Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Motorwicklung und Frequenzumrichter


von Stephan H. (maronis_d)


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Ich hatte jetzt eine Diskussion zum Thema
Motor und Frequenzumrichter.

Folgender Aufbau:

Ein Drehstrommotor (Bj. um 1970) Dreieck 220V
oder Stern 380V wird im Dreieck an einen China
Umrichter geklemmt, der pro Phase 0-220V maximal
liefert. Leitungslänge zwischen Umrichter und
Motor 0,5 Meter.

Das eigentliche "Streitthema" dabei ist, ob der
Motor nun unbedingt eine besondere Isolation
haben muss wegen der hohen Frequenz oder nicht.

Das Einzige, was ich dazu zweckdienliches fand, war
der Hinweis von ABB, dass es bei Leitungslängen
jenseits der 150 Meter zu Problemen führen kann,
darunter aber nicht.

Allgemein steht dazu im Netz sehr viel Widersprüchliches.

Ich brauche da also dringend mal ne Aussage von
jemandem, der sich damit auskennt.

: Verschoben durch Moderator
von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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Das wird Dir nur der Hersteller des Motors zuverlässig beantworten 
können... und ich glaube nicht, daß der das bei einem über 50 Jahre 
alten Motor absegnen wird wenn es ihn überhaupt noch gibt.

Durch die steilen Flanken der PWM-modulierten Ausgangsspannung des 
Frequenzumrichters entstehen viel höhere kapazitive parasitäre Ströme in 
den Wicklungen als an einer echten Sinusspannung und diese könnten die 
Isolation beschädigen bzw. ihre Lebensdauer kann erheblich reduziert 
sein. Das ist leider kein Märchen, sondern sorgt wirklich gelegentlich 
für frühzeitige Ausfälle von Motoren, die nicht für den Betrieb an 
Frequenzumrichtern ausgelegt sind. Viele halten es auch problemlos 
aus... aber wenn man es nicht genau weiß, sollte man besser einen 
Sinusfilter unmittelbar nach dem Umrichter verbauen, dann ist man das 
Problem los. Es gibt ja auch weitere Probleme wie z.B. 
Geräuschentwicklung (Pfeifen durch die PWM-Frequenz) oder parasitäre 
Ströme durch die Motorlager, die dort zu einem erhöhten Verschleiß 
führen.

Nimm einen guten Sinusfilter mit qualitativ hochwertigen 
Filterkondensatoren. Die sind in solchen Filtern noch belastet und 
sterben gerne mal wenn sie dem nicht gewachsen sind. Dadurch verliert 
der Filter einen Großteil seiner Funktion ohne daß man es sofort merkt 
und bei besonders billigen Kondensatoren können diese auch recht 
spektakulär abbrennen.

Edit: Denk auch an die Kühlung des Motors wenn er mit geringeren 
Drehzahlen betrieben werden soll. Die thermisch frei werdende 
Verlustleistung des Motors sinkt evtl. nicht in gleichem Maße wie die 
Leistungsfähigkeit des auf der Motorwelle sitzenden Lüfterrades.

: Bearbeitet durch User
von Stephan H. (maronis_d)


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Ben B. schrieb:

> Nimm einen guten Sinusfilter mit qualitativ hochwertigen
> Filterkondensatoren.

Was für einen Filter würdest du empfehlen?

Hab mal schnell gegoogelt und da gibt es ja ne ganze
Bandbreite von den Dingern.

von Rainer W. (rawi)


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Stephan H. schrieb:
> Das eigentliche "Streitthema" dabei ist, ob der
> Motor nun unbedingt eine besondere Isolation
> haben muss wegen der hohen Frequenz oder nicht.

Und was hat das mit Mikrocontrollern oder digitaler Elektronik zu tun?

von Stephan H. (maronis_d)


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Rainer W. schrieb:
> Stephan H. schrieb:
>> Das eigentliche "Streitthema" dabei ist, ob der
>> Motor nun unbedingt eine besondere Isolation
>> haben muss wegen der hohen Frequenz oder nicht.
>
> Und was hat das mit Mikrocontrollern oder digitaler Elektronik zu tun?

Sag mir, wo es besser rein passen würde.

Ansonsten soll es einer der Mods verschieben, wenn es stört.

[Edit Mod: Ich habe es ins Analogforum verschoben. Da passt es besser.]

: Bearbeitet durch Moderator
von Achim H. (pluto25)


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Stephan H. schrieb:
> Was für einen Filter würdest du empfehlen?

Die Wechselrichterhersteller empfehlen die passende Größe. Wenn nicht 
gleich von ihm dann etwas in vergleichbarer Ausführung.

