Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Frage zu Blinkschaltung - Funktionsweise Transistoren


von Alexander (alexander_g151)


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Hallo,
ich bin ein ziemlicher Anfänger in Sachen Elektrotechnik und Schaltungen 
und habe noch einige Schwierigkeiten, zu verstehen, wie solche 
Schaltungen funktionieren.

Es geht um diese Schaltung:
https://solderingmind.com/wp-content/uploads/2019/07/Led-flash-for-alerts.jpg

Nachdem ich mir auf meinem Breadboard einzelne Schaltungen angeschaut 
habe, dachte ich eigentlich, dass ich die Komponenten mittlerweile ganz 
gut verstehe. Aber bei solchen Schaltungen (die ja eigentlich noch nicht 
wirklich komplex sind) habe ich leider schon Probleme nachzuvollziehen, 
wie sie funktionieren.

Könnt ihr mir hier etwas weiterhelfen?

Wichtig: Ich arbeite mit 5 V.

Meine Herangehensweise:

Am Anfang:

Der Kondensator ist leer. Da er an GND hängt, liegt am gesamten 
Kondensator zunächst 0 V an.

Ich könnte ihn mir auch ganz kurzzeitig als einfache Leitung vorstellen 
(?).

Die gesamte Spannung liegt erst einmal am Widerstand an (5 V).

Somit liegt auch am PNP-Emitter 0 V.

Nicht ganz sicher bin ich mir jetzt, wie der PNP schalten kann. Es 
müsste ja an der Basis gegenüber dem Emitter −0,7 V anliegen.

Der Emitter kann aber maximal 5 V haben, wenn der Kondensator voll 
geladen ist.
Ich hätte jedoch gedacht, dass an der Basis des PNP ebenfalls 5 V 
liegen. Dann kann es doch keine Differenz zum Schalten geben?

Was mich auch gewundert hat:
Ich habe testweise den Kondensator durch einen Leiter ersetzt, um den 
Startzeitpunkt zu simulieren.

Wie erwartet hat der Widerstand 5 V.
Aber was mich wundert, ist z. B. die LED: Diese hat etwa 0,5 V (ich habe 
zusätzlich noch einen 330 Ω Widerstand verbaut, nur zur Sicherheit).

Wo kommt diese Spannung her, wenn doch alle Transistoren zunächst 
geschlossen sind?

Auch zwischen PNP-Emitter und Basis liegen 4 V an (wieso nicht 5 V?).

Hier komme ich leider nicht weiter. :(


Wie gehe ich denn geordnet vor, um z.B. nur mit Stift und Papier 
herauszufinden, wie die Anfangsbedingung (Spannungen, Stromflüsse etc.) 
Aussieht. Gerade auf der rechten Seite mit den Transistoren tue ich mer 
schwer. Anscheinend kann ich hier nicht einfach annehmen, dass die alle 
nicht geschaltet sind, sonst müsste doch an der LED keine Spannung 
anliegen!?

Danke für eure Hilfe.

von Michael B. (laberkopp)


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Alexander schrieb:
> Der Emitter kann aber maximal 5 V haben, wenn der Kondensator voll
> geladen ist

Mit 5V funktioniert die Schaltung nicht (zuverlässig).

Sie basiert auf der UBEreverse Durchbruchspannung der Transistoren.

Alte (1960) brauchten oft 30V, moderne ca. 7V.

Beitrag #7921015 wurde vom Autor gelöscht.
von Alexander (alexander_g151)


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Hallo Michael,

aber zumindest funktioniert es bei mir wie gedacht.
Die LED blinkt in Sekundenabständen, und ich war ganz glücklich. :)

Nichtsdestotrotz möchte ich die Schaltung auch theoretisch verstehen, um 
nachvollziehen zu können, was dort eigentlich passiert.

Aber irgendwie hört es sich eher so an, wenn ich dich richtig verstehe, 
dass es sich um ein Sonderfall bei Transistoren handelt und eher nicht 
besonders praxisrelevant ist.
Evtl. habe ich mir hier für meine Versuche direkt die falsche Schaltung 
rausgesucht, die nicht ganz trivial zu verstehen ist für Anfänger?

