Wer eine 500 Dollar kostende Drohne mit einem 50000 Euro teuren Abfangprojektil aufzuhalten sucht, erlebt – Bill Clintons it’s the economy, stupid ist unvergessen – Schiffbruch. Auf der Spectra Challenge präsentierten Elektronikerteams ihre Konzepte: klar ist unter Anderem ein Trend hin zu Consumer-Komponenten und weg von klassischer Mil Spec-Elektronik.
Weltpolitische Ereignisse haben in den letzten Jahren die Wichtigkeit der UAVs hervorgehoben und ihre Wirksamkeit als Waffe außer Frage gestellt. Mit der Spectra Challenge versuchte die Bundeswehr, mit minimalem Aufwand und in kurzer Zeit (seit Projektbeginn vergingen erst sechs Monate) Lösungen und Innovationen zu heben.
Die Rückkehr des New Space
Allen Lösungen gemeinsam war, dass sie – anders als klassische Beschaffungsprojekte im militärischen Bereich – nicht als Greenfield-Designs starteten. Alle Teams setzten für die Karkasse beispielsweise auf (gut ausgestattete) Drohnen mit ausreichend Payload und idealerweise einem Nvidia Jetson als Zentralrechner. Die Entwicklung der jeweiligen Drohnenstörlösung konnte so beginnen, ohne dass man sich viel mit Avionik und Co auseinandersetzen musste.
Bildquelle, alle: Autor
Bei Chip und Co gab es einige Design Wins für STM32 und den ESP32-C61 zu sehen. Intelligenz für „Groß-Rechenaufgaben“ kommt im Allgemeinen aus dem Raspberry Pi, während vorgefertigte SDR-Systeme für den elektrischen Teil der Funkschnittstelle sorgen. Die Abbildung zeigt ein vom Forschungsprojekt Espargos entwickeltes System, das für die Antennen-Ansteuerung entweder auf den besagten ESP32 oder auf einen STM32WL3 setzt – in vielen Fällen kommen die Chips massiv paralellisiert zum Einsatz.

Auffällig war dem Autor auch die Verwendung von „laborüblichen“ Steckern: neben einigen RJ45-Steckern sah man SMA in aller Herren Sorten. Die von Radiall und Co gefertigten Spezialstecker für verschiedenste Anwendungsszenarien sah man eher selten. Vorteil dieser Vorgehensweise ist – mehrere Teams sagten dies wortwörtlich – die einfachere Verfügbarkeit. Während militärische Bauteile oft nur in eingeschränkten Stückzahlen verfügbar sind (Stichwort Keramikgehäuse, was nach Informationen des Autors oft den Flaschenhals darstellt), ist Consumerhardware im Allgemeinen just in time bei Distributoren zu beziehen. Im Bereich der Software fand man immer wieder Systeme, die als Plug-Ins für ArduPilot konstruiert waren.
Billig mit billig begegnen
Siegerteam Espargos – eine Ausgründung der Uni Stuttgart – rief das als Überschrift verwendete Motto aus. Entwickelt wurde ein Tablet, das im Hintergrund mit einem selbst entwickelten Achtkanal-Echtzeitspektralanalysator arbeitet und dank direktiver Antennen (Bild ist oben) zur kinect-artigen Verortung der Herkunft von Funksignalen befähigt ist. Stark schickt mit dem Raven ein auf Drohnen montierbares System ins Rennen, das im Bereich von 2 bis 18 GHz arbeitet und ebenfalls das Anzielen von Emittern ermöglicht. Die ukrainische Dremian offerierte derweil ein System zur Erkennung des Piloten. Im Prinzip fliegt dabei eine mit SDR-Hardware ausgestattete Drohne herum, um Informationen über den Aufenthalt von Sendern zu gewinnen. Diese Daten dienen danach zur Erzeugung einer „Heatmap“, die die wahrscheinlichen Aufenthaltsorte der Drohnenkommandanten anzeigt.
Richtfunk und Funkspiele
Auf der Spectra Challenge zeigte man nicht nur aktive Systeme. Raydiant Rf versuchen dem Problem der Signalstörung durch ein unter der Drohne zu montierendes Antennensystem zu begegnen. Zur Kommunikation zwischen Basisstation und Fluggerät kommt dann ein Richtfunklink zum Einsatz, was die Störfestigkeit erhöht. Dass die von seiner Aufrechterhaltung erzeugten Informationen zur Lokalisation des Störers dienen können, ist angenehmer Nebeneffekt.
Zu guter Letzt verdient Fiberdome eine Erwähnung: das Unternehmen plant, einen per „Werfer“ – dies kann ein dedizierter Launcher, oder eine Artilleriekartusche sein – auslieferbaren „Zaun“ aus zu Boden fliegenden Drähten zu erzeugen. Sinn davon ist die temporäre Isolation eines 20x30m breiten Raumes.
Hervorzuheben ist hier ebenfalls die Art der Materialbeschaffung: als Träger dient preiswerte Folie, die von einem Zivilhersteller in Massen bezogen wird.
Fortgeschrittene Experimente
Während das Ziel des Praxistracks der Erhalt von binnen einem Jahr einsatzfähigen Systemen war, zielte der Moonshot Track auf fünf bis zehn Jahre dauernde Entwicklung. FATAL setzt beispielsweise auf Time of Arrival-basierte Ortung. Innovativ ist am vorliegenden System, dass die Errichtung der Struktur (Stichwort extrem genaue Zeitsynchronisation) unter Nutzung von glasfasertragenden Drohnen erfolgt. Außerdem dienen verkabelte Drohnen als „Ausgucke“.
Die ACTRANS Gmbh setzt zwecks Verschleierung der zwischen Drohne und Basisstation ausgetauschten Daten auf Codespreizung. Für eine Person, die den eigentlichen Code nicht besitzt, ist das Signal „im Rauschen verschwunden“ und nur schwer zu orten.
SIRENS von der TU Clausthal beschäftigt sich mit „direktiven Reflektoren“. Sinn davon ist, durch selektives „Verändern“ der Signallaufzeit ein direktives Verhalten zu erreichen, und so Signale entweder zu löschen oder zu verstärken.
VisionSpace ist ein softwarebasiertes System zur Erkennung von GPS-Spoofing, das hierzu auf ML-Verfahren setzt.
Wie man Innovationen erhebt
Hervorzuheben ist außerdem die Methodik der Projektleitung bzw Arbeitsvorbereitung. Die Spectra Challenge erfolgte unter permanenter Zusammenarbeit mit der aktiven Truppe. Mehrere Projektteams betonten, dass auf diese Art und Weise Tests „en vivant“ möglich wurden – in Laboren lassen sich reale Gefechtsbedingungen oft nur schwer nachstellen.

Analog zum Dogfooding klassischer Softwareprojekte lässt sich auch hier abschließend feststellen, dass die frühe Einbindung von Nutzern für das Endergebnis Vorteile bringt.
In eigener Sache: ucnet FTW
Wer Mikrocontroller.net liest, gewinnt. Sowohl der Erst- als auch der Zweitplatzierte im Practice Track sowie zumindest einer der Preisträger im Moonshot track sind in der Leserschaft vertreten. Hier einige Fotos von Teilnehmern mit dem Newsautor.
In eigener Sache: Bilder sind mies, wir wissen das
Aus rechtlichen und/oder organisatorischen Gründen war es dem Newsautor nicht möglich, bessere Bilder zu liefern. Es wird gebeten, von Rückfragen in dieser Sache abzusehen.










