Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Stromverbrauch 74 Logic ICs


von Niklas G. (erlkoenig) Benutzerseite


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Hallo, wo findet man verlässliche Informationen zum Stromverbrauch von 
Logik-ICs, insbesondere zum statischen Verbrauch (wenn sich die Eingänge 
nicht ändern)? Insbesondere die Reihen 74AUP, 74AUP1T, 74LVC, 74LV1T.

Wenn man z.B. ins Datasheet vom SN74AUP1G04 schaut findet man:

> Low Static-Power Consumption (Icc = 0.9 μA Max)

Bei 25°C max 0.5 μA, aber kein typischer Wert angegeben. Gleiches gilt 
für die meisten anderen Logik Gates.

Schaut man z.B. beim SN74AC3G99 soll der Verbrauch bei 25°C jedoch 
angeblich <25nA sein, obwohl die AC-Reihe weniger auf Verbrauch 
optimiert ist?

Ich verstehe nicht so ganz warum so simple Logik-ICs im statischen 
Zustand so viel verbrauchen. Es gibt viel komplexere ICs mit deutlich 
geringerem Verbrauch bei viel mehr Funktion, z.B. Mikrocontroller mit 
RTC und RAM-Erhalt für wenige Hundert nA, Accelerometer für <200nA (im 
Betrieb!), RTC für <100nA, Schaltregler Controller mit <100nA 
Eigenverbrauch und sogar ein paar BMS-ICs oder Load Switches mit <1nA im 
Betrieb.

Manchmal braucht man doch etwas Glue Logic, weil es eben nicht für alles 
ein spezifisches IC gibt... Verbraucht dann der AUP-Inverter mehr als 
der ganze Rest der Schaltung im Standby?

von Dieter D. (Firma: Hobbytheoretiker) (dieter_1234)


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Frage: Stromverbrauch 74 Logic ICs
Antwort: Das 74-fache eines Logic IC. Also eines messen.

Das war einfach. ;)

von Niklas G. (erlkoenig) Benutzerseite


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Dieter D. schrieb:
> Also eines messen.

Mit welchem Skalpell kriege ich das aus dem 74er rausgepult?

von Dieter D. (Firma: Hobbytheoretiker) (dieter_1234)


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Niklas G. schrieb:
> Mit welchem Skalpell kriege ich das aus dem 74er rausgepult?

Das kannst nur Du machen, weil die Teile nur vor Dir liegen. Die 
Forumssoftware kann die Chips bei Dir noch nicht auf meinen Tisch 
beamen. ;)

Es bleibt Dir nur übrig selbst zu messen. Es gab früher so dicke Bücher 
auf der Messe, wo das für bestimmte Serien sogar mal genauer beschrieben 
wurde. Die hatten ein Format ähnlich A5 und waren 2 bis 5cm dick. Am 
letzten Tag bekam man diese auch als Schüler, aber das war mir auch zu 
viel zum Schleppen. Leider wurde das später nicht als pdf von den 
Herstellern zur Verfügung gestellt.

von Dieter D. (Firma: Hobbytheoretiker) (dieter_1234)


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Niklas G. schrieb:
> Es gibt viel komplexere ICs mit deutlich
> geringerem Verbrauch bei viel mehr Funktion

Deren interne Ausgänge, also Transistoren schaffen aber auch nur µA 
maximal und die Eingänge ebenfalls nur so wenig.

von Christoph Z. (rayelec)


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Die Strukturgrössen sind auch bei modernen Logikserien um zweistellige 
Faktoren grösser als bei modernen uC. Leckströme unterliegen grossen 
Schwankungen, die ebenfalls direkt mit den Strukturgrössen 
zusammenhängen.

von Niklas G. (erlkoenig) Benutzerseite


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Dieter D. schrieb:
> Es bleibt Dir nur übrig selbst zu messen

Ganz schön aufwendig, das würde ich gern vermeiden. Wer misst schon 
jedes Bauteil durch vor dem Schaltungsentwurf?

Dieter D. schrieb:
> dicke Bücher

Da steht wohl vermutlich auch nix zu den modernen AUP-Familien drin.