Ps Lass Dich nicht Trollen. Wechselrichter arbeiten Digital und haben 
auch Mikroprozessoren. Und wenn ein Filter fehlt ist das was dem Motor 
schädigen könnte das selbe das andere µC zum Aufgeben zwingen kann ;-)

von Michael B. (laberkopp)


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Stephan H. schrieb:
> Ich brauche da also dringend mal ne Aussage von
> jemandem, der sich damit auskennt.

Ich versteh überhaupt die Frage nicht, warum soll ein Motor 0.5 m 
entfernt vom FU nicht funktionieren, welche hohe Frequenz soll da 
irgendein Problem sein ?

Du sparst den Motorschutzschalter und benötigst stattdessen einen 
gleichstromempfindlichen FI.

von H. H. (Gast)


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Michael B. schrieb:
> welche hohe Frequenz soll da
> irgendein Problem sein ?

Zu hohes dU/dt mögen die Isolierstoffe nicht. Und die Lager mögen die 
Ableitströme nicht, die ja wegen der Schaltfrequenz von mehreren kHz 
deutlich höher ausfallen als bei nur 50Hz.

Der TE sollte mal die Typenschilder von FU und Motor posten.

von Stephan H. (maronis_d)


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Michael B. schrieb:
> Du sparst den Motorschutzschalter und benötigst stattdessen einen
> gleichstromempfindlichen FI.

Ach guck, das hatte ich noch gar nicht auf dem Schirm.

War das nicht sogar so, dass ein normaler FI mit
Gleichspannungsfehler überhaupt nicht mehr reagiert?

Also selbst mit der Test Funktion.

von Stephan H. (maronis_d)


Angehängte Dateien:

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H. H. schrieb:
> Der TE sollte mal die Typenschilder von FU und Motor posten.

Hab mal das Bild vom Motor angehängt.

Der FU ist der hier:

https://www.amazon.de/dp/B0CKX4DSCH?psc=1&ref=ppx_yo2ov_dt_b_product_details

Das Bild dazu ist auch mit dabei.

von H. H. (Gast)


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Stephan H. schrieb:
> Das Einzige, was ich dazu zweckdienliches fand, war
> der Hinweis von ABB, dass es bei Leitungslängen
> jenseits der 150 Meter zu Problemen führen kann,
> darunter aber nicht.

Das ist wegen der Reflektionen, die können zu Spannungsüberhöhung am 
Motor führen. Du hast da ja keine mit Wellenwiderstnad abgeschlossenen 
Leitungen.

von H. H. (Gast)


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Stephan H. schrieb:
> Hab mal das Bild vom Motor angehängt.

Geht die Typennummer deutlicher?


> Der FU ist der hier:
>
> https://www.amazon.de/dp/B0CKX4DSCH?psc=1&ref=ppx_yo2ov_dt_b_product_details

Also max 6A.

Da kostet ein Sinusfilter von der Stange etwa 200€.

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Andererseits sind solche alten Motoren meist so aus dem Vollen gefräst, 
das ihm der FU Betrieb überhaupt nichts ausmachen muss. Wenn die 
Maschine nach 70 Jahren immer noch läuft, ist das schon ein Zeichen 
dafür.

von Chris D. (myfairtux) (Moderator) Benutzerseite


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Matthias S. schrieb:
> Andererseits sind solche alten Motoren meist so aus dem Vollen gefräst,
> das ihm der FU Betrieb überhaupt nichts ausmachen muss. Wenn die
> Maschine nach 70 Jahren immer noch läuft, ist das schon ein Zeichen
> dafür.

Klar. Ob die alten Isolationslacke auf den Drähten die Zeit aber auch so 
überstanden haben? Ich zögere bei meiner Drehmaschine (Boley 5LZ von 
1959) immer noch, sie auf FU umzurüsten. Das ist noch der originale 
polumschaltbare 4,5kW-Motor drin. Klar, man kann es drauf ankommen und 
dann bei Defekt neu wickeln lassen oder austauschen. Aber nach Murphy 
erfolgt der Ausfall genau dann, wenn man die Drehmaschine unbeding 
benötigt <:-)

Ist vielleicht auch für den OP interessant:
Was kostet denn überhaupt eine Neuwicklung? Hat das hier mal jemand 
machen lassen und kann zumindest dafür Ungefährpreise nennen? Lohnt sich 
das bei den Motorpreisen überhaupt? Wobei ich einem wirklichen 
Wickelbetrieb, der sich etwas mehr Zeit nimmt, im Zweifel eher vertrauen 
würde als Massenware (vermutlich aus Fernost). Mit Lagertausch hätte man 
quasi einen neuen Motor und umbauen müsste man dann auch nichts.

