Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Nähmaschine-Motorsteuerung: Was sind das für Bauteile


von Claus F. (claus_f)


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Liebe Leute,

ich brauche wen, der sich auskennt, wo ich mich nicht auskenne. Ich kann 
zwar nähen, spreche 3 Sprachen, spiele ein Musikinstrument, aber analoge 
Elektronik... Herrje.

Also: ich habe eine Nähmaschine Pfaff aus den 1950er-Jahren, also ein 
wenig älter als ich. Diese Dinger sind Ganzmetall und unverwüstlich. Die 
werden locker 100 Jahre alt. Sogar der Unterflurmotor ist original.

Neben dem Motor in einem kleinen Kästchen aus (vermutlich noch) Bakelit 
begann es kürzlich zu kokeln und zu stinken. Beim Zerlegen bröselten mir 
zwei Bauteile entgegen, und die Frage ist: Was ist das?

Bauteil 1 (der kleine, in meiner Hand): Was man von der Aufschrift noch 
lesen kann, heißt "N 100 fT/4 0,1 µF 250V(Welle) -1048500560-7-62,9". Er 
ist - naja, war - zweipolig, er ist nämlich ganz verkohlt. Soviel habe 
ich in der Schule aufgepasst, dass ich vermute: Ein Kondensator, 
Wechselstrom 250V, 0,1 Mikrofarad. Frage: stimmt das?

Bauteil 2 ist mir nun ein Rätsel: Die Aufschrift sagt: "LC 100-1005 fB/1 
0,1 µF+2x1mH 250V(Welle) 0,3A -10+85?0 (da ist eine Zahl unleserlich) 
Gut Nr. 013 62.9". Das dürfte nun auch ein Kondi sein, aber 4 Ausgänge? 
Ich habe sowas noch nie gesehen.

Nach meinem Verständnis hängt er einerseits am Strom, und am anderen 
Ende ist ein Schalter, der nach meinem Verständnis eingeschaltet wird, 
wenn die Maschine sofort stoppen soll.

Bauteil 1 ist im A..., Bauteil 2 sieht noch funktionsfähig aus, aber wie 
lange noch? Ich weiß nicht, ob ich ihn bei diesen brüchigen Kabeln 
überhaupt heil wieder reinkriege. Ich würde gerne beide tauschen.

Und natürlich bin ich neugierig: Was tun diese Teile eigentlich?

Vielen Dank von einem unwissenden Hobbyschneider,
Claus

: Bearbeitet durch User
von Karl B. (gustav)


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Entstörkondensator(en)
Nur zum Beispiel:
https://www.ebay.de/itm/171987961587
Heute nimmt man besser welche mit 275V~

ciao
gustav

: Bearbeitet durch User
von Michael B. (laberkopp)


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Diese Bauteile sind zur Funkentstörung  die Nähmaschine läuft auch ohne 
sie (durchleitende Spulen überbrückt) stört halt mehr.

Das ist uraltes Zeug, sieht heute anders aus.

Der eine ist ein Funkentstorkondensator
https://www.reichelt.de/funkentstoerkondensator-x2-100-nf-250-v-rm-15-0-85-c-20--funk-100n-p8060.html
das andere ein LC Filter bestehend aus Kondensator und Drosselspulen, 
gibt es wohl nicht mehr in der Bauform.
1
  o--1mH--+--o
2
          |
3
230V~    100nF  Motor
4
          |
5
  o--1mH--+--o
Ob 2 x 1mH 0.3A nun für einzelne Spulen 
https://www.tme.eu/de/details/rlb0914-102kl/vertikaldrosseln/bourns/ 
oder fur eine stromkompensierte Spule 
https://www.buerklin.com/de/p/epcos/festinduktivitaeten/b82720k2202n040/73D9202/ 
steht, weiss ich nicht, der geringe Wert spricht für mich für 
Einzelspulen

Man wird das Teil aus 2 Spulen und 1 100nF Kondensator nachbauen müssen. 
Mechanisch wäre es dann natürlich schön, wenn man eine gemeinsame 
Leiterplatte schafft, aber das ist Kür, nicht Pflicht.

