Forum: Offtopic Stromschlag trotz isolierenden Schuhen


von Benjamin M. (benk)


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Vor kurzem wieder mitbekommen, wie ein befreundeter Elektriker einen 
Stromschlag bekommen hat. Nichts passiert zum Glück, es hat nur kurz 
"gebitzelt".

Da kam mir aber die Frage auf, wie das überhaupt möglich ist. Der 
Kollege hatte isolierende Schuhe mit Gummisohlen an und hat die Phase 
nur mit einer Hand berührt, es gab keine leitende Verbindung zwischen 
seinen Händen.

Hab bereits das Thema hier gelesen, aber eine zufriedenstellende Antwort 
hab ich nicht ausmachen können: 
Beitrag "Warum bekommt man einen Stromschlag?"

Dort wird als Grund die kapazitive Kopplung genannt, bzw. eigentlich 
wusste niemand so richtig eine Antwort. Laut dem Human-body-model 
(https://de.wikipedia.org/wiki/ESD-Simulationsmodelle) kann man einen 
Mensch mit einer Parallelschaltung eines 100pF-300pF Kondensators mit 
einem 1500Ohm Widerstand vergleichen.

Gehen wir mal vom schlechtesten Fall aus: Wir haben eine Kapazität von 
300pF, tragen keine Schuhe, verschwitzte Hände, also einen Widerstand 
von etwa 1500Ohm (Hand -> Fuß -> Erde). Bei 50Hz und 230V ergibt das 
einen Strom von:

I1 = U/Z1 = 230V/(Xc || R) = 150mA

Macht Sinn, das will man nicht erleben.

Nächstes Beispiel, wir tragen isolierende Schuhe, der Widerstand zu Erde 
sollte im MOhm-Bereich sein, kann damit vernachlässigt werden, die 300pF 
Kapazität bleiben:

I2 = U/Z2 = 230V/Xc = 21,6µA

Die Wahrnehmbarkeitsschwelle (siehe Bild) liegt bei 0,5mA, den Strom 
sollte man also eigentlich überhaupt nicht spüren.

Letztes Beispiel, wir tragen immer noch Schuhe, diesmal haben wir aber 
einen heißen Sommertag und die Schuhe tragen wir schon seit ein paar 
Stunden. Gehen wir mal von einem Widerstand von 100kOhm aus.

I2 = U/Z3 = 230V/(Xc || R) = 2,3mA

Das sollte man merken. Aber die, die schon mal an 230V gekommen sind, 
wissen wie unangenehm das ist. Sind das wirklich schon diese 2mA? Da 
fliegt ja noch nicht mal der FI.

Wo kommt der zusätzliche Strom her? Ist der Widerstand von 100kOhm für 
isolierende Schuhe noch zu hoch? Gibt es vielleicht eine Studie/einen 
Artikel, in dem das Thema behandelt wird?

von Lord Magnet (lord_magnet)


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Hörensagen. Unmöglich festzustellen, ob die Schuhe tatsächlich 
isolierten, worauf er gestanden ist, was er zum Zeitpunkt unbewusst 
angefasst hat, etc.

: Bearbeitet durch User
von Thomas (kosmos)


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ich vermute mal das der Strom nicht übers Schuhwerk zur Erde geflossen 
ist sondern von der Hand gegen irgend ein Metallteil des 
Verteilerschrankes zur Erde.

Hier mal etwas zu den Isolationswiderständen und Einteilung der Schuhe:
>Von einem antistatischen Schuh spricht man, wenn der Durchgangswiderstand 
zwischen 100 Kiloohm und 1 Gigaohm liegt. Ist der Widerstand geringer, spricht man 
von einem leitenden Schuh. Ist der Durchgangswiderstand höher, handelt es sich um 
sogenannte isolierende Schuhe. Dies folgt aus der Norm EN ISO 20345.

>Welchen Durchgangswiderstand ein ESD-Schuh aufweisen muss, wird in einer anderen 
Norm definiert, der IEC 61340-5-1. Danach ist ein Schuh ESD-fähig, wenn der 
Durchgangswiderstand zwischen 100 Kiloohm und 35 Megaohm liegt. Ein ESD-Schuh ist 
also immer auch antistatisch, aber ein antistatischer Schuh besitzt nicht 
automatisch die ESD-Fähigkeit.

