Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Interpretation Typenschild Drehstrom-Motor


von Karl-alfred R. (karl-alfred_roemer)


Angehängte Dateien:

Lesenswert?

Hallo zusammen,

ich habe hier folgenden Motor mit dem als Foto angegangenen Typenschild 
und möchte ihm einen Motorschutzschalter spendieren.

Dazu wollte ich sicherheitshalber nur kurz Fragen, ob meine 
Interpretation korrekt ist:

Allgemein gilt: Wir nehmen als Netzspannung die Spannung zwischen zwei 
Außenleitern, die bei uns in D 400V beträgt.

Die Info 230/400 besagt , dass die Strangspannung 230V beträgt und 
dieser Motor deshalb in unserem 400V Netz (da immer die Spannung 
zwischen den Außenleitern genommen wird) im Stern angeschlossen werden 
darf, aber nicht im Dreieck, denn im Dreieck würden pro Strang 400V 
anliegen.

Bei Nennleistung hat dieser Motor 250 Watt mechanische Leistung an der 
Welle.

D.h. pro Strang wären dass dann 83 Watt.  Bei 230V Strangspannung würden 
bei 100% Wirkungsgrad und cos phi = 1 I=P/U = 83W/230V = 0,36A fließen.
Wegen Wirkungsgrad von 73,6% bei 100% Leistung und cos phi von 0,74 
beträgt der Strangstrom

I=0,36A /(0,74*0,736) = 0,665A.

Diesen Wert finden wir auf dem Typenschild in Kombination mit einem 
anderen Wert von 1,2.  Ist letzteres der Anlaufstrom? Oder ist das der 
Strom, den man HÄTTE, wenn man den Motor fälschlicherweise im Dreieck 
betreiben würde?
Rechnerisch käme ich mit dem Faktor Wurzel(3) auf 1,152A, was ja leicht 
von den 1,2A abweicht.


Wenn ich nun einen Motorschutz auswählen würde, könnte ich z.B. den ABB 
Motorschutzschalter MS116-1.0 (0,63-1,00A) auswählen und 0,7A 
einstellen.

Dann sollte er eigentlich bei Überlast auslösen.
Was ist eigentlich mit dem Anlaufstrom?  Diese sollen ja das 5-7 Fache 
vom Nennstrom betragen.  Steckt so ein Motorschutzschalter das weg? 
Enthalten diese Motorschutzschalter so eine Art Zeitverzögerung, bis sie 
ansprechen?

Von den ABB Motorschutzschaltern gibt es zwei Versionen: einmal MS116 
und einmal den MS132.  Laut einem Dokument von ABB (finde ich im Moment 
gerade nicht mehr) hat der "kleine" 50000A und der andere 100000A 
maximalen Kurzschlussstrom.

Ist das so zu verstehen, dass man in einem sehr stabilen Netz, in dem 
Kurzschlussströme von über 50000 A möglich wären, den MS132 nehmen muss 
und bei kleineren maximalen Kurzschlussströmen den MS116 nehmen kann?

Gibt es überhaupt Stromnetze, die so einen hohen Kurzschlussstrom haben, 
die nicht direkt an einem Kraftwerk hängen?


Danke für Eure Antworten
und
viele Grüße
Karli

von Giovanni (sqrt_minus_eins)


Lesenswert?

Das Typenschild zeigt 4 Möglichkeiten den Motor zu betreiben
* Stern oder Dreieck
* 50Hz oder 60Hz

Wir beschränken uns auf 50Hz / Stern im europäischen 400V Netz.

Der Nennstrom bei 250W an der Welle bei 1350Upm beträgt 0.66A (ist auch 
gestempelt).

1. Prüfen ob Motor in Stern geschaltet ist

2. Motorschutzschalter aus Katalog für einen Motor mit 0.66A auswählen - 
eventuell Schweranlauf beachten??

100kA KS-Strom ist schon viel.

Wenn man direkt neben dem 400V Netztrafo mit 2MVA, 6% wohnt,dann hat man 
einen KS Strom von 48kA.  Nur es wohnt keiner 5m neben dem Trafo.

Also 50kA reicht.

von Karl-alfred R. (karl-alfred_roemer)


Lesenswert?

Vielen Dank Giovanni! 👍

Weil du an meinen Berechnungen nichts auszusetzen hast, schließe ich 
daraus, dass sie richtig sind.  Das ist ja schon mal gut.

