Forum: PC Hard- und Software Industrie-PC für HMI/SCADA: Worauf achtet ihr in der Praxis (Langzeitverfügbarkeit, EMV, Wartung)?


von Paul (loesungsornientiert)


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Hallo zusammen,
wir stehen vor der Auswahl eines Industrie-PCs für HMI/SCADA (24/7, 
Umgebung ~0…45 °C, Schaltschrank + vereinzelt Panel-Montage). Mich 
interessieren eure Praxis-Kriterien, jenseits der Datenblätter:

Langzeitverfügbarkeit & Ersatzteile: Realistisch 5–7 Jahre? Wie handhabt 
ihr Nachfolger/Second Source?

Schnittstellen & Feldbus: RS-485/CAN, isolierte DI/DO, 
EtherNet/IP/Profinet—nehmt ihr Gateways oder muss das direkt on-board 
sein?

Speicher & Datensicherheit: M.2 vs. 2,5" SSD, pSLC/PLP, 
Wear-Leveling—merkt ihr im Feld Unterschiede?

EMV/ESD & Industrie-Robustheit: Worauf achtet ihr bei 
Zertifikaten/Tests?

Remote-Wartung: Out-of-Band (AMT/iKVM), Watchdog, TPM, 
BIOS-Lock—Must-haves?

Betriebssystem: Windows LTSC vs. Linux (Yocto/Ubuntu LTS)—Erfahrungen 
mit Updates im laufenden Betrieb?

Mechanik: DIN-Hutschiene vs. Panel-PC, IP-Schutz an der Front, VESA, 
Servicezugang im Schaltschrank.

MTBF & Lüfter: Lohnt lüfterlos immer, oder hattet ihr thermische 
Probleme bei höheren Umgebungs­temperaturen?

Als Referenz habe ich mir diese kompakte Übersicht zu Industrie-PCs 
angesehen:
https://www.esco-antriebstechnik.de/produkt/industrie-pc/

Kennt ihr vergleichbare Checklisten oder habt ihr eigene 
„Must-have“-Listen aus Projekterfahrung? Und falls ihr konkrete No-Gos 
oder Positivbeispiele habt (ohne Hersteller-Bashing), gerne teilen.

Danke vorab für eure Erfahrungswerte! 🙏

von .● Des|ntegrator ●. (Firma: FULL PALATINSK) (desinfector) Benutzerseite


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Ich muss mich echt zwingen,
hier nicht wieder einen Beratervertrag anzubieten.

wer ist "wir"?

von Norbert (noma)


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Paul möge doch bitte die Beraterhotline aus dem Link anrufen....!

Norbert

von Oliver S. (oliverso)


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Paul schrieb:
> Schnittstellen & Feldbus: RS-485/CAN, isolierte DI/DO,
> EtherNet/IP/Profinet—nehmt ihr Gateways oder muss das direkt on-board
> sein?

Braucht ihr das denn überhaupt alles?

Oliver

von Gerd E. (robberknight)


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Paul schrieb:
> Langzeitverfügbarkeit & Ersatzteile: Realistisch 5–7 Jahre? Wie handhabt
> ihr Nachfolger/Second Source?

Versuche lieber von der exakten Hardware unabhängig zu werden als Dich 
auf Langzeitverfügbarkeit eines exakten Modells zu verlassen.

Vor allem bei der Software und dem Betriebssystem auf flexible Konzepte 
setzen. Wenn z.B. die HMI-Teile im Browser laufen bist Du da nicht an 
ein bestimmtes OS gebunden.

> Schnittstellen & Feldbus: RS-485/CAN, isolierte DI/DO,
> EtherNet/IP/Profinet—nehmt ihr Gateways oder muss das direkt on-board
> sein?

Ich würde schauen das über Gateways abzudecken. Dann bist Du nicht auf 
die genaue Kombination von einem Industrial-PC in einem Formfaktor und 
bestimmten anderen Features und dieser einen Schnittstelle abhängig. Und 
die Ansteuerung des Gateways über TCP/IP bleibt gleich, auch bei 
Generationswechsel des Industrial PCs. Also wenn die interne Anbindung 
der Schnittstelle z.B. von PCIe auf USB wechselt ist das im PC gleich 
ein Aufwand mit neuem Treiber etc. Mit dem Gateway ist und bleibt auf 
absehbare Zeit alles TCP/IP.

> Speicher & Datensicherheit: M.2 vs. 2,5" SSD, pSLC/PLP,
> Wear-Leveling—merkt ihr im Feld Unterschiede?

Viel wichtiger ist die Software. Also wie viel schreibt die im normalen 
Betrieb, kannst Du die wichtigen Teile Read-Only mounten etc. Natürlich 
keine billigst-Consumer-SSDs nehmen.

