Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Bald gleiche Entlohnung auch als Leiharbeiter?


von Gastino G. (gastino)


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Wenn man diesen Artikel hier so liest, könnte man das fast glauben:

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,684718,00.html

Zitat:

"Zudem könne es nicht sein, 'dass Leiharbeiter dauerhaft schlechter 
entlohnt werden als festangestellte Arbeitnehmer, die im selben Betrieb 
dieselbe Arbeit machen', sagt von der Leyen. In beiden Fällen müssten 
die Tarifparteien bald eine befriedigende Lösung finden, sonst werde der 
Gesetzgeber aktiv. 'Ich rechne da nicht in Monaten, sondern eher in 
Wochen', so die Arbeitsministerin."


Ich schaue mal in meine Kristallkugel ...Ahh, ja...

Meine Kristallkugel sagt mir, dass die weitere "Liberalisierung" hin zu 
mehr Zeitverträgen (auch ein Gesetzesvorhaben von dieser Ministerin) 
wohl sicher sehr viel eher kommen wird als das oben Genannte. :D

von Gast2 (Gast)


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Wenn Von der Leyen endlich mal gegen diesen Missbrauch angeht kann man 
das schon begrüßen. Leider haben sie sich den falschen Koalitionspartner 
ausgesucht. Westerwelle wird in dieser Sache rein gar nichts machen, das 
hat er oft genug als Parole herausgeschrien. Man muss sich mal solche 
Sätze auf der Zunge vergehen lassen:

Zitat (mir "ihr" ist Ursula von der Leyen gemeint)

"Sorge bereiten ihr die Niedriglohnbranchen, in denen es gar keine 
Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände mehr gebe. Derzeit sei ihr 
Ministerium dabei, "die weißen Flecken auf der Tarif-Landkarte zu 
erkunden". "Wenn sich da Regelungsbedarf zeigt", so die Ministerin, 
"müssen wir in der Koalition neu nachdenken."

Zitat Ende

Mit anderen Worten nach jahrelanger, permanenter Berichterstattung über 
diesen Missbrauch merkt auch endlich mal die CDU was in unserem Land auf 
dem Arbeitsmarkt abgeht. Das ist echt beschämend. Aber noch schlimmer 
ist, der gelbe Koalitionspartner schert sich einen Dreck um diese 
Angelegenheit und nutzt jede Gelegenheit die Mindeststandards die in 
einem zivilisierten Land doch eigentlich selbstverständlich sein sollten 
zu torpedieren. Welcher Geist eigentlich hinter all dem steht sieht man 
doch auch schön am Beispiel USA: Obama will eine Krankenversicherung für 
alle einführen und die Konservativen beschimpfen ihn dafür als neuer 
Hitler, Stalin, Kommunistenführer usw. Was uns und den Mindestlohn 
betrifft, da akzeptiert die FDP nur einen Mindestlohn und zwar den für 
Anwälte. Den nennen sie dann Gebührenordnung.

von brott (Gast)


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Jo, Full ack!

Schaut mal bei youtube nach der Reportalge 'Die Armutsindustrie'. Da 
wird schön belegt, wie es läuft und wie mit 1-eurso-Jobs herkömmliche 
Jobs ersetzt wurde.

Bei einem kann man sich sicher sein: besser wird es nicht werden.

Witzig ist auch, dass sie auf einmal von Tarifpartnern reden, wo doch 
jahrelang die Gewerkschaften als Verhinderer dargestellt wurden. Die 
einzige Möglichkeit, dem zu begegnen ist aber tatsächlich, dass wir 
unsere Tarifgemeinschaft stärken und uns organisieren - ich kanns gar 
nicht oft genug sagen.

von Winfried J. (Firma: Nisch-Aufzüge) (winne) Benutzerseite


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Wohl eher wird der Schuss nach hinten losgehen. und eine Angleichung in 
entgegengestzter Rchtung forciert werden. So wie bei der 
"Ost-Westlohnangleichung"

bla bla

Oder die Arbeitsplätze verschwinden ganz. Wie schon so viele vor Ihnen.

Merke Kapital läst sich nicht erpressen anders als die meißten Menschen 
ist es hoch mobil und findet steets die fetteseten weiden(billigsten 
Arbeitskräfte).

