Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Seltsamer Füllstoff in einem NT-Elektrolyt-Kondensator


von Michael P. (Firma: n.a.) (micha1102)


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Hallo,

meine Nachbarin brachte mir neulich eine defekte aufladbare 
LED-Notbeleuchtung vorbei und wollte wissen, ob da noch was zu 
reparieren wäre.

Bewährt nach fernöstlicher electronic-art werkelt in der Billig-Leuchte 
ein äußerst knapp kalkuliertes Kondensatornetzteil, über das die 3 
kleinen internen PB-Akkus geladen werden.

Wenn man sich das beigefügte Bild genau anschaut sieht man, dass es den 
Elko in der Mitte komplett zerlegt hat. Von der Größe her muss es etwa 
ein 5μF/400V-Typ gewesen sein. So verdreckt wie die benachbarten 
Bauelemente aussehen, muss es einen ordentlichen Knall gegeben haben.

Die Frage ist nun: Werden in China nun schon Naturfasern als 
Isolationsmaterial in Kondensatoren eingesetzt. Oder ist das nur eine 
weitere Fake-Variante ähnlich den sandgefüllten 18650-Zellen? Wo sonst 
können die auf dem Bild zu sehenden zahlreichen Fasern (besonders an dem 
Transistor ist es fast schon ein Kunstwerk) herkommen.

Habt ihr derartige Fasern auch schon auf defekten PCBs gehabt? Und eine 
logische Erklärung dafür?

von Keks F. (keksliebhaber)


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Das sind die Bio-Kondensatoren aus feinsten Schweineborsten. Recyclet 
aus Pinseln.

von Hans H. (loetkolben)


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Das war gemein.
Ich weiß zwar auch nicht was es genau ist, aber eine Bildersuche mit
"electrolytic capacitor explode" liefert ein paar wo es auch so haariges 
Zeugs ist :)

von Marcel V. (mavin)


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Michael P. schrieb:
> Habt ihr derartige Fasern auch schon auf defekten PCBs gehabt?

Ja. Diese Fasern sind ein normales Bild für geplatzte Elkos.

von Sebastian R. (sebastian_r569)


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Das sind die Papierfasern des Dielektrikums, das mit dem Elektrolyt 
getränkt ist. Nichts ungewöhnliches oder neues ;)

von H. H. (Gast)


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Ganz normal, der Separator ist ein spezielles Papier.

von Keks F. (keksliebhaber)


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Hans H. schrieb:
> Das war gemein.

War so nicht gemeint. Ich wusste es auch nicht, aber ein bisschen Humor 
brauchen wir doch alle.

von Marcel V. (mavin)


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Keks F. schrieb:
> aber ein bisschen Humor brauchen wir doch alle.

So sehe ich das auch. Ich brauche besonders viel Humor, weil meine Frau 
sagt immer zu mir, ich sei ein Stoffel. Damit hat sie nicht ganz 
unrecht.

von Michael P. (Firma: n.a.) (micha1102)


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H. H. schrieb:
> Ganz normal, der Separator ist ein spezielles Papier.

Ja, aber warum mit so einer faserigen Struktur?

Man sieht auf dem Bild ziemlich deutlich, dass der Wickel vom 
Kondensator selbst noch recht intakt aussieht. Beinahe so, als hätten 
sie einen kleineren (z.B. 300 Volt-Typ) in ein größeres Gehäuse gepackt.

von Wollvieh W. (wollvieh)



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Vielleicht ist es ja wirklich eine Art Filzmatte, damit der kleinere 
Wickel nicht verrutscht und kurzschließt. Andererseits:

Hans H. schrieb:
> Das war gemein.
> Ich weiß zwar auch nicht was es genau ist, aber eine Bildersuche mit
> "electrolytic capacitor explode" liefert ein paar wo es auch so haariges
> Zeugs ist :)

Stimmt, z.B. der hier sieht genauso aus, siehe Anhang:

https://www.samaterials.com/content/why-do-electrolytic-capacitors-explode.html

Aber bei den meisten Fotos sind die Fasern noch erkennbar zu einem 
Papierstreifen verbunden.