Ich habe mir jetzt nicht Herstellerangaben ihrer Isolationswerte 
angeschaut und unter welchen Bedingungen Sie sie gerantieren.

von Benjamin M. (benk)


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Kann natürlich sein, dass der Strom irgendwo anders gegen Erde geflossen 
ist. Ich selber hab aber auch schon den ein oder anderen Stromschlag 
bekommen während ich Messungen unter Spannung durchgeführt hab.

Kein Trenntrafo benutzt, aber 1-Hand-Regel (der linke Arm befindet sich 
hinter dem Rücken). Fahrlässig ich weiß, mittlerweile hab ich einen 
Trenntrafo.

Ich bin mir zu 100% sicher, dass der Strom nur über meine Hand und meine 
Schuhe gegen Erde geflossen sein kann. In meinem Fall waren es 
vielleicht wirklich nur die 2mA, da auch der FI nicht geflogen ist, aber 
das hat dann schon ordentlich weh getan dafür. Laut der Theorie oben 
sind es ja sogar nur 2mA im schlechtesten Fall, meine Schuhe hatten mit 
Sicherheit einen größeren Widerstand als 100kOhm.

: Bearbeitet durch User
von Michael B. (laberkopp)


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Benjamin M. schrieb:
> Da kam mir aber die Frage auf, wie das überhaupt möglich ist.

Warum leuchtet der Phasenprüfer, obwohl der Elektriker Gummisohlen an 
hat, und der Lügenstift schon 0.5mA braucht und 60V kostet.

von Benjamin M. (benk)


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Michael B. schrieb:
> und der Lügenstift schon 0.5mA braucht und 60V kostet.

Die Lügenstifte, die ich kenne, haben einen 1MOhm Widerstand verbaut. 
Die Glimmlampe leuchtet bereits bei Strömen im µA-Bereich, da reicht 
auch der Stromfluss verursacht durch die 100pF-300pF Kapazität des 
Körpers.

von Andreas M. (andreas_m62)


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Mal die Piepmätze fragen, die auf Hochspannungsleitungen sitzen.

von Uli S. (uli12us)


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Mit gut leitenden Schuhen wär wahrscheinlich nix passiert. Wenn die 
isolieren, am besten noch auf Wollteppichen im Winter bei niedriger 
Luftfeuchtigkeit baut sich im Körper ein Potential auf, das durchaus 
mehrere kV betragen kann. Wenn man dann an irgendwas geerdetes langt, 
baut sich das wieder ab, bei dem geringen Strom, der da fliesst, 
passiert ausser nem leichten Schlag zum Glück nix. Aber irgendwelche 
Elektronik sieht das durchaus anders, drum sollte man, bevor man da was 
anfasst erstmal die Wasserleitung, Heizung oder ähnliches berühren.

von Andreas M. (andreas_m62)


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Entscheidend ist auch,
in welcher Millisekunde man an die Wechselspannung fasst.

von Dieter D. (Firma: Hobbytheoretiker) (dieter_1234)


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Benjamin M. schrieb:
> sollte man also eigentlich überhaupt nicht spüren.

300pF hast Du stehend gegenueber der Erde. Stehst Du aber 0,7m neben 
einer metallenen Strassenlaternen, sind es 600pF.

Beim Aufladen des Koerpers gibt es einen Inrush-Current.
Der wird nur vom Körperwiderstand begrenzt. Also 150mA sind moeglich, 
aber deutlich kürzer.

von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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> Ich selber hab aber auch schon den ein oder anderen Stromschlag
> bekommen während ich Messungen unter Spannung durchgeführt hab.
Wie geht das, wenn man korrekt funktionierendes Werkzeug benutzt?

> Mal die Piepmätze fragen, die auf Hochspannungsleitungen sitzen.
Die setzen sich ab etwa 110kV auch nicht mehr auf die Leiterseile, 
sondern nur noch auf die Erdseile und auf die Masten weil sie ab dem 
Bereich die kapazitiven Ströme gegen die Umgebungsluft fühlen. Aber das 
ist für die nur unangenehm (hoch belastete 380kV Leitungen sind auch 
gerne mal 150°C heiß), selbst wenn die sich kurz auf eine 380kV Leitung 
setzen, sterben sie davon nicht.

