Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik STRAMP 2100A


von Peter F. (peterfu89s)



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Einen wunderschönen guten Abend an die Schwarmintelligenz!

Nach einer gediegenen Bastlerpause habe ich nun endlich wieder ein
Röhrenprojekt am Start. Zwar für meine Verhältnisse etwas eher
exotisches (da ich im Normfall alte Messtechnik in Stand setze) aber
trotzdem was feines. Ich habe das Glück einen Stramp 2100A Vollröhren
Verstärker auf meiner Werkbank bearbeiten zu dürfen. Wen es interessiert
es gibt eine Tolle geschichtliche Aufarbeitung zu diesem Gerät in
folgendem Link :
https://www.musiker-board.de/threads/amp-stramp-2100-a-100-watt-vollroehren-amp-aus-den-70ern.733773/
.
Wie schon eingangs erwähnt beschäftige ich mich mehr mit alter
Messtechnik und jetzt bin ich in der Hoffnung, dass sich hier ein paar
Techniker/Musiker finden die mir da etwas unter die Arme greifen können.
Mein Ziel ist es den Stramp so originalgetreu (unter Einsatz neuer
Komponenten) und betriebssicher wie möglich wieder aufzubauen.
Leider wurde an dem Gerät schon einiges herumgebastelt, ABER es ist
nicht aussichtslos.
Ich habe euch den original Schaltplan gleich hier reingestellt. Da es
sich bei dem Stramp um eine fast ein zu eins Kopie des Marshall 1992
SuperBass handelt hab ich euch diesen Schaltplan auch gleich
bereitgestellt.
So, jetzt aber genug mit dem Gelaber!

Meine erste Frage an euch:
in dem originalen Schaltplan ist ein 56pF (siehe Bild; orange markiert)
zu sehen. War anfangs etwas irritiert da ich ihn nicht auf meiner
Platine finden konnte. Hat’s ihn wegdetoniert?!? Dann bin ich aber im
Net auf ein Bild von einem restaurierten Stramp 2100A gestoßen - da war
er auch nicht zu sehen (nur die zwei markanten Bohrungen in der Platine
wie bei meinem). Beim Marshall allerdings ist er verbaut (hier 47pF;
siehe Bilder). Jetzt die Frage: warum? Welchen Sinn macht das? Ich hab
euch auch die Beschaltung der ECC83 gleich hochgeladen (hier würden
Pin1&6 durch den 56pF gekoppelt werden). Gibts da auch Input seitens der
Musiker?

Meine zweite Frage:
Wie auf dem Bild des restaurierten 2100er zu sehen sind die großen
Siebkannen in Serie (je 2x220µF). Alles gut - hat man früher so gemacht!
Im Sinne der Originaltreue wird das auch so bleiben. Allerdings stört
mich ein wenig, dass die dicken Kannen keine Paralellwiderstände zum
ausbalanzieren haben. Nach einiger Überlegung hab ich ein PCB
konstruiert das dieses Problem lösen sollte (siehe Bilder). Die kann ich
minimalinvasiv anbringen. Was haltet ihr davon? Gibts Einwende seitens
der Musiker?

Das wars fürs Erste! Ich danke euch im Voraus für eure Antworten!

von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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Symmetrierwiderstände an den Siebkondensatoren merken Musiker nicht, 
bzw. nur daran, daß sie plötzlich weniger Verstärker und mehr 
Nebelmaschinen brauchen.

Der 47pF Kondensator dient vermutlich der Unterdrückung von 
Schwingungen. Manchmal führen solche Maßnahmen dazu, daß der Verstärker 
vielleicht ganz minimal dumpfer klingt. Bei einem Bassverstärker denke 
ich nicht, daß man davon auch nur das Geringste merkt.

