Multimeter Add-on

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von Patrick Goncalves

Dieser Artikel nimmt am Artikelwettbewerb 2012/2013 teil.

In diesem Artikel geht es um eine Schaltung, die es einem erlaubt mit einem handelsüblichen Multimeter Ströme im unteren mA- und µA-Bereich recht genau zu messen, ohne, dass einem der lästige, (relativ) große Innenwiderstand des Amperemeters im Weg steht.

Das Problem

Bei einer resistiven Strommessung mit dem im Multimeter integriertem Amperemeter wird ein Spannungsabfall an einem sogenannten Shunt-Widerstand proportional zum fließenden Strom gemessen. Ein ideales Amperemeter hat einen Innenwiderstand von 0 Ohm, doch um die Strommessung intern in eine Spannungsmessung zu überführen, ist dieser Widerstand ungleich 0 Ohm. Dies führt dazu, dass man in seinem Messkreis einen zusätzlichen, nicht gewollten Serienwiderstand hat, an dem eine Spannung abfällt (engl.: burden voltage). Je nach gewähltem Messbereich werden im Multimeter verschiedene Widerstandswerte zur Messung verwendet. Da die Spannung bei kleinerem Strom ebenfalls gering ist, sind die Shutwiderstände der unteren Messbereiche (mA/µA) entsprechend größer, damit die Messelektronik die Spannung noch erfassen kann. Gerade dies bereitet einem oft Schmerzen, denn meist ist die Spannung in dem Messkreis bei Strömen im µA-Bereich ebenfalls recht klein, wo einem ein "großer" Spannungsabfall am Amperemeter das ganze Messergebnis verfälscht. Diese Spannung fehlt der Last nämlich nun und es fließt ein weitaus geringerer Strom, als ohne Messgerät.

Natürlich ist es bei einer shuntbasierten Strommessung nicht möglich, diesen Widerstand zu eliminieren, jedoch hilft die folgende Schaltung, ihn zu senken.

Vorüberlegung

Im Prinzip wollen wir das Multimeter weiterhin zur Anzeige unseres Messtromes benutzen, die Werte der Shunt-Widerstände im Multimeter aber extern zur Verfügung stellen, damit wir sie kleiner halten können. Aus diesem Grund können wir das Multimeter nicht in der Amperemeter-Funktion verwenden, denn so werden die internen Shunts zur Messung aktiviert.

Wir messen also mit dem Multimeter, als Voltmeter geschaltet, die Spannung, die an unserem externen Shunt abfällt, wenn er von dem zu messenden Strom durchflossen wird. Dazu ist es erstrebenswert den mV-Bereich des Multimeter zu benutzen, da dieser meistens die höchste Genauigkeit hat. Schön wäre es, wenn wir die abgelesene Spannung nicht erst umrechnen müssten, sondern nur die Einheit vertauschen von z.B. mV in mA, oder von mV in µA.

Das führt zu folgenden Shuntwerten:

Shuntwerte
Verhältnis Ergebnis
1mV/mA 1 Ohm
1mV/µA 1 kOhm
1mV/nA 1 MOhm

Mit diesen Werten gewinnt man aber nichts, da sie nicht besser sind als die in den meisten normalen Multimetern.

Schön wären eine oder zwei Größenordnungen weniger. Also alles durch 100:

Angepasste Shuntwerte
Verhältnis Ergebnis/100
1mV/mA 10 mOhm
1mV/µA 10 Ohm
1mV/nA 10 kOhm

Um für den Faktor 1/100 zu kompensieren verstärken wir die Spannung am Shunt einfach um den Faktor 100 mit einem Operationsverstärker:

Opamp times100.png

So viel zur Theorie.


Praktischer Aufbau

Theorie ist ja ganz schön und gut, aber ist das wirklich so einfach realisierbar? Natürlich gibt es bei der praktischen Umsetzung einiges zu klären:

  • Der Verstärker benötigt eine Spannungsquelle, am besten auch negativ, damit der Benutzer das Gerät auch in negativer Polrichtung verwenden kann.
  • Wie sieht die konkrete Beschaltung aus, um zwischen den Messbereichen (mA, µA, nA) zu wechseln?
  • Ist die Input-Offset-Spannung des Verstärkers ein Problem?


Typische Offsetspannung ist bei günstigen Operationsverstärkern so um die Vos= 2mV. Na das ist ja nicht viel! Aber moment.. Wir haben eine Verstärkung von 100! Das beudeutet, dass das Gerät unter Umständen selbst bei keinem Strom durch den Shunt und einem Offset von 2mV am Eingang, 100 * 2mV = 200mV am Ausgang liefert. Was je nach Bereichswahl dem benutzer glauben lässt, dass 200mA/µA/nA fließen. Das ist absolut inakzeptabel.

Es wird deswegen ein sogenannter Chopper-Verstärker oder Auto-Zero-Verstärker verwendet. Diese haben einen internen schaltenden Aufbau, der es ihnen ermöglicht eine Offsetspannung von wenigen µV bis 0,1µV am Eingang zu verzeichnen. Bevor man einen auswählt, berechnen wir eben welche Offsetspannung wir noch verkraften können: Ein günstiges 2000 Count Multimeter hat meist einen 200mV-Bereich und daher eine Auflösung von 0,1mV. Wenn also der Offset am Eingang des Verstärkers am Multimeter einen Fehler von nur 1 LSD = 0,1mV erzeugen soll, so darf die Offsetspannung nur 0,1mV/100 = 1µV sein.

