Forum: Digitale Signalverarbeitung / DSP / Machine Learning Pol Nullstellen Diagramm anschaulich


von blup (Gast)


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Hi.

Mir ist schon klar, dass wenn ich ein Pol Nullstellendiagramm
gegeben habe die Übertragungsfunktion bis auf eine Konstante
eindeutig bestimmt ist. Ich weiss aber nicht wie man nun
anschaulich aus dem Diagramm Informationen entnimmt ohne
die Übertragungsfunktion aufzustellen und "durchzurechnen".

Kann mir jemand anschauliche Deutungen von den Diagrammen
näherbringen? Am besten auch mit "Begründung" warum dies und
das so ablesbar ist.

Danke.

von Richard (Gast)


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zeichne dir das Pol-NS diagramm (mam besten in Matlab) und  vergleich es 
mit der Uebertragfkt....

ich stell mir das ein wenig wie ein "Zirkuszelt" vor: die NS drucken 
nach unten, die PS nach oben

von Hägar (Gast)


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Man muss sich das so vorstellen: Die Übertragungsfunktion, genauer deren 
Betrag gibt die Höhe einer 3-dimensionalen Funktion aufgespannt über der 
komplexen Ebene an. Nullstellen ergeben "Täler", Pole "Gipfel", wenn man 
so will.

Im Bild ist das für einen Butterworth Tiefpass dargestellt. Verändert 
sich die Frequenz so bewegt man sich auf der imaginären Achse, d.h. die 
Schnittkante mit der j-Achse ist der Amplitudengang des Filters.

von Hägar (Gast)


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Im Digitalen kann man sich das gleichermassen vorstellen, allerdings 
wird die komplexe Ebene mit einem Zylinder mit Radius 1 und Mittelpunkt 
0,0 geschnitten und der Amplitudengang ergibt sich aus der entstehender 
Schnittkante. Wie Kreise das so an sich haben, man kommt irgendwann an 
einen Punkt an dem man schon mal war, abhängig von der Abtastfrequenz 
eben früher oder später :-)

von blup (Gast)


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Ich hab hier bei einem Pol Nullstellen Applet mal ein
paar Sachen gelesen zu denen ich gern eine genauere Erklärung hätte.

"Eine Polstelle bewirkt einen Abfall des Betrages der 
Übertragungsfunktion ab einer Grenzfrequenz."

Ich dachte Polstellen drücken nach oben? Und wie krieg ich aus
ner Polstelle die zugehörige Grenzfrequenz?

"Ebenfalls (bei einer Polstelle, Anmerkung von mir) erfolgt eine 
Phasendrehung bei der Grenzfrequenz um -90 Grad."

Warum das?

"Je weiter ein Pol vom Ursprung der komplexen Ebene entfernt ist, um so 
schneller ist das System. Dabei ist zu beachten, dass ein System mit 
einem rechts ( " langsam") liegenden
Pol nicht durch das Einbringen eines weiter links liegenden Pols 
schneller gemacht
werden kann. Rechts liegende Pole dominieren in der Regel das 
Systemverhalten."

Was heisst Schneller? Schwingt sich schneller ein? Warum sind
rechts liegende Pole dominant?

"Eine Nullstelle bewirkt einen Anstieg des Betrages der 
Übertragungsfunktion sowie eine Phasendrehung um +90 Grad bei der zu der 
Nullstelle gehörenden Grenzfrequenz."

Nullstelle und Anstieg? Warum wieder Phasendrehung?

Wäre dankbar wenn mir das jemand erklären würde...

von blup (Gast)


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Ach noch der Link zu dem Text und dem Applet:
http://www2.iei.tu-clausthal.de/~promise/polnull/Main.htm?Submit6=Applet

von Hägar (Gast)


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> "Eine Polstelle bewirkt einen Abfall des Betrages der
> Übertragungsfunktion ab einer Grenzfrequenz."
> Ich dachte Polstellen drücken nach oben? Und wie krieg ich aus
> ner Polstelle die zugehörige Grenzfrequenz?

Der Pol drückt nach oben. Der Pol hat aber nur einen bestimmten 
"Wirkungskreis" irgendwann geht's auch wieder runter. Denk daran, dass 
negative Frequenzen eine Spiegelung der positiven sind. Beachten muss 
man auch noch, dass in einem Bode-Diagramm wie man's normalerweise sieht 
die Frequenzachse logarithmisch skaliert ist. In den Bilder oben ist die 
imaginäre Achse linear!

> "Ebenfalls (bei einer Polstelle, Anmerkung von mir) erfolgt eine
> Phasendrehung bei der Grenzfrequenz um -90 Grad."
Die Phase ist definiert als:
Wenn man sich klar macht, dass s = a + jb ist und man etwas 
Trigonometrie anwendet kommt man da schnell drauf.