: Bearbeitet durch Moderator
von Rainer D. (rainer4x4)


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Sofern die Parametrierung des FU richtig gemacht wurde, dann wird kein 
noch so alter Motor kaputt gehen. Das war wohl die Frage.
Uralte Motoren bekommen uU. Probleme mit Drehmomentsverlusten und 
pfeiffen zuweilen recht laut. Viel mehr passiert aber auch nicht.

von Chris D. (myfairtux) (Moderator) Benutzerseite


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Rainer D. schrieb:
> Sofern die Parametrierung des FU richtig gemacht wurde, dann wird kein
> noch so alter Motor kaputt gehen. Das war wohl die Frage.
> Uralte Motoren bekommen uU. Probleme mit Drehmomentsverlusten und
> pfeiffen zuweilen recht laut. Viel mehr passiert aber auch nicht.

Bisher kenne ich allerdings keinen FU, der die Flankensteilheit der 
Impulse irgendwie abrunden könnte. Maximal lässt sich die 
Chopperfrequenz einstellen.
Um das dU/dt ging es ja und die Hersteller meiner Umrichter (Lenze, 
Sourcetronic, Posidyn) warnen diesbezüglich alle davor, das einfach 
ungeprüft bzw. ohne Sinusfilter an älteren Motoren durchzuführen.

Da scheint also durchaus etwas dran zu sein.

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Chris D. schrieb:
> Klar. Ob die alten Isolationslacke auf den Drähten die Zeit aber auch so
> überstanden haben?

Ich habe mein FU Projekt für mc.net damals mehrere Tage im Dauerbetrieb 
mit einem 1969er 600W Motor der Stephan Werke getestet. Das war 
überhaupt kein Thema und der Motor erfreut sich nach wie vor bester 
Funktion. Foto der ehrwürdigen Maschine findet sich sogar hier im Forum:
https://www.mikrocontroller.net/articles/3-Phasen_Frequenzumrichter_mit_AVR

: Bearbeitet durch User
von Chris D. (myfairtux) (Moderator) Benutzerseite


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Ja, das schöne Projekt kenne ich :-)

Aber bei Dir wäre es vermutlich auch ziemlich egal gewesen, wenn der 
Motor einen schleichenden Schluss gehabt hätte ;-)

Es heisst von den Herstellern her ja auch nicht, dass es muss, sondern 
nur, dass das Risiko bestehen kann.

Und wenn so etwas auftritt, dann geschieht der Schluss auch nicht 
sofort, sondern erfolgt schleichend, gerne über Wochen. Zumindest 
beschrieb der freundliche Techniker bei Sourcetronic das so.

Ein paar Tage Betrieb muss daher nicht heissen, dass der Motor nicht 
doch in vier Wochen hinüber ist. Es ist wohl der "Dauerstress", der die 
Wicklungsisolierung zerstört.

von Jörg K. (joergk)


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Meine Erfahrung aus der Praxis, gewonnen an vielen Motoren verschiedenen 
Alters (1970..heute) und verschiedener Leistungsklassen (5kW..100kW):

Kurzfassung: Ohne Sinusfilter kann es gut gehen, tut es aber nicht 
immer.

Langfassung:
- Lange Leitungen vergrößern (wie auch oben schon geschrieben) die 
Ausfallwahrscheinlichkeit. In der Literatur wird dies auf das Auftreten 
stehender Wellen mit Spannungsüberhöhung am Ende begründet
- Lagerschäden traten häufig auf, vermutlich durch Lagerströme
- Gerade bei kleiner Pulsfrequenz (2kHz) nehmen die Geräusche massiv zu
- Wicklungsschäden traten gerne nach einigen Wochen/Monaten auf. Ob dies 
durch den oben genannten Effekt der Spannungsüberhöhung oder durch zu 
hohes dU/dt verursacht wurde, läßt sich ja leider nicht mehr klären
- Kühlung beachten: Dreht der Motor langsamer, funktioniert die 
Eigenkühlung irgendwann nicht mehr

Fazit:
Wenn ich dafür gerade stehen muß, kommt entweder ein Sinusfilter rein 
oder der Motor wird getauscht oder neu (mit doppelt isoliertem Draht) 
gewickelt und isolierte Lager eingebaut. Das hat den Vorteil, daß man 
gleich einen Thermistor mit einwickeln kann - Bei FU-Betrieb eine gute 
Sache...

>Ein paar Tage Betrieb muss daher nicht heissen, dass der Motor nicht
>doch in vier Wochen hinüber ist. Es ist wohl der "Dauerstress", der die
>Wicklungsisolierung zerstört.
So sehe ich das auch

Jörg

: Bearbeitet durch User
von Stephan H. (maronis_d)


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H. H. schrieb:

> Da kostet ein Sinusfilter von der Stange etwa 200€.

Hast du da evtl. einen Link zu?

Ich finde bei der einfachen Suche immer nur diese
wahnsinns teuren Teile für jenseits 100 Ampere.

von H. H. (Gast)


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Schau mal bei Block oder AB/Rockwell.

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