TS TS

von Gast2 (Gast)


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brott (Gast) schrieb:

> Witzig ist auch, dass sie auf einmal von Tarifpartnern reden, wo doch
> jahrelang die Gewerkschaften als Verhinderer dargestellt wurden. Die
> einzige Möglichkeit, dem zu begegnen ist aber tatsächlich, dass wir
> unsere Tarifgemeinschaft stärken und uns organisieren - ich kanns gar
> nicht oft genug sagen.

Soweit mir bekannt sind nicht mal mehr die Hälfte aller Jobs überhaupt 
noch in Tarifgemeinshcaften eingebunden. Deswegen halte ich diese ewig 
herbeigeredete Freiwilligkeit der Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern 
und (dem kläglichen Rest) der Gewerkschaften für überholt, hilflos, 
unwirksam und im Grunde genommen schlicht für nutzlos. Letzteres vor 
allem wenn uns die Liberalisierung des EU-Arbeitsmartes im kommenden 
Jahr 2011 voll erwischt. Dann wird ein Hauen und Stechen um Niedriglöhne 
erst richtig losgehen.

Aber wahrscheinlich will eine konservative Schwar-Gelbe Regierung 
(eigentlich sind sie gar nicht konservativ, denn das hieße ja Werte 
bewahren) dann auch erst wieder ein paar Jahre beobachten und zusehen 
wie der Arbeitsmarkt den Bach runter geht, bis mal ein eingreifen auch 
nur angedacht wird. Sieht man doch exemplarisch am Umgang mit der 
Finanzkrise.

von MaWin (Gast)


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> Freiwilligkeit

Nein, es ist vorsätzlicher absichtlicher Betrug und Desinformation.

Alle Akteure wissen schon vorher, daß nie das Interesse besteht, diese 
Freiwilligkeit einzuhalten.

Freiwilligkeit für die Industrie bedeutet: Heute seid ihr noch mal um 
eine Strafe drumrumgekommen, bedankt euch artig bei uns (Spenden 
willkommen).

> Kapital läst sich nicht erpressen

Das Problem in Deutschlad ist nicht, daß wir arm wären.
Sondern daß die Verteilung des Einkommens eine hochgradie Schieflage 
hat.
Ältere festangestellte Arbeitskräfte erhalten oft das doppelte von dem, 
was neue Zeitarbeiter für exakt denselben Job bekommen.

Wer jetzt - aus moralischen Gerechtigkeitsgründen - allen gleich viel 
zugesteht, sollte akzeptieren, daß die gutverdienenden bisher fest 
angestellten auch was abgeben.

Da beginnt dann die Jammerei bei den Besitzstandswahrern. Dabei müssen 
sich diese Besserverdienenden vor Augen führen, daß jeder, der über dem 
Durchschnitt verdient, bereits den anderen was wegnimmt.

Besonders viel nehmen natürlich die Manager und Investmenbanker dem Rest 
der Gesellschaft weg. Daher ist die Entrüstung der Gesellschaft über 
diese Selbstbediener zu Recht und muß noch viel lauter werden.

von Gastino G. (gastino)


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Interessant ist auch dieser Beitrag:

http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,684418,00.html

Zitat:

"Deutschland erobert sich im EU-Vergleich immer bessere 
Wettbewerbsbedingungen - und festigt damit seine Stellung als 
europäische Exportmacht Nummer eins.[...]


Das heißt: Die Produktion in Deutschland wird relativ gesehen immer 
günstiger, Waren aus anderen europäischen Ländern dagegen immer teurer. 
Für die deutsche Wirtschaft ist das gut, für die EU-Partner ärgerlich: 
Aus ihrer Sicht überschwemmen die deutschen Firmen die Märkte mit ihren 
Produkten, die immer wettbewerbsfähiger werden."