: Bearbeitet durch User
von Axel S. (a-za-z0-9)


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Alexander schrieb:
> Hallo Michael,
>
> aber zumindest funktioniert es bei mir wie gedacht.
> Die LED blinkt in Sekundenabständen, und ich war ganz glücklich. :)
>
> Nichtsdestotrotz möchte ich die Schaltung auch theoretisch verstehen, um
> nachvollziehen zu können, was dort eigentlich passiert.

Die Schaltung funktioniert nicht zuverlässig mit irgendwelchen 
Transistoren. Es handelt sich zwar nicht um den "UBEreverse Durchbruch" 
wie Laberkopp oben schreibt, aber dennoch um einen Dreckeffekt. Die 
Transistoren sind zu einem Thyristor verschaltet und es wird auf die 
Verstärkung der Sperrströme gesetzt. Darüber hinaus wird die LED ohne 
Vorwiderstand betrieben.

Wenn du eine Blinkschaltung mit wenig Aufwand bauen willst, nimm die 
erste aus dem Beitrag "Blinkschaltung". Die Bauteile 
sind für LED absolut unkritisch. Irgendein npn, irgendein pnp und 
irgendeine Diode. Und statt der Glühlampe halt deine LED mit 
Vorwiderstand.

Weiter unten in diesem Thread ist auch noch eine Thyristor-Schaltung. 
Nur diesmal richtig gemacht.

von Ob S. (Firma: 1984now) (observer)


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Axel S. schrieb:

> Die Schaltung funktioniert nicht zuverlässig mit irgendwelchen
> Transistoren.

So weit ist das richtig.

> aber dennoch um einen Dreckeffekt.

Huch?

> Die
> Transistoren sind zu einem Thyristor verschaltet

Eben. Nach deiner Einschätzung müsste dann ja jeder Thyrister ein 
Baulelement sein, was nur unzuverlässig wegen irgendwelcher Dreckeffekte 
funktioniert...

von Re (r42)


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Ob S. schrieb:
> Nach deiner Einschätzung müsste dann ja jeder Thyrister ein
> Baulelement sein, was nur unzuverlässig wegen irgendwelcher Dreckeffekte
> funktioniert...

IBTD: Ein echter Thyristor wird ja nun gerade nicht so eingesetzt, 
dass man die Anodenspannung so lange erhöht, bis er schließlich zündet.

Das Vorhandensein von Sperrströmen als funktionsentscheidende 
Eingenschaft einer Schaltung vorauszusetzen, deutet eher auf eine 
Anwendung als "Thermometer" (oder so) hin.

(re)

: Bearbeitet durch User
von Axel S. (a-za-z0-9)


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Ob S. schrieb:
> Axel S. schrieb:
>> Die
>> Transistoren sind zu einem Thyristor verschaltet
>
> Eben. Nach deiner Einschätzung müsste dann ja jeder Thyrister ein
> Baulelement sein, was nur unzuverlässig wegen irgendwelcher Dreckeffekte
> funktioniert...

Wenn man den Thyristor so beschalten würde wie in der Transistor- 
Ersatzschaltung, dann wäre das in der Tat so. Denn gezündet wird dieser 
Thyristor durch Erhöhen der Blockierspannung bis er durchbricht.

Die LED ist interessanterweise da an den Thyristor angeschlossen, wo 
ein Gate wäre. Denn ein Thyristor aus Einzeltransistoren hat zwei 
Gates. Eins für positive Steuerströme (wie beim normalen Thyristor) und 
eins für negative Steuerströme.

Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Thyristortetrode

Wenn man die LED vom "richtigen" Gate nach GND schalten würde, dann 
könnte man die Schaltung noch eher durchgehen lassen. Dann würde nämlich 
nur der Entladestrom den Kondensators durch die LED fließen.

: Bearbeitet durch User
von Nemopuk (nemopuk)


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Braucht die LED keinen Vorwiderstand?

von Andrew T. (marsufant)


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Nemopuk schrieb:
> Braucht die LED keinen Vorwiderstand?