Dieter D. schrieb:
> Deren interne Ausgänge, also Transistoren schaffen aber auch nur µA
> maximal

Das wäre vollkommen ausreichend. Achja, vergessen zu erwähnen, 
Schaltfrequenz wäre 1mHz - 10 Hz (ja, kleines "m"). Ausgangsstrom und 
Schaltgeschwindigkeit ist also völlig egal

Ich hätte sogar ein paar Ideen wie man sowas mit diskreten Transistoren 
umsetzen kann. Aber wonach muss ich suchen wenn ich einen FET brauche 
der ab 1V garantiert schaltet, R(dson) < 100kOhm, aber Leckstrom < 10nA 
hat und klein ist (<1mm², WLCSP o.ä.)? Vielleicht zusätzlich auch BJT 
die bei 1V und 1µA Basisstrom dann 100µA leiten können, ebenso kleines 
Gehäuse?

Christoph Z. schrieb:
> Die Strukturgrössen sind auch bei modernen Logikserien um zweistellige
> Faktoren grösser als bei modernen uC.

Das habe ich vermutet. Bloß wie soll man dann so eine Glue Logic 
umsetzen? Alles nur per Mikrocontroller? Auch nur wirklich möglich wenn 
der genug WakeUp Pins hat um alle Eingänge überwachen zu können wenn man 
im niedrigsten Standby ist mit <<1µA Verbrauch.

von Tilo R. (joey5337) Benutzerseite


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Niklas G. schrieb:
> Das habe ich vermutet. Bloß wie soll man dann so eine Glue Logic
> umsetzen? Alles nur per Mikrocontroller? Auch nur wirklich möglich wenn
> der genug WakeUp Pins hat um alle Eingänge überwachen zu können wenn man
> im niedrigsten Standby ist mit <<1µA Verbrauch.

Wired-Or ist eine Lösung, PLDs / CPLDs eine andere.
Oder nochmal überlegen, ob man wirklich so viele WakeUps braucht.

von Niklas G. (erlkoenig) Benutzerseite


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Tilo R. schrieb:
> Wired-Or ist eine Lösung

Benötigt Pull-Down/Up, diese verbrauchen zu viel Strom.

Tilo R. schrieb:
> PLDs / CPLDs eine andere

Wo gibt's welche mit derart niedrigem Verbrauch?

Tilo R. schrieb:
> Oder nochmal überlegen, ob man wirklich so viele WakeUps braucht.

Viele Sensoren und Energiequellen - viele Wakeups.

von Tilo R. (joey5337) Benutzerseite


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Niklas G. schrieb:
> Tilo R. schrieb:
>> Wired-Or ist eine Lösung
>
> Benötigt Pull-Down/Up, diese verbrauchen zu viel Strom.
so lange keiner auslöst nicht

Niklas G. schrieb:
> Viele Sensoren und Energiequellen - viele Wakeups.
Muss denn jeder Sensor einen Wakeup machen können? Reicht es nicht, die 
einigermaßen regelmäßig abzufragen?
Energiequellen kann man mit (Schottky-)Dioden zusammenfassen.

von Re (r42)


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Niklas G. schrieb:
> Hallo, wo findet man verlässliche Informationen zum Stromverbrauch von
> Logik-ICs

Z.B. bei den Herstellern:

https://www.ti.com/lit/ds/symlink/cd74hct00.pdf?ts=1742639026491

Für AUP, LVC etc. eben das fazugehörige Äquivalent.


Niklas G. schrieb:
> Dieter D. schrieb:
>> Also eines messen.
>
> Mit welchem Skalpell kriege ich das aus dem 74er rausgepult?

Dort gibts Anleitungen dazu: https://www.richis-lab.de/logic14.htm

HTH (re)

von Michael B. (laberkopp)


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Niklas G. schrieb:
> Ich hätte sogar ein paar Ideen wie man sowas mit diskreten Transistoren
> umsetzen kann. Aber wonach muss ich suchen wenn ich einen FET brauche
> der ab 1V garantiert schaltet, R(dson) < 100kOhm, aber Leckstrom < 10nA
> hat und klein ist