Sehr beeindruckend, dass so ein 2 MW Trafo so hohe Kurzschlussströme 
erzeugen kann.  Um die 48 kA zu erreichen müsste ja das ganze System 
einen Schleifenwiderstand von wenigen Milli-Ohm haben inklusive den 5m 
Leitung vom Trafo ins Haus, mit Hausanschlusskasten und Hauptverteiler 
mit allen allen Sicherungen, FIs, Zähler, Klemmen... in deinem 
konstruierten Fall.

Noch kurz eine Frage zu den 1.2 in dem Feld in dem 1.2/0.66 steht:
Hat jemand eine Ahnung was das bedeuten könnte?

: Bearbeitet durch User
von Dieter W. (dds5)


Lesenswert?

Karl-alfred R. schrieb:
> Noch kurz eine Frage zu den 1.2 in dem Feld in dem 1.2/0.66 steht:
> Hat jemand eine Ahnung was das bedeuten könnte?

Der Strom in jeder Phase der Zuleitung ist bei 400V 0,66A und bei 230V 
1,2A. Die Erklärung ist einfach: Bei 400V Sternschaltung liegt nur eine 
Spule an jeder Phase, bei 230V Dreieck hängen an jeder Phase 2 
Motorspulen.

von Karl-alfred R. (karl-alfred_roemer)


Lesenswert?

Vielen Dank Dieter W.

Habe an anderer Stelle gelesen, dass die Leistung bei 230V Dreieck genau 
die selbe ist, wie die Leistung bei 400V Stern.  Da die Spannung im 
ersten Fall Wurzel 3 geringer ist, muss der Leiterstrom bei 230V Dreieck 
um Wurzel 3 höher sein, als bei 400V Stern.

Ich glaube, ich habe das jetzt voll verstanden. Vorher war ich gefühlt 
nur bei 80-90%.

Wo gibt es eigentlich Drehstromnetze mit 230V Außenleiterspannung?

von Engelbert S. (engelbert)


Lesenswert?

Karl-alfred R. schrieb:
> Wo gibt es eigentlich Drehstromnetze mit 230V Außenleiterspannung?

Betrieb an einem einphasig eingespeisten Frequenzumrichter

von Karl-alfred R. (karl-alfred_roemer)


Lesenswert?

Ahhhhhh!!!!🙂   Vielen Dank Engelbert.

von Werner H. (werner45)


Lesenswert?

...und in Nordamerika mit 60 Hz.

von H. H. (hhinz)


Lesenswert?

Werner H. schrieb:
> ...und in Nordamerika mit 60 Hz.

Gibts auch in vielen anderen Regionen der Welt.

von Karl-alfred R. (karl-alfred_roemer)


Lesenswert?

Noch eine abschließende Frage:
Ist es eigentlich Zufall, dass der Wirkungsgrad eta bei diesem Motor 
fast mit dem cos phi identisch ist? Oder gibt es hier einen 
Zusammenhang?

Manche behaupten sogar, dass der Wirkungsgrad mit dem cos phi identisch 
wäre.

von Giovanni (sqrt_minus_eins)


Lesenswert?

Karl-alfred R. schrieb:
> Manche behaupten sogar, dass der Wirkungsgrad mit dem cos phi identisch
> wäre.

Und ich behaupte es ist Zufall.

Interessant ist aber, dass die Wirkungsgrade bei 50Hz und 60Hz gleich 
sind. Wahrscheinlich auch Zufall, aber durchaus möglich.

die restlichen Zahlen:

IE3:  Der Motor hat Effizienzklasse IE3 - ist zwar nicht notwendig (ist 
ab 0.75kW verpflichtend), aber nicht schlecht.

S1: Dauerbetrieb

Klasse F: bedeutet <155°C am heißesten Punkt in der Wicklung

IP55: Schutzart - staubgeschützt, Schutz gegen Strahlwasser

max. Umgebungstemperatur: 40°C

Schutz Übertemperatur: PTC 150°C - OK weil in Klasse F

: Bearbeitet durch User
von Harald W. (wilhelms)


Lesenswert?

Karl-alfred R. schrieb:

> Wo gibt es eigentlich Drehstromnetze mit 230V Außenleiterspannung?

