Die Welt der Einplatinencomputer-CPUs ist aufgrund unerwünschter Design Wins in militärischen Systemen - im Umbruch. Der bisherige Platzhirsch RockChip zieht sich zurück, während Allwinner verlorenes Terrain gut macht. Shenzhen Xunlong schickt zwei neue Prozessrechner ins Rennen, die dank neuartiger SoCs bahnbrechende Rechenleistung anbieten.
Das hinter der Orange Pi-Familie stehende Unternehmen Shenzhen Xunlong hat sich im Laufe der Jahre als solidester Konkurrent der Uptoniten erwiesen: Anders als Sektiererunternehmen liefern die Chinesen ihre Prozessrechner nach Maßgabe der Möglichkeit auch Jahre nach der Ankündigung zu akzeptablen Preisen.

Bildquelle, alle wo nicht anders angegeben: Tamoggemon Holding k.s. bzw. Fauchus Pfauchus kft.
Zum Zeitpunkt der Auslieferung neuer Produkte gilt außerdem, dass sie oft Funktionen anbieten, die man im Hause Upton mitunter erst Jahre später kopiert - fast alles, was im Raspberry Pi 5 „neu“ war, gab es bei Shenzhen Xunlong und Co. bereits Jahre vorher zu sehen (siehe https://www.youtube.com/watch?v=MSuifrb3U8Y).
Orange Pi 4 Pro - Raspberry Pi 5 mit mehr Leistung
Uptons Nahebeziehung zur Broadcom sorgt dafür, dass der Raspberry Pi immer mit einem Broadcom-SoC ausgeliefert wird. Auch mit dem gut erprobten Kreditkarten-Formfaktor experimentiert man nur höchst ungern. Shenzhen Xunlong hat im Laufe der letzten Jahre vor allem größere Platinen ins Rennen geschickt - aus dem „Mehr“ an Platinenplatz folgte logischerweise ein Mehr an Platz für Komponenten und unterm Strich mehr Arbeitsspeicher bzw. mehr Rechenleistung. Mit dem Orange Pi 4 Pro steht nun ein Achtkerner ante Portas, der - wie in der Abbildung gezeigt - vom Formfaktor her dem Raspberry Pi 5 fast identisch ist.

Im Bereich der IO-Fähigkeiten spielt man im Hause Shenzen Xunlong traditioneller - wie in der Abbildung gezeigt gibt es einen Full Size-HDMI-Port und eine Kopfhörerbuchse. Hervorzuheben ist außerdem, dass die Antenne über einen u.FL-Connector angebunden ist - dies hilft bei der Integration in komplexere Gehäusedesigns.


Auf der Unterseite finden sich Slots für M2- bzw. die eMMC-Speichermedien. Insbesondere wer seinen Prozessrechner in vibrationsempfindlichen Gefilden einzusetzen pflegt, profitiert von diesen Möglichkeiten der Speicherbereitstellung. Schade ist lediglich, dass der microSD-Slot beim Orange Pi 4A auf dem Reibschlussverfahren basiert.
Die Rückkehr des Allwinner-SOCs.
Als System on Chip kommt hier ein Allwinner A733 zum Einsatz. Die konsequente Umsetzung der Big Little-Architektur zeigt sich in der folgenden Abbildung.

