Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Spannungsfestigkeit Flachbandkabel


von Peter M. (pm4812)


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Hallo zusammen,

ich lese mich gerade durch die Specs der bei Reichelt erhältlichen 
verschiedenen Sorten von Flachbandkabel und wundere mich über die sehr 
unterschiedlichen Angaben zur Spannungsfestigkeit.

z.B. dieses hier:

https://cdn-reichelt.de/documents/datenblatt/C600/IO3M-3365_DATA_E.pdf

das ist ein Standard Flachband-Kabel von 3M, 28 AWG.

Für Canada und die USA hat das Kabel eine Zulassunf für 300 Volt, in der 
EU nur <50 Volt. Und irgendwie ist das bei allen so, bei denen ich ins 
Datenblatt geschaut habe.

Bei anderen Kabel, z.B. dem hier: 
https://www.reichelt.de/de/de/shop/produkt/flachbandkabel_awg28_8-pol_grau_10m-ring-47619 
steht gar nichts zur Spannungs-Festigkeit.

Woher kommen denn diese stark unterschiedlichen Werte in der 
Spannungsfestigkeit? Weiß das zufällig jemand?

Weiß zufällig jemand wieviel Spannungsfestigkeit "das normale" 
Flachband-Kabel von Reichelt hat? Ich kann mir irgendwie schwer 
vorstellen, dass da schon bei < 50 Volt Schluss sein soll? So dünn ist 
die Isolierung doch auch wieder nicht?

viele Grüße und Danke,
pm

von Klaus R. (klara)


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Also, 300 V würde ich da auch nicht durchjagen wollen. Ich habe früher 
mal gelernt, daß sich über 300 V Koronaeffekte bemerkbar machen. Auf die 
Dauer könnte eine zu dünne Isolierung geschädigt werden.
mfg Klaus

von Thomas S. (Firma: Chipwerkstatt) (tom_63)


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Peter M. schrieb:
> Ich kann mir irgendwie schwer
> vorstellen, dass da schon bei < 50 Volt Schluss sein soll? So dünn ist
> die Isolierung doch auch wieder nicht?

Mir wäre das auch zu hoch, mit 300V auf das Kabel zu geben. Würde aus 
dem Bauch auch max. 50V dem max. zutrauen.
Dann die Frage: Wie schließe ich 300V konform das Kabel an den Enden an, 
um die Isolation zu haben, und es nicht knallt?

Aber gut, ... wenn es knallt, dann löst sich warscheinlich wenigstens 
das komplette Kabel in Dampf auf. Danach wäre der Isoliationsabstand 
wieder gegeben.

von Michael B. (laberkopp)


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Peter M. schrieb:
> Woher kommen denn diese stark unterschiedlichen Werte

Unter 50V gibt es nicht so strenge Anforderungen ans Kabel EN50525-2-31, 
vermutlich taugt deren PVC nichts, was in den USA keinen interessiert.

von Peter M. (pm4812)


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@Michael B.

ok, das klingt plausibel.

@Klaus und Thomas: ja, 300 Volt würde ich auch nicht durch jagen wollen. 
Bei mir wären es nur +-60 Volt gewesen. Aber OK, nehm ich halt andere 
Stecker und andere Kabel. Bringt mich auch nicht um ...

Irgendwas von Lapp mit 100 Volt und CE und UL Zulassung ...

von Gerald B. (gerald_b)


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Peter M. schrieb:
> Für Canada und die USA hat das Kabel eine Zulassunf für 300 Volt, in der
> EU nur <50 Volt. Und irgendwie ist das bei allen so, bei denen ich ins
> Datenblatt geschaut habe.

Das ein Kabel laut einer nationalen Norm mit keiner höheren Spannung 
beauschlagt werden darf, bedeutet ja nicht automatisch, das es das per 
se nicht kann.
Die Amis sind da auch in der Praxis recht schmerzfrei. Ich habe in einer 
Industrieanlage, die von Amis aufgebaut wurde, z.B. US-Tanklevelsensoren 
an Chemiebecken (feuchte Umgebung) gesehen, da wurde ein 4x 0,14 Quadrat 
Kabel verwendet, um 127V zur Versorgung (aus Spartrafo) über 2 Adern und 
der potentialfreie Relaiskontakt der 24V Steuerung über die 2 anderen 
Adern in quasi "Klingelleitung" gemeinsam zu führen.
Diese Sensoren hatten aber auch nur eine einzige Kabelverschraubung.
Wenn man sowas sieht, muß man mehrmals hingucken, sonst glaubt man das 
nicht.

von Klaus R. (klara)


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Gerald B. schrieb:
> Diese Sensoren hatten aber auch nur eine einzige Kabelverschraubung.
> Wenn man sowas sieht, muß man mehrmals hingucken, sonst glaubt man das
> nicht.