An einer Polstelle (bzw. der Grenzfrequenz) gilt

Damit ist die Phase

Negativ wird die Phase, da der Pol im Nenner vorkommt.

> "Je weiter ein Pol vom Ursprung der komplexen Ebene entfernt ist, um so
> schneller ist das System. Dabei ist zu beachten, dass ein System mit
> einem rechts ( " langsam") liegenden
> Pol nicht durch das Einbringen eines weiter links liegenden Pols
> schneller gemacht
> werden kann. Rechts liegende Pole dominieren in der Regel das
> Systemverhalten."

> Was heisst Schneller? Schwingt sich schneller ein? Warum sind
> rechts liegende Pole dominant?

Da muss man erstmal bissel Klarheit schaffen. Rechts liegender Pol meint 
immernoch Pol links der imaginären Achse (negativer Realteil), aber eben 
weit rechts in der linken Halbebene (nach bei der imaginären Achse).
Stell dir nun wieder vor du bewegst dich auf der imaginären Achse. Ein 
Pol liegt bei -1 und einer bei -100. Wessen Auswirkungen spürst du am 
ehesten? Die des nahen Pols, er dominiert damit das Verhalten.

Zum Thema Geschwindigkeit. Hinter all diesen Übertragungsfunktionen und 
Systemen stecken lineare Differentialgleichungen mit konstanten 
Koeffizienten (nur deshalb funktioniert die Laplacetransformation). Die 
Lösung einer solchen Differentialgleichung hat immer die Form:
r_i ist darin das s.g. Residuum und p_i ist der Pol. Die e-Funktion 
klingt umso schneller ab, je grösser p_i ist. Hier sieht man auch wieder 
das Problem der Stabilität. Liegt der Pol in der rechten Halbebene 
(positiver Realteil) wird das Argument der e-Funktion positiv und sie 
klingt eben nicht mehr ab.

Man kann sich das auch so erklären. Zerlegt man eine 
Übertragungsfunktion mittels Partialbruchzerlegung in Teilsysteme:
So ist der Einfluss des Teilsystems auf die Gesamtsystemeigenschaften 
umso grösser, je grösser das Verhältnis von Residuum zu Pol ist 
(natürlich Absolutwerte).

> "Eine Nullstelle bewirkt einen Anstieg des Betrages der
> Übertragungsfunktion sowie eine Phasendrehung um +90 Grad bei der zu der
> Nullstelle gehörenden Grenzfrequenz."
> Nullstelle und Anstieg? Warum wieder Phasendrehung?

Wie gesagt es kommt immer auf den Standpunkt an. Befindet man sich im 
Tal ist es ein Aufstieg, befindet man sich am Berg ist es ein Abstieg.

von Walter S. (waldo)


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Hallo,
lineare Systeme werden durch ein System von linearen 
Differenzialgleichungen beschrieben. Diese Gleichungen lassen sich mit 
der Laplace-Transformation in ein System gebrochen rationaler, komplexer 
Gleichungen überführen.
Gebrochen rationale Gleichungen lassen sich über eine 
Partialbruchzerlegung in folgende Form überführen:

G(s) = k * ((1-b0*s)*(1-b1*s)*...*(1-bm*s)) / 
((1-a0*s)*(1-a1*s)*...*(1-an*s))

oder

G(s) = k * N(s)/P(s)

mit

N(s) = ((1-b0*s)*(1-b1*s)*...*(1-bm*s))  und
P(s) = ((1-a0*s)*(1-a1*s)*...*(1-an*s))

Mit G(s) passiert was besonderes, wenn N(s)=0 oder wenn P(s)=0. 
Besonders besonders ist P(s)=0. Es zeigt sich nämlich, dass P(s) das 
Systemverhalten im Besonderen beschreibt. In P(s) steckt im Besonderen 
die Information über die Stabilität des Systems.
Die Nullstellen von P(s), also alle ai (i=0,..,n), bestehen als komplexe 
Zahlen aus einem Realteil und einem Imaginärteil.
Nun zeigt sich, dass die Realteile wichtig für die Stabilität sind. Ein 
Pol (Nullstelle von P(s), ai) mit negativem Realteil beschreibt ein 
stabiles Teilverhalten.
Nur wenn alle Pole von G(s) stabil sind, ist das System stabil. Das 
heißt, dass die Systemantwort für große Zeiten gegen null (bzw. einen 
konstanten Wert) geht.
Gibt es einen Pol mit positivem Realteil ist die Stabilität nicht 
gegeben, dann strebt, bei einer kleinen Störung, die Systemantwort für 
große Zeiten nicht gegen null, sondern wächst theoretisch unendlich an.

