Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Einmal Prüfingenieur, immer Prüfingenieur


von Hercules (hercules)


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Hallo zusammen,
ich hatte heute eine kleine Diskussion mit einem Werkstudenten Kollegen. 
Wir bei arbeiten derzeit an derselben Hochschule, wo wir auch studieren. 
Er Maschinenbau, ich Mechatronik. Ich schaue mich aktuell bisschen herum 
und versuche mir einen kleinen Eindruck über die verschiedenen 
Arbeitsbereiche zu verschaffen. Dabei stieß ich unter anderem auf den 
Prüfingenieur und dem Sachverständigen für Elektrotechnik. Mir ist 
bewusst, dass ich ganz offensichtlich damit keine Entwicklungen 
betreiben werde und lediglich Prüfprocedere abarbeiten muss, zumindest 
so lange ich als Prüfingenieur angestellt bin. Und hiermit wären wir 
auch schon beim Diskussionsthema. Seiner Aussage nach ist es quasi nicht 
möglich, im weiteren Verlauf der Karriere andere Spaten des Ingenieurs 
zu besteigen. Sprich, bist du erstmal Prüfingenieur, wirst nach einigen 
Jahren im Beruf kaum eine Möglichkeit haben zum Beispiel in die 
Entwicklung zu gehen. Großindustrien würden das Interesse an dir 
verlieren, da du im Grunde keine Berufserfahrungen hast im Umgang mit 
Entwicklung. Ich möchte an dieser Stelle ganz spezifisch Prüfingenieure 
ansprechen, die mir ihre Sicht der Dinge erläutern. Stimmt das wirklich? 
Sind die Berufsaussichten des Prüfingenieurs wirklich so stark begrenzt? 
Letztlich sind es eine Handvoll große Unternehmen in Deutschland, die 
aktiv Prüfingenieure ausbilden und einstellen. Ich glaube, man kann 
bisschen zwischen den Zeilen rauslesen, dass ich beide möglichen Berufe 
sehr interessant finde. Das stark Lösungsorientierte und das hohe maß an 
Kompetenz denke des Entwicklers und zum anderen die Vielfalt/ 
Abwechselung und ständige unterwegs sein des Prüfingenieurs.

Ich bin etwas zwiegespalten und hoffe auf Aufklärung.
LG

von Joachim B. (jar)


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Ich war nur 5 Monate Prügingenieur und bin abgehauen. Ein Studienfreund 
hat das fast 40 Jahre gemacht (aber auch da war er der Letzte der das 
Licht ausmacht).
In der Industrie sind mir auch etliche aussortierte 
Entwicklungsingenieure begegnet, nichts ist dauerhaft über Jahrzehnte.

Jetzt bis zum Rentenalter denken zu wollen ist was für Finanzbeamte, bei 
der BFA oder DRV.

: Bearbeitet durch User
von 🕵︎ Joachim L. (Gast)


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Pruefingenieur ist ein Teilbereich der Doku- und CE-Zertifizierung. Das 
will kein vernuenftiger Mensch freiwillig machen. Du schlaegst dich mit 
bescheuerten Normen und Bestimmungen herum und checkst Listen z.B. 
Prüfen von Maschinen nach DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1). Bist du einmal in 
dieses Loch gefallen, kommst du nicht mehr raus, weil die Arbeitgeber 
nur sehr schwer Ersatz finden. Absolut gar nichts fuer kreative Seelen. 
Die gehen da einfach ein wie Primeln.

Dein Herz schlaegt fuer einen Entwicklerjob? Dann mach das auch 
(anstrengen dafuer) und lass dich bloss nicht von einer besseren 
Anfangsbezahlung fuer einen ungeliebten Job verleiten. Das geht 
dermassen nach hinten los....

von Achim M. (minifloat)


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Hercules schrieb:
> Sprich, bist du erstmal Prüfingenieur, wirst nach einigen Jahren im
> Beruf kaum eine Möglichkeit haben zum Beispiel in die Entwicklung zu
> gehen.

