Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Vor- und Nachteile: Unipolare vs. Bipolare Spannungsversorgung bei OpAmps


von David (simulant01)


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Hi,

Viele Operationsverstärker können sowohl mit bipolarer 
Spannungsversorgung betrieben werden (z. B. +-3.3V und Masse) als auch 
unipolar (z. B. 5 V und Masse). Nach meinem aktuellen Wissensstand haben 
beide Varianten die folgenden Vorteile:

Pro Unipolar:
+ weniger Aufwand und Kosten für Bereitstellung der Spannungsversorgung 
(bei Batterieversorgung z. B. nur ein Spannungsregler anstelle von zwei)

Pro Bipolar:
+ kein zusätzlicher Aufwand eine Referenzspannung bereitzustellen, auf 
dem der Mittelwert der Wechselspannungssignale fixiert wird (Masse ist 
ja schon da)

1) Gibt es noch weitere Vor- und Nachteile beider Varianten? Gibt es 
handfeste Regeln, wann man als Elektronikentwickler eine bipolare und 
wann man eine unipolare Spannungsversorgung wählen sollte?


2) Beispiel: Heutzutage sind viele Geräte batteriebetrieben. Gibt es da 
überhaupt noch irgendeinen Grund eine symmetrische Spannungsversorgung 
zu verwenden? Der Aufwand gegenüber unipolar ist ja schon sehr deutlich, 
da man einen weiteren Spannungsregler braucht. Sind symmetrische 
Spannungsversorgungen eher ein historisches Relikt aus der früheren 
Zeit, als Operationsverstärker technisch noch deutlich beschränkter 
waren?

von Axel S. (a-za-z0-9)


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David schrieb:

> mit bipolarer Spannungsversorgung betrieben werden
> (z. B. +-3.3V und Masse)

Nein. Schon mal einen OPV mit Masseanschluß gesehen?

> Nach meinem aktuellen Wissensstand haben
> beide Varianten die folgenden Vorteile

(schnipp)

Diese Aufzählung ist Kokolores. Entscheidend ist, was gebraucht wird. 
Mit anderen Worten: in welchem Bereich sich Ein- und Ausgangsspannungen 
befinden werden. Danach wird dann entschieden, wie der OPV versorgt 
wird.

von H. H. (hhinz)


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Axel S. schrieb:
> Schon mal einen OPV mit Masseanschluß gesehen?

µA702

von Irgend W. (Firma: egal) (irgendwer)


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H. H. schrieb:
> Axel S. schrieb:
>> Schon mal einen OPV mit Masseanschluß gesehen?
>
> µA702
Der Hinweis ist gut und führt direkt zu:
- 
https://de.wikipedia.org/wiki/Operationsverst%C3%A4rker#Spannungsversorgung_und_Stromaufnahme

Zitat Wiki:
Frühe Operationsverstärker hatten neben den beiden 
Betriebsspannungs-Anschlüssen noch einen Masseanschluss (z. B. der K2-W 
und der µA702). Das ist inzwischen unüblich, denn die 
Betriebsspannungsanschlüsse können die Funktion des Masseanschlusses mit 
erfüllen. Zwischen den Betriebsspannungsanschlüssen und der Masse 
bestehen lediglich Gleichspannungs-Unterschiede, für Wechselspannung 
sind sie alle gleichwertig. Damit ist es für einen OP gleichgültig, ob 
die Masse in der Mitte der Betriebsspannung liegt (symmetrische 
Versorgung), ob sie mit einem Betriebsspannungsanschluss zusammenfällt 
(meist dem negativen; single-supply), oder ob sie auf einem anderen 
Gleichspannungspotential liegt. Die Angabe ±15 V ist deshalb 
gleichwertig mit der Angabe +30 V.

"Viele OPV und Masse" passt wohl eher nicht, nur das Urgestein aller 
OPV:-)

von Lu (oszi45)


Angehängte Dateien:

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Interessant ist doch eigentlich nur, wozu man die Masse wirklich 
braucht. Eine virtuell erzeugte Masse ist natürlich nicht so schön 
belastbar, wie eine Kupferschiene. Bei TI gibt es viel zu lesen zu OPVs.

von Bruno V. (bruno_v)


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David schrieb:
> Gibt es da
> überhaupt noch irgendeinen Grund eine symmetrische Spannungsversorgung
> zu verwenden?

Wenn ein OP Spannungen bis zu einem Rail (meist GND oder Vcc) kann, dann 
reicht das für die meisten Anwendungen. Spgs-Verstärker im GND-Shunt? 
Dann ist Vcc-Rail egal. Strommessung highside? Dann ist GND-Rail egal. 
Man nimmt den passenden Typen und gut ist.

Rail-To-Rail war lange deutlich aufwändiger, ist aber einfacher als 2 
Hilfsspannungen zu zimmern.

von Vanye R. (vanye_rijan)


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> 2) Beispiel: Heutzutage sind viele Geräte batteriebetrieben. Gibt es da
> überhaupt noch irgendeinen Grund eine symmetrische Spannungsversorgung
> zu verwenden?