Früher wohl in ganz Deutschland (mit 220V). Z.B. in Hannover wurde das
in den 1960er Jahren auf 220/380V umgestellt.

von Harald W. (wilhelms)


Lesenswert?

Giovanni schrieb:

> Wenn man direkt neben dem 400V Netztrafo mit 2MVA, 6% wohnt,dann hat man
> einen KS Strom von 48kA.  Nur es wohnt keiner 5m neben dem Trafo.

Im Haus bei uns gegenüber steht der Trafo direkt im Erdgeschoss des
Hauses. Muss man da, wenn man im Erdgeschoss wohnt, darauf achten,
Leitungsschutzschalter mit hohem Schaltvermögen zu verwenden?

von Giovanni (sqrt_minus_eins)


Angehängte Dateien:

Lesenswert?

Harald W. schrieb:
> Im Haus bei uns gegenüber steht der Trafo

Eine Rechnung anstatt einer langen Erklärung. Der Widerstand der Leitung 
spielt eine enorme Rolle.

1) Rechnung mit Länge = 0 Meter, 4mm² Querschnitt
2) Rechnung mit Länge = 10 Meter, 4mm² Querschnitt

Anm: bei Haushaltsinstallationen hat man üblicherweise einen Querschnitt 
von 1.5mm².

: Bearbeitet durch User
von Karl-alfred R. (karl-alfred_roemer)


Lesenswert?

Ich verstehe das jetzt so, dass unter halbwegs normalen Bedingungen die 
50 kA niemals erreicht werden können.  In einem YouTube-Video hat 
"Freunde des Stromes" einmal mit einem Installationstester den 
Kurzschlussstrom gemessen und kam auf "nur" 509A.

Damit wäre die Frage geklärt. Falls Zweifel bestehen sollten, ob die 
Installation vielleicht tatsächlich zu überdurchschnittlich hohen 
Kurzschlussströmen in der Lage ist, kann man ja immer noch nachmessen 
lassen. Die haben dann ja auch sicherlich kompetente Haus-Elektriker mit 
den entsprechenden Gerätschaften.

Aber noch ne andere Frage, die ich oben vergessen habe:

Auf dem Typenschild steht ja was von PTC 150°C.
Was ein PTC ist, ist mir klar, aber was macht der in diesem Motor? 
Steuert er bei 150°C eine eingebaute Abschalt-Vorrichtung an?  Oder sind 
die Anschlüsse irgendwo nach außen geführt, wo man dann seine eigene 
Elektrik anschließt, die bei Bedarf die Stromzufuhr kappt?

von Dieter W. (dds5)


Lesenswert?

Karl-alfred R. schrieb:
> Oder sind
> die Anschlüsse irgendwo nach außen geführt, wo man dann seine eigene
> Elektrik anschließt, die bei Bedarf die Stromzufuhr kappt?

Sooo isses.

von H. H. (hhinz)


Lesenswert?

Karl-alfred R. schrieb:
> Auf dem Typenschild steht ja was von PTC 150°C.
> Was ein PTC ist, ist mir klar, aber was macht der in diesem Motor?
> Steuert er bei 150°C eine eingebaute Abschalt-Vorrichtung an?  Oder sind
> die Anschlüsse irgendwo nach außen geführt, wo man dann seine eigene
> Elektrik anschließt, die bei Bedarf die Stromzufuhr kappt?

Es gibt beides. Schau in den Klemmkasten.

von Thomas R. (thomasr)


Angehängte Dateien:

Lesenswert?

In der Steuerung sitzt dann so etwas....

von Thomas R. (thomasr)


Lesenswert?

Harald W. schrieb:
>
> Im Haus bei uns gegenüber steht der Trafo direkt im Erdgeschoss des
> Hauses. Muss man da, wenn man im Erdgeschoss wohnt, darauf achten,
> Leitungsschutzschalter mit hohem Schaltvermögen zu verwenden?

In Deutschland sind im nicht-industriellen Bereich auf der Anlagenseite 
LS mit mindestens 6kA vorgeschrieben. Deshalb gibt es bei seriösen 
Quellen praktisch nur diese zu kaufen (in anderen EU Ländern gibt es 
auch 4,5kA oder gar 3kA; nicht zulässig in D). Nur im Vorzählerbereich 
sind 25kA üblich (wie SLS Schalter oder die LS für den RfZ).

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.