Der ist bereits im (innen)Widerstand des 9V Batterieblocks.

von Michael (bastler2)



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Tja, die bisherigen Erklärungsversuche sind leider nicht richtig...

Was richtig ist, dass die beiden Transistoren einen Thyristor 
nachbilden, und wenn der zündet, dann blitzt die LED auf.

Die spannende Frage ist aber: Warum zündet der Transistor?

Die erste Hypothese, es käme irgendwo zu einem Durchbruch, ist mit einem 
Blick auf das Schaltbild ausgeräumt. Kein Bauteil ist "verkehrt" herum 
angeschlossen. Ebenfalls funktioniert die Schaltung völlig problemlos 
noch bis ca. 2V! Da ist zu wenig für irgendwelche Durchbrüche.

Die zweite Hypothese, Leckströme durch die Transistoren würden nach 
einer (unbestimmten) Zeit sich gegenseitig verstärken und den 
nachgebildeten Thyristor zünden, kann leicht ausgeräumt werden:
Wenn die LED entfernt wird, hört die Schaltung auf zu Schwingen. Das 
kann einfach mit einem Oszi am Kondensator nachgemessen werden.
Wenn aber Leckströme für das Zünden verantwortlich wären, müsste die 
Schaltung auch ohne LED schwingen. Tut sie aber nicht, also ist diese 
Annahme auch falsch.

Wie funktioniert die Schaltung also?

Es ist die LED, die für die Schwingungen sorgt, mit ihrer 
Sperrschichtkapazität!

Eine LED hat etwa 10 bis 20pF (ungefähr) Sperrschichtkapazität bei 0V. 
Aber bei ihrer Diffusionsspannung (Durchlassspannung) von etwa 1.5V 
(rot) ist diese Kapazität etwa um den Faktor 10 höher.

Nun passiert etwa folgendes:

Die LED ist auf ihre Diffusionsspannung von etwa 1.5V aufgeladen. Somit 
liegt die Basis vom PNP-Transistor auf etwa VCC-1.5V = 3.5V bei 5V 
Spannungsversorgung.

Wenn nun die Spannung am Kondensator in Richtung VCC ansteigt fängt die 
Basis-Emitter-Diode vom PNP an zu leiten (ab ca. 0.25V). Infolgedessen 
wird nun die LED-Sperrschichtkapazität (etwas) entladen.

Aber dieser LED-Sperrschichtkapazität-Entladestrom sorgt im PNP auch für 
einen (verstärkten) Kollektorstrom der in die Basis vom NPN fließt. 
Dieser NPN-Basis-Strom verursacht wiederum einen (verstärkten) 
NPN-Kollektorstrom der aus der PNP-Basis kommt, und die Sache verstärkt 
sich gegenseitig und der nachgebildete Thyristor zündet.

Die LED blitzt auf, der Kondensator entlädt sich und das Spiel beginnt 
von vorne.

Skeptisch? Siehe Anhänge:

1. Bild:

Betrieb bei 5V, Widerstand 330 KOhm anstatt 1 Megaohm damit das messen 
nicht so nervig ist. Kanal 1 (gelb) ist die Kondensator-Spannung, Kanal 
2 (türkis) die an der Kathode der LED.
Man sieht wie der nachgebildete Thyristor bei etwa 250 Millivolt zündet. 
Es ergeben sich etwa 2.6Hz Blitz-Frequenz.

2. Bild:

Alles gleich, Zeitbasis reingezoomt: Wenn man genau schaut, sieht man 
wie Kanal 1 (gelb) leicht ansteigt (Kondensator lädt sich auf), und kurz 
vor Mitte des Bildschirms die Basis-Emitter-Diode vom PNP-Transistor 
anfängt zu leiten. Dadurch fängt die Spannung an der LED an zu sinken 
und kurz drauf verstärkt sich das exponentiell.

