Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Einsatzbereiche verschiedener Kernmaterialen


von Jonathan (Gast)


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Hallo,

ich habe mich schon durch Google und dieses und andere Foren gewühlt, 
aber im Endeffekt eine Menge teils widersprüchlicher Aussagen gefunden.

Wie der Titel sagt, wüsste ich gerne, wie die Einsatzbereich der 
verschiedenen Kernmaterialien zu kategorisieren sind, bzw. welches 
Kernmaterial für welche Anwendung günstig ist.

Massive (geschichtete) Eisenkerne lasse ich außen vor, die Wirbelstrom- 
und Remanenzverluste sind für den khz-Bereich nicht tragbar.

Explizit gilt mein Interesse den Anwendungen:
1) Step up / Step down -Wandler
2) Flusswandler
3) Netzfilter


Zu 1)
Hier sind Energiespeicher notwendig, das ist klar. Hohe Permeabilität 
führt zu hoher Induktivität aber kleinen Sättigungsströmen, also muss 
ein Luftspalt in Spiel. Entweder als wirklicher Luftspalt ausgeführt 
(E-Kern) oder über das Material verteilt (Ringkern). Hier kommt 
Eisenpulver oder Ferrit (Eisenoxid) zum Einsatz. Eisenpulver besitzt 
eine höhere maximale Flussdichte (0,5 bis 1 Tesla) und geht eher "sanft" 
in die Sättigung. Ferrit besitzt eine geringere maximale Flussdichte 
(0,3-0,4 Tesla) und verliert bei Erreichen der Sättigungsgrenze sehr 
schnell die Permeabilität.
Fragen: Besitzen Eisenpulverkerne auch einen Luftspalt oder haben sie 
von Haus aus eine geringere Permeabilität? Ferrite benötigen auf jeden 
Fall einen Luftspalt zu Energiespeicherung. Wann ist es nun sinnvoll, 
welches Material einzusetzen? Eisenpulverkerne sind günstiger, haben 
aber höhere Kernverluste als Ferrite bei gleicher Frequenz? Die Energie 
im Magnetfeld ist bekanntlich nach E= 0,5LI² definiert, also senkt man 
die Induktivität durch einbringen des Luftspalts, erhält aber einen 
höheren Sättigungsstrom, der quadratisch in Energiebilanz eingeht. 
Gesucht ist also ein Kompromiss (abgesehen von weiteren Parametern, wie 
Frequenz und Ripple und...)?

Zu 2)
Flusswander brauchen keine Energie zwischenspeichern. Hier ist ein 
geringer Magnetisierungsstrom erwünscht, also eine hohe 
Hauptinduktivität. Das spricht gegen einen Luftspalt.
Fragen: Welches Material eignet sich hier am Besten? Ich kann mir 
vorstellen, dass es produktionsbedingt nicht ganz ohne Luftspalt geht. 
Hier entscheidet also, welches Material die größte Permeabilität 
ermöglicht? Gibt es hier Unterschiede zwischen Ringkern und E-Kern?

Zu 3)
Im Netzfilter kenne ich stromkompensierte Drosseln und 
Sättigungsdrosseln.
Stromkompensierte Drossel benötigen eine geringe Güte, so dass die 
Verluste für zu dämpfende Frequenzen hoch werden.
Fragen: Welches Kernmaterial ist hier angesagt? Oft sieht man 
Eisenpulverkerne, welche aber gleichzeitig wie in 1) angesprochen als 
Energiespeicher dienen. Welcher Parameter entscheidet über die Güte? 
Oder ist es so, dass die Kerne die gleichen Eigeschaften haben, nur dass 
die Verluste erst in deutlich höheren Frequenzen zum Tragen kommen? Für 
Sättigungsdrosseln wäre es doch klug, auf Ferrit zu setzen, da dieses 
heftiger sättigt?

Allgemeine Fragen:
Kann die Sättigung immer über das Zeit-Spannungsprodukt bestimmt werden? 
Bei Übertragern funktioniert das ja sehr gut, aber wie verhält es sich, 
wenn ein Luftspalt ins Spiel kommt? Kann man sagen, unabhängig vom 
Luftspalt sättigt das Kernmaterial mit dem gleichen 
Zeit-Spannungsprodukt (bei gleich Geometrie), lediglich die 
Sättigungsströme ändern sich?
Was spricht gegen Luftspulen als Speicherdrosseln, bzw. Stabkerne oder 
andere Geometrien mit hohem Streufeld? (abgesehen eben vom Streufeld und 
größerem Bauvolumen).
Was spricht gegen einen Sperrwandler mit Ringkern?
Würde man einen Durchflusswandler mit einen Luftspalt versehen, würde 
das dem Vergrößern der Streuinduktivität im Ersatzschaltbild 
entsprechen?