Sicher gibt es das. Aber die Entscheidungsfindung ist anders.

Moderne OPs haben ueblichereweise im Datenblatt immer 5.5V als absolutes 
Maximum.
Die sind also gedacht in Systemen verwendet zu werden die mit 3.3V 
laufen. Und sie sind fast immer R2R. Einfach weil man ja auch noch etwas 
Arbeitsbereich hat.
Wenn man dann mit leichten Unzulaenglichkeiten an den Rails leben kann 
dann war es das.
Braucht man nur ein besonders gutes GND stellt man noch ein negatives 
Rail bereit. Das muss aber nur -0.5V oder -1V sein. Die koennen dann 
aber einfach erzeugt sein. Es gibt ja ueblicherweise nur noch wenige 
OPVs bevor es in einen ADC geht.

Aber natuerlich gibt es fuer alles immer begruendete Ausnahmen! ICh hab 
auch schonmal einen OP mit -3V und +27V versorgt. .-)

Vanye

von Rainer W. (rawi)


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Bruno V. schrieb:
> Rail-To-Rail war lange deutlich aufwändiger, ist aber einfacher als 2
> Hilfsspannungen zu zimmern.

Echtes Rail-to-Rail gibt es kaum. Sobald nennenswerter Strom am Ausgang 
fließt, entsteht eine Differenzspannung, weil der OP den Ausgang nicht 
mehr richtig auf das Sollpotential ziehen kann, egal wie hoch seine 
Leerlaufverstärkung ist.
Rail-to-Rail kommt lediglich dicht ran.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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David schrieb:
> Gibt es noch weitere Vor- und Nachteile beider Varianten? Gibt es
> handfeste Regeln, wann man als Elektronikentwickler eine bipolare und
> wann man eine unipolare Spannungsversorgung wählen sollte?
Man nimmt eine billigere unipolare Versorgung, solange nicht eine 
teurere bipolare Versorgung "unbedingt nötig" oder aus irgendwelchen 
Gründen "sowieso vorhanden" ist. Ich habe seit gut 20 Jahren keine 
negative Spannung nur wegen ein paar OP eingesetzt. Denn meist kommt 
nach dem OP ein ADC, der irgendwelche Offsets leicht auskalibrieren und 
herausrechnen kann.

Viel öfter als am begrenzten Ausgangsspannungsbereich scheitern übrigens 
die meisten an einem beschränkten Eingangsspannungsbereich...

von David (simulant01)


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Hi,

Lu schrieb:
> Interessant ist doch eigentlich nur, wozu man die Masse wirklich
> braucht. Eine virtuell erzeugte Masse ist natürlich nicht so schön
> belastbar, wie eine Kupferschiene. Bei TI gibt es viel zu lesen zu OPVs.
Danke für die PDF, die hätte ich eigentlich auch selbst finden können.

Axel S. schrieb:
> Nein. Schon mal einen OPV mit Masseanschluß gesehen?
Da habe ich mich sprachlich nicht präzise ausgedrückt. Ich meinte damit, 
dass bei der bipolaren Spannungsversorgung zusätzlich zu Masse noch zwei 
weitere Potentiale vorhanden sind.


Lothar M. schrieb:
> Man nimmt eine billigere unipolare Versorgung, solange nicht eine
> teurere bipolare Versorgung "unbedingt nötig" oder aus irgendwelchen
> Gründen "sowieso vorhanden" ist. Ich habe seit gut 20 Jahren keine
> negative Spannung nur wegen ein paar OP eingesetzt. Denn meist kommt
> nach dem OP ein ADC, der irgendwelche Offsets leicht auskalibrieren und
> herausrechnen kann.
>
> Viel öfter als am begrenzten Ausgangsspannungsbereich scheitern übrigens
> die meisten an einem beschränkten Eingangsspannungsbereich...

Die Antwort war sehr hilfreich, danke!

Ich würde meine Erkenntnisse mal folgendermaßen zusammenfassen: Wenn man 
eine OpAmp-Schaltung entwerfen möchte, und man sich zwischen einer 
unipolaren und einer bipolaren Spannungsversorgung entscheiden muss, 
dann sollte man sich die folgenden Fragen stellen:
1) In welchem Bereich befindet sich das zu verstärkende Eingangssignal? 
Wenn das Eingangssignal z. B. sowieso nur positive Werte annehmen kann, 
wie z. B. bei einem Transimpedanzverstärker für eine Photodiode, dann 
braucht man so oder so keine bipolare Spannungsversorgung.
2) In welchem Bereich muss die Ausgangsspannung liegen? Bei einem DAC 
direkt hinter dem OpaAmp ist wohl in vielen Fällen ein Bereich Masse bis 
5V ausreichend.
3) Habe ich noch andere Schaltungsteile, die eine bipolare 
Spannungsversorgung brauchen, oder würde nur die OpAmp-Schaltung die 
bipolare Spannungsversorgung benötigen?

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