Transformatoren und Spulen

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Vorwort

Dieser Text ist eine Übersetzung des englischen Originals. Es wurde nur dahin erweitert bzw. verändert, dass für alle Formelzeichen die in Deutschland gängigen Buchstaben verwendet wurden. Weiterhin sind alle Formeln bei der ersten Erklärung doppelt geschrieben. Einmal mit Formelzeichen und einmal mit den dazugehörigen Einheiten, welche dann in eckigen Klammern [ ] dargestellt werden. Dieser Artikel existiert auch als leicht überarbeitetes PDF zum Herunterladen und Drucken: Datei:Transformatoren und Spulen.pdf.

Einleitung

Es gibt viele Elektroniker, sowohl Hobbybastler als auch Profis, welche mit dem Elektromagnetismus auf Kriegsfuß stehen. Immer, wenn sie eine Spule oder einen Transformator entwerfen müssen, tut sich ein Abgrund der Verzweiflung vor diesen Leuten auf. Das Schlimmste ist, dass diese armen Opfer meist nicht schuld sind, da die Autoren von Sachbüchern scheinbar eine Verschwörung geschmiedet haben, um diese Dinge möglichst kompliziert zu erklären, so dass sie niemand wirklich verstehen kann. Oder die Autoren haben es selber nicht richtig verstanden?

Gut – das Internet rettet uns. Ich werde die Grundlagen in einfachen, verständlichen Worten erklären. Hier findest du die meisten Informationen, welche benötigt werden, um elektromagnetische Teile zu entwickeln.

Die Einheiten

Ich habe eine Bitte. Wer auf dieser Seite landet, soll bitte alle alten und absurden Einheiten, mit denen die Sachbücher vollgestopft sind, vergessen. Am meisten zu nennen Zoll (Inch), Gauß und Oersted. Entferne diese Worte vollständig aus deinem Vokabular. Die haben dort keinen Platz. Sie sind grundlegende Schuldige bei der Verwirrung der Menschen, welche magnetische Entwicklungen machen wollen, sie machen sie irre. Nachdem wir sie nun losgeworden sind, können wir anfangen.

Die erste Einheit, die wir nutzen werden, ist das Weber, geschrieben als Wb. Das ist die offizielle Einheit des magnetischen Flusses [math]\displaystyle{ \Phi }[/math]. Wenn man eine Leiterschleife nimmt und 1 V für 1 s anlegt, wird der Fluß in der Schleife sich um 1 Wb geändert haben. Man beachte, dass das immer so ist, egal wie groß oder geformt die Schleife ist und egal, was sich in ihr befindet. Offiziell ist die Definition des Weber so

[math]\displaystyle{ \Phi = U \cdot t }[/math]
[math]\displaystyle{ [\Phi] = \text{Wb} = \text{V} \cdot \text{s} }[/math]

Aber ich bevorzuge die Gleichung in etwas praktischerer Form, bei der die Windungszahl N einer Spule berücksichtigt wird. Das ist eine unserer grundlegenden Wahrheiten.

[math]\displaystyle{ (1)\quad \Phi = \frac{U \cdot t}{N} }[/math]

d.h. die Änderung des magnetischen Flusses (in Weber) ist die Spannung (in Volt) multipliziert mit der Zeit (in Sekunden) geteilt durch die Windungszahl. Das ist eine der mächtigsten und nützlichsten Formeln die wir haben.

Wenn wir ein gewisses Maß an magnetischem Fluß durch eine bestimme Fläche pressen, dann können wir von Flußdichte sprechen. Die Einheit ist Tesla, geschrieben als T, das Formelzeichen ist B. Die Definition ist einfach und offensichtlich.

[math]\displaystyle{ (2)\quad B = \frac{\Phi}{A} }[/math]
[math]\displaystyle{ \left[\text{B}\right] = \text{T} = \frac{\text{Wb}}{\text{m}^2} }[/math]

Man beachte, daß die Sprache von Quadratmetern im Bereich der Elektronik etwas praxisfern klingt, da die meisten Bauteile eher Querschnitte im Bereich von Quadratzentimetern haben. Aber bitte glaub mir daß es praktischer ist, diese "unpraktischen" Dinge zu akzeptieren als ein Dutzend verschiedene Umrechnungsfaktoren zu benutzen! Die Grundeinheiten haben den großen Vorteil, daß absolut keine Umrechnung nötig ist.

Die Grundeigenschaft einer jeden Spule ist Induktivität, Formelzeichen L. Sie ist gemessen in Henry, geschrieben als H, definiert durch:

[math]\displaystyle{ (3)\quad L = \frac{\Phi}{I} }[/math]
[math]\displaystyle{ [\text{L}] = \frac{\text{Wb}}{\text{A}} = \frac{\text{V} \cdot \text{s}}{\text{A}} = \text{H} }[/math]

oder in Worten: Ein Henry ist die Induktivität, welche den Strom um 1 Ampere steigen läßt, wenn man für eine Sekunde ein Volt anlegt. Diese Gleichung ist für unser Zwecke auch sehr nützlich. Jetzt können wir anfangen zu spielen. Wir können Gleichung (1) und (3) verbinden und erhalten das Folgende

[math]\displaystyle{ L = \frac{\Phi \cdot N}{I} }[/math]
[math]\displaystyle{ [\text{L}] = \frac{\text{Wb}}{\text{A}} }[/math]

Solche mathematischen Umwandlungen stimmen immer und geben uns die Möglichkeit, unbekannte Größen zu bestimmen.

Tabelle aller verwendeten Formelzeichen

Parameter Formelzeichen Einheit Einheit
Kurzform
magnetischer Fluß [math]\displaystyle{ \!\,\Phi }[/math] Weber Wb
magnetische Flußdichte B Tesla T
Induktivität L Henry H
Spannung U Volt V
Strom I Ampere A
Fläche A Quadratmeter
Zeit t Sekunde s
Energie E Joule J
Windungszahl N keine 1
Frequenz f Hertz Hz
Länge l Meter m
Widerstand R Ohm Ω
spezifischer Widerstand ρ Ohm mal Quadratmillimeter
pro Meter
[math]\displaystyle{ \frac{\Omega \cdot \text{mm}^2}{\text{m}} }[/math]
Relative Permeabilität µr keine 1

Achtung! Nicht das Formelzeichen der Fläche mit der Einheit des Stroms verwechseln!

Aber jetzt geht's an praktische Dinge.

Entwicklung von Netztrafos

Während fast jeder Elektroniker weiß, daß das Spannungsverhältnis eines Transformators von dem Windungsverhältnis abhängt, taucht die Frage bei vielen Anfängern auf

"Wieviele Windungen pro Volt brauche ich?"

Es ist sehr einfach. Man hat einen Eisenkern, den will man bewickeln. Als erstes mißt man den Querschnitt des Eisens, durch den der magnetische Fluß geht. Sagen wir, der Mittelschenkel eines Transformators ist 2 cm breit und der ganze Stapel der laminierten Bleche ist gut zusammengepreßt auf 3 cm. Das bringt uns 6 cm² bzw. 6 ⋅ 10-4 m² Querschnitt. Nun müssen wir entscheiden, wieviel Flußdichte wir in unserem Eisen haben wollen. Bei niedrigen Frequenzen wie bei 50 Hz Netztrafos ist der begrenzende Faktor die Sättigung des Kerns. Sehr bescheidene Transformatoren sättigen bei 1