Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Warum gibt es in der Digitaltechnik so viele active-low Signale


von Markus W. (naggusm)


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Ich habe an euch mal eher eine philosophische Frage:

Warum gibt es in der Elektronik eigentlich allgemein so viele active-low 
Signale?
Ich habe das Gefühl, dass sich für viele Standardsignale (z.B. Resets, 
SPI-Chip-Selects, UART) es sich irgendwie normalisiert hat, dass die 
Signale im Idle einfach "high" sind und das ganze auch niemand weiter 
hinterfragt.

Bei Leitungen mit einem open-drain und passiv-pull-up verstehe ich es 
irgendwie noch (wobei es sich auch hier "umgedreht" realisieren lassen 
würde).

Aber bei Signalen die von einem Push-Pull getrieben werden...wozu? Was 
ist hier der Vorteil dabei und warum sind diese nicht einfach 
active-high (und idle-low)?

von Walter T. (nicolas)


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Bei einigen Signalen ist active low prinzipbedingt vorteilhaft - das 
wäre ja schon geklärt.

Aber welchen Vorteil versprächest Du Dir davon, dass es bei denen, wo es 
nicht so ist, genau andersherum wäre?

von Rüdiger B. (rbruns)


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Stromverbrauch.

von Soul E. (soul_eye)


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Markus W. schrieb:
> Bei Leitungen mit einem open-drain und passiv-pull-up verstehe ich es
> irgendwie noch (wobei es sich auch hier "umgedreht" realisieren lassen
> würde).

Bei TTL waren die push-pull-Ausgänge auch nicht viel anders aufgebaut. 
Statt pull-up hast Du eine Stromquelle, aber trotzdem können 74/74L/74H 
und die späteren 74S/74LS wesentlich besser nach low treiben als nach 
high. Low ist ein durchgeschalteter Transistor mit typisch 0,3 V, High 
ist irgendwas zwischen 2,4 und 4,8 V. Damit ist active low störfester 
und die fallende Flanke ist vom Timing her besser definiert.

Die heutigen CMOS-Bausteine haben symmetrische Ausgänge, da ist es 
eigentlich egal. Active Low nimmt man heutzutage vor allem aus 
historischen Gründen, weil man es halt so macht.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Markus W. schrieb:
> Ich habe an euch mal eher eine philosophische Frage
Mit einem ganz praktischen Hintergrund aus dem letzten Jahrtausend.

Soul E. schrieb:
> Bei TTL waren die push-pull-Ausgänge auch nicht viel anders aufgebaut.
Bei TTL waren die Eingänge Pullup-Eingänge, die nach Masse gezogen 
werden mussten. Die passenden Ausgänge wurden also so ausgelegt, dass 
sie gut "Low" ausgeben konnten:
- 
https://www.analog.com/en/resources/analog-dialogue/studentzone/studentzone-august-2022.html

Dieser Vorzug für "Low" spiegelt sich auch in den asymmetrischen 
Schaltpegeln der TTL-Bausteine wieder.

> Die heutigen CMOS-Bausteine haben symmetrische Ausgänge, da ist es
> eigentlich egal.
Bei den älteren CMOS war im Ausgangstreiber auch noch der N-Kanal-Fet 
nach GND derjenige mit dem geringeren Kanalwiderstand. Ein Low-Pegel war 
also besser belastbar, ein Low-Aktiver Ausgang konnte mehr Eingänge 
treiben.

Und viel Bauteile, die danach kamen, mussten mit den vorhandenen TTL und 
CMOS Batueilen zusammen funktionieren oder rückwärtskompatibel sein.

: Bearbeitet durch Moderator
von Obelix X. (obelix)


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Markus W. schrieb:
> Bei Leitungen mit einem open-drain und passiv-pull-up verstehe ich es
> irgendwie noch (wobei es sich auch hier "umgedreht" realisieren lassen
> würde).

Damit kann man einfacher Systeme mit unterschiedlicher Vcc verbinden. 
Der Pull-up gibt den High-Pegel an und der Low-Pegel ist meist annähernd 
gleich.

von (prx) A. K. (prx)


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Lothar M. schrieb:
> Bei den älteren CMOS war im Ausgangstreiber auch noch der N-Kanal-Fet
> nach GND derjenige mit dem geringeren Kanalwiderstand.

Oder der P-FET war entsprechend grösser. In den originären CD4000 sind 
freilich recht viele Steuereingänge active high. Da war das also nicht 
so eindeutig.

: Bearbeitet durch User
von Gerald B. (gerald_b)


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Ein offener TTL Eingang hat high gesehen und mußte auf low gezogen 
werden. Um sicher unterscheiden zu können, das er angesteuert wird, ist 
Active low von Vorteil.

von Maxim B. (max182)


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Markus W. schrieb:
> Warum gibt es in der Elektronik eigentlich allgemein so viele active-low
> Signale?