Ich selbst hatte so einen Fall bei einer sehr alten Elektroinstallation 
an einer Verteilerdose für den Lichtkreis. Alles freigeschaltet (dachte 
ich jedenfalls) und wollte dann eine zweite Leitung für eine zweite 
Lampe anschließen und der blaue N fühlte sich "irgendwie komisch" an. 
Also kein Schmerz oder woran man es sofort gemerkt hätte, aber so ein 
ganz leichtes Kribbeln zwischen den Fingern, in etwa wie wenn im Sommer 
irgend ein Käfer in die Bude fliegt und man den wieder rausschmeißt 
(ohne ihn platt zu machen), schwer zu beschreiben. N bzw. blau gegen 
Erdung gemessen, sind da volle 230V zuhause, herzlichen Glückwunsch. Ich 
nochmal zur Verteilung, komplett aufgemacht, heilloses Durcheinander... 
mehrere blaue Drähte auf irgendwelchen Diazed... aber auch 3x63A Diazed. 
Ich kein Bock mehr auf die Scheiße, hab mir die 3x63A Diazed erstmal in 
die Tasche gesteckt. Danach hat's auch am blauen Draht, den man nun 
irgendwie nicht mehr N nennen konnte, nicht mehr gekribbelt. Eigentlich 
hätte man an dem Punkt alles rausreißen und neu machen müssen, keine 
Ahnung was der Spaß kostet und wer diese Scheiße mal zusammengefrickelt 
hat. Passiert ist wohl deswegen nichts, weil ich beim Bauen auf einem 
Teppich stand (die Verteilerdose war direkt über dem Lichtschalter), 
aber irgendwo an die Erdung gekommen oder angelehnt, hätte ich 
ordentlich eine gefeuert bekommen und davon war ich auch alles andere 
als begeistert. Aber so lernt man, in Zukunft gleich alles komplett zu 
messen was man aufschraubt (den Lichtkreis hatte ich frei gemessen, aber 
jetzt aus der Erinnerung wohl nur am Lichtschalter) und nicht erst, 
nachdem einem irgendwas komisch vorkommt. Das Licht war irgendwo 
zwischen den tatsächlich vorher freigeschalteten Lichtkreis und "einen 
anderen N" geklemmt, den "komischen N" mit den 230V drauf, den ich da 
gefunden habe, der war für irgendwas anderes, aber nicht für's Licht. 
Den Strom für die zweite Lampe gab es dann mit einem Kabel direkt von 
der ersten, alles andere war mir dann zu dumm.

von Steve van de Grens (roehrmond)


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Andreas M. schrieb:
> Mal die Piepmätze fragen, die auf Hochspannungsleitungen sitzen.

Für die ist das eine angenehm kribbelnde Fußmassage.

https://www.welt.de/gesundheit/article13545017/Kranke-Indonesier-legen-sich-auf-elektrische-Gleise.html

von Benjamin M. (benk)


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Ben B. schrieb:
>> Ich selber hab aber auch schon den ein oder anderen Stromschlag
>> bekommen während ich Messungen unter Spannung durchgeführt hab.
> Wie geht das, wenn man korrekt funktionierendes Werkzeug benutzt?

In dem man in einem engeren Gehäuse hantiert und aus Versehen 
spannungsführende Anschlüsse erwischt. Hatte das Gerät ausgeschaltet, 
aber das Netzkabel aus Bequemlichkeit stecken gelassen. Auf dem 
Anschluss am Schalter lag natürlich trotzdem noch L, auch wenn die 
Schaltung an sich spannungsfrei war.

Ben B. schrieb:
> Also kein Schmerz oder woran man es sofort gemerkt hätte, aber so ein
> ganz leichtes Kribbeln zwischen den Fingern, in etwa wie wenn im Sommer
> irgend ein Käfer in die Bude fliegt und man den wieder rausschmeißt

Dann war dieses leichte Kribbeln wahrscheinlich die wenigen mA, die 
fließen wenn man relativ gut gegen Erde isoliert ist. Nochmal Glück 
gehabt.

von Gustav K. (hauwech)


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Eben mal aus reinem Interesse mit dem Lügenstift experimentiert. Mit 
Schuhen auf einem Stapel Kissen gestanden (darunter zwei Lagen Teppich), 
die Glimmlampe leuchtet unverdrossen. Der Widerstand wird irgendwo bei 
unendlich liegen.