Fertig als Netzfilter finder man so was, wird baulich kaum reinpassen

https://www.ebay.de/itm/284935194303

von Claus F. (claus_f)


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Oi, das war aber schnell!

Und jetzt muss ich nochmal nachfragen:

1) Habe ich das richtig verstanden: Das Ding läuft auch ohne beide Teile 
(also überbrückt), ohne dass der Motor Schaden nimmt? Nur rauscht dann 
vielleicht das Radio? Das würde erklären, warum die Maschine trotz 
stinkendem Teil noch näht.

2) Netzfilter auf https://www.ebay.de/itm/284935194303: Das Teil ist 
fünfpolig, meiner vierpolig. Heißt das: der Schalter gehört auf die 
zweipolige Seite, wo "load" steht, und der Strom gehört auf "Line", 
wobei die Erdungsleitung unverbunden bleibt (weil ich habe keine Erde in 
der Maschine)? Gibts da plus/minus/falschrum?

Danke nochmal!

von Michael B. (laberkopp)


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Claus F. schrieb:
> weil ich habe keine Erde in der Maschine

Echt, schutzisoliert, bei dem Alter ? Es wird schon irgendwelche grossen 
Metallteile "Masse" geben an die man ihn anschrauben kann.

Wenn sich so was gar nicht findet, und auch der Netzstecker keinen 
Schutzleiter hat, kann man ihn auch offen lassen, plus und minus gibt es 
bei Wechselstrom nicht.

Ich persönlich würde eine alte Nähmaschine mit nur 2-poligem 
Anschlusskabel auf Kaltgerätestecker umrüsten (ggf. also Netzbuchse 
ausfräsen oder Adapterplatte einbauen) und das sicher metallische 
Gehäuse mit dem Schutzleiter verbinden. Sonst steht bei einem 
Isolationsfehler der 'brüchigen Isolation' das Gehäuse unter Spannung.

von Karl B. (gustav)


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Claus F. schrieb:
> wobei die Erdungsleitung unverbunden bleibt (weil ich habe keine Erde in
> der Maschine)? Gibts da plus/minus/falschrum?

Die Wirkung der Y-Kondensatoren fehlt, wenn nicht mit PE oder dem 
Motorgehäuse verbunden. Werden nicht mehr als 2,5 nF Kondensatoren 
verbaut, ist Ableitstrom auch bei fehlendem PE gering und zulässig auch 
für SK II.
https://de.wikipedia.org/wiki/Schutzklasse_(Elektrotechnik).

ciao
gustav

von Claus F. (claus_f)


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Whow, dankeschön! Ich werde die Bauteile mal bestellen und ersetzen. 
Super, dass es Euch gibt!

von Thomas R. (thomasr)


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Ich würde die nicht wieder ersetzen. Diese Entstörgruppe hat spezielle 
Maße und läßt sich mit anderen Kondis/Indis nicht einfach so ersetzen, 
der Platz in dem kleinen Bakelitgehäuse reicht dafür nicht aus. Es gibt 
allerdings passende "Originalteile" von Pfaff, aber die sind sauteuer.

Hatten wir schon einige Male im RC. Mit genügend Sachkenntnis kann man 
die "zu großen" Bauteile auch außerhalb des Bakelitgehäuses 
unterbringen.

von Claus F. (claus_f)



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Ich muss da nochmal nachfragen, sorry ich bin blutiger Laie mit Strom:

Ist das SICHER ein Netzfilter? Warum ich zweifle, ist nämlich: Auf der 
einen Seite ist Strom, auf der anderen aber nur ein Schalter. Das 
entspricht nicht dem Schaltplan von @laberkopp.

Ich konnte aus einem alten und einem neuen Foto den Schaltplan 
rekonstruieren, dessen Reste klebten auf der Innenseite der Schaltbox:

Die drei Leitungen von oben (sw, gr und w?) sind vom Fußpedal (also: 
Strom), die drei Leitungen unten (bl, sw und gr) sind zum Motor.