Der von Maxim produzierte MAX4239 ist ein Operationsverstärker mit einer typischen Offsetspannung von nur 0,1µV und 2,5µV über seinen gesamten Temperaturbereich. Dieser sollte der Aufgabe gewachsen sein. Wie man sieht ist bei der Auswahl natürlich die Offsetspannung über den gesamten Temperaturbereich wichtig, denn niemand möchte eine temperatur-gesregelte Heizung mit einbauen, nur um eine Konstante Offsetspannung zu haben. Verbaut man also den MAX4239, verwendet man natürlich bei der Berechnung der Gesamtgenauigkeit des Gerätes den Wert 2,5µV, um auf der sicheren Seite zu sein.


Um eine Verstärkung von 100 zu erreichen bedient man sich der Formel V = 1+R1/R2 für den nichtinvertierenden Verstärker: Hier im Forum nachzulesen
Um den Stromverbrauch gering zu halten, werden R1 zu 99kOhm und R2 zu 1kOhm gewählt. Da die verwendeten Signale höchstens ein paar kHz sein werden (höher sind die Bandbreiten von einem Chopper-Verstärker und einem günstigen Multimeter ebenfalls nicht), bekommt man an dieser Stellen ebenfalls keine Probleme mit parasitären Kapazitäten. Durch diese und den hohen Widerständen baut man nämlich manchmal ungewollte PT1-Systeme, die Tiefpassverhalten besitzen.

Beschaltung des Operationsverstärkers:

Opamp Beschaltung.png


Für das Umschalten der Bereiche kann man einen dreifachpoligen Wechselschalter (engl. triple pole double throw) benutzen. Wie schon in den vorhergehenden Grafiken angedeutet werden als Shunts Widerstände mit extra Spannungsabgriff benutzt. Das ist nur bei dem 10mOhm Widerstand nötig, da dieser schon so klein ist, dass er in den Bereich der Kupferleitungen auf der PCB und den Kontaktwiderständen des Schalters fällt.

Hier ist einmal die fertige Messschaltung:

Opamp full.png


Um die bestmöglichste Genauigkeit zu bekommen sind alle Widerstände natürlich als 0,1% Toleranz-Versionen zu verbauen. Bei dem 10mOhm wird das schwer einen mit extra Spannungsanschlüssen und 0,1% Toleranz günstig zu finden. Gegebenenfalls kann man hier auch bis 0,5% Toleranz verkraften.
Jedenfalls hat man schon viel gewonnen zu der normalen Ampermeterfunktion eines Multimeters, denn dort ist die Genauigkeit meist 1% oder höher (schlechter). Da wir aber über den mV-Bereich Messen, verbessern wir unsere Genauigkeit, da dieser oft gute 0,1% Genauigkeit aufweist.


Stromversorgung

Sehr praktisch ist die Tatsache, dass wir keine hohe Spannung zur Versorgung brauchen, da wir bis max. einige 100 mV am Ausgang zur Verfügung stellen wollen. Es ist allerdings ein Mehraufwand, die negative Spannungsschiene für den Operationsverstärker zur Verfügung zu stellen. Ohne diese kann das Gerät nämlich nur positive und keine negativen Ströme anzeigen.
Es gibt fertige Spannungswandler, die aus einer Spannung die entsprechende negative erzeugen. Solche sind allerdings schaltender Natur und verursachen u.U. ungewollte Störungen.
Eine andere Möglichkeit wäre die Verwendung einer virtuellen Masse, die man auf zwei untershchiedlichen Wegen erzeugen kann:
Man kann einerseits für z.B. +-1,5V zwei Alkaline Zellen in Serie schalten, den gemeinsamen Knoten als Masse definieren und dem System zuführen. Somit ist das negative Ende 1,5V unter Masse (-1,5V) und das positive Ende +1,5V. Bei dieser Beschaltung werden die beiden Batterien allerdings oft nicht gleichmäßig entleert, was unschön ist.
Schöner ist der Ansatz mit einerm weiteren Operstionaverstärker, welcher als Spannungsfolger arbeitet und die virtuelle Masse zur Verfügung stellt. Man kann so aus einer Knopfzelle mit 3V über einen hochohmigen Spannungsteiler (z.B. 2x100kOhm) die 1,5V erzeugen und mit dem Spannungsfolger (Impedanzwandler) diese als virtuelle Masse zur Verfügung stellen. Dieser Operationsverstärker kann ein sehr günstiger sein. Es kommt hier weder auf eine hohe Bandbreite, noch auf eine geringe Offsetspannung an. Einzige Punkte sind der Stromverbrauch und ggf. Anschaffungskosten. Hier ist der Aufbau der Schaltung:

Impedanzwandler virGND.png

Der Operationsverstärker ist als Spannungsfolger beschaltet, um eine virtuelle Masse und somit eine Symmetrische Versorgungsspannung zu erzeugen.


Abschließendes

Zuletzt sei erwähnt, dass man zur Praxistauglichkeit ggf. Vorsichtsmaßnahmen mit in die Schaltung einbaut. Da wäre z.B. eine Sicherung in dem Strompfad, um ein Überhitzen der Shunts bei Kurzschluss einer niederimpedanten, energiereichen Quelle zu verhindern. Außerdem ist es empfehlenswert jeweils einen 100 Ohm Widerstand an die Ausgänge der Operationsverstärker in Serie zu schalten, damit diese bei einem externen Kurzschluss geschont bleiben. Da die Eingangsimpedanz eines Multimeters im Spannungsmessbetrieb 10 MegOhm oder 3 MegOhm ist, verursachen die zusätzlichen 100Ohm einen vernächlissigbar kleinen Fehler. um einen Fehler von nur 0,1% zu erzeugen müsste man ca. ganze 10 kOhm in Serie Schalten.
Ferner ist es ratsam die Spannungsschienen (+-1,5V) und die Ausgänge der OPs über Kondensatoren gegen Masse zu schließen. Dies verhindert eventuelle Eigenschwingungen des Systemns, sowie Störeinfluss von extern.


Siehe auch