: Bearbeitet durch User
von Michael P. (Firma: n.a.) (micha1102)


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Wollvieh W. schrieb:
> Stimmt, z.B. der hier sieht genauso aus, siehe Anhang:
>
> https://www.samaterials.com/content/why-do-electrolytic-capacitors-explode.html

Sehr interessant. Danke für den link.

von H. H. (Gast)


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Michael P. schrieb:
> H. H. schrieb:
>> Ganz normal, der Separator ist ein spezielles Papier.
>
> Ja, aber warum mit so einer faserigen Struktur?

Soll möglichst viel Elektrolyt aufsaugen können.

von Michael P. (Firma: n.a.) (micha1102)


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H. H. schrieb:
> Soll möglichst viel Elektrolyt aufsaugen können.

OK, das leuchtet ein.

Der Becher vom Kondensator ist bis auf die fehlende Außenbeschichtung 
mit dem Aufdruck unbeschädigt, also er ist auch oben nicht im geringsten 
verbeult. Er muss wie eine Rakete weggeflogen sein.
Ist da extrem schnell erhitzte Luft das Treibmittel? Oder entstehen 
irgendwelche Gase durch den hohen Stromfluss?

von Michael (Firma: HW Entwicklung) (mkn)


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Michael P. schrieb:
> Ist da extrem schnell erhitzte Luft das Treibmittel?

Wenn Du scharf nachdenkst, auf wie viel Luft kommst Du da die in so 
einem Elko verbaut ist?
Also wo doch gerade lang und breit darüber diskutiert wurde warum das 
Innenleben so faserig ist...

von Gerald B. (gerald_b)


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Michael P. schrieb:
> Er muss wie eine Rakete weggeflogen sein.
> Ist da extrem schnell erhitzte Luft das Treibmittel? Oder entstehen
> irgendwelche Gase durch den hohen Stromfluss?

Wahrscheinlich hat der Kondensator des Kondensatornetzteils Schluss, 
oder die Last parallel zu Kondensator ist weggefallen, so das die 
Spannung am Elko hochlief. Bei wechselnder Last habe ich immer eine 
Z-Diode verbaut, damit sowas nicht passiert.

von Wollvieh W. (wollvieh)


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Hat Elektrolyt auch einen Siedeverzug, bzw. einen deutlich niedrigeren 
Siedepunkt bei Umgebungsdruck? Dann ist klar, was passiert: Elko wird 
heiß, z.B. 120°, Druck erhöht sich, Elektrolyt bleibt flüssig. 
Kondensator platzt. Der 120° heiße Elektrolyt will nun schon bei 100° 
gesiedet haben (Zahlen frei erfunden) und verdampft schlagartig.

Das erklärt dann schon, warum jede einzelne Faser von ihren Kollegen 
getrennt wird und sich alles explosionsartig verteilt wie früher bei der 
Bundesbahn eine mit Tempo 200 auf dem Gleisschotter auftreffende 
K@ckwurst aus dem Intercity-Klo.

von Gerald B. (gerald_b)


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Die Oxidschicht in einem Elko wird formiert und deren 
Spannungsfestigkeit liegt nur knapp oberhalb der Nennspannung.
Ich kenne das aus der Galvanik, wenn man Aluminium eloxiert. Der Prozess 
ist dem Formieren verwandt. Du fängst quasi mit 2V an, hälst die 
Badtemperatur zwischen +10° und Minusgraden, je nach angestrebter 
Schichtdicke. Je mehr, um so kälter. Der Strom sinkt, die Spannung wird 
langsam erhöht. Wasser wird elektrolytisch zerlegt, der Sauerstoff 
oxidiert das Aluminium an der Oberfläche, die Oxidschicht wird dadurch 
dicker.
Die Oxidation von Aluminium ist stark exotherm, diese Wärme muß 
unbedingt abgeführt werden, denn bei höherer Elektrolyttemperatur 
regiert das Aluminiumoxid weiter und geht in Lösung. Ein 
durchschlagender Elko hat also zunächst keine null Ohm, sondern es fällt 
an ihm seine Nennspannung bei hohem Strom ab. Dadurch kommt es zu einer 
sehr raschen, punktuellen Erwärmung, wodurch der Elektrolyt schlagartig 
verdampft und das Sicherheitsventil öffnet oder gar das Gehäuse sprengt.

von Jens G. (jensig)


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Wollvieh W. schrieb:
> Hat Elektrolyt auch einen Siedeverzug, bzw. einen deutlich niedrigeren
> Siedepunkt bei Umgebungsdruck?