Wie ihr seht, habe ich viele Fragen und bin ganz gierig nach schlüssigen 
Antworten. Mir fällt auch bestimmt noch das eine oder andere ein, aber 
das solls für heute sein ;)

Ich bedanke mich im Voraus für jede sachbezogene Antwort!

Gruß,
Jonathan

von Abdul K. (ehydra) Benutzerseite


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Aha, der Mann mit dem Flyback-Flachtrafo??

von Jonathan (Gast)


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@Abdul K.: Wie meinst du das? Ein Insider-Witz? ;P Hinsichtlich eines 
Flachtrafo-Sperrwandlers habe ich noch nichts unternommen und auch 
gegenwärtig keine Intentionen. Kann es sein, dass du mich verwechselst?

von Falk B. (falk)


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@  Jonathan (Gast)

>1) Step up / Step down -Wandler
>2) Flusswandler
>3) Netzfilter

>Zu 1)
>Hier sind Energiespeicher notwendig, das ist klar.

Falsch. Step Up/down sagt NICHTS über die Topologie. Das KANN ein 
Sperrwandler sein, genausogut aber auch ein Flußwandler.

> Hohe Permeabilität
>führt zu hoher Induktivität aber kleinen Sättigungsströmen, also muss
>ein Luftspalt in Spiel. Entweder als wirklicher Luftspalt ausgeführt
>(E-Kern) oder über das Material verteilt (Ringkern). Hier kommt
>Eisenpulver oder Ferrit (Eisenoxid) zum Einsatz. Eisenpulver besitzt
>eine höhere maximale Flussdichte (0,5 bis 1 Tesla)

Naja, nach meinem Halbwissen eher 0,5T.

> und geht eher "sanft"
>in die Sättigung. Ferrit besitzt eine geringere maximale Flussdichte
>(0,3-0,4 Tesla) und verliert bei Erreichen der Sättigungsgrenze sehr
>schnell die Permeabilität.

Alles relativ. Es gibt auch Ferrite mit wenig µr, dort ist der Übergang 
auch sanft, alles eine Frage des (verteilten) Luftspalts.

>Fragen: Besitzen Eisenpulverkerne auch einen Luftspalt

Wenn es die Geometrie zuläßt, ja.

>oder haben sie
>von Haus aus eine geringere Permeabilität?

Auch.

> Ferrite benötigen auf jeden
>Fall einen Luftspalt zu Energiespeicherung.

Der kann auch verteilt sein, es gibt verdammt viele verschiedene 
Ferrite.

> Wann ist es nun sinnvoll,
>welches Material einzusetzen? Eisenpulverkerne sind günstiger, haben
>aber höhere Kernverluste als Ferrite bei gleicher Frequenz?

Pi mal Daumen, ja.

>Die Energie
>im Magnetfeld ist bekanntlich nach E= 0,5LI² definiert, also senkt man
>die Induktivität durch einbringen des Luftspalts, erhält aber einen
>höheren Sättigungsstrom, der quadratisch in Energiebilanz eingeht.

Genau.

>Gesucht ist also ein Kompromiss (abgesehen von weiteren Parametern, wie
>Frequenz und Ripple und...)?

Siehe Transformatoren und Spulen und Spule.

>Zu 2)
>Flusswander brauchen keine Energie zwischenspeichern. Hier ist ein
>geringer Magnetisierungsstrom erwünscht, also eine hohe
>Hauptinduktivität. Das spricht gegen einen Luftspalt.

Ja.

>Fragen: Welches Material eignet sich hier am Besten?

Hochpermeables.

>Ich kann mir
>vorstellen, dass es produktionsbedingt nicht ganz ohne Luftspalt geht.

Kommt auf den Kern an.

>Hier entscheidet also, welches Material die größte Permeabilität
>ermöglicht? Gibt es hier Unterschiede zwischen Ringkern und E-Kern?

Sicher. Ringkern kriegt man luftspaltfrei hin, ist aber aufwändiger zu 
wickeln.

>Stromkompensierte Drossel benötigen eine geringe Güte, so dass die
>Verluste für zu dämpfende Frequenzen hoch werden.

