Forum: Offtopic Israel reagiert (nicht)richtig?


von Aufreger (Gast)


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Es ist so wie es ist, Israel ist ein existierender Staat den man nicht
mehr in Frage stellen sollte. Wo sollen die Menschen die dort leben
sonst hin?! Da in die geschichtliche Mottenkiste zu greifen hilft nicht
den aktuellen Konfklikt zu bewältigen. Israel muss seine
Sicherheitsfragen mit einer anderen Strategie angehen und nicht neues
Leid und Elend erzeugen. Der Hass beginnt in den Köpfen bevor er dann
zur Tat wird und da muss man ansetzen. Militärisch nur das absolut
notwendigste tun und nicht die Brechstange verwenden. Bei den Kindern
muss man ansetzen. Man muss ihnen zeigen, dass israelische Kinder die
gleichen Vorlieben haben, die gleichen Spiele spielen, die gleichen
Speisen und Getränke lieben, genauso lachen usw. Das ist ein mühsamer
Prozess, viel schwieriger als Bomben schneissen. So traurig das klingt,
würde Israel auf die Raketenangriffe zurückhaltend reagieren z.B. durch
Spezialeinsätze, so stünden sie in den Augen der Weltbevölkerung
eindeutig als Opfer da, was den Radikalen der Gegenseite sicher nicht
schmecken würde. Deren größter Erfolg derzeit ist, dass Israel die
"Opferrolle" preisgegeben hat und nun in den Augen der gesamten
Arabischen Welt als Haudrauf-Nation dasteht (das glauben die meisten
zwar sowieso, aber jetzt wird man sich darin bestätigt sehen). Diesen
"Gewinn" hat Israel der Hisbollah und der Hamas auf dem Silbertablett
präsentiert. Kein Einwohner Libanons wird Israel jetzt noch als Opfer
von Raketenangriffen sehen, wenn sein eigenes Haus zerschossen oder
Straßen und Brücken zerstört oder Elektrizität kaputtgebommt ist. Die
Psychologie, die mit den Angriffen auf ganze Stadtteile Libanons
einhergeht, wird die Bereitsschaft der Libanesichen Bevölkerung Israel
doch noch als friedlichen Nachbarn anzuerkennen tief erschüttern. Das
Husarenstück wird zum Riesenflopp. Waffen können einen Moment
scheinbare Ruhe bringen (wenn überhaupt). Frieden muss in den Köpfen
wachsen, doch dazu darf kein neuer Hass entstehen.

von alpha (Gast)


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Da stimme ich Dir ja mal ausnahmesweise im Grossen und Ganzen zu. Ich
moechte aber zu bedenken gaben, dass die Existenz von eiinflussreichen
Terrororganisationen die Schaffung von Frieden in den Koepfen
verhindern wird. Da ist es schon mal ein guter Ansatz dass sich Libanon
jetzt anscheinend um die Erfuellung seiner Pflichten zu kuemmern
beginnt.

von Rene (Gast)


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"Terrororganisationen" haben nur dann eine Chance ihr grausames Werk
umzusetzen wenn es Menschen gibt deren Lebensumstände so unakzeptabel
sind, dass sie ihre Herzen und Köpfe für Haß und Mord öffnen. Der
Terror wäre in dem Umfanmg nicht möglich wenn es nicht so arme Hunde
geben würde das sie weniger als nichts zu verlieren haben. Die Ursachen
für Terror sind nicht der Koran oder fanatische Wirrköpfe. Die Ursachen
sind Armut, Hunger, Unfreiheit usw. Es ist doch abartig von dem der
arm, hungrig und unterdrückt ist und sich dagegen wehrt zu verlangen
dass er jetzt gefälligst seine Pflichten einzuhalten hat... nämlich
Armut, Hunger und Unterdrückung zu dulden. Das ist das Recht des
stärkeren und hat nichts mit Menschenrechten zu tun. Die westliche Welt
verbrennt die Resourchen dieser Welt, unseren Hautieren gönnen wir im
Schnitt 5€ am Tag und milliarden Menschen müssen von weniger als 1€ am
Tag leben. Das was da unten läuft ist vor allem diesen Status Quo
aufrecht zu erhalten.