Die laut Datenblatt niedrigsten garantierten Sperrströme haben

NPN hochsperrende Transistoren: BC547 (ONSemi, typ 200pA, max 4uA) 
2N1711 FFB2222A (NPN 10nA @ 25GradC) 2N2907A (10nA, 10uA max) BSP125 
(100nA/25GradC/5uA max) BSP50/51/52 (Darlington 50nA Nexperia) BSS225 
BSP225 MPSA42/PZTA42 (100nA/25GradC/200V) ZTX458 (100nA/320V/25 GradC) 
PMBTA45 PBHV9050T (max 10uA)  (eventuell auch WS4621C 70nA load switch)
 PNP hochsperrende Transistoren: ZTX851/ZTX853 (50nA bei 25 GradC, 1uA 
bei 100 GradC) BSP60/61/62 (Darlington 50nA Nexperia) ZTX558/ZTX758 
(100nA/320V/25 GradC) 2SA1359 
2SB1705/06/07/08/09/10/13/22/30/31/32/33/34 (100nA bei 25 GradC max) 
2SB891 (1uA)
PNP Transistoren mit definiert niedrigem Sperrstrom cutoff current: 
BC546 (NXP 15nA @ 25 GradC, 5uA @ 150 GradC) BSP125 BSP125 (600V, 100nA 
@ 25 GradC, 5uA @ 150GradC) PBHV8115T (120V SOT23 100nA @ 25 GradC, 10uA 
@ 125 GradC, NXP BISS) TPS22860 (5V high side power switch 2nA)
 hochsperrende MOSFETs: Ohne Bulkdiode. ALD1107 (400pA max., 4nA bei 125 
GradC) SD5000 BSS83 (10nA max.) vs. BS170 (500nA) BSS295 (1uA max., 50uA 
bei 125 GradC)
 wer besser als Datenblatt sein muss kann messen: BJT gehen real von 1pA 
bis 1nA, JFET von 0.1pA bis 2pA 
https://x.artofelectronics.net/wp-content/uploads/2019/11/2xp1_actual_BJT_FET_leakage.pdf
 eventuell hilft https://www.vishay.com/docs/66597/sip32431.pdf 10 pA, 
Ultra Low Leakage and Quiescent Current, Load Switch with Reverse 
Blocking, 1.5-5.5V unter 0.2 Ohm

von Niklas G. (erlkoenig) Benutzerseite


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Re schrieb:
> Für AUP, LVC etc. eben das fazugehörige Äquivalent.

Eben nicht, siehe Ausgangspost.

Tilo R. schrieb:
> so lange keiner auslöst nicht

Sie können aber auslösen, und manche Signale können länger aktiv 
bleiben.

Tilo R. schrieb:
> Muss denn jeder Sensor einen Wakeup machen können?

Ja.

Tilo R. schrieb:
> Reicht es nicht, die einigermaßen regelmäßig abzufragen

Frisst wieder Energie. Außerdem würde ich gern auch den Mikrocontroller 
zeitweise stromlos schalten und dann per Logic-ICs unter bestimmten 
Umständen die Spannungsversorgung einschalten.

Tilo R. schrieb:
> Energiequellen kann man mit (Schottky-)Dioden zusammenfassen.

Zu viel Voltage-Drop.

von Motopick (motopick)


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Fuer die "typischen" Werte alter Datenblaetter kann Mann sich exakt
nichts kaufen. Die sehen nach einem Shrink wieder ganz anders aus.

Die sind:
- Herstellerabhaengig
- Chargenabhaengig
- Temperaturabhaengig
- bei russischen CMOS helligkeitsabhaengig
- etc.

Und so aufwendig ist nachmessen ja nun auch nicht.
Schon mein uraltes Analogmultimeter hat einen 150 nA Bereich.

von Tilo R. (joey5337) Benutzerseite


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Alles gleichzeitig optimal ist immer schwierig.
Such' mal ein paar Kompromisse und rechne die durch.
Ich kenne deine Anwendung nicht, aber ich vermute, dass es einfachere 
Lösungen gibt, die zwar mehr, aber vernachlässigbar mehr Energie 
verbrauchen.

Den grundsätzlichen Ansatz, Strom zu sparen, koste es was es wolle, 
finde ich natürlich nachvollziehbar und sympathisch.

von Sherlock 🕵🏽‍♂️ (rubbel-die-katz)


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Ich hin es gewohnt, daß Logikschaltungen mit CD40xx an einer Knopfzelle 
"ewig" betriebsbereit sind.

Vermutlich verhalten sich 74HCxx ähnlich.

: Bearbeitet durch User
von Niklas G. (erlkoenig) Benutzerseite


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Motopick schrieb:
> Fuer die "typischen" Werte alter Datenblaetter kann Mann sich exakt
> nichts kaufen

Und wo kriegt man die richtigen Datenblätter der modernsten ICs, wenn 
nicht direkt beim Hersteller, wie eben beim SN74AUP1G04?

Motopick schrieb:
> Und so aufwendig ist nachmessen ja nun auch nicht.

Alle möglichen ICs kaufen, warten, einbauen, Messreihe für den 
Temperaturbereich über viele Exemplare machen dauert schon.

Tilo R. schrieb:
> Such' mal ein paar Kompromisse

Mein Kompromiss: Geschwindigkeit egal, Treiberstärke egal, keine hohe 
Spannung (5V) nötig.