Zitat Ende


Das klingt im ersten Moment ganz nett, aber langsam habe ich den 
Eindruck, dass wir davon rein gar nichts haben. Wir stellen die vielen 
Güter her, die andere auf Pump kaufen und bei uns bleibt trotzdem so 
wenig übrig, dass wir auch auf Pump leben müssen. Die Staatsverschuldung 
steigt immer weiter an.
Sind wir am Ende nur die Deppen, die genauso wie die Chinesen immer mehr 
buckeln müssen, damit die anderen günstige Waren kaufen können?

von Big Game James (Gast)


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Ist es nicht seltsam:

Ein Auto, dass ich einen Tag miete, kostet viel. Wenn ich es zwei Wochen 
Miete, bekomme ich Mengenrabatt und wenn ich es kaufe, ist es auf lange 
Sicht günstiger. Bei Arbeitskräften scheint es genau anders herum zu 
sein. Würde an in diesem Bereich der Wirtschaft ein Markt mit Wettbewerb 
fungieren, müssten Leiharbeiter sogar mehr erhalten als die 
Festangestellten. Beim Vergleich Freiberufler vs. Festangestellter 
funktioniert's prima, aber das finden große Teile der Politik ganz 
schlimm, da Freiberufler, keine abhängig Beschäftigten sind und - Gott 
bewahre - am Ende die neoliberale FDP wählen. Dann doch lieber 
Flexiblität schaffen mithilfe der Leiharbeit. Hauptsache, die Statistik 
stimmt, was die Schaffung von Arbeitsplätzen im herkömmlichen Sinne 
angeht. Dann kann sich die Politik feiern, sie hätte Jobs geschaffen.

Wer von der Leiharbeit profitiert:
- Politik
- Leiharbeitsfirmen

Wer davon geschädigt wird
- Leiharbeiter, für die es schwieriger, Freiberufler zu werden
- Freiberufler
- Arbeitgeber, die Kunden der Leiharbeitsfirmen sind

von Martin (Gast)


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Wer davon geschädigt wird
- Leiharbeiter, für die es schwieriger, Freiberufler zu werden
- Freiberufler, für die es schwieriger, Leiharbeiter zu werden

von Wilhelm (Gast)


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Big Game James schrieb:

>Würde an in diesem Bereich der Wirtschaft ein Markt mit
>Wettbewerb fungieren, müssten Leiharbeiter sogar mehr
>erhalten als die Festangestellten.

So wurde es zumindest mal in gesellschaftspolitischer Lektüre in den 
1970-er Jahren geschildert. Quelle: USA. Moderne Arbeitsformen, wo 
flexibel Spezialisten an einem Ort für ein Projekt gebraucht werden, 
z.B. um eine Boeing zusammen zu konstruieren. Und was wegen sonstiger 
Entbehrungen (z.B. Entfernung von zu Hause) auch fürstlicher als üblich 
entschädigt werden sollte. Heute, entpuppt sich das genau anders herum. 
Gut, damals war noch Hochkonjunktur und Vollbeschäftigung.

>Beim Vergleich Freiberufler vs. Festangestellter
>funktioniert's prima, aber das finden große Teile
>der Politik ganz schlimm, da Freiberufler, keine
>abhängig Beschäftigten sind und - Gott bewahre - am
>Ende die neoliberale FDP wählen.

Daß sie jetzt verstärkt der Scheinselbstständigkeit auf die Spur kommen 
wollen, war diese Woche wieder in den Nachrichten (Radio, DLF).

>Dann doch lieber Flexiblität schaffen mithilfe der Leiharbeit.

Sind Leiharbeit und Leiharbeit nicht eigentlich 2 verschiedene Paar 
Schuhe? Ich glaube, daß die bei dem Thema meistens über den 
Niedriglohnsektor reden (wo 6 Euro o.ä. verdient werden), wobei 
andererseits sich Leiharbeit für Spezialisten, wie z.B. Ingenieure, 
ebenfalls etabliert hat. Leider nach dem selben Prinzip wie im 
Niedriglohnsektor.

>Hauptsache, die Statistik stimmt, was die Schaffung von
>Arbeitsplätzen im herkömmlichen Sinne angeht. Dann kann
>sich die Politik feiern, sie hätte Jobs geschaffen.

Nun, die sind in heller Panik, auch wenn sie es sich noch nicht anmerken 
lassen. Die Staatsschulden sollen irgendwann nochmal reduziert werden. 
Und mit einem, der nicht arbeitet, geht das erst gar nicht. Dafür gibt 
es auch zunehmend Modelle wie Hartz-IV (-er) für Unternehmer, 2. 
Arbeitsmarkt, damit die noch billiger als in China hier in D Waren 
produzieren können.

Ganz besonders übel stößt da auf, daß dies ausgerechnet an unseren 
ohnehin reichsten und teuersten Standorten (z.B. Stuttgart) praktikabel 
zu sein scheint (kürzlich in Doku gesehen).

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