Forum: PC Hard- und Software Inrush Current beim ATX-Adapter bändigen?


von Daniel V. (danielv2)


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Bei meinem Noname-12V-zu-ATX-Adapter fließen beim Einschalten 
(PC-Power-Taste) Ströme von über 150A auf der 12V Eingangsseite. (Welche 
Ströme dabei auf dem Adapter bzw. Mainboard auftreten ist unbekannt.) 
Der Rechner wird täglich eingeschaltet und sollte mindestens 5 Jahre, 
also rund 2000 Einschaltvorgänge, halten.

Welche Variante würdet ihr wählen?

Variante #1: nichts machen
Das 12V-Netzteil, der Adapter-MOSFET und die ganzen 12V-Elkos halten 
solchen Belastungen stand.(?)

Variante #2: Strom zwischen 12V-Netzteil und Adapter begrenzen
Durch eine Zusatzschaltung könnte der Strom für einige Sekunden auf 2A 
begrenzt werden. Funktionieren würde das (der Rechner fährt ab 1.3A 
zuverlässig hoch), aber nützt das was? Der Adapter hat nämlich auf 
seiner Primärseite einige "fette" Kerkos, die vielleicht trotzdem 
genügend Energie für (akkumulierende) Schäden auf dem Adapter/Mainboard 
liefern.

Variante #3: Bypass legen
Per Widerstand vom 12V-Adapter-Eingang zum 12V-Adapter-Ausgang könnten 
alle 12V-Elkos vom Mainboard und der Adapter-Sekundärseite bereits vor 
dem Einschalten (PC-Power-Taste) schonend geladen werden. Getestet habe 
ich das nicht. Besteht dabei ("12V-Dauerplus") die Gefahr das Mainboard 
zu beschädigen?

Variante #4: "Die Experten vom lokalen Wertstoffhof um Hilfe bitten…"

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Daniel V. schrieb:
> Getestet habe
> ich das nicht.

Besser nicht. Es kann sein, das das langsame Aufladen dazu führt, das 
das Mainboard irgendwas startet und das kann ohne die 5V oder die 3,3V 
nicht gut sein.
Du könntest dagegen die PSU per Precharge starten (Variante 2), also 
erst die 12V über einen Widerstand führen und den nach kurzer Zeit 
überbrücken.

: Bearbeitet durch User
von Daniel V. (danielv2)


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Ok, ich habe mir die vorgeschlagene Variante nun genauer ansehen können.

Zum Bild:
Im Bild sieht man das Startverhalten anhand der 12V-Leitungen vom 
ATX-Adapter (Grün:12VIn; Gelb:12VOut) bei einer Eingangsstrombegrenzung 
von 1A:
Sobald das Mainboard die PS_ON-Leitung ("Power Supply On") auf Low legt 
schaltet das ATX-Modul die 12V Spannung zum Ausgang durch, welche dann 
sofort auf unter 2V zusammenbricht. Der Unter-/Überspannungswächter 
"GR8313" trennt deshalb die Verbindung und erlaubt nach rund 40ms den 
nächsten Versuch. Beim dritten Mal klappt es dann. (Ohne Strombegrenzung 
wären es zwei statt drei Versuche.) Zum Schluss ist eine kleine Welle 
erkennbar. Erst zu diesem Zeitpunkt werden die 3.3V- und 
5.0V-DC-DC-Wandler sehr weich gestartet. Die DC-DC-Wandler haben also am 
extremen Startstrom keinen Anteil.