Tilo R. schrieb:
> und rechne die durch

Schwierig wenn man keine verlässlichen Zahlen findet.

Tilo R. schrieb:
> Strom zu sparen, koste es was es wolle

Manche Produkte funktionieren gar nicht ohne, siehe zB. Bluetooth Tags 
oder -Ohrhörer o.ä.

Sherlock 🕵🏽‍♂️ schrieb:
> Logikschaltungen mit CD40xx an einer Knopfzelle "ewig" betriebsbereit
> sind.

Kannst du den Verbrauch beziffern?

von Sherlock 🕵🏽‍♂️ (rubbel-die-katz)


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Niklas G. schrieb:
> Kannst du den Verbrauch beziffern?

Nein. Aber wenn eine CR2032 mit einem CD4060 (der deutlich komplexer als 
ein Logikgatter ist) 10 Jahre hält, was will man mehr?

Bei einer weiteren Optimierung kommt man schnell in den Bereich, wo die 
selbstentladung der Batterie viel größer ist.

: Bearbeitet durch User
von Niklas G. (erlkoenig) Benutzerseite


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Sherlock 🕵🏽‍♂️ schrieb:
> Aber wenn eine CR2032 mit einem CD4060 (der deutlich komplexer als ein
> Logikgatter ist) 10 Jahre hält, was will man mehr?

Entspricht also einem Verbrauch von 2.6uA, also ca 100× das was manch 
anderer IC kann. Die CR2032 hat schon deutlich mehr Kapazität als für 
viele Anwendungen zur Verfügung steht. Und es werden ja mehrere Gatter 
gebraucht sowie zusätzlich noch Mikrocontroller + Sensoren. Wäre absurd 
wenn ein CD4060 o.ä. den größeren Verbrauch hätte als Mikrocontroller 
(im Standby) oder RTC.

von Sherlock 🕵🏽‍♂️ (rubbel-die-katz)


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Niklas G. schrieb:
> Wäre absurd wenn ein CD4060 o.ä. den größeren Verbrauch
> hätte als Mikrocontroller (im Standby) oder RTC.

So absurd finde ich das nicht, denn die CD40xx wurden vor mehr als 50 
Jahren eingeführt. Vermutlich sind sie zwischenzeitlich besser geworden, 
aber beruhen dennoch auf uralter Technik.

: Bearbeitet durch User
von Motopick (motopick)


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Sherlock 🕵🏽‍♂️ schrieb:

> ... Vermutlich sind sie zwischenzeitlich besser geworden,
> aber beruhen dennoch auf uralter Technik.

Mit jedem Shrink steigt der Ruhestrom.
Klassisches Beispiel ist der Pentibumm. :)
Vermutlich sind die aeltesten 4000er die sparsamsten welchen.
Fuer die 74HC sieht es also eher schlecht aus.

von Re (r42)


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Niklas G. schrieb:
> wo findet man verlässliche Informationen

Niklas G. schrieb:
> Re schrieb:
>> Für AUP, LVC etc. eben das fazugehörige Äquivalent.
>
> Eben nicht, siehe Ausgangspost.

https://www.ti.com/lit/ds/symlink/sn74lvc00a.pdf

<short>
Doch: da steht das drin, wass die Hersteller verlässlich garantieren. 
Was da nicht drinsteht, ist auch nicht verlässlich.
</>



Langfassung: Die "typical values" gehören nicht zu verlässlich, 
sondern zu "informativ". Die hängen mit etwas Pech auch von der 
jeweiligen Maskenversion oder sogar Produktionscharge ab und sie werden 
eben nicht verlässlich garantiert.

Wie auch? "typ." sagt über den konkreten Wert eines einzelnen Exemplars 
überhaupt nichts aus, sondern höchstens über den Mittelwert oder Median 
("Erwartungswert") einer bestimmten Charge.


Zur Überprüfung der Einhaltung eines "typical" Wertes müsstest Du 
bezüglich einer Losgröße definieren, in welchem Bereich die einzelnen 
Messwerte sich befinden dürfen.

Et voila: wir landen bei { Mittelwert +/- n*Standardabweichung }, vulgo 
"min" und "max".


Wenn du auf "typ." baust, musst Du also vor der Bestückung die Exemplare 
einzeln durchmessen und die Abweichler wegsortieren. Und hoffen, dass 
wegen des "typ"-Wertes genügend "gute" Exemplare in Deinem Los drin. Und 
auch in späteren Losen.