Worüber sich Klampfinisten meistens ärgern wenn sie ihren tollen 
Röhrenverstärker aus der Restauration zurück bekommen, daß er nach dem 
Kondensatoren-Tausch nicht mehr so weich und warm klingt wie vorher... 
aber dafür glühen die Anoden in den Röhren auch nicht mehr.

von Peter F. (peterfu89s)


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Ben B. schrieb:
> „Symmetrierwiderstände an den Siebkondensatoren merken Musiker nicht,
> bzw. nur daran, daß sie plötzlich weniger Verstärker und mehr
> Nebelmaschinen brauchen.“
…wie meinst du das?
> „Der 47pF Kondensator dient vermutlich der Unterdrückung von
> Schwingungen. Manchmal führen solche Maßnahmen dazu, daß der Verstärker
> vielleicht ganz minimal dumpfer klingt. Bei einem Bassverstärker denke
> ich nicht, daß man davon auch nur das Geringste merkt.“
…macht Sinn!
> „Worüber sich Klampfinisten meistens ärgern wenn sie ihren tollen
> Röhrenverstärker aus der Restauration zurück bekommen, daß er nach dem
> Kondensatoren-Tausch nicht mehr so weich und warm klingt wie vorher...
> aber dafür glühen die Anoden in den Röhren auch nicht mehr.“
…darum auch schon wie eingangs erwähnt der Aufbau mit neuen Komponenten. 
Red Plating ist das letzte was ich brauche. Ja und wenns um den Klang 
geht, muss ich leider sagen, dass es sich da meines Erachtens sehr viel 
um „Audio-Esotherik“ handelt. Sicher wird sich etwas verändern wenn man 
statt Kohlewiderständen Metaller verbaut, aber was ich nicht verstehe 
ist wenn ich z.B. einen MKS Kondensator mit komplett identischen Werten 
vergleiche, bei denen der eine den Bruchteil des anderen kostet. Kann 
mir doch keiner erzählen, dass man da was rauskitzelt (außer die €onen 
aus der Brieftasche). Mich würd auch deine Meinung dazu interessieren!
Jedenfalls vielen Dank für die Antwort!

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Die entscheidenden Bauteile hier sind immer die Trafos - vor allem der 
Ausgangstrafo. Alles andere kann man fast bauen, wie man will. Ist der 
Trafo schlecht, ist der Amp schlecht. Besorge dir auch zur Anregung die 
alten RIM Bastelbücher aus den 60er Jahren mit einer Fülle von 
Röhrenverstärkern aller Leistungsklassen.

von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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> …wie meinst du das?
Naja, wenn weniger Verstärker abrauchen (und dabei Nebel produzieren), 
dann braucht man für den Nebel eben Nebelmaschinen, die man vorher nicht 
gebraucht hat.

So richtig als Audio-Esoterik würde ich das nicht bezeichnen. Daß solche 
Verstärker nach dem Austausch der gealterten Kondensatoren nicht mehr so 
weich und warm klingen wie vorher, ist wahr. Es ist nur schwer, als 
Elektroniker einem Musiker zu erklären warum das so ist, daß das ab Werk 
nicht so gewollt war und daß man es auch auf keinen Fall so lassen kann. 
Es gibt ja leider ganze Serien von Kondensatoren, die mit der Zeit zu 
Widerständen mutieren und dann die Röhren überlasten weil irgendwelche 
Gitter-Potentiale nicht mehr stimmen.

Audio-Esoterik* ist aus meiner Sicht wenn jemand anfängt, hartvergoldete 
Netzkabel zu verwenden, weil der Verstärker dann viel besser klingt. 
Oder den Jitter einer digitalen Signalübertragung zu beseitigen wenn die 
Daten danach sowieso noch durch irgend einen Prozessor, Puffer und evtl. 
noch Nachbearbeitung zum D/A-Wandler gehen.
  Wenn jemand nun besonders teure Signalkabel benutzen möchte, die 
irgendwelche tollen Eigenschaften haben sollen, dann ist das für mich 
Quatsch - aber wenn er es sich leisten kann und sein Geld gerne dafür 
ausgibt... naja soll er doch. Wenn er damit ein besseres Gefühl hat, ist 
der Nutzen nicht Null. Ob die vielleicht wirklich marginal besser 
klingen als die billigsten Chinch-Kabel oder 0.75er NYM-Leitung für die 
3kW Bassboxen... weiß ich nicht, halte ich aber für möglich.