So ist einfacher. Es können mehrere VCC sein, digitale GND ist aber 
einmalig.

von (prx) A. K. (prx)


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Wenn man einen klassischen TTL Eingang mit Widerstand sicher auf low 
zieht, hat der ihn treibende Ausgang aufgrund der Asymmetrie recht viel 
Arbeit, ihn sicher auf high zu ziehen. Andersrum gehts viel besser.

von Rainer W. (rawi)


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Markus W. schrieb:
> Ich habe an euch mal eher eine philosophische Frage:

Idle = High kommt aus der Sicherheitstechnik. Wenn in einer Alarmanlage 
nur im Alarmzustand Strom fließen würde, könnte man eine durchtrennte 
Leitung nicht erkennen.

"Strom weg" bedeutet, dass man sich in der einen oder anderen Weise 
darum kümmern muss

Das hat etwas mit technischem Verständnis und weniger mit Philosophie zu 
tun.

von Martin S. (martinst)


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Vorteil: Beim Einschalten ist auf der Leitung Nicht-Reset von Beginn an 
der Reset-Zustand. Und nicht erst nachdem z.B. ein PullUp High-Pegel 
hergestellt hat.

von Harald K. (kirnbichler)


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Ein weiterer Grund ist der, daß sich so etwas gut mit Open-Collector- 
bzw. Open-Drain-Ausgängen kombinieren lässt, um einfach mehere Ausgänge 
logisch verknüpfen zu können.

Ein typisches Beispiel sind hier Interruptleitungen, ein Prozessor wie 
z.B. 6502 hat einen Active-Low-Interrupteingang, an dem mehrere 
Bausteine parallel angeschlossen werden (und ein Pullup-Widerstand). Nun 
kann jeder dieser Bausteine einen Interrupt auslösen, ohne daß weitere 
Schaltungslogik erforderlich ist. Der Interrupthandler muss natürlich 
bei jeder möglichen Interruptquelle nachsehen, ob sie den Interrupt 
ausgelöst hat, aber bei Prozessoren, die keine komplexere Interruptlogik 
und nur sehr wenige Interrupteingänge haben, ist das der praktischte 
Weg.

IBM hat es beim Design des PC übrigens genau falsch gemacht, die haben 
Interruptsharing verunmöglicht (durch die Kombination von 
Active-High-Interupts und Totem-Pole-Treiber), was bei einem so 
beschränktem Design wie dem PC mit insgesamt 8 Interruptleitungen (oder 
15 beim AT) schon reichlich bescheuert war.

von Norbert (der_norbert)


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Markus W. schrieb:
> Warum gibt es in der Elektronik eigentlich allgemein so viele active-low
> Signale?

Viel schlimmer sind so Spezialisten, welche ein wirklich rund um den 
Globus bekanntes ‾‾RESET‾‾ grundlos in ein RUN ändern.

von Hans (ths23)


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Soul E. schrieb:
> Statt pull-up hast Du eine Stromquelle, aber trotzdem können 74/74L/74H
> und die späteren 74S/74LS wesentlich besser nach low treiben als nach
> high.
Wobei allerdings der Lastfaktor beachtet werden mußte. Die 74'er Serie 
hatte, soweit ich mich erinnere, Lastfaktor 10, d.h. man konnte maximal 
10 Eingänge mit Standardlast 1 treiben.

von Gerald B. (gerald_b)


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Hans schrieb:
> Wobei allerdings der Lastfaktor beachtet werden mußte. Die 74'er Serie
> hatte, soweit ich mich erinnere, Lastfaktor 10, d.h. man konnte maximal
> 10 Eingänge mit Standardlast 1 treiben.

Richtig, Lastfaktor 10 war auch bei H(ighspeed), L(owpower), S(chottky) 
und LS innerhalb der Serie üblich. Erst bei CMOS entspannte sich das.
dazu kam, das vereinzelte Eingänge auf Faktor 2 haben konnten.
dazu gab es dann Umrechnungsfaktoren von einer Serie zur anderen.
Der 7440 war ein Doppel NAND mit 4 Eingängen, dessen Ausgang Faktor 20 
hatte. der war als Treiber gedacht, wenn ein normaler Ausgang nicht mehr 
reichte. Z.B. bei synchronen Zähler/Teilern

von Clemens L. (c_l)


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Soul E. schrieb:
> können 74/74L/74H und die späteren 74S/74LS wesentlich besser nach low
> treiben als nach high.

Weil man damals NPN-Transistoren auf einem Chip sehr viel einfacher 
herstellen konnte als PNPs, und man deshalb PNPs vermieden hat.

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