Du kannst vielleicht über entwicklungsbegleitende Testsysteme einen 
Einstieg in die Entwicklung bekommen. Gerade für continuous integration 
in der Software wird es einen geben müssen, der die automatisierten 
Testsysteme entwickelt und pflegt, aber nicht unbedingt die Tests die da 
laufen.

mfg mf

von 🕵︎ Joachim L. (Gast)


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Achim M. schrieb:
> Gerade für continuous integration in der Software wird es einen geben müssen,
> der die automatisierten Testsysteme entwickelt und pflegt, aber nicht unbedingt 
> die Tests die da laufen.

Denglische Buzzwoerter ohne Erklaerung und mit falscher Grammatik 
einwerfen. Und dann darauf basierend Ratschlaege geben zu wollen. Das 
hoert sich natuerlich nach jeder Menge echter Erfahrung an. Da kann ich 
natuerlich nicht mit konkurrieren. Make it so.

von Motopick (motopick)


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> der die automatisierten
> Testsysteme entwickelt und pflegt,

Bei einem Bekannten von mir in der Automobilindustrie,
macht das die Entwicklungs- oder sollte man besser die 
Spezifikationsabteilung sagen?, selbst.

> aber nicht unbedingt die Tests die da laufen.

Das macht die "Schichtmannschaft" einfach mit.

von Achim M. (minifloat)


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Prüfen  Testen  Validieren. Egal wie man es nennt und ob es bei der 
Entwicklung, in der Produktion oder im Feld passiert, die nötigen 
Verfahren müssen konzipiert, entworfen, entwickelt, implementiert, in 
Betrieb genommen usw. und darüber hinaus ihrerseits getestet werden.

Das ist in meinen Augen ebenfalls Entwicklung, wenn nicht sogar auf 
höherer kognitiver Ebene.

mfg mf

von Achim M. (minifloat)


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Motopick schrieb:
>> der die automatisierten
>> Testsysteme entwickelt und pflegt,
>
> Bei einem Bekannten von mir in der Automobilindustrie,
> macht das die Entwicklungs- oder sollte man besser die
> Spezifikationsabteilung sagen?, selbst.

Weil die die Testsysteme auch nur spezifizieren und dann zukaufen. Auch 
dort braucht es schlaue Köpfe, denn wer Mist bestellt bekommt genau den 
geliefert.

Motopick schrieb:
>> aber nicht unbedingt die Tests die da laufen.
>
> Das macht die "Schichtmannschaft" einfach mit.

Die wurden von der Spezi-Abteilung spezifiziert, aber nicht entwickelt. 
Genau da ist also auch was zu tun. 👍
Die Schicht führt höchstens aus!?


mfg mf

von Bernd G. (Gast)


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Was soll man dazu sagen?
Mit Arbeit kann man sich das ganze Leben versauen.

von Manfred P. (pruckelfred)


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Hercules schrieb:
> Dabei stieß ich unter anderem auf den
> Prüfingenieur und dem Sachverständigen für Elektrotechnik.

Bei Prüfingenieur denke ich an die, die mir (k)eine Plakette aufs Auto 
kleben, meine Öltankanlage bemäkeln oder lockere Schrauben an Achterbahn 
übersehen. Sachverständige für Elektrotechnik sind dann jene, die alle 
möglichen Fehler (er)finden, ohne selbst jemals etwas gebaut zu haben?

Joachim L. schrieb:
> Pruefingenieur ist ein Teilbereich der Doku- und CE-Zertifizierung. Das
> will kein vernuenftiger Mensch freiwillig machen. Du schlaegst dich mit
> bescheuerten Normen und Bestimmungen herum ...

Das kann auch eine Chance sein, wenn sich ein Entwickler nicht mit 
moderner Elektronik befassen will oder Veränderungen der Produktstruktur 
nicht mehr zum Kernwissen passen.

Für Ex und CE braucht es nicht zwingend einen Ing., in meinem Umfeld 
macht das ein Techniker mit Berufserfahrung.

Achim M. schrieb:
> Die wurden von der Spezi-Abteilung spezifiziert, aber nicht entwickelt.
> Genau da ist also auch was zu tun.