Terror wird es solange geben wie wir auf kosten dieser armen Menschen
leben. Und all die Segnungen des freien Welthandels und der
Globalisierung haben nicht wirklich dazu beigetragen die Armut in der
Welt zu lindern. Der Terror zeigt welchen Weg wir gehen. Zum einen
wollen immer mehr Arme etwas von unserem Reichtum ab haben und sterben
wie die Fliegen beim Versuch nach Europa zu kommen. Und es gibt die
anderen die sich diese zunehmende Ungerechtigkeit nicht gefallen lassen
wollen Sie kämpfen gegen uns. Wir müssen immer höhere Zäune bauen immer
moderne Waffen kaufen um uns gegen Hungerleider zu erwehren. Nur ist
das Problem dass die Rohstoffe für unsere Wirtschaft in diesen Ländern
liegen. Öl im Irak, Cobalt im Kongo, und noch mehr Öl im kaspischen
Raum. So ein Mist das Russland dort wieder an Einfluss gewinnt und ein
paar von den NATO-Basen die wegen dem Kampf gegen den Terror dort
errichtet wurden wieder aufgelöst werden müssen.

So wie ich das sehe ist der aktuelle Libanonkonflikt ein weiterer
lorischer Schritt im globalen Krieg um die Resourcen der Welt... ähhh
sorry im weltweiten Krieg gegen den Terror meinte ich natürlich

von Thomas (Gast)


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@Aufreger:

"Da in die geschichtliche Mottenkiste zu greifen hilft nicht
den aktuellen Konfklikt zu bewältigen."

Die letzten hundert Jahre bzw. die letzten fünfzig Jahre, wie von Jonas
dargestellt, sind alles andere als die geschichtliche Mottekiste. Gerade
diese Zeit, und mithin die Entstehungsgeschichte des modernen Staates
Isreal, sind entscheidend für die Lage im nahen Osten und untrennbar
mit den aktuellen Optionen zur Kofliktbewältigung verbunden.

Gerade 50 Jahre ist doch die am meisten relevante Geschichte für einen
Menschen, weil es da noch einen direkten Bezug über Eltern und
Großeltern gibt.

von alpha (Gast)


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"Terrororganisationen" haben nur dann eine Chance ihr grausames Werk
umzusetzen wenn es Menschen gibt deren Lebensumstände so unakzeptabel
sind, dass sie ihre Herzen und Köpfe für Haß und Mord öffnen."

Nett gedacht, sehr typisch fuer das typisch deutsche
"Mitleidsmodell". Die Armen, die können sich nur so wehren. Leider
ist es kompletter Quatsch. Denkt mal an die Attentaeter von London!
Waren das arme Wuerstchen die in Not und Elend gelebt haben? Osama bin
Laden? Die Septemberattentaeter? Alle arm und am Verzweifeln gewesen?
Gut, man kann einwenden es geschah FUER arme Menschen. Stimmt aber auch
nicht. Denken wir nur an die groessten Terroristen des 20ten Jh! Die
Nazis. Waren die so arm und von "den Juden" ausgebeutet, dass sie
sich nur durch Terrorismus, Staatsterrorismus, wehren koennten? Wie
sieht es mit der RAF aus. Auch arme Dritte-Weltler?
Terrorismus kann, und er tut das, aus Ideologien entstehen. Und
Ideologien sind nicht an Armut gebunden. Wer denkt der Terror ist die
irgendwie gerechte Rache der Entrechteten spinnt meines Erachtens nach.
Die Hisbollah ist uebrigens alles andere als arm.

von Aufreger (Gast)