Zum 12V-Schalter:
Zum Schalten der 12V-Leitung verwendet das Modul zwei parallele 4437P 
MOSFETS. Diese erlauben zusammen maximal 100A, welche ohne 
Strombegrenzung überschritten werden. Mein Modul hat das zwar bereits 
einige hundert Male (mit >150A!) überstanden, bei Infineon fand ich aber 
eine Information ("AN_201611_PL11_002") die hier vielleicht passt:
"On the contrary, in the case of repetitive avalanche, the destruction 
mechanism is far more unassuming and impacts the device very slowly 
through repeated micro-damages. Indeed, even if it is characterized by 
low energy, any avalanche event generates some hot carriers, which are 
charges injected along the trench oxide of the power MOSFET. The 
repetition of such avalanche events leads to an accumulation of such 
charges, which slowly but surely influences the normal behavior of the 
MOSFET, as we shall see in section 4.4."
(Eine Akkumulation bei Stromüberlastungen hatte ich im Eingangspost nur 
vermutet, da es diese laut www.mikrocontroller.net wohl bei 
Spannungspeaks geben kann.)

Lösung:
Aber auch mit einer Strombegrenzung vor dem Modul gibt es (theoretisch) 
immer noch Stromstöße von über 100A. Der Grund sind die sechs 4.7µF 
Kerkos auf der 12V-Primärseite vom Modul. Die Energie ist mit unter 1mJ 
(1/2*C*U²) allerdings viel geringer und dürfte keine Rolle bei der 
Lebensdauer von MOSFETS bzw. Mainboard-Elkos spielen. Ein mehr störender 
Nachteil ist der nötige kräftige MOSFET zum Überbrücken des 
Precharge-Widerstandes. Deshalb verwende ich letztendlich eine andere 
Methode für den Precharge:

Letztendliche Lösung:
Ich unterbreche die PS_ON-ATX-Leitung und schalte einen Controller 
(ATTINY13) dazwischen. Beim Power-On-Signal schaltet dieser für 200ms 
über einen einfachen Transistor einen Precharge-Widerstand von einigen 
Ohm zwischen 12VIn und 12VOut vom Modul. Erst dann gibt der Controller 
das Power-On-Signal an das ATX-Modul weiter. Der Inrush-Strom 
verschwindet dadurch vollständig und der ATX-Standard wird (anders als 
bei Variante 3) eingehalten.

Ergebnis:
Das ist nun schon das dritte Problem bei meinem Noname_12V_zu_ATX_Modul.
1. die ELkos werden mit dem fünffachen des Ripplestroms überlastet
2. beim vollständigen Einstecken gibt es Wackelkontakte
3. die 12V-Stromversorgung und das Mainboard werden beim Start 
überlastet
Solche Billigmodule gehören damit zur "Schrott"-Produktgruppe und sind 
nur mit viel Aufwand zu retten. Bei der Herstellung würde ein Euro 
zusätzlich reichen, durch Käufergeiz ist aber die Herstellung von 
Schrott rentabler.

: Bearbeitet durch User
von Manfred P. (pruckelfred)


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Daniel V. schrieb:
> Aber auch mit einer Strombegrenzung vor dem Modul gibt es (theoretisch)
> immer noch Stromstöße von über 100A.

THEORETISCH

Wie war das mit R=U/I, wieviel Widerstand haben Deine Stecker und Kabel?

von Daniel V. (danielv2)


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Der Widerstand vom Stecker (zum Mainboard) und Kabel (zum 12V Netzteil) 
ist nicht bekannt. Bei der Messung ohne Strombegrenzung war der 
Widerstand von Stecker und Kabel aber derart gering, dass der von der 
Stromversorgung zum Modul gemessene Strom noch über 150A (50µs 
Mittelwert) lag. Da mit Strombegrenzung der Kabelwiderstand sogar 
wegfällt wären noch höhere Ströme möglich.
Die angegebenen 100A ergaben sich aus einer ESR-Messung (0.11Ohm) der 
sechs 4.7µF Kerkos auf dem Board. Das ESR-Messgerät ist für 
Inplace-Mesungen von kleinen Kapazitäten allerdings sehr ungenau und der 
tatsächliche Wert ist eher niedriger. Dieser 100A-Wert ist wegen der 
kleinen Kapazität von 28µF statt der über 1500µF mit 12V-Stromversorgung 
aber sowieso nebensächlich.

: Bearbeitet durch User
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