Ich kenne einen Fall, der genau umgekehrt zur Ursprungsfrage ist: Der H* 
hat viele Jahre Entwicklung gemacht und dann gewechselt. Der sitzt jetzt 
fertigungsnah, definiert Prüfabläufe / Prüfplätze (Zukauf) und kümmert 
sich, wenn da etwas nicht geordnet läuft.

von Irgend W. (Firma: egal) (irgendwer)


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Joachim L. schrieb:
> Pruefingenieur...Du schlaegst dich mit bescheuerten Normen und Bestimmungen 
herum und checkst Listen
Als Entwickler: "Du schlaegst dich mit bescheuerten Normen und 
Bestimmungen herum und erstellst Checklisten":-)

Achim M. schrieb:
> Entwicklung, in der Produktion oder im Feld passiert, die nötigen
> Verfahren müssen konzipiert, entworfen, entwickelt, implementiert, in
> Betrieb genommen usw. und darüber hinaus ihrerseits getestet werden.
>
> Das ist in meinen Augen ebenfalls Entwicklung, wenn nicht sogar auf
> höherer kognitiver Ebene.

Das ist die gute Frage dabei, geht es um das plumpe durchführen von 
vorgegebenen Tests oder geht es um die Entwicklung von Teste die dann 
später von irgend so einem Hilfs-Bachelor durchgeführt werden müssen. 
Für das "Entwerfen" von vernünftigen Tests benötigt man aber in der 
Regel schon etwas mehr Fachwissen über den Fachbereich und auch die 
Nachbarfelder und ist wohl eher weniger was für Berufsanfänger.

Möglicher Karriereweg:
- 1.) Produktion (irgendwo auf der Welt) und ja, sollte man ruhig mal 
ein paar Wochen gemacht haben.
- 2.) Durchführung der Prüfungen vorrangig dessen, was 1 fabriziert hat
- 3.) Durchführung der Prüfungen für Prototypen um 4 zu überprüfen
- 4.) Entwicklung "Produkte"
- 5.) Entwicklung der Prüfungen so das man den oberen gar nicht erst 
eine Möglichkeit lässt unbemerkt was falsch zu machen.
- 6.) Chef, der erklärt dann 2,3 und 5 für überflüssig, weil 1 und 4 ja 
perfekt sind und das ganze Testgedöns ja sowieso viel zu teuer sind und 
nichts bringt.
- 7.) Wenn man als 6 genug für die Firma eingespart hat, schnell eine 
dicke Abfindung nehmen und abhauen bevor die negativen Auswirkungen der 
Sperrmaßnahmen nicht mehr schöngeredet werden können.

von Werner (Gast)


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Bernd G. schrieb:
> Was soll man dazu sagen?
> Mit Arbeit kann man sich das ganze Leben versauen.

japp, egal ob Lohnsklaverei oder Selbstausbeutung, denn wer arbeitet, 
hat keine Zeit ...

von Christoph Z. (christophz)


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Irgend W. schrieb:
> Achim M. schrieb:
>> Entwicklung, in der Produktion oder im Feld passiert, die nötigen
>> Verfahren müssen konzipiert, entworfen, entwickelt, implementiert, in
>> Betrieb genommen usw. und darüber hinaus ihrerseits getestet werden.
>>
>> Das ist in meinen Augen ebenfalls Entwicklung, wenn nicht sogar auf
>> höherer kognitiver Ebene.
>
> Das ist die gute Frage dabei, geht es um das plumpe durchführen von
> vorgegebenen Tests oder geht es um die Entwicklung von Teste die dann
> später von irgend so einem Hilfs-Bachelor durchgeführt werden müssen.

Ja, genau. Je nach Firma ist das ganz unterschiedlich was ein 
Prüfingenieur macht und für was die Prüfabteilung zuständig ist.

Z. B. wer definiert die Tests, wer prüft die Testbarkeit einer 
Baugruppe/Gerät/Ding, wer kauft/baut/entwickelt/programmiert 
Prüfsysteme.