Oder wenn man heute noch ein Gerät findet, wo noch ein alter 
Papierkondensator-Netzfilter drin ist... annähernd 100% Chance, daß 
einem dieses Ding um die Ohren fliegt sobald man den Stecker reinsteckt.

Was ich bei sowas wichtig finde, möglichst viel von der originalen 
Substanz zu erhalten. Also wenn ich bei sowas irgendwo einen 
Kohleschicht-Widerstand finde, der außerhalb der Toleranz ist (und das 
Driften Probleme verursachen kann/wird), dann würde ich auch wieder 
einen Kohleschicht-Widerstand als Ersatz nehmen wenn ich den bekommen 
kann. Auch wenn das evtl. etwas teurer ist. Nicht weil es einen 
funktionellen Unterschied macht, sondern weil es original so war.

Bei diesen als Siebkondensator eingesetzten Becher-Elkos macht man es ja 
auch gerne so, daß man die Dinger ausräumt und den heute viel kleineren 
Ersatz-Elko in diesem Alu-Becher versteckt, damit die Kiste weiterhin 
original aussieht.

*
Vielleicht noch was zum Thema Audio-Esoterik, was ich viel schlimmer 
fand. Ich habe vor vielleicht 25 Jahren eine defekte Audio-Endstufe sehr 
billig als Teileträger gekauft. Von Pyle glaube ich. Schöner Ringkern, 
eine Handvoll kräftige FETs und seltene Dioden, Endstufentransistoren... 
braucht man immer mal. Und wie der Bastler eben so ist, man schaut mal 
nach was denn eigentlich kaputt ist. Der einzige Defekt war irgend ein 
Allerwelts-Transistor in einer Vorstufe. Bastelkiste mit den gesammelten 
Teilespendern raus... ach guck, den haben wir sogar da. Lötkolben an, 
ausgetauscht, funktionierte das Ding wieder. Aber der Klang war das 
Schrecklichste, was ich in meiner gesamten Audio-Geschichte erlebt habe. 
Höhen waren dem Ding so gut wie gar nicht zu entlocken, toll für 
Meeresrauschen aber schlecht für Techno und Trance, die Mitten quäkten 
wie ein Druckkammerlautsprecher und der Bass erinnerte eher an ein 
Furzkissen. Aber da das Scheißteil nun lief, war's zum Schlachten zu 
schade... so'n Mist. Nach ein paar Tagen hat ein Kumpel das Ding 
entdeckt. Ooch Benni du hast ja da eine so tolle Endstufe, die brauche 
ich für mein Auto ... ja, prima, schaff sie mir aus den Augen. Dann 
ärgere ich mich wenigstens nicht mehr über den Teilespender, den ich 
nicht mehr hatte. Aber das Furchtbare daran, der hat das Ding als 
Bass-Endstufe in seinen Golf reingeschraubt und war sowas von happy und 
stolz, fuhr dann ständig mit diesem furzenden Bass vor die Werkstatt 
"geil geil, tolle Endstufe" und hinter ihm nur "furz furz furz furz" ... 
also wer die beiden Manta-Filme (nicht) kennt... man brauchte dafür 
nicht mehr ins Kino, man hatte das zweimal die Woche live. Das fand ich 
schlimmer als Audio-Esoterik. Also versteht mich nicht falsch, wirklich 
guter und netter Kumpel, hat viel beim Auto schrauben mitgeholfen und 
war eigentlich immer da, wenn man mit dem Auto ein Problem hatte... aber 
seine Ansprüche an einen "geilen Bass" ... ...

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