So in etwa.

>Fragen: Welches Kernmaterial ist hier angesagt? Oft sieht man
>Eisenpulverkerne, welche aber gleichzeitig wie in 1) angesprochen als
>Energiespeicher dienen. Welcher Parameter entscheidet über die Güte?

Das Material und die frequenzabhängigen Verluste, Leitfähigkeit etc.

>Oder ist es so, dass die Kerne die gleichen Eigeschaften haben, nur dass
>die Verluste erst in deutlich höheren Frequenzen zum Tragen kommen? Für
>Sättigungsdrosseln wäre es doch klug, auf Ferrit zu setzen, da dieses
>heftiger sättigt?

Nö, die meisten Drosseln haben Eisenpulverkerne, weil das billiger ist 
und für Drosseln meist ausreichend.

>Kann die Sättigung immer über das Zeit-Spannungsprodukt bestimmt werden?

Ja.

>Bei Übertragern funktioniert das ja sehr gut, aber wie verhält es sich,
>wenn ein Luftspalt ins Spiel kommt?

Genau so.

> Kann man sagen, unabhängig vom
>Luftspalt sättigt das Kernmaterial mit dem gleichen
>Zeit-Spannungsprodukt (bei gleich Geometrie), lediglich die
>Sättigungsströme ändern sich?

Ja, wenn gleich auf grund der weiheren Kennlinie der Sättigungspunkt 
schwerer messbar ist.

>Was spricht gegen Luftspulen als Speicherdrosseln, bzw. Stabkerne oder
>andere Geometrien mit hohem Streufeld? (abgesehen eben vom Streufeld und
>größerem Bauvolumen).

Das größere Volumen.

>Was spricht gegen einen Sperrwandler mit Ringkern?

Nichts.

>Würde man einen Durchflusswandler mit einen Luftspalt versehen, würde
>das dem Vergrößern der Streuinduktivität im Ersatzschaltbild
>entsprechen?

Ja.

MfG
Falk

von Fralla (Gast)


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Wenn der Fluwandler mehr Spalt hat muss die Streung nicht zwngsweise 
größer werden. Es äußert sich nur in höherem Magnetisierungsstrom (was 
nicht immer schlecht ist, zb um ein Wandern des Flußes in 
Brückenwandlern ohne Koppelkondensator zu verhindern).

Oder Gate Ansterutrafos, die Arbeiten auch als Flußwandler. Man kann dem 
Ker aber etwas speichern lassen um einen kräftigen Ausschaltimpus zu 
erhalen.

Den Rest hat Flak ja schon beantworte...

MFG Fralla

von Jonathan (Gast)


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Hallo,

vielen Dank für eure Antworten. Das hilft mir schon ein gutes Stück 
weiter, bzw. bin ich nicht ganz auf dem falschen Weg.

Explizit zu stromkompensierten Drosseln stellt sich noch die Frage, ob 
diese auch als Eisenpulverkern ausgeführt werden oder ausschließlich 
Ferrit.
Wenn man einen gängigen Netzfilter eines Schaltnetzteils anschaut, sind 
überwiegend E-kerne (o.ä.) zu finden, seltener Ringkerne. Das 
Kermaterial hat da sehr hohe Permeabilitäten, also spricht doch alles 
für Ferrit?
Weiterführende Frage: Könnte man aus stromkompensierten Drosseln 
aufgrund der hohen Permeabilität Flusswandler bauen? Oder sind erhöhte 
Verluste zu erwarten?

Danke!

von Jonathan (Gast)


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Hallo zusammen,

ich möchte das Thema wieder aus der Versenkung holen.
Nach wie vor stelle ich mir die Frage, ob es Sinn macht aus den 
hochpermeablen Kernen aus Netzfiltern einen Flusswandler zu bauen.

Gruß,
Jonathan

von Falk B. (falk)


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@  Jonathan (Gast)

>Nach wie vor stelle ich mir die Frage, ob es Sinn macht aus den
>hochpermeablen Kernen aus Netzfiltern einen Flusswandler zu bauen.

Sicher, Flußwandler brauchen viel Permiabilität, das bringt viel 
Hauptinduktivität und damit wenig Magnesisierungsstrom. Wenn gleich ein 
Netzfilter nur ein experimenteller Kern für sowas ist, optimal ist er 
nicht, vor allem wegen der HF-Verluste des Materials, was beim 
Netzfilter ja erwünscht ist.

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