> Betriebssystem: Windows LTSC vs. Linux (Yocto/Ubuntu LTS)—Erfahrungen
> mit Updates im laufenden Betrieb?

versuch wenn es irgend geht Linux zu verwenden. Das Windows, egal ob 
LTSC oder nicht, entwickelt im Hintergrund immer so viel Eigenleben das 
Du bändigen und mit dem Du leben musst. Irgendwelche ganzseitigen Popups 
und Meldungen die kommen wenn sich was am Netzwerk ändert, Störungen mit 
dem Updatedienst, ...

So Dinge wie mal eben die Partition mit Betriebssystem und 
Anwendungsprogrammen komplett read-only zu mounten und nur spezielle 
Datenpartitionen read-write das geht da einfach nicht. Genau sowas ist 
es aber was Dir die Zuverlässigkeit hinterher im Alltag deutlich erhöht.

> MTBF & Lüfter: Lohnt lüfterlos immer, oder hattet ihr thermische
> Probleme bei höheren Umgebungs­temperaturen?

Lieber ein qualitativ hochwertiger, doppelt kugelgelagerter Lüfter als 
ein überhitztes System. Wie war das noch mit 10°C weniger verdoppeln in 
etwa die Lebensdauer...

von Harald K. (kirnbichler)


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Gerd E. schrieb:
> So Dinge wie mal eben die Partition mit Betriebssystem und
> Anwendungsprogrammen komplett read-only zu mounten und nur spezielle
> Datenpartitionen read-write das geht da einfach nicht.

Das richtige Windows kann sowas sehr wohl, nur will man das nicht 
bezahlen oder lizenzieren.

Früher(tm) war das beispielsweise Windows XP Embedded.

Derzeit ist das irgendwas aus der "Windows IoT"-Reihe.

Eine ernstzunehmende Alternative zu Linux ist übrigens ein BSD (wie z.B. 
FreeBSD) - das ist lizentechnisch einfacher in den Griff zu bekommen als 
Linux, und es gibt nicht den Zickenterror-Overhead zwischen den 
verschiedenen Distributionsschulen (Pöttering oder nicht Pöttering?) ...

von Gerd E. (robberknight)


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Harald K. schrieb:
> Eine ernstzunehmende Alternative zu Linux ist übrigens ein BSD (wie z.B.
> FreeBSD) - das ist lizentechnisch einfacher in den Griff zu bekommen als
> Linux,

Ja, BSD ist auch eine valide Alternative. Muss man sich anschauen was im 
konkreten Anwendungsfall für die eine oder andere Variante spricht.

> und es gibt nicht den Zickenterror-Overhead zwischen den
> verschiedenen Distributionsschulen (Pöttering oder nicht Pöttering?) ...

Naja, die verschiedenen News-Webseiten stürzen sich gerne auf 
irgendwelche Konflikte weil das Klicks bringt. In der täglichen Realität 
des Linux-Nutzers spielt sowas aber eher eine untergeordnete Rolle.

Man entscheidet sich für eine Distribution und nimmt dann deren 
Initsystem und gut ist. Die meisten Programme kommen von Haus aus mit 
beidem klar oder können mit wenigen Zeilen angepasst werden.

von Manfred P. (pruckelfred)


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Gerd E. schrieb:
> Harald K. schrieb:
>> Eine ernstzunehmende Alternative zu Linux ist übrigens ein BSD (wie z.B.
>> FreeBSD) - das ist lizentechnisch einfacher in den Griff zu bekommen als
>> Linux,
> Ja, BSD ist auch eine valide Alternative. Muss man sich anschauen was im
> konkreten Anwendungsfall für die eine oder andere Variante spricht.

Was soll denn das Palawer um das Betriebssystem - das hat mit der Frage 
absolut nichts zu tun. Jede zweite c't schreibt über Virtualisierung per 
Docker, womit Software (=Betriebssystem) auf beliebig andere Hardware 
umziehen können soll.

Für den Paul steht Hardware im Vordergrund, spezielle Schnittstellen 
und industrietauglich!

von Harald K. (kirnbichler)


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Manfred P. schrieb:
> Jede zweite c't schreibt über Virtualisierung per
> Docker, womit Software (=Betriebssystem) auf beliebig andere Hardware
> umziehen können soll.

Man muss schon sehr heftige Drogen nehmen, wenn man so etwas wie Docker 
oder andere Virtualisierung in einem Embedded-Umfeld einsetzen will.

von Martin S. (sirnails)


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Nach Jahren mit Industrie-PCs kann ich Dir sagen: Uralter Schrott, 
schweineteuer verkauft. Und dann kommt irgendwann doch ein neues OS, 
weil auch LTSx irgendwann abläuft, und man stellt fest, dass man alle 
PCs austauschen muss.

Wir haben aktuell 150 schweine teure Spectra Industrie-PCs in die Tonne 
geworfen.

jetzt verwenden lüfterlose Standard-PCs. Auch hier gibt es Anbieter.

Und ganz ehrlich: So viel besser ist Industrie-Hardware gar nicht. Nur 
teurer.