Darauf sind zwei Kondensatoren zu sehen. Den kleineren (Mitte, völlig 
abgekokelt) habe ich erfolgreich ersetzen können. Der größere oben (0,1 
µF) ist aber kein Netzentstörer, oder? Der scheint eine 
Sonderanfertigung zu sein, weil der "Hinterausgang" geht zu einem 
Schalter, der macht was? Schaltet den Kondensator kurz? Wenn der 
Schalter "ein" ist, darf die Maschine nicht loslaufen, das ist der 
Effekt des Schalters.

Was ist also das obere für ein Bauteil? Bezeichnet ist der mit "LC 
100-1005 fB/1 0,1 µF+2x1mH 250V~ 0,3A -10+85?0 (da ist eine Zahl 
unleserlich)
Gut Nr. 013 62.9". Und kann ich den nachbauen?

Vielen Dank nochmal, Claus

von Thomas R. (thomasr)


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Welche Pfaff ist es denn? Es gibt eine Version mit Schalter der 
irgendwas mit Rückwärtslauf oder so steuert.

Das sind aber ganz sicher nur Entstörmittel, die Maschine wird auch ohne 
laufen.

von Karl B. (gustav)


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Claus F. schrieb:
> 0,1 µF+2x1mH 250V~
Nimm welchen mit 275 V. 250 V ist out.
Die Drosseln sind ganz nebenbei auch dazu da, den Schaltkontakt vor 
Verschleiß zu schützen.
Die Schließen ja den Kondensator kurz, wobei der Entladestrom fließt.

Schaltung findet man im Tabellenbuch wieder.

ciao
gustav

: Bearbeitet durch User
von Michael B. (laberkopp)


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Claus F. schrieb:
> Ist das SICHER ein Netzfilter?

Nun hast du das erste Bauteil, nicht das zweite.

Das erste ist wie beschrieben ein einfacher Funkentstörkondensator, wie 
du zeigst über dem Netzschalter, soll den Abreissfunken beim Öffnen des 
Schalters abfangen damit der länger lebt.

Zur Funktion nicht wichtig, für den Schalter lebensdauerverlängernd.

von Wolf17 (wolf17)


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Claus F. schrieb:
> Ist das SICHER ein Netzfilter? Warum ich zweifle, ist nämlich: Auf der
> einen Seite ist Strom, auf der anderen aber nur ein Schalter.

Dieser 100nF Vierpolkondensator soll die Funkenstörung vom Schalter 
unterdrücken. Um bis zu hohen Frequenzen zu wirken, vermeidet man durch 
den Vierpolanschluss jeden cm induktivitätsbehafteten "Zuleitungsstiel". 
Einfach einen 100nF X2 direkt in den Leitungsverlauf löten macht 
annähernd das gleiche, ist nur schwieriger zu isolieren wie ein schlecht 
erhältlicher Vierpol-X2. (besonders wenn das Original uralt und noch 
nicht stirnkontaktiert war)

: Bearbeitet durch User
von Claus F. (claus_f)


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Danke! Das heißt, ich kann einen einfachen 250V~100nF-Kondensator 
einlöten, und den Schalter zur Überbrückung außen rum? So?

von Kurt (Gast)


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Claus F. schrieb:
> ich kann einen einfachen 250V~100nF-Kondensator

Nöpp. Keinen einfachen, sondern einen zweipoligen parallel zum Schalter.

X2 - Unterklasse mit VDE Zeichen
0.1 µF
~ 275 V oder ~ 280 V

https://de.wikipedia.org/wiki/Entst%C3%B6rkondensator

und Markenware, also keine China-Knaller ;)

von Michael B. (laberkopp)


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Kurt schrieb:
> und Markenware, also keine China-Knaller ;)

Du meinst, Rifa, die so schön in Rauch aufgehen ?

China liegt bei dir weit westlich.

von Claus F. (claus_f)


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OK, habe heute die beiden Kondis ausgetauscht, Maschien läuft wieder 
super! Vielen Dank Euch allen! Ihr habt ein Teil aus 1959 (!) weiter am 
Leben gehalten. Ich melde mich dann wieder in 10 Jahren, wenn der 
Unterflurmotor meier geht :-)

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