Sowas macht die Klientel, an die sich diese Datenblätter richtet, eher 
... sehr ungern.


(re)

: Bearbeitet durch User
von Irgend W. (Firma: egal) (irgendwer)


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von Niklas G. (erlkoenig) Benutzerseite


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Re schrieb:
> https://www.ti.com/lit/ds/symlink/sn74lvc00a.pdf

Das widerspricht aber dem anderen im Ausgangspost verlinkten Datasheet.

Re schrieb:
> Langfassung: Die "typical values" gehören nicht zu verlässlich, sondern
> zu "informativ".

Ist mir bewusst. Aber man orientiert sich ja bei allen Teilen an den 
typical Werten und nimmt dann eben das Beste was man kriegen kann.

Re schrieb:
> Wenn du auf "typ." baust, musst Du also vor der Bestückung die Exemplare
> einzeln durchmessen und die Abweichler wegsortieren.

Gar nicht so abwegig. Aber um an diesen Punkt zu kommen braucht man 
vorher halt ein Konzept bei dem es mit den Typical Werten hinhaut. Bei 
anderen Bauteilen gibt es lange Tabellen und Diagramme von min-max 
Verbrauchswerten bei unterschiedlichen Spannungen und Temperaturen... 
Aber bei "Ultra-Low-Power" Logik-ICs nicht.

Re schrieb:
> Sowas macht die Klientel, an die sich diese Datenblätter richtet, eher
> ... sehr ungern

Welche Datasheets richten sich an diese Klientel?

Irgend W. schrieb:
> STM32U0xx

Liegt hier schon auf dem Schreibtisch. Ich brauche aber einen ganz 
spezifischen Controller, der aber schon extrem sparsam ist. Wie gesagt 
möchte ich den Controller und dessen Spannungsregler aber abschalten 
können und dann mit ein bisschen Glue Logik bei Bedarf einschalten. Es 
gibt ein paar ICs deren Funktion nahe dran ist mit extrem geringem 
Verbrauch, aber nicht ganz die richtige Funktion. Daher eben diskrete 
Logik, aber das geht wohl nicht. Hab sogar schon überlegt einen STM32U0 
daneben zu schnallen, der hat immerhin 5 Wake-Ups, aber die handlichen 
WLCSP-Versionen sind noch nicht in Produktion und mehr Controller mit 
mehr Software machts auch nicht unbedingt besser. Zu allem Unglück 
kommen noch unterschiedliche und veränderliche Spannungslevels hinzu, 
man braucht also noch Level Translation, wie eben AUP1T. Können 
Mikrocontroller auch nur teilweise.

Sherlock 🕵🏽‍♂️ schrieb:
> So absurd finde ich das nicht

Absurd ist es wenn die blöde Glue Logik mehr verbraucht als der ganze 
Rest. So wie zuhause die ultraeffiziente Heizung und Solarenergie nutzen 
aber dann nix isolieren und Glühlampen nutzen, weil ging ja früher auch.

von Rainer W. (rawi)


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Re schrieb:
> Et voila: wir landen bei { Mittelwert +/- n*Standardabweichung }, vulgo
> "min" und "max".

Falsch - Statistik scheint nicht so dein Ding zu sein.

Im Bereich { Mittelwert +/- n*Standardabweichung } liegt nur ein 
bestimmter prozentualer Anteil der Exemplare. "min" und "max" sind 
dagegen garantierte Grenzwerte, die von keinem Exemplar unter- bzw. 
überschritten werden dürften.

von Motopick (motopick)


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Rainer W. schrieb:
> Re schrieb:
>> Et voila: wir landen bei { Mittelwert +/- n*Standardabweichung }, vulgo
>> "min" und "max".
>
> Falsch - Statistik scheint nicht so dein Ding zu sein.
>
> Im Bereich { Mittelwert +/- n*Standardabweichung } liegt nur ein
> bestimmter prozentualer Anteil der Exemplare. "min" und "max" sind
> dagegen garantierte Grenzwerte, die von keinem Exemplar unter- bzw.
> überschritten werden dürften.

Das aber auch nur, weil der Hersteller die Exemplare unter "min" und
ueber "max" aussortiert. Folgt das ganze einer Gaussverteilung, kann
man die restlichen "Prozente" mit dem Gaussschen Fehlerintegral
berechnen.

von Christian S. (roehrenvorheizer)


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Niklas G. schrieb:
> Motopick schrieb:
>> Und so aufwendig ist nachmessen ja nun auch nicht.
>
> Alle möglichen ICs kaufen, warten, einbauen, Messreihe für den
> Temperaturbereich über viele Exemplare machen dauert schon.

