht.

Bei Industriellen Anlagen wird dagegen der Bereich abgedeckt (Durch die 
auch im obigen sauren Prozess verwendete Folie oder alternativ durch 
einen Lack (Siebdruck oder später Fotostrukturiert) der später entfernt 
werden soll (Das kann je nach Verfahren vor oder auch nach dem 
Aufkupfern passieren). Die Dukos und später zu erhaltene Leiterbahnen 
bleiben also frei.
Dann wird als eigentliches Ätzresist elektrolytisch eine Zinnschicht auf 
alle nicht abgedeckten Bereiche aufgebracht. Das Zinn scheidet sich 
dabei auch innerhalb der Dukos etc ab und bildet auch mechanisch eine 
wesentlich stabilere Schicht als die Resistfolie.
Im Anschluss wird dann die AbdeckFolie oder Lack entfernt und alkalisch 
geätzt. Das Zinn bildet eine stabile Schutzschicht und es werden nur die 
vorher von der Folie/Schutzlack bedeckten Stellen weggeätzt.

Vorteil dieser MEthode ist das die FEhlerquote, insbesondere im Bereich 
der Durchkontaktierungen, deutlich geringer ist. Dieses Verfahren ist 
für Durchkontaktierte Platinen also Prozesssicherer.
(Falls die Abdeckung vor der Aufkupferung stattfindet ist zudem noch 
eine Materialeinsparung beim Aufkupfern und späteren Ätzen sowie ein 
schnellerer Abschluss der Ätzvorgangs möglich).

DAHER ist im Industriellen Bereich das alkalische Ätzen schon lange der 
Standardprozess... Im kleineren MAßstab oder gar im Hobbymaßstab geht 
das prinzipiell zwar auch (habe ich auch schon gemacht) aber es ist 
wesentlich aufwändiger und auf Grund der eingesetzten Stoffe bzw. der 
beim Prozess und insbesondere bei Fehlern freigesetzten Gase auch noch 
einmal einiges Problematische als selbst HCL/H2O2...
Da muss man sehr sehr gut wissen was man macht!
Daher setzt man das im kleinen Maßstab (fast) nicht so ein...
Zumal der Vorteil "Rückgewinnung und Materialkreislauf" dort keine so 
große Rolle spielt.

Gruß
Carsten

Beitrag #7332452 wurde vom Autor gelöscht.
von Matthias S. (mat-sche)


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Hallo Carsten, danke für Deine ausführliche Beschreibung, hat mich schon 
immer interessiert wie industriell das geschieht!

von Dussel (Gast)


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Carsten S. schrieb:
> Die Rückgewinnung von Kupfer aus den Sauren Medien ist deutlich
> aufwändiger und schon gar nicht in der Form möglich das man es direkt
> wieder in den Materialkreislauf einbringen könnte. Viel mehr muss es die
> kompletten Metallurgischen Prozesse erneut durchlaufen.
Wie meinst du das?
In der Kupferraffination wird elektrolytisch hochreines Kupfer aus 
Kupfersulfat abgeschieden. Da beim Ätzen mit Natriumpersulfat (das ist 
sauer, oder?) Kupfersulfat entsteht, müsste 'nur' die Raffination 
wiederholt werden. Andere Verfahren mögen besser sein, aber 
grundsätzlich scheint mir die direkte Kupferrückgewinnung auch bei 
(mindestens einem) sauren Verfahren möglich zu sein.

von Gerald B. (gerald_b)


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Dussel schrieb:
> Da beim Ätzen mit Natriumpersulfat (das ist
> sauer, oder?) Kupfersulfat entsteht, müsste 'nur' die Raffination
> wiederholt werden.

Prinzipiell ja. Nur brauchst du für die Elektrolyse Kupfersulfat ODER 
Kupferclorid, keine Mischungen. Der nächste Punkt ist, wenn das Kupfer 
raus ist, hast du dünne Schwefelsäure, die wieder neutralisiert werden 
muß.
Praktisch geht man eher den Weg, die sauren Ätzbäder leicht in den 
alkalischen Bereich zu bringen, damit die gelösten Kupfersalze als 
Kupferhydroxid ausgefällt werden, das unlöslich ist und zu Boden sinkt. 
Dieser Schlamm kann wieder ins Hüttenwerk und wie das Erz verhüttet 
werden.
Das ist immer noch effeltiver, als die dünne Brühe zu transportieren, 
aber halt sehr energieaufwändig.

von Georg (Gast)


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Gerald B. schrieb:
> Das ist immer noch effeltiver, als die dünne Brühe zu transportieren,
> aber halt sehr energieaufwändig.

So dünn ist sie auch wieder nicht, wir haben einen Cu-Gehalt von 150 g/l 
erreicht. Dienstleister, die sich mit Cu beschäftigen, liefern 
gebrauchsfertiges Ätzmittel an und holen gesättigtes Ätzmittel in den 
gleichen Behältern wieder ab zum Recycling. Bei uns waren das 
800l-Container aus Polyethylen, weniger ist nicht sinnvoll.

So gesehen kann einem wurscht sein was genau drin ist und man muss nicht 
selber mixen. Nur muss die Ätzmaschine geeignet sein, das ist aber bei 
alkalischen Ätzmitteln kein grosses Problem, saure Ätzmittel mit Peroxid 
wären viel problematischer.

Georg

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