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@Thomas
Gewiss, nur wer will die zeitliche Abgrenzung vornehmen und in wessen
Namen? Wenn im aktuellen Konflikt dann auch noch so ein Fass aufgemacht
wird (wer hat wo schon immer gelebt und wem das Land streitig gemacht
und wen vertrieben?), denn wird jede Seite für sich immer genügend
Gründe finden, die eigene Taktik und Gewalt zu legitimieren. Im
Ex-Jugoslawienkonflikt hatte Milosevic seinen Feldzug auch immer mit
einem historischen Ereignis (Schlacht um das Amselfeld) zu begründen
versucht. Geschichtliches verklärt sich im laufe der Zeit und wird für
eigene artfremde Interessen missbraucht. Ganz ausblenden kann und soll
man die Geschichte natürlich nicht, geschieht ja auch nicht, aber im
aktuellen Konflikt z.B. die Art und Weise der Staatsgründung Israels
zum Anlass zu nehmen, um den Staat Israel (heute) in Frage zu stellen
halte ich für nicht hilfreich bzw. Kontraproduktiv. Für mich liegt der
"Schuh" woanders, ich erwarte von einer "Insel der Demokratie" (ich
nenne es mal so) und einem wirtschaftlich starken Land, dass es
vernünftig mit seinen Nachbarn umgeht. Ich erwarte ferner, dass nicht
einfach UN-Resulationen mit Hilfe der USA missachtet werden und man auf
der anderen Seite schnell bei der Stange ist, andere Länder vor die UN
zu bringen (USA->Iran) und Ultimaten mit Kriegsautomatismuss zu stellen
(USA->IRAK). Und ich glaube, man könnte auch mit recht erwarten, dass
das wirtschaftlich starke Israel für den Wiederaufbau des Libanons
aufzukommen hat. Wenn die eigenen Mitbürger mal im eigenen Geldbeutel
DEUTLICH spüren würden (z.B. durch Steuererhöhungen), dass man Krieg
und Zerstörung NICHT UMSONST bekommt, dann würden viele sich nicht mehr
so schnell der kriegslüsternheit im 21. Jahrhundert hingeben. Mal auf
die USA übertragen könnte das z.B. heißen, Verdopplung des
Benzinpreises für alle als "Preis" für den sündhaft teuren Einsatz
und die Vergeudung von Ressourcen im Irak (und Bush's
Schuldenpolitik). Würde mich wirklich interessieren, ob DANN die
Mehrheit noch nach Krieg schreien würde.

von Aufreger (Gast)


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Es ist im wesentlichen so wie Rene das gesagt hat. Dass die ausführenden
Personen (die Terrorristen) nicht immer zu den Armen und Unterdrückten
gehören ändert nichts an der Sache. Bin Laden hat selbst den
Palestina-Konflikt und das korrupte Saudiarabische Regim als Grund für
sein Handeln angeführt. Seine Familie (die Ladens) haben zum Zeitpunkt
des Attentats Beziehungen zur Bush-Familie (gibt da eine ausführliche
Doku die sehr sehenswert ist). Wenn es keine Unterdrückung und nicht so
gravierende soziale Missstände gäbe, hätten die Schurken dieser Welt
auch keine Möglichkeit die Massen für sich zu begeistern.

von alpha (Gast)


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"Wenn es keine Unterdrückung und nicht so
gravierende soziale Missstände gäbe, hätten die Schurken dieser Welt
auch keine Möglichkeit die Massen für sich zu begeistern"

Aha. Aber da es immer irgendwelche Missstaende geben wird wird ihnen
das Potential nie ausgehen. Die suchen sich doch nur irgendeinen Grund.
Und wenn ihnen die Palestinensiche Sache abhanden kommen sollte geht es
halt darum die Unglaeubigen zu vernichten. Der gravierenste Mangel in
deren Augen ist doch der Westen als solches. Denkst Du die gehen alle
wieder nach Hause und zuechten Schafe wenn Israel weg waere? Dann waere
auch ihre Macht weg, und deshalb werden sie sich neue Feindbilder
schaffen. Eine Welt wo man das nicht mehr findet wird es nie geben.

von Aufreger (Gast)