Für die Neuentwicklung des Marsrovers wird sich der Aufwand des Messens 
schon lohnen, weil dort niemand die Batterien auswechselt und zudem ein 
weiter Temperaturbereich durchlaufen wird.

Bei hohen Anforderungen erhöht sich der Konstruktionsaufwand.

mfg

von Niklas G. (erlkoenig) Benutzerseite


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Christian S. schrieb:
> Bei hohen Anforderungen erhöht sich der Konstruktionsaufwand.

Warum nur bei primitiven Logik-ICs? Warum geht es dann so problemlos bei 
Mikrocontrollern, RTCs, Sensoren, Spannungsreglern...?

von Re (r42)


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Niklas G. schrieb:
> Re schrieb:
>> https://www.ti.com/lit/ds/symlink/sn74lvc00a.pdf
>
> Das widerspricht aber dem anderen im Ausgangspost verlinkten Datasheet.

Huch? Inwiefern und an welchen Stellen? In Ausgangspost ...

Niklas G. schrieb:
> Hallo,

... ist übrigens überhaupt gar kein Datenblatt verlinkt.




Niklas G. schrieb:
> Aber man orientiert sich ja bei allen Teilen an den
> typical Werten

Nein, da unterscheidet sich unser Selbstverständnis. Typical Werte sind 
genauso wenig verlässslich, wie die meisten grafischen Darstellungen.


Niklas G. schrieb:
> Re schrieb:
>> Wenn du auf "typ." baust, musst Du also vor der Bestückung die Exemplare
>> einzeln durchmessen und die Abweichler wegsortieren.
>
> Gar nicht so abwegig.

Im industriellen Umfeld ist das typischerweise :-) um viele 
Größenordnungen zu teuer, weil Du dann automatische Bestückung vergessen 
kannst. Und ja, mir ist sowas auch schon begegnet, aber es ist ein 
logistischer und kalkulatorischer Alptraum und es ist absolut exotisch.


Niklas G. schrieb:
> Welche Datasheets richten sich an diese Klientel?

Fast alle. Alle Datenblätter die von den Herstellern herausgegeben 
werden, richten sich vornehmlich an deren potentielle Kunden. 
Vornehmlich an solche, von denen man hofft, dass sie signifikant zum 
Gewinn des Herstellers beitragen. Und eben die brauchen verlässliche 
Angaben für große Serien und haben gar keine Verwendung für "typical".

Alles, was darüber hinausgeht, ist goodwill des Herstellers oder 
Werbung, um dem Kunden (oder deren Entwicklern) das Produkt schmackhaft 
zu machen oder einen guten Eindruck zu hinterlassen.



Rainer W. schrieb:
> Re schrieb:
>> Et voila: wir landen bei { Mittelwert +/- n*Standardabweichung }, vulgo
>> "min" und "max".
>
> Falsch - Statistik scheint nicht so dein Ding zu sein.

Zugegeben, grob verkürzt, weil das nicht der Kernpunkt ist. Aber ok:

Rainer W. schrieb:
> [...] liegt nur ein bestimmter prozentualer Anteil [...]

Korrekt, und wir setzen auch eine Normalverteilung voraus. Aber bereits 
für z.B. n=6 (oder noch mehr) umfasst der prozentuale Anteil schon mehr 
als 99.999999??? Prozent [Wikipedia, Normalverteilung] und jede Erhöhung 
um 1\sigma kommen mehere Nachkommastellen dazu, so dass der 
Erwartungswert der Ausreißeranzahl bei realistischen Losgrößen sehr 
deutlich weniger als 1 Exemplar ist.

Faktisch also ein brauchbares Min-Max Intervall bei dem die 
Wahrscheinlichkeit eines einzigen Ausreißers bei Losgrößen im 
Millionenbereich eben extrem gering ist.


Rainer W. schrieb:
> "min" und "max" sind dagegen garantierte Grenzwerte, die von keinem
> Exemplar unter- bzw. überschritten werden dürften

Natürlich nicht mit der Wahrscheinlichkeit von exakt Null. Das wäre 
physikalischer Unfug.

Das wissen auch die Hersteller und vereinbaren deshalb 
Akzeptanzkriterien der Form "Die Charge darf zurückgewiesen werden, wenn 
bei einer Stichprobe der Größe $m$ mehr als $k$ Exemlare die Kriterien 
nicht erfüllen".