3. Bild:

Gleiche Schaltung, wieder mit gleicher Zeitbasis wie Bild 1, aber 
Betrieb bei 3V.
Man sieht, wieder sind ca. 0.25V über die PNP-Basis-Emitterdiode 
notwendig, um den nachgebildeten Thyristor zu zünden. Interessant dabei: 
Die Frequenz ist höher!
Der Grund dafür ist, dass die konstante LED-Diffusionsspannung von ca. 
1.5V bei 3V Versorgung im Verhältnis größer ist als bei 5V Versorgung. 
Daher erreicht die Ladespannung am Kondensator diesen Pegel schneller, 
da die Zeitkonstante ja gleich bleibt.

: Bearbeitet durch User
von Rainer W. (rawi)


Angehängte Dateien:

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Michael B. schrieb:
> Mit 5V funktioniert die Schaltung nicht (zuverlässig).

Gut, dass LTSpice das nicht weiß.

: Bearbeitet durch User
von Ob S. (Firma: 1984now) (observer)


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Michael schrieb:

> Tja, die bisherigen Erklärungsversuche sind leider nicht richtig...

Doch irgendwie schon. Nur die Begrifflichkeiten waren falsch gewählt.

> Die spannende Frage ist aber: Warum zündet der Transistor?

Weil ein hinreichend großer Basisstrom durch Q2 zustande kommt. 
Hinreichend ist: multipliziert mit den Stromverstärkungen der 
Transistoren kann sich die Sache zum "Durchgang" aufschaukeln.

Und der Basistrom kommt zustande, weil sich der Kondensator über den 
Widerstand auflädt, wodurch das Potential am Emitter von Q2 irgendwann 
"deutlich" positiver wird als das an seiner Basis.

> Die erste Hypothese, es käme irgendwo zu einem Durchbruch

Richtig. Das ist die oben erwähnte falsche Begrifflichkeit. Da gibt es 
keinen Durchbruch. Es passiert einfach nur das, was bei einem 
PNP-Transistor passieren soll und muss, wenn das Potential an der Basis 
negativer wird als das am Emitter. Es beginnt dann auch ein Strom durch 
den Kollektor von Q2 zu fliessen, der wiederum Basistrom von Q1 ist, 
wodurch wiederum auch ein Kollektorstrom durch Q1 fließt, der das 
Potential an der Basis von Q2 nochmals etwas negativer macht. Das 
schaukelt sich dann schön schnell hoch.

Sobald ordentlich Strom fließt, fällt dann aber auch sehr schnell das 
Potential an der Basis von Q2 wieder ab. Vorausgesetzt, der Widerstand 
ist groß genug, so dass es nicht passiert, dass der Strom durch diesen 
Widerstand die Sache am Laufen erhalten kann. Ist diese Voraussetzung 
gegeben, lauft der "Durchzug" nur so lange, wie der Kondensator Strom 
liefern kann. Dann bricht die Herrlichkeit zusammen auf Ausgangslage. Es 
beginnt wieder die Ladephase des Kondensators, bei der die Spannung am 
Emitter von Q2 langsam steigt.

> Wenn die LED entfernt wird, hört die Schaltung auf zu Schwingen.

Aber nicht, wenn du sie einfach durch einen Widerstand ersetzt.

> Es ist die LED, die für die Schwingungen sorgt, mit ihrer
> Sperrschichtkapazität!

Was damit als Bullshit zu betrachten ist. Widerstände neigen dazu, keine 
Sperrschichtkapazitäten zu besitzen...

Rainer W. hat inzwischen ein hübsches LT-Spice-Modell geliefert, da kann 
man sich die Vorgänge sehr schön anschauen. Ist nur etwas schwierig, die 
Stromachse so zu skalieren, dass man den Basistrom von Q2 in der 
interessanten Phase kurz vor Einsetzen des Durchzugs genau genug 
verfolgen kann. Max auf 1µA, Min auf -1µA, Grid auf 100pA ist brauchbar.

Ach so: max. Timestep der Simulation sollte man auf 1E-7 oder gar 1E-8 
setzen, sonst gehen die Feinheiten auch verloren, da scheint der Strom 
dann quasi rechtwinklig in die Höhe zu schießen.

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