Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Warum Akku Balancing auf 100% SoC aller Zellen?


von M. E. (engelhard)


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Bei allen Akkus die mir bisher unterkamen, wurde das Balancing immer so 
gemacht, dass alle Zellen auf 100% SoC sind. Warum wird das eigentlich 
so gemacht? Wäre es nicht für die Zellen besser, wenn bei niedrigem SoC, 
z.B. 10% gemacht wird?

Mal angenommen man hat einen Akku mit 10 Ah Zellen, alle haben 10 Ah, 
eine hat 8 Ah. Wenn man jetzt auf 10% balancen würde, könnte man die 
guten im Bereich von 0-80% nutzen, die schlechte von 0-100% und hätte 
von allen 8 Ah nutzbar. Nur mit dem Unterschied, dass die guten Zellen 
auf niedrigerem SoC wären und damit länger leben würden.

Was ist der Grund, dass man das nicht macht? Weil eh die schwache Zelle 
eh früher sterben wird und der Akku dann eh kaputt ist? Oder weil durch 
die niedrigere Spannung der guten Zellen dann die Gesamtenergie etwas 
niedriger wird?

von Ralf X. (ralf0815)


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Bei einem System Deiner Vorstellung müsste das BMS die aktuelle 
max.-Kapazität jeder Zelle/Zellpaarung kennen.
Das gesamte BMS würde sich reichlich komlexer gestalten und müsste 
gleichzeitig auch das anders konstruierte Netzteil steuern können.

: Bearbeitet durch User
von Achim H. (pluto25)


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Sicher das es nicht gemacht wird? Oder ist es nur nicht erkennbar weil 
der Balancerstrom zu niedrig im Vergleich zum Ladestroms ist?

von Rahul D. (rahul)


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M. E. schrieb:
> Was ist der Grund, dass man das nicht macht?

Weil man nur die Nennkapazität einer Zelle und nicht die reale beim 
Zusammenbau kennt.
Sowohl die 10Ah-Zellen als auch die mit 8Ah haben einen SoC von 100%, 
den die eine früher erreicht als die andere.

Ralf X. schrieb:
> Das gesamte BMS würde sich reichlich komlexer gestalten und müsste
> gleichzeitig auch das anders konstruierte Netzteil steuern können.

Ein halbwegs intelligentes BMS muss eh die Zellspannungen der 
Reihenschaltung messen. Dafür gibt es inzwischen auch "wunderschöne" 
ICs, die man je nach Batterieaufbau auch kaskadieren kann, wenn 
notwendig.

von Simi S. (kokoianer)


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M. E. schrieb:
> Warum wird das eigentlich
> so gemacht?

Weil es, wie Ralf schon gesagt hat, eine Frage der Komplexität ist.
Schau mal eine SOC-Spannungskurve an. Je steiler die Kurve, desto 
einfacher das Erkennen der Unterschiede, desto einfacher das ganze 
System. Am steilsten ist die Kurve bei (nahezu) 100% SOC und leer. Da 
auf leer balancen nicht geht (sonst ist die gefahr der Tiefentladung zu 
hoch) macht man es bei 100% SOC.

: Bearbeitet durch User
von Julian L. (rommudoh)


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Simi S. schrieb:
> auf leer balancen nicht geht

außerdem würden die Zellen dann beim Laden wieder auseinanderdriften und 
am Ende wieder unbalanciert sein.

von Michael B. (laberkopp)


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M. E. schrieb:
> Warum wird das eigentlich so gemacht?

Weil es das einfachste ist ?

M. E. schrieb:
> man die guten im Bereich von 0-80% nutzen, die schlechte von 0-100%

Aha, daher dein Begehr, du willst den Akku nie voll laden.

Doch, es gibt eine Reihe von BMS die bei jeder Spannungslage balancen.

Entweder der 'Spannungshalbierer-OpAmp'
1
  |
2
  +----+----+
3
  |    |    |
4
Akku1 100k  |
5
  |    |    |
6
  +----(---|+\
7
  |    |   |  >--+
8
  |    +---|-/   |
9
  |    |    |    |
10
  +-R--(----(----+
11
  |    |    |
12
Akku2 100k  |
13
  |    |    |
14
  +----+----+
15
  |
oder der Spannungshalbierer mit ICL7660
1
   +-----+--------+
2
   |    _|_ ZD5V1 | 
3
Zelle1  /_\' +----8----+
4
   |     |   | LTC660  2--+
5
   +-----+---3 ICL7660A|  C
6
   |    _|_  | MAX1044 4--+
7
Zelle2  /_\' +----5----+
8
   |     |  ZD5V1 |
9
   +-----+--------+
oder dasselbe mit Schaltreglern für höheren Strom.

Aber das funktioniert nur bei LiIon/LiPoly Akkus, nicht bei LiFePO4, die 
können nicht sinnvoll halbvoll gebalanct werden.


Im Endeffekt ist ein Balancing nur nötig, wenn beim Vollladen eine Zelle 
A zuerst 4.2V erreicht und beim Entladen eine andere Zelle B zuerst 
unter 3V geht. Nur dann verringert das die entnehmbare Kapazität und nur 
A und B müssen dann umgeladen werden, vor allem A entladen weil aufladen 
per ICL7660 ja schwieriger ist. Daher ist die Entladestrategie 
vollkommen in Ordnung und ausreichend.

Nur weil irgendein Endbenutzer auf irgendeiner wirren Internetseite 
gelesen hat dass Zellen von 20-80% länger leben als von 0-100 (oder 
20-100) und es ihm daher in seinem Geiz ein paar cent sparen wurde, 
heisst das ja nicht dass man nicht einige Zellen von 20-80, andere von 
0-60, und eine von 40-100% benutzen kann im Akkupack. Da diese 60% 
Nutzung ja erst lohnt wenn damit die doppelte Zyklenzahl erreicht wird, 
ist das ganze höchst spekulativ. Schon der Hersteller wählt ja 4.2 oder 
4.3V als maximale Ladespannung obwohl die Zellen chemisch 4.5V 
aushalten, weil das aus seinem Wissen das beste Verhältnis zwischen 
Zyklenzahl und Kapazität ergibt. Dass nun einzelne verirrte 
Internetnutzer meinen es besser zu wissen als der Fachmann, nun ja, 
Einige Verirrte gibt es immer.

: Bearbeitet durch User
von Paul B. (paule201)


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M. E. schrieb:
> Bei allen Akkus die mir bisher unterkamen

Was ist die Bandbreite? Von 3S Bosch Bohrmaschinenakku bis 200S HV-Akku 
aus einem BEV? Es gibt verschiedene Ansätze. In Fahrzeugen wird meist ab 
85% gebalanced, da die Balancing Ströme meist nur um die 100-500mA 
liegen und natürlich umso höher ausfallen, je höher die Zellspannung 
ist. Das BMS kennt da aber auch die Kapazität jeder Zelle und kann 
gezielt eingreifen.

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