Hier wo ich arbeite ist es so, dass Testen, kaufen und bauen bei den 
Testingenieuren ist. Tests definieren ist bei den Systemarchitekten, 
Testsysteme definieren ist je nach dem Systemarchitekt/Testingenieur.

Testsystem entwickeln und vor allem Software dafür schreiben ist bei der 
Elektronikentwicklung. Mein Chef will das schon lange abschieben zum 
einen weil wir schon viel zu tun haben zum anderen, weil wir nicht 
selber testen sollten, was wir entwickelt haben (unabhängige 
implementierung, 4-Augen Prinzip).
Klappt aber nicht, weil unsere Testingenieure einfach nicht 
programmieren können und sie eben nicht in die dafür nötigen Schulungen 
geschickt werden.

von Ich A. (alopecosa)


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🕵︎ Joachim L. schrieb:
> Bist du einmal in
> dieses Loch gefallen, kommst du nicht mehr raus, weil die Arbeitgeber
> nur sehr schwer Ersatz finden.

Sind wir jetzt schon wieder in der Sklaverei angekommen?

Wenn ich keinen Bock mehr auf meinen Job habe, schreib ich ne Kündigung. 
Was will ein Arbeitgeber dagegen machen, egal wie leicht er Ersatz 
findet oder eben nicht?!

Manfred P. schrieb:
> Sachverständige für Elektrotechnik sind dann jene, die alle
> möglichen Fehler (er)finden, ohne selbst jemals etwas gebaut zu haben?

Herr bewahre, der VDE Feind ist wieder da und bringt wieder die 
sinnbefreite und substanzlose Kommentare auf der höhe eines 
freistehenden oder in den Boden gerammten länglichen, vertikalen 
Bauelementes zum Besten ...

von T.U.Darmstadt (Gast)


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Hercules schrieb:
> andere Spaten des Ingenieurs

auch "Forken" sind möglich, würde ich passend einwerfen.

Träumst du eigentlich? Wer meinst du soll dir einen tollen Job geben, 
wenn du den dir nicht selber besorgst, sondern dich sofort aufs 
Abstellgleis stellst?

Entwickler sein, heißt erst einmal Entwickeln lernen. Neue 
Entwicklungsjobs gehen daher immer an Anfänger (die einfachen für die 
Nachrücker) oder sehr erfahrene Ingenieure aus anderen Firmen, die man 
abgezogen hat ( die guten Jobs, die die jungen nicht packen).

Die richtig guten Jobs ziehen sich die erfahrenene alten Hasen und 
lassen den Nachrückern die banalen Dinge.

Wenn man als Anfänger diese Buckelarbeit nicht gemacht hat, gibt es auch 
nicht mehr.

von Percy N. (vox_bovi)


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Joachim B. schrieb:
> Jetzt bis zum Rentenalter denken zu wollen ist was für Finanzbeamte, bei
> der BFA oder DRV.

Bei der Bauprüfabteiling gibt es auch nette Inschinörjobs, allerdings 
eher im Bereich Hochbau.

von Michael S. (mal-s)


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Ich sags mal so.
Man sieht den Elan und Engagement bei den großen Prüflabors eindeutig. 
Also Motivation sieht anders aus. Klar kriegen die auch besch.. Lohn, 
aber am Geld alleine liegt es bekanntlich nicht.
Das Problem in dieser Branche sind die OEMs und die Entwickler. Alle 
wollen  sie was anderes (Spec/Lastenhfeft), Wenn sie überhaupt wissen 
was sie wollen. Und jeder Ingenieur kann es anders planen 
(Pflichtenheft).

Darüber stehen stets die Normen.... Ach stimmt, diese Normen sind nicht 
in Stein gemeiselt, sondern lassen sich adaptieren auf den Fall.
D.h. das Labor kennt den Test eigentlich gut, aber möglich, dass es 
anders abläuft... Und immer aufs Neue sind es die gleichen Problemchen. 
Dann muss es natürlich in Lichtgeschwindigkeit passieren und es ist sehr 
eilig.

Macht diese Arbeit auf Dauer Spaß? Wenn du immer verschiedene Teile hast 
bestimmt. Andernfalls wohl eher nicht.

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