Hat nix mit Siedeverzug zu tun ...

von Michael P. (Firma: n.a.) (micha1102)


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Gerald B. schrieb:
> .... Dadurch kommt es zu einer
> sehr raschen, punktuellen Erwärmung, wodurch der Elektrolyt schlagartig
> verdampft und das Sicherheitsventil öffnet oder gar das Gehäuse sprengt.

Gut erklärt, danke.

Ich habe nun mal die Ursache für den Ausfall gesucht:

Immerhin ist die Platinenbeschriftung hier sehr servicefreundlich 
(Bild). Dabei wird aber auch ersichtlich, dass es gar keinen 
Hochvolt-Elko getroffen hat. Die einzige Spannungsbegrenzung (auf ca. 6 
Volt) für den Kondensator bildet die zu ihm direkt parallel geschaltete 
Reihe der drei Bleiakkus (Bild).

Und bei einem der drei war ein Draht abgerissen. Somit hat der Elko die 
volle Netzspannung bekommen und dabei einen Schalttransistor, einen 
Widerstand und eine LED zur Ladeanzeige gleich mit zerstört.

Irgendwie sieht es bei diesem Schaltungskonzept so aus, als könnte ein 
Reparaturversuch ggf. später auch als Beihilfe zum Mord ausgelegt werden 
;-)

Eine Instandsetzung ist sicher ganz einfach zu machen. Ich lass da aber 
lieber die Finger von....

von Thomas U. (charley10)


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Keks F. schrieb:
> Das sind die Bio-Kondensatoren aus feinsten Schweineborsten. Recyclet
> aus Pinseln.

Vielleicht Bio, aber nicht VEGAAAHHN! ;-))

von Gerald B. (gerald_b)


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Was lange hält, bringt kein Geld!
Welche Kapazität hat denn das "Malzbonbon", der rote Folienkondensator?
220n bringen rund 15 mA Blindstrom.
Bei 3 Pb Zellen sollte die Ladeschlusspannung bei 7,2V rum liegen. Eine 
Z-Diode. die trotz Exemplarstreuungen sicher darüber liegt, bspw. 9,1V 
hätte 9x 0,015A = 0,135W Verlustleistung, was selbst für ein 250 mW 
Exemplar mitten im grünen Bereich liegt.
Und wenn die Z-Diode allein nicht ausreicht, nimmt man halt noch einen 
kleinen Thyristor dazu, der von der Z-Diode gezündet, dann den Elko 
kurzschließt. Es muß also weder kompliziert noch teuer sein, Elektronik 
(Ausfall)SICHER zu desingnen.

von Michael P. (Firma: n.a.) (micha1102)


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Gerald B. schrieb:
> Welche Kapazität hat denn das "Malzbonbon", der rote Folienkondensator?

Der hat 2,2μF/400V (Aufdruck:225J400).
Wenn der Nutzer da vergisst, nach Ladeschluss den Netzstecker zu ziehen, 
kochen die Akkus bestimmt bald ihrem Ende entgegen...

Gerald B. schrieb:
> Was lange hält, bringt kein Geld!

von Thomas (kosmos)


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Gerald B. schrieb:
> und deren
> Spannungsfestigkeit liegt nur knapp oberhalb der Nennspannung.

Habe erst letzte Woche erst einige Chinakondensatoren getestet, da ich 
ein Video mit Fakekondensatoren gesehen habe die schon unter dem 
Nennwert explodiert sind. War ganz überrascht als der 16V Elko erst bei 
27V anfing Strom zu ziehen und dann zu explodierte. Habe damit 
gerechnet, dass das bereits bei 20V schief gehen würde.

von Michael P. (Firma: n.a.) (micha1102)


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Thomas schrieb:
> ... da ich
> ein Video mit Fakekondensatoren gesehen habe ...

Hier ist noch so ein Beispiel mit Nichicon-Cs:
https://www.youtube.com/watch?v=zarVWXQvVuc

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