Hallo! Ich frage mich, was der Grund ist für den folgenden Passus in der
GPL:
1
This program is free software; you can redistribute it and/or
2
modify it under the terms of the GNU General Public License
3
as published by the Free Software Foundation; either version 2
4
of the License, or (at your option) any later version.
Es geht mir hier um den Wortlaut "...or (at your option) any later
version." D.h. ich stelle ja, wenn ich den Passus so übernehme, meine
Software unter eine Lizenz, die ich gar nicht kenne. Wenn jetzt die FSF
eine GPL V4 veröffentlicht, die z.B. deutlich offener wäre als GPL V2
oder V3 (ähnlich wie BSD), kann wäre die Software deutlich freier. Nun
wäre dies für viele Projekte eher belanglos (meine Software
eingeschlossen), da viel zu unwichtig, aber es gäbe ja wichtige
Projekte, für die das nennenswert sein könnte. Ist z.B. auch aus diesem
Grund auch der Linux Quelltext "nur" unter der GPL V2 veröffentlicht?
Eine Folgelizenz kann niemals die festgelegten Rechte der Vorgänger
annullieren.
Insofern wird sie allenfalls restriktiver, niemals freizügiger sein
können.
Norbert schrieb:> Eine Folgelizenz kann niemals die festgelegten Rechte der Vorgänger> annullieren.> Insofern wird sie allenfalls restriktiver, niemals freizügiger sein> können.
Du meinst also in etwas so, wie die GPLv3 restriktiver ist als die
GPLv2?
Oder verstehe ich dich falsch?
Norbert schrieb:> Eine Folgelizenz kann niemals die festgelegten Rechte der Vorgänger> annullieren.
Das sehe ich genauso!
> Insofern wird sie allenfalls restriktiver, niemals freizügiger sein> können.
Das sehe ich genau umgekehrt. Sie kann also freier sein, aber nicht
strenger als eine Folgelizenz. Wäre sie strenger, dann nehme ich einfach
die ursprüngliche Lizenz.
Der Grund für das ganze ist simpel. Wenn tausende Personen zu einem
Projekt beigetragen haben, und du sowas nicht drin stehen hast, und
irgend wer findet ein Schlupfloch, oder die Rechtslage ändert sich, und
du musst darum die Lizenz anpassen - ohne das müsste man jetzt jeden
einzelnen davon fragen, "Hey, darf ich den Code unter der X Lizenz
veröffentlichen?". So hingegen kann die FSF einfach eine v4
herausbringen, und du kannst die dann zukünftig einfach verwenden / bei
deinen Projekten einführen, ohne jeden einzelnen erst fragen zu müssen
(was meistens gar nicht möglich ist). Das gilt dann zwar nur für
zukünftige Versionen / neuen Code, aber besser als nichts.
Ich gehe aber davon aus, dass die Intentionen hinter der Lizenz gleich
bleiben müssen.
Das diese Wahlmöglichkeit auch rein praktische Gründe hat, ist klar.
Daniel A. schrieb:> Ich gehe aber davon aus, dass die Intentionen hinter der Lizenz gleich> bleiben müssen.
Das steht wo? Und selbst, wenn das wo stände: Das wäre verdammt schwer,
sowas rechtssicher und eindeutig zu formulieren.
Erstens:
Bevor Du hier so starke Worte wie "Hintertür" in den Mund nimmst, belege
doch mal, wo eine solche vorliegen soll! Eine Kennzeichen einer
Hintertür ist, dass diese gut versteckt ist.
Zweitens:
Schau doch mal in die originale GNU-Lizenz
(https://www.gnu.org/licenses/old-licenses/gpl-2.0.en.html), da wird es
Dir unter Punkt 9 erklärt:
> The Free Software Foundation may publish revised and/or new versions of> the General Public License from time to time. Such new versions will be> similar in spirit to the present version, but may differ in detail to> address new problems or concerns.> Each version is given a distinguishing version number. If the Program> specifies a version number of this License which applies to it and "any> later version", you have the option of following the terms and conditions> either of that version or of any later version published by the Free> Software Foundation. If the Program does not specify a version number of> this License, you may choose any version ever published by the> Free Software Foundation.
Das bedeutet folgendes: Du kannst Dein Softwareprodukt
- entweder generell unter der GNU-Lizenz ohne Versionsangabe freigeben,
dann kann der Nutzer sich vollkommen frei orientieren, unter welcher
Version er das nutzen möchte.
- dies kann eingeschränkt werden zu einem größer/gleich, wie das, was Du
als Hintertür diffamierst.
- oder aber, Du veröffentlichst unter einer speziellen Version, dann
gilt eben nur diese. Auch dann, wenn sich durch irgendwelche
juristischen Winkelzüge plötzlich Probleme ergeben, weil ein
(w/f)indiger Anwalt eine Gesetzeslücke/Widerspruch entdeckt hat.
Ergo: Du hast Du die Lizenz in einem Softwareprojekt entdeckt, wo sich
der Lizenzgeber für die größer/gleich Bedingung entschieden hat. Das hat
dieser also genau so gewollt, also keine Hintertür.
Klaus R. schrieb:> Norbert schrieb:>> Eine Folgelizenz kann niemals die festgelegten Rechte der Vorgänger>> annullieren.>> Das sehe ich genauso!>>> Insofern wird sie allenfalls restriktiver, niemals freizügiger sein>> können.>> Das sehe ich genau umgekehrt. Sie kann also freier sein, aber nicht> strenger als eine Folgelizenz.
Aber der zweite Satz folgt doch direkt aus dem ersten. Nehmen wir an, du
schreibst ein Progamm und gibst es unter GPL weiter, d.h. es gelten die
Bedingungen der zu dem Zeitpunkt aktuellsten Version. Jetzt kommt eine
neue Version, die mehr Freiheiten bietet, und derjenige, der das
Programm von dir hat, gibt es unter dieser neuen Lizenz weiter. Dann hat
der Abnehmer unter Umständen mehr Freiheiten als du durch deine Release
unter GPL beabsichtigt hattest.
Klaus R. schrieb:> Das diese Wahlmöglichkeit auch rein praktische Gründe hat, ist klar.
Deine Frage klang nicht danach, dass dir das klar wäre.
Diese Klausel gibt es seit GPL v3, und sie war tatsächlich zumindest
damals umstritten, gerade weil man damit sein Programm möglicherweise
unter eine Lizenz stellt, die man gar nicht kennt, weil sie zum
Release-Zeitpunkt noch gar nicht existiert. Deshalb haben viele explicit
eine fixe Version angegeben.