Zur Überprüfung der Rechenleistung bietet sich SysBench an. Die folgenden Ergebnisse zeigen, wie sich die Leistung über die verschiedenen Kernarten verteilt:
1 |
orangepi@orangepi4pro:~$ sysbench cpu run --threads=1 |
2 |
sysbench 1.0.20 (using system LuaJIT 2.1.0-beta3) |
3 |
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4 |
Running the test with following options: |
5 |
Number of threads: 1 |
6 |
. . . |
7 |
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8 |
CPU speed: |
9 |
events per second: 2251.32 |
10 |
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11 |
orangepi@orangepi4pro:~$ sysbench cpu run --threads=2 |
12 |
sysbench 1.0.20 (using system LuaJIT 2.1.0-beta3) |
13 |
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14 |
Running the test with following options: |
15 |
Number of threads: 2 |
16 |
.
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17 |
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18 |
CPU speed: |
19 |
events per second: 4512.20 |
20 |
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21 |
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22 |
orangepi@orangepi4pro:~$ sysbench cpu run --threads=8 |
23 |
sysbench 1.0.20 (using system LuaJIT 2.1.0-beta3) |
24 |
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25 |
Running the test with following options: |
26 |
Number of threads: 8 |
27 |
. . . |
28 |
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29 |
CPU speed: |
30 |
events per second: 9818.74 |
Hervorzuheben ist, dass der Orange Pi 4 Pro auch ohne jegliche Kühlung absolut nicht zur Überhitzung neigt. Unter https://youtu.be/MPT0AErieK0 findet sich ein Video, in dem der Autor unter einer Nutzung einer Thermokamera die „Erwärmung“ während einem fünf Minuten dauernden Lauf des SOCs dokumentiert.
Orange Pi 4 Pro-GPIO-Unterstützung am Start.
Die persönlichen Quereleien zwischen dem Wiring PI-Maintainer und dem Rest der Glaubensgemeinschaft haben sich im Hause Orange Pi nicht ausgewirkt - Wiring Pi wird im Allgemeinen sofort nach dem Erscheinen eines neuen Prozessrechners für diesen angeboten. Im Fall des hier verwendeten Debian-Images galt, dass das System ab Stapel und ohne vorhergenede Kompilation zur Verfügung stand. Zur Ausgabe einer Testwellenform bietet sich dann ein nach folgendem Schema aufgebautes Programm an:
1 |
#include <stdio.h> |
2 |
#include <wiringPi.h> |
3 |
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4 |
int main (void) { |
5 |
int i = 0; |
6 |
unsigned char gpio_num = 0; |
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8 |
wiringPiSetup(); |
9 |
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10 |
gpio_num = i =0; |
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pinMode (i, OUTPUT) ; |
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for ( ;; ) { |
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digitalWrite (i, HIGH); // On |
15 |
digitalWrite (i, LOW); // Off |
16 |
}
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17 |
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return 0; |
19 |
}
|
Lohn der Mühen ist das in der Abbildung gezeigte Schirmbild.

Zu beachten ist, dass das hier verwendete Debian-Image seine Aktualisierungen aus der Huawei-Cloud bezieht. In Tests des Autors funktionierte dies mit hervorragender Übertragungsgeschwindigkeit - es könnte allerdings aus „regulatorischen“ Gründen relevant sein.
Orange Pi 4 Pro - Bepreisung.
Shenzhen Xunlong sieht den Orange Pi 4 Pro als direkten Angriff auf den Raspberry Pi 5. Dies wirkt sich unter anderem in der Bepeisung aus, die sich direkt an den OEMSecrets-Bestpreisen für den Raspberry Pi 5 orientiert. Bei Lieferungen nach Deutschland fallen leider höhere Preise an, weil Shenzhen Xunlong dieses Territorium seinen Resellern (z.B. https://s.click.aliexpress.com/e/_c39P4E6l) überlässt. Alternativ bietet sich eine Bestellung unter Nutzung eines Weiterleitungsservices wie TipTrans an, der von Shenzhen Xunlong erfahrungsgemäß problemlos beliefert wird.
Orange Pi 6 Plus - ein wahrer Gigant.
Mit dem Orange Pi 6 Plus zeigt Shenzhen Xunlong der Prozessrechnerindustrie, wie die Wefze die Ruhe lernt. Die gigantischen Dimensionen des Prozessrechners und das enorme Gewicht sind sowohl auf der Waage als auch im Größenvergleich klar erkennbar.



Die enorme Leistung zeigt sich im Kühlsystem, das - normalerweise - integraler Teil des Prozessrechners ist und von Shenzhen Xunlong im Rahmen der Auslieferung montiert wird. Auf der Rückseite finden sich außerdem zwei 5Gb-Ethernet-Transciever.