Das muß man ja nicht nachmachen.
mfg Klaus

von Wolf17 (wolf17)


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Spannungsfestigkeit PVC Isolation:
Um die SAT Anlage von der Stereoanlage zu trennen, hatte ich mal einen 
isolierenden SPDIF Übertrager mit Ringkern angefertigt.
Zum testen habe ich bei den für die Wicklung bestimmten zwei eng 
verdrillten 0,5/0,88mm PVC isolierte Schaltdrähte die Spannung erhöht, 
bis es bei 10kV geknallt hat. (Wandstärke 0,19mm x2)
Der Überschlag war aber nicht durch die Isolation, sondern an den 
offenen Enden, die ich nur fingerbreit weggebogen hatte.
Wikipedia nennt für PVC 30kV/mm

Mit Dauerbelastung der Isolierung ist das natürlich nicht vergleichbar.

von Wolf17 (wolf17)


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Spannungsfestigkeit PVC Isolation:
Um die SAT Anlage von der Stereoanlage zu trennen, hatte ich mal einen 
isolierenden SPDIF Übertrager mit Ringkern für der Receiverton 
angefertigt.
Zum testen hatte ich bei den für die Wicklung bestimmten, zwei eng 
verdrillten 0,5/0,88mm PVC isolierten Schaltdrähten die Spannung erhöht, 
bis es bei 10kV geknallt hat. (Wandstärke 0,19mm x2)
Der Überschlag war aber nicht durch die Isolation, sondern an den 
offenen Enden, die ich nur fingerbreit weggebogen hatte.
Wikipedia nennt für PVC 30kV/mm

Mit Dauerbelastung der Isolierung ist das natürlich nicht vergleichbar.

: Bearbeitet durch User
von Pandur S. (jetztnicht)


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Flachkabel ... Das Kabel ist sicher gut in der Isolation zwischen den 
Leitern. Dann kommt der Stecker. Dort koennte man sich allenfalls Muehe 
geben. Wenn man die Ablaengung mit der Schere oder dem Skalpell hinter 
dem Press Stecker macht, war's das. Dann kommt allenfalls noch eine 
Zugentlastung.

von Uwe S. (bullshit-bingo)


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Hatte vor Urzeiten mal ein Lauflicht aus Xenon-Blitzröhren gebaut, mit 
vielleicht 10-12poligem Flachkabel. Lief monatelang sogar draußen am 
Fensterbrett. Und natürlich wurden nicht nur die ca. 310V darüber 
geschickt, sondern auch die 4 Zündimpulse. Das sind mehrere KV, wenn 
auch nur sehr kurz.
Ein anderes Experiment waren gut und gern 150KVdc an zwei 230V-typischen 
Netzkabel, die sich direkt berührten. Jede Menge Corona-Gezische, aber 
kein Durchschlag!
Also zwischen der garantierten Spannungsfestigkeit und der tatsächlichen 
liegen stets Welten. Oder anders gesagt, es wäre eine Kunst, ein Kabel 
zu finden, das bei 300 oder gar 50V tatsächlich durchschlägt. Selbst 
viele Lackdrähte halten das noch aus.

von Harald K. (kirnbichler)


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Es gibt doppelt isoliertes Flachbandkabel, da hat man möglicherweise 
etwas stabiliere Bedingungen. Dieses Kabel ist i.d.R. bunt, mit jeder 
Ader in einer anderen Farbe. Zusätzlich ist noch eine transparente 
Isolation um das Kabel gespritzt.

von Darius (dariusd)


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Hallo

Ich würde auch keine 300V über die Adern des Flachbandkabels laufen 
lassen.
Aber das ist eben für mich "nur" so weil ich es so gewohnt bin das ab 
60V in der Praxis üblich und noch "unseren"  Vorschriften, große 
Isolationsabstände und dicke Isolation "vorgeschrieben" (eigentlich nur 
Empfohlen nach irgendwelchen Normen die aber nicht direkt Gesetz sind) 
sind.

Aber ich selbst habe mit Isolationsmeßgeräten schon Kabel und Leitungen 
mit noch geringeren Abständen und Isolationsstärken bei deutlich höheren 
Spannungen (>=1000V) unter normalen Wohnraumbedingungen getestet und es 
nicht fertig gebracht einen Überschlag zu erzeugen, geschweige den einen 
Kurzschluß oder "Verbrennungen" zu erzeugen.
Auch ist mir aus eigener Anschauung bekannt wie entspannt man bis weit 
in den 50er Jahren mit Isolationswiderständen und Materialien in 
Röhrengeräten umgegangen ist.