Und was bringt es dir, wenn Du einen Prozessor von 2011 noch bis 2035 
kaufen kannst? Richtig, gar nichts.

von Oliver S. (oliverso)


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Entweder ist das ein PC, dann muss das auch einer sein. Sprich, 
möglichst Standard, mit Standard-Schnittstellen, und dem Betriebssystem, 
das die darauf laufende Anwendung braucht.

Geht der irgendwann mal kaputt, kommt da halt ein neuer PC rein, und 
fertig. Läuft die benötigte Software dann nicht mehr unter dem dann 
aktuellen Betriebssystem, ist das Pech, oder halt das falsche Konzept.

Wenn das eine Steuerung mit IO/Feldbus/etc. ist, dann ist das kein PC, 
sondern eine Steuerung. Dafür nimmt man dann eine SPS.

Oliver

von Andreas M. (amesser)


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Paul schrieb:
> Hallo zusammen,
> wir stehen vor der Auswahl eines Industrie-PCs für HMI/SCADA (24/7,

Sieht für mich eher so aus, als hättet Ihr Null Plan was ihr wollt und 
braucht. Lasst euch vernünftig beraten, sonst geht das in die Hose. 
Verfügbarkeit kannste vergessen. In wenigen Jahren wird das heutige 
Katalog-Model abgekündigt, wenn es überhaupt heute noch produziert wird 
und nicht nur noch Lagerware ist. Da brauchste dann eh was neues. 
Entweder Ersatzteile heute schon auf Lager legen oder das System so 
planen das man von der Hardware weitgehend unabhängig ist.

Harald K. schrieb:
> Man muss schon sehr heftige Drogen nehmen, wenn man so etwas wie Docker
> oder andere Virtualisierung in einem Embedded-Umfeld einsetzen will.

Du würdest dich Wundern. Der Trend geht dahin die PLC komplett zu 
Virtualisieren und in eine (möglicherweise lokale) Cloudumgebung zu 
schieben. Und ich spreche nicht nur von High-Level Gedöns sondern von 
Echtzeitkommunikation, Größenordnung einstellige Millisekunden.

Eine PLC ist schon lange nicht mehr Embedded, da sind ganz normale x86 
CPUs drinnen.

Martin S. schrieb:
> jetzt verwenden lüfterlose Standard-PCs. Auch hier gibt es Anbieter.
>
> Und ganz ehrlich: So viel besser ist Industrie-Hardware gar nicht. Nur
> teurer.

Naja, wenns um Temperaturbereiche geht schon. Consumerzeug ist meist nur 
bis +50°C Umgebungstemperatur spezifiert, In Schaltschränken wirds 
durchaus wärmer. Betrieb außerhalb der Spezifikationen, brauchste mit 
Regressforderung gegen Hersteller bei Problemen nicht kommen. Viele 
Consumerhardware ist auch nicht für Dauerlauf freigegeben. Kommt halt 
auf Deine Anforderungen an, kann funktionieren kann aber auch schief 
gehen. Frag mal VW was die bei Produktionsstillstand so vom 
verursachenden Hersteller pro Stunde verlangen...

von Martin S. (sirnails)


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VW hat ganz sicher nur einen Industrie-PC stehen und wenn der kaputt 
ist, freut man sich, dass man bis 2030 Ersatz nach 8-16 Wochen bekommt.

Die haben dort einfach zwei stehen, und schalten um, wenn einer die 
Grätsche macht.

Und dagegen spricht auch überhaupt nichts bei Consumer-Hardware. Einfach 
einen PC komplett einrichten, Festplatte clonen, zweiten PC als Ersatz 
daneben.

Und zum Thema Industrie: Consumer-HW wird nicht auf den erweiterten 
Temperaturbereich getestet. Das ist richtig. Daher würde ich bei RAM auf 
ECC setzen und bei SSDs auf zwar teure, aber stabilere TLC.

In den Industrie-PCs, die wir hier bis zu 15 Jahre im Einsatz haben, 
waren Intel oder Cervoz SSDs verbaut. Da wir beim Verschrotten die 
Platten ausbauen mussten, habe ich ein paar mit HDD Sentinel getestet. 
Keine! war schlechter als gut/sehr gut. Jede neue SD-Karte ist Faktor 
100-1000 schlechter.

Mainboard & Co geht dir genauso kaputt. In meinem Privatbereich seit > 
20 Jahren 0 Stück, in der Industrie 0 Stück.

Und zum Thema "im Schaltschrank": Dafür gibt es Schaltschranklüfter.

Man muss einfach realistisch bleiben: Passiv gekühlt geht kaum mehr als 
35W in einem normalgroßen Gehäuse (20x20-30x30 cm). Ansonsten muss man 
halt Gehäuse nehmen, die entsprechend dafür geeignet sind, aber da ist 
man dann wieder im Industrie-Umfeld.

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