Der Lügenstift leuchtet hier sogar minimalst (total abdunkeln), wenn er 
in der Steckdose steckt und man ihn am Ende nicht berührt.

von Holger R. (holgerr)


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Andreas M. schrieb:
> Mal die Piepmätze fragen, die auf Hochspannungsleitungen sitzen.
Das frage ich mich auch.
Und die Ami´s reparieren vom Hubschrauber aus.
Und in Deutschland bekommt mann schon eine gewischt,
wenn mann seiner Frau an die Wäsche geht.
Mal sehen wann das gelöscht wird, weil die Mod´s mal wieder keine Ironie 
verstehen.
HolgerR

: Bearbeitet durch User
von 🍅🍅 🍅. (tomate)


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Gustav K. schrieb:
> Eben mal aus reinem Interesse mit dem Lügenstift experimentiert.
> Mit
> Schuhen auf einem Stapel Kissen gestanden (darunter zwei Lagen Teppich),
> die Glimmlampe leuchtet unverdrossen. Der Widerstand wird irgendwo bei
> unendlich liegen.
>
> Der Lügenstift leuchtet hier sogar minimalst (total abdunkeln), wenn er
> in der Steckdose steckt und man ihn am Ende nicht berührt.

Häng halt mal DC ran, dann leuchtet er nicht mehr.
Vor paar Jahren mal mit Keithley 237 gespielt, Glimmlampen brauchen 
gewissen Minimalstrom, unterhalb brennen die nicht mehr. Dann steigt 
Spannung, bis wieder zündet und ausgeht, vermutlich wegen Kapazität im 
Triax-Kabel oder an der Endstufe vom K237.

von Andreas M. (andreas_m62)


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🍅🍅 🍅. schrieb:
> Häng halt mal DC ran, dann leuchtet er nicht mehr.

Dann leuchtet nur eine der zwei Elektroden!
Bei Wechselspannung leuchten beide abwechselnd je nach Halbwelle.

von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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Bei DC kann sein, daß er wirklich nicht mehr leuchtet, da die Kopplung 
mit der Erde über die Luftstrecke kapazitiv ist. Ohne Frequenz wird 
diese Kapazität nicht mehr umgeladen und dadurch fließt auch kein Strom, 
der irgendwas leuchten lassen könnte.

von Gustav K. (hauwech)


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Benjamin M. schrieb:
> Dann war dieses leichte Kribbeln wahrscheinlich die wenigen mA, die
> fließen wenn man relativ gut gegen Erde isoliert ist.

Man könnte sich ja mal auf einen Stapel Kissen stellen und dann die 
Phase berühren. Fließen durch den Kissenstapel paar mA? Kribbelt es nur, 
oder schüttelt es einen? Wer hat es ausprobiert und kann berichten?

von Ove M. (Firma: ;-) gibt es auch) (hasenstall)


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Scheissegal! Er hat sich nicht an die essentiellen Sicherheitsregeln 
gehalten!
Damit britzelt es halt; selber schuld!

Schon klar, ist deutlich, aber soll auch so sein!

Grüße Ove

von Lord Magnet (lord_magnet)


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Gustav K. schrieb:
> Wer hat es ausprobiert und kann berichten?

Bei mir

Gustav K. schrieb:
> Kribbelt es nur, oder schüttelt es einen? Wer hat es ausprobiert und
> kann berichten?

Bei mir im Büro reicht das Holzparkett, ich kann Phase berühren ohne 
Kribbeln.

von Rainer Z. (netzbeschmutzer)


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Lord Magnet schrieb:
> Bei mir im Büro reicht das Holzparkett, ich kann Phase berühren ohne
> Kribbeln.

Das allmorgendliche Ritual zum Wachwerden? :))

von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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Nur bei polnischen Handwerkern.
Aber die stehen dafür nicht isoliert, ihr Weicheier!

: Bearbeitet durch User
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