Die Kunst ist eben, durch die Wahl eines hinreichend großen $n$ die 
Fehlerwahrscheinlichkeit so gering zu halten, dass jeder Beteiligte mit 
dem Überschreitungsrisiko gut leben kann und gleichzeitig die Ausbeute 
noch hoch genug ist.


Und wenn es darauf ankommt, selektiert man Herstellerseitig eben vor. 
Aber auch dabei kann die Selektion sich mit (sehr geringer) 
Wahrscheinlichkeit irren.


Ergo: Auch die min- und max-Werte werden von einem konkreten Exemplar 
nicht mit exakt 100%-Wahrscheinlichkeit eingehalten, sondern "nur" mit 
sehr sehr hoher Wahrscheinlichkeit.

Je nach Sicherheitsbedürfnis reicht das auch für die meisten 
Einsatzgebiete der 74'er-Logik.


HTH (re)

von Niklas G. (erlkoenig) Benutzerseite


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Re schrieb:
> ... ist übrigens überhaupt gar kein Datenblatt verlinkt.

Stimmt, ich hatte nur die Chipnamen SN74AUP1G04 und SN74AC3G99 
angegeben. Die Datenblattlinks sind

https://www.ti.com/lit/gpn/sn74aup1g04
https://www.ti.com/lit/gpn/sn74ac3g99

Beim "Advanced Ultra-Low Power" IC heißt es 0.9µA, bei "Advanced CMOS" 
jedoch <50nA. Hä?

Re schrieb:
> Nein, da unterscheidet sich unser Selbstverständnis.

Wenn du zwei ICs hast, einer mit typ. 10nA, einer mit typ 1µA, welchen 
nimmst du? Sorgt die Bauteilstreuung dafür dass der mit typ 1µA meistens 
doch eher 10nA hat und der andere eher 1µA?

Re schrieb:
> Im industriellen Umfeld ist das typischerweise :-) um viele
> Größenordnungen zu teuer, weil Du dann automatische Bestückung vergessen
> kannst.

Man kann die PCBs auch nach dem Bestücken vermessen, und die mit zu 
hohem Verbrauch aussortieren oder als B-Ware verticken.

Re schrieb:
> Vornehmlich an solche, von denen man hofft, dass sie signifikant zum
> Gewinn des Herstellers beitragen.

Ich hatte nach Datasheets gefragt, die sich an die Klientel richten, 
welche auch einzelne ICs selektieren würde.

Re schrieb:
> und haben gar keine Verwendung für "typical".

Die "max"-Werte sind ja meist um Größenordnungen höher als die "typ" 
Werte, und gelten dann nur für 125°C und maximale Versorgungsspannung. 
Verwendet man trotzdem den "max" Wert auch wenn das Produkt im 
Kühlschrank eingesetzt wird? Aber gut, nach der Rechnung sind alle 
Logik-ICs viel zu schlecht im Verbrauch. Da kann ich ja 5 
Mikrocontroller einbauen die das alles in Software machen. Oder 
vielleicht lässt sich ein TPS7A02 als Logik-Gate missbrauchen, der hat 
garantiert max Verbrauch <60nA, und enthält immerhin eine vollwertige 
Regelung, Komparatoren usw.

von Clemens L. (c_l)


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Niklas G. schrieb:
> Beim "Advanced Ultra-Low Power" IC heißt es 0.9µA, bei "Advanced CMOS"
> jedoch <50nA. Hä?

0.9 µA ist das Maximum für AUP. Das AC-Datenblatt hat typische Werte in 
Bild 5-3; das Maximum ist 2 µA.

Es ist leider nicht üblich, typische Werte für I_CC anzugeben; der 
SN74AC3G99 ist sehr neu und eine Ausnahme. Für die meisten Logik-Chips 
musst du halt selber messen.

von Axel S. (a-za-z0-9)


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Clemens L. schrieb:
> Niklas G. schrieb:
>> Beim "Advanced Ultra-Low Power" IC heißt es 0.9µA, bei "Advanced CMOS"
>> jedoch <50nA. Hä?
>
> 0.9 µA ist das Maximum für AUP. Das AC-Datenblatt hat typische Werte in
> Bild 5-3; das Maximum ist 2 µA.

Ja. Der Vergleich 0.9µA mit 50nA ist ein Vergleich Äpfel mit Birnen.

> Es ist leider nicht üblich, typische Werte für I_CC anzugeben; der
> SN74AC3G99 ist sehr neu und eine Ausnahme. Für die meisten Logik-Chips
> musst du halt selber messen.