Wenn man also die Pole in ein 2D-Diagramm mit dem Realteil auf der 
x-Achse und dem Imaginärteil auf der y-Achse einträgt, liegen alle Pole 
eines stabilen Systems in der linken Halbebene. Ein Pol auf der rechten 
Halbebene ist ein Zeichen für Instabilität.

Was bedeuten nun die Imaginärteile? Dazu muss man die generelle Lösung 
einer linearen Differentialgleichung betrachten.
Die Lösung der einfachsten linearen Differenzialgleichung

a*dx/dt-x(t) = u(t)

mit u(t)=0 ist eine e-Funktion

y = y0*e^(a*t)

Darin ist a der Pol von P(s). Vergl. für a<0 und a>0 mit oben.

Ist die DGL nun von höherer Ordnung, kommen mehr Pole hinzu. Es zeigt 
sich, dass alle Pole mit Imaginärteil als Paar auftauchen. Bei einem 
Paar ist der Betrag der Realteile gleich und der Betrag der 
Imaginärteile gleich. Es sind also konjugiert komplexe Zahlen. Die 
Lösung der Systemgleichung setzt sich also aus e-Funktionen zusammen, 
die durch konjugiert komplexen Zahlen charakterisiert sind:

y = y0*(e^((ar+i*ai)*t) + e^((ar-i*ai)*t)) ...

Also wieder mit y = y0*e^( Pol *t).

Aus einer Formelsammlung kann man entnehmen:

sin(a*t) = e^(i*a*t) - e^(-i*a*t)
cos(a*t) = e^(i*a*t) + e^(-i*a*t)

Vergleicht man das mit der allgemeinen Lösung von oben, ahnt mann, dass 
die Lösung eine Schwingung enthält. Man ahnt also, dass der Imaginärteil 
etwas mit Schwingung zu tun hat. Der Realteil taucht auch auf und 
scheint wie bei der einfachsten Form der Lösung für das Verhalten bei 
großem t zuständig zu sein.

Es zeigt sich also, dass der Realteil die Stabilität bestimmt und der 
Imaginärteil die Schwingungsfähigkeit bestimmt. Aus den Gleichungen für 
sin und cos erkennt man, dass ein großer Imaginärteil eine hohe Frequenz 
bedeutet.
Ein großer Realteil bedeutet schnelles abklingen.

Gruss

von blup (Gast)


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"An einer Polstelle (bzw. der Grenzfrequenz) gilt

\Im\{{H(s)\}} = \Re{\{H(s)\}}"

Hm... warum das?

von Walter S. (waldo)


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Hallo,
in meinen Gleichungen sind einige Fehler:

Die Systemgleichung lautet korrekt:

G(s) = k * ((s+b0)*(s+b1)*...*(s+bm))/((s+a0)*(s+a1)*...*(s+an))

und

G(s) = k * N(s)/P(s)

mit

N(s) = (s+b0)*(s+b1)*...*(s+bm)
P(s) = (s+a0)*(s+a1)*...*(s+an)

Das Beispiel würde besser heißen:

dx(t)/dt + a*x(t) = u(t)

mit

G(s) = 1/(s+a)

und die Lösung für u(t)=0:

x(t) = x0* e^(-a*t)

mit

Pol s1 = -a
a > 0:  stabil
a < 0:  instabil

Und die sinus und cosinus Funktionen:

sin(a*t) = 1/2i * (e^(i*a*t) - e^(-i*a*t))
cos(a*t) = 1/2  * (e^(i*a*t) + e^(-i*a*t))

Hoffentlich ist die Grundaussage trotzdem verständlich geworden.

Gruß

von Dieter Bohlen (Gast)


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Wandert ein Pol/NS nach rechts auf der reellen Achse hat man eine 
Verstärkung drin (positive relle e-fkt), linke reelle Achse: gedämpft 
(stabiles System, e^-..t).

Bewegt man sich auf der imaginären Achse hoch und runter verändert man 
die frequenz (komplexe e-fkt)

von Dieter Bohlen (Gast)


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http://www.amazon.de/Einf%C3%BChrung-die-Halbleiter-Schaltungstechnik-Springer-Lehrbuch/dp/3540340297/ref=pd_bbs_sr_3?ie=UTF8&s=gateway&qid=1200914911&sr=8-3

Hier ist das ganze auch recht gut (3D) erklärt).

Achja, und via PN-Diagramm kann man auch Bode-Diagramme zeichnen, weiß 
aber gerade nicht mehr genau wie das ging, an jedem rechten Pol sinkt 
der Betragsverlauf um 20dB oder so?!

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