Interessant sind die auf der anderen Seite befindlichen GPIO-Header. Neben dem üblichen 40 Pin-Port gibt es auch einen neuen Pin-Adapter, der USB2-Signale zur Verfügung stellt. Dies kann nützlich sein, wenn ein USB-Modul (man denke beispielsweise an hauseigene 4G-Hardware) Vibrationssicher und permanent mit dem Prozessrechner verbunden bleiben muss. Zu beachten ist, dass WiringOPi derzeit nicht zur Verfügung steht. Der Code lässt sich zwar kompilieren, die Ausführung des readall-Testbefehls scheitert allerdings aufgrund des Fehlens von Unterstützung für den vorliegenden Rechner:
1 |
orangepi@orangepi6plus:~/WiringOP$ gpio readall |
2 |
Oops - unable to determine board type... model: -1 |
3 |
| GPIO | wPi | Name | Mode | V | Physical | V | Mode | Name | wPi | GPIO | |
4 |
+------+-----+----------+--------+---+----++----+---+--------+----------+-----+------+ |
5 |
Oops - unable to determine board type... model: -1 |
6 |
+------+-----+----------+--------+---+----++----+---+--------+----------+-----+------+ |
7 |
| GPIO | wPi | Name | Mode | V | Physical | V | Mode | Name | wPi | GPIO | |
8 |
Oops - unable to determine board type... model: -1 |
9 |
orangepi@orangepi6plus:~/WiringOP$ |
Zu beachten ist, dass der Prozessrechner normalerweise nicht automatisch startet, wenn er über USB-C mit Energie versorgt wird. Stattdessen leuchtet „nur“ die blaue LED auf - das Hochfahren des Betriebssystems setzt das Drücken eines Tasters voraus. Zur Umgehung bietet sich die Umkonfiguration des BIOS und das Anschließen einer RTC-Batterie an – weitere Informationen hierzu im unter https://youtu.be/RyxSWJNOACw bereitstehenden Video.
Orange Pi 6 Plus - mit zwölf Kernen am Start.
Für die Inbetriebnahme kommt auch hier Debian zum Einsatz. Als SoC setzt Shenzhen Xunlong hier auf den CIX P1 - ein SoC, das - wie im Struktogramm gezeigt - drei unterschiedliche Kernklassen mitbringt.

Bildquelle: https://radxa.com/products/orion/o6n/
Die unterschiedliche Leistung der Kerne lässt sich dann durch abgestuftes Ausführen von sysbench mit verschiedenen Thread-Zahlen demonstrieren. Schon im Achtkern-Betrieb gilt dabei, dass der Prozessrechner immense Rechenleistung bietet:
1 |
orangepi@orangepi6plus:~$ sysbench cpu run --threads=1 |
2 |
sysbench 1.0.20 (using system LuaJIT 2.1.0-beta3) |
3 |
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4 |
Running the test with following options: |
5 |
Number of threads: 1 |
6 |
Initializing random number generator from current time |
7 |
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8 |
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9 |
Prime numbers limit: 10000 |
10 |
|
11 |
Initializing worker threads... |
12 |
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13 |
Threads started! |
14 |
|
15 |
CPU speed: |
16 |
events per second: 3019.91 |
17 |
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18 |
orangepi@orangepi6plus:~$ sysbench cpu run --threads=4 |
19 |
sysbench 1.0.20 (using system LuaJIT 2.1.0-beta3) |
20 |
|
21 |
Running the test with following options: |
22 |
Number of threads: 4 |
23 |
Initializing random number generator from current time |
24 |
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25 |
|
26 |
Prime numbers limit: 10000 |
27 |
|
28 |
Initializing worker threads... |
29 |
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30 |
Threads started! |
31 |
|
32 |
CPU speed: |
33 |
events per second: 11859.07 |
34 |
|
35 |
orangepi@orangepi6plus:~$ sysbench cpu run --threads=8 |
36 |
sysbench 1.0.20 (using system LuaJIT 2.1.0-beta3) |
37 |
|
38 |
Running the test with following options: |
39 |
Number of threads: 8 |
40 |
Initializing random number generator from current time |
41 |
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42 |
|
43 |
Prime numbers limit: 10000 |
44 |
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45 |
Initializing worker threads... |
46 |
|
47 |
Threads started! |
48 |
|
49 |
CPU speed: |
50 |
events per second: 22290.61 |
51 |
|
52 |
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53 |
orangepi@orangepi6plus:~$ sysbench cpu run --threads=12 |
54 |
sysbench 1.0.20 (using system LuaJIT 2.1.0-beta3) |
55 |
|
56 |
Running the test with following options: |
57 |
Number of threads: 12 |
58 |
Initializing random number generator from current time |
59 |
|
60 |
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61 |
Prime numbers limit: 10000 |
62 |
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63 |
Initializing worker threads... |
64 |
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65 |
Threads started! |
66 |
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67 |
CPU speed: |
68 |
events per second: 26579.99 |
Beschaffung
Von Haus aus bietet Shenzen Xunlong den OrangePi 6 Plus vor allem mit vorinstallierten Kühlsystem an; die Belieferung Deutschlands erfolgt auch hier über Reseller wie https://s.click.aliexpress.com/e/_c3YFOxlJ. An größeren Mengen interessierte Personen sollten Shenzhen Xunlong direkt kontaktieren – in diesem Fall kann man die Platine auch „nackt“, oder aber mit bestimmtem Speicherausbau (Stichwort 64GB) beziehen.