Uwe S. schrieb:
> Hatte vor Urzeiten mal ein Lauflicht aus Xenon-Blitzröhren gebaut, mit
> vielleicht 10-12poligem Flachkabel. Lief monatelang sogar draußen am
> Fensterbrett. Und natürlich wurden nicht nur die ca. 310V darüber
> geschickt,...
> Also zwischen der garantierten Spannungsfestigkeit und der tatsächlichen
> liegen stets Welten. Oder anders gesagt, es wäre eine Kunst, ein Kabel
> zu finden, das bei 300 oder gar 50V tatsächlich durchschlägt.

Genauso ist es.

Mir scheint (ja in den Details ist es schon physikalisch, technisch 
begründet, aber...) es mehr eine grundsätzlich andere Einstellung zu 
Lebensrisiken, Wahrscheinlichkeiten  und zum "Shit happens" zu sein 
welche diese zulässigen Spannungen festlegen.

Bei uns in DL, GB, der Schweiz, scheinbar auch Australien (Dave Johnes 
Videos)  und EU-Europa sehr viel "Es könnte ja Weihnachten und Ostern 
zusammenfallen", für (übertriebene?) Sicherheit ist uns nichts zu teuer.

Und im Rest der Welt, in verschiedener Ausprägung,zwischen den USA und 
Indien wird schon noch ein Unterschied bestehen, halt:

Was in der Praxis zu 99,9% funktioniert, bezahlbar ist und einfach zu 
installieren ist - reicht vollkommen aus.
Was dann noch passiert - na ja ist halt so, "mich" kann auch der Blitz 
beim Koten treffen...

Leider muß ich feststellen das ich in der Praxis dann 
sicherheitstechnisch doch sehr stark "Deutsch" und EU-Europalastig 
sozialisiert bin und wurde.

Dadurch wird  auch bei rein privaten Reparaturen und Bastelarbeiten so 
manches eigentlich nur unnötig groß,teuer und aufwendig - im beruflichen 
Umfeld sichert so was wenigstens das Einkommen, Zeitnachweise und 
letztendlich bezahlt es ja der AG (Nein letztendlich doch der Kunde bzw. 
oft indirekt der Steuerzahler - also wir alle...) - aber insgeheim denke 
ich mir auch da so meinen Teil, denn bei der Isolation hört es 
laaaaaange noch nicht auf und Isolation gehört eher noch zu den 
Billigkram...

: Bearbeitet durch User
von Lu (oszi45)


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Peter M. schrieb:
> verschiedenen Sorten von Flachbandkabel und wundere mich

Dass es Kabel für verschiedene Spannungen gibt, ist normal. 
Interessanter wird der Fall erst am Stecker, da sich dort z.B. durch 
Schlitzklemmtechnik viel geringere Abstände ergeben können.

von Mani W. (e-doc)


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Darius schrieb:
> Ich würde auch keine 300V über die Adern des Flachbandkabels laufen
> lassen.

Ist aber kein Problem in der Praxis...

von Lu (oszi45)


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Man sollte genauer zwischen Kabel und dessen Ende im Stecker und dessen 
Luftstrecken unterscheiden.

von Georg S. (randy)


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Bei Netzspannung muss man noch beachten dass die Isolierung nicht für 
die 230V Ausgelegt ist, sondern für die ca. 3kV Überspannungspulse die 
nach Norm am Netz auftreten können/dürfen.
Es macht also einen Unterschied ob ich ein Kabel an Stromnetz 
anschließe, oder ob ich es an eine (Eigenbau-)Spannungsquelle anschließe 
aus der (stabile) 300V raus kommen, ohne Überspannungspulse selbst wenn 
das Netz dreckig ist und/oder ein Blitz in der Nähe einschlägt.

Und dann wird unterschieden ob es eine "Funktionsisolierung" ist oder 
eine Isololierung die ein "MOP" darstellen soll ("means of operator 
protection").
Wenn eine Funktionsisolierung durchschlägt tritt keine Gefährdung eines 
Menschen auf, nur das Gerät funktioniert nicht mehr. (Da könnte eine 
Flachbandleitung ok sein für 300V).
Etwas anderes ist es wenn ein Mensch gefährdet wird wenn die Isolierung 
versagt (also ein MOP erforderlich ist). Deswegen ist eine Netzleitung 
für 230V dicker isoliert als es für eine Funktionsisolierung notwendig 
wäre.

: Bearbeitet durch User
von Georg S. (randy)


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> Bei uns in DL, GB, der Schweiz, scheinbar auch Australien (Dave Johnes
> Videos)  und EU-Europa sehr viel "Es könnte ja Weihnachten und Ostern
> zusammenfallen", für (übertriebene?) Sicherheit ist uns nichts zu teuer.

Also wenn ich für die übertriebene Sicherheit nur die Kosten für ein 
ordendliches 5x1,5qmm Netzkabel habe statt 4x0,14qmm Klingeldraht, dann 
sehe ich das als lohnende Investition.
Aber man kann natürlich alles ins maßlose übertreiben...

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