Und ich wiederhole es gerne nochmal: für typische Werte kann man sich 
nichts kaufen. Der Hersteller garantiert nur, daß die Maximalwerte 
nicht gerissen werden.

Typische Werte werden immer drastisch niedriger sein. Zum einen liegt es 
in der physikalischen Natur der Dinge. Leckströme verdoppeln sich z.B. 
pro 10K Temperaturerhöhung (Arrhenius läßt grüßen). Von 25°C auf 125°C 
macht das schon mal eine Vertausendfachung!

Und zum anderen werden Hersteller auch bei der Angabe des Maximums 
konservativ agieren. Man muß sich ja nicht selber Druck machen.

: Bearbeitet durch User
von Sherlock 🕵🏽‍♂️ (rubbel-die-katz)


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Es wurde schon erwähnt, aber ich möchte trotzdem nochmal darauf 
hinweisen:

Die maximale Ruhestromaufnahme erreicht man nur bei der maximalen 
Temperatur und der maximalen Spannung.

Wenn ich ein CD40xx (das bis zu 18 Volt verträgt) mit nur 5 Volt 
betreibe, wird die Stromaufnahme weit unter der maximal-Angabe aus dem 
Datenblatt sein. Bei einem 74xx IC (das nur 6 Volt verträgt) bin ich mit 
5 Volt aber viel näher am Maximum.

: Bearbeitet durch User
von Motopick (motopick)


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Niklas G. schrieb:
> Motopick schrieb:
>> Und so aufwendig ist nachmessen ja nun auch nicht.
>
> Alle möglichen ICs kaufen, warten, einbauen, Messreihe für den
> Temperaturbereich über viele Exemplare machen dauert schon.

Das muss man fuer einen "typischen" Wert ja auch gar nicht.
Der typische Wert dient ja eher zur Befriedigung des eigenen
Interesses.

Fuer die AHCT-Serie z.B. nimmt man, Losgroesse = 1, einen 74AHCT86.
Bei dem bestimmt man den Ruhestrom. Zur Sicherheit permutiert
man die Eingangspegel parallel bei den 4 Gattern durch.
Was den Effekt auf einfache Weise um den Faktor 4 verstaerkt.
Daraus kann man dann leicht auf ein Einzelgatter hochrechnen.

Dann das Ganze angesteuert mit einem Rechteck aus einem Gatter
der selben Serie bei 0.1, 1, 10 und 50 MHz.
Zum Schluss baut man aus 3 Gattern einen Ringoszillator, und laesst
das 4. Gatter "mitklingeln". Als dynamischen Worst-Case-Fall.
Die Timings von Flanken und Delay sollte man sich auch merken.

Schon hat man den "typischen" Wertemix bei, wie die Chemiker sagen,
Normbedingungen. Pars pro toto, ein Teil fuer das Ganze.

Diesen Testplan kann man dann noch durch thermischen Stress u.ae.
ergaenzen, wenn man plant fuer so etwas zu entwickeln.

von Re (r42)


Lesenswert?

Re schrieb:
> Sowas [selektieren] macht die Klientel, an die sich diese Datenblätter richtet, 
eher ... sehr ungern.

Niklas G. schrieb:
> Ich hatte nach Datasheets gefragt, die sich an die Klientel richten,
> welche auch einzelne ICs selektieren würde.

Die gibt es naturgemäß höchstens für solche ICs, bei denen der 
Hersteller von solchen Kunden auch signifikanten Gewinn erhofft, der den 
Aufwand rechtfertigt.



Niklas G. schrieb:
> Die "max"-Werte sind ja meist um Größenordnungen höher als die "typ"

Warum das so ist, haben wir inzwischend wohl hinreichend erörtert.



Niklas G. schrieb:
> [...] und gelten dann nur für 125°C und maximale Versorgungsspannung.

Zu pauschal: Im von Dir verlinkten Datenblatt zu sn74aup1g04 wird sehr 
wohl zwischen 25° und 85° differenziert. Und in 
https://www.ti.com/lit/ds/symlink/sn74lvc00a.pdf wird sogar zwischen 
25°, 85° und 125° unterschieden.



Niklas G. schrieb:
> Aber gut, nach der Rechnung sind alle Logik-ICs viel zu schlecht

Deswegen nimmt man gern solche Komponenten, die für den angedachten 
Zweck auch entworfen wurden. Oder man ist ein Tüftler und misst selbst.



Niklas G. schrieb:
> [...] verlässliche Informationen [...]

... sind nunmal kein "wünsch Dir was", sonst wären sie nicht 
"verlässlich".



HTH (re)

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