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Es gibt einen Unterschied zwischen "irgendwelchen Missständen" und
"gravierenden Missständen". Glaubst du die Jugendlichen im Palästina
gehen zum Steineschmeißen weil es in ihren Genen festgelegt ist? Wer
setzt sich dem Risiko aus verletzt oder gar getötet zu werden, wenn
nicht Hass die eigene Furcht überwiegt? Welche Perspektive bezüglich
Job und Lebensstil haben die Heranwachsenden in Palestina? Nahezu Null!
Wer ihnen gutes tut, bekommt deren Herzen, so einfach ist das (wir
sprechen immer von der Mehrheit, nicht von hoffnungslosen
Einzelfällen). Nur aus langeweile schmeißt man keine Steine, der Hass
der Eltern wird in die jungen Köpfe eingeimpft und wer von den Kindern
nix besseres kennt macht mit. Außerdem, niemand will dauerhaft unter
Besatzung leben und permanent in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt
sein. Der eigene Staat wurde den Palästinensern schon lange zugesichert.


Es ist ein Trugschluss und Blauäugigkeit zu glauben, alles was der
Westen darstellt würde grundsätzlich abgelehnt (schau dir an, wie junge
Iraner leben wollen, ich hab das Beispiel bereits gebracht). Stolz und
Würde haben da unten aber einen anderen Stellenwert als bei uns. Wer
deren Würde permanent mit Füßen tritt, der wird auf erbitterte
Ablehnung stoßen. Druck erzeugt Gegendruck, es braucht nicht mehr
Repression, sondern mehr Angebote und vor allen das Gefühl, dass es
einigermaßen gerecht auf unserem Planeten zugeht (wenigstens local).

von Rene (Gast)


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@alpha der islam ist nun schon über 700 Jahre alt hast du dich mal
gefragt was mit den muslimen in den letzten 15 Jahren passiert ist,
dass sich ein derartiger immer weiter zunehmender Hass gegen die
westliche Welt unter ihnen breit macht? Im übrgen bin ich nicht der
Meinung das Israel weg soll. Ich denke es ist Zeit Gerechtigkeit für
die Palestinenser einzufordern. Ihnen den versprochenen Staat Palestina
zu geben. Sie aus den Flüchtlingslagern im Libanon wo sie zu Millionen
seit 1948 hausen raus zu holen. Wenn in den Nachrichten von
Hisbollahochburg in zivil bewohnten Gebieten geredet wird ist das oft
einfach nur ein palestinensisches Flüchtlingslager. Die leute die ducht
die Staatsgründung Israels zur Flucht gezwungen wurden leben noch. das
ist keine ferne Geschichte die über Erzählungen von Generatin zu
Generation verklärt wurde. Millionen Palestinenser leben seit
Jahrzehnten in Flüchtlingslagern. Wo sollen Sie hin? Erwartet Israel
das der Libanon oder Syrien sie als Staatsbürger aufnimmt? Für Israel
gibt es natürlich auch andere Lösungen für das Palestinenserproblem:

http://213.133.111.168/chomsky/artikel.php?id=10

von Witwenbetreuer (Gast)


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Was unter dem Link zu lesen ist errinnert ein wenig an die
SS-Machenschaften während des 2-Weltkrieg (nur nicht so perfekt
Organisiert ... es gab ja Überlebende)

von alpha (Gast)


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Klingt schrecklich und ist schrecklich was da zu lesen ist- sofern es
stimmt. Aber die israelische Politik hat sich seitdem geaendert. Die
jetzige Regierung von Israel ist gewaehlt worden um endlich aus den
besetzten Gebieten abzuziehen. Doch jetzt wo Israel Frieden will wollen
die anderen nicht, denn dann verlieren sie ja ihre Macht.

von Axel (Gast)


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israel zieht sich oder besser wollte sich aus dem libanon zurückziehen
was ist mit dem, gazastreifen den golanhöhen und was ist mit palestina?
selbst nach einem rückzug aus dem libanon sind da immer noch die
palestinenser. ein volk ohne land.

von alpha (Gast)


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Von welchem Palestina redest Du? Noch einer der Israel abschaffen will?
Und wo sollen dann die Israelis hin? Ein Volk ohne Land gegen ein
anderes? Wo leben denn die Palis jetzt und warum koennen sie nicht da
bleiben?

von Thomas (Gast)


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Du Nase hast auch die Weisheit mit Löffeln gefressen? Die Palästinenser
die aus den besetzten Gebieten kommen, sind z. B. im Libanon und dort
auch mehr oder weniger fremd. Die libanesische Regierung sieht darin
nämlich auch ein Problem.
Von Isreal abschaffen hat der Kollege nichts gesagt, schau dir erstmal
die UN Resolutionen zum Teilungsplan an, bevor du so einen Bockmist
schreibst.

von Rene (Gast)


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von Rene (Gast)


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Ach und noch was. Zitat alpha "sofern es stimmt" ... alles was ein
Mensch niederschreibt ist aus einer bestimmten nämlich persönlichen
Perspektive heraus und damit immer mehr oder weniger subjektiv und
besonders was die Politik betrifft. Aber vielleicht hilft folgender
Nachtrag: Noam Chomsky ist JUDE!

von alpha (Gast)


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Aha, aber Noam Chomsky ist auchsonst dafuer bekannt dass er viel gesagt
hat was sich wissenschaftlich nicht halten liess. Er hat nie einen Hehl
daraus gemacht, dass seine Absichten ganz bestimmter, linker,
politischer Natur sind. Ich will damit nicht sagen dass ich das nicht
gut finde, aber ich glaube nicht alles unbesehens was Chomsky schreibt.
Ich will das Massaker aber nicht in Abrede stellen. Ganz klar ein
Verbrechen.

von Axel (Gast)


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Chomsky ist immerhin Anarchist was ihn in meinen augen eigentlich
sympatisch macht ;-)

aber um auf die bessere Regierung Israels heute zurück zu kommen:

Kriegsjunkies in Tel Aviv

Ehud Olmert und Amir Peretz sind die größte Gefahr für Israel
von Uri Avnery

Es war für mich ein erschreckender Augenblick, als es mir wie Schuppen
von den Augen fiel. Ich hörte eine der täglichen Reden unseres
Ministerpräsidenten. Er sagte: »Wir sind ein wunderbares Volk!« Er
sagte: »Wir haben diesen Krieg schon gewonnen, es ist der größte Sieg
in der Geschichte unseres Staates.« Und weiter: »Wir haben das Antlitz
des Nahen Ostens verändert«. Und noch mehr in dieser Art.

Nun, sagte ich zu mir selbst, das ist eben Ehud Olmert.

Ich kenne ihn, seit er etwas über 20 Jahre alt war. Damals war ich
Mitglied der Knesset, und Olmert war (buchstäblich) Aktenträger eines
anderen Knesset-Mitgliedes. Seitdem habe ich seine Karriere verfolgt.
Er war niemals mehr als ein Parteifunktionär, ein Schmalspurpolitiker,
der sich auf Manipulationen spezialisierte, ein mittelmäßiger Demagoge.
Zwischendurch wechselte er mehrfach die Parteien und diente als
Bürgermeister von Jerusalem mit der Note »kaum genügend«, bis er sich
der vielversprechenden Sache Ariel Scharons anschloß. Rein zufällig
wurde ihm der leere Titel »Stellvertretender Ministerpräsident«
verliehen. Und als Scharon seinen Schlaganfall erlitt, geschah etwas,
worüber Olmert selbst sehr überrascht war: er wurde Ministerpräsident.
Während seiner ganzen Karriere blieb er durch und durch Zyniker, an
sich vom rechten Flügel, aber auch bereit, gegenüber Linken
vorzutäuschen, er sei ein Liberaler .

Also – sagte ich zu mir – das wird eine weitere zynische Rede sein.
Doch plötzlich kam mir ein entsetzlicher Gedanke: »Nein, der Mann
glaubt tatsächlich, was er sagt!« Man kann es sich kaum vorstellen,
aber anscheinend glaubt Olmert wirklich, dies sei ein erfolgreicher
Krieg, den er gewinnen werde; er habe radikal die Situa­tion Israels
verändert; er sei dabei, den Neuen Nahen Osten zu bauen; er sei ein
historischer Führer und Ariel Scharon weit überlegen, (der ja immerhin
im Libanon besiegt worden war und der der Hisbollah gestattete, ihr
Raketenarsenal aufzubauen). Je länger es ihm erlaubt sei, mit diesem
Krieg fortzufahren, um so mehr werde sein Ansehen bei zukünftigen
Historikern wachsen.

Ehud Olmert hat offensichtlich jeglichen Kontakt mit der Realität
verloren. Er lebt in einer selbstgeschaffenen Seifenblase. Seine Reden
zeigen, daß er ein echtes Problem hat. Von allen Gefahren, denen Israel
jetzt ausgesetzt ist, sind es diese, die man am ernstesten nehmen
sollte. Denn dieser Mann entscheidet ganz einfach über das Schicksal
von Millionen: wer sterben, wer Flüchtling, wessen Welt zerschmettert
werden wird.

Aber Olmerts Problem mit dem Größenwahnsinn ist nichts im Vergleich zu
dem, was mit Amir Peretz geschehen ist. Genau vor neun Monaten. nach
der Wahl zum Vorsitzenden der Arbeitspartei, hielt Peretz in Tel Aviv
auf dem Rabin-Platz eine Rede und verriet seinen Traum: Im Niemandsland
zwischen Israel und dem Gazastreifen solle ein Fußballfeld gebaut
werden, und ein Fußballspiel solle zwischen der israelischen Jugend von
Sderot und der palästinensischen Jugend des nahen Bet Hanoun
stattfinden. Ein israelischer Martin Luther King! Neun Monate später
wurde uns ein Monster geboren.

Bei der Knesset-Wahlkampagne erschien Peretz wie ein sozialer
Revolutionär. Er verkündigte, er wolle das Antlitz der israelischen
Gesellschaft verändern, die nationalen Prioritäten neu festlegen,
Milliarden Schekel des Militärbudgets der Bildung, Erziehung, Wohlfahrt
zukommen lassen und dafür sorgen, daß die Kluft zwischen den Reichen und
Armen kleiner werde. Als alter Friedensanhänger würde er natürlich
Frieden mit den Palästinensern und der ganzen arabischen Welt
anstreben. Dies ließ ihn die Stimmen vieler Bürger gewinnen,
einschließlich vieler, die normalerweise nicht daran gedacht haben,
jemals Arbeitspartei zu wählen.

Was dann folgte, ist Geschichte. Er verführte sich selbst, als Olmert
ihm das Verteidigungsministerium anbot. Das war Olmert, der Zyniker. Er
wußte – genau wie wir –, daß Peretz in eine Falle tappt, daß er als
reiner Zivilist ohne ernsthafte militärische Erfahrungen zur leichten
Beute der Generäle werden würde. Aber Peretz schrak nicht zurück. Das
höchste Ziel seines Lebens ist, Ministerpräsident zu werden, und um ein
glaubwürdiger Kandidat zu sein, glaubte er, er müsse sich selbst als
Sicherheitsexperte präsentieren.

Seitdem ist Peretz zum Oberkriegstreiber geworden. Nicht nur, daß er
alle Forderungen der Generäle unterstützt, nicht nur, daß er als ihr
Sprecher fungiert – er hat auch mitgeholfen, Israel in den Krieg zu
treiben. Seitdem fordert er, der Krieg solle fortgesetzt und ausgedehnt
werden, es solle mehr getötet, mehr zerstört, mehr besetzt werden. Er
erklärte selbst: »Nasrallah wird niemals den Namen Amir Peretz
vergessen!« – wie ein verwöhntes Kind, das seinen Namen in eine
Touristenattraktion einritzt.

Im Augenblick versucht er sogar, extremer als Olmert zu sein. Während
der Ministerpräsident zögert, weiter zu gehen und um die zu vielen
Todesfälle durch Raketen und durch Gefechte auf dem Boden besorgt ist,
die ihm womöglich den Siegesglanz verdunkeln könnten, will Peretz den
Litani-Fluß erreichen, was immer es auch kosten mag. Da gibt es keinen
anderen Weg, falls man Ministerpräsident werden will: Man muß über
Leichen gehen.

Übersetzung aus dem Englischen: Ellen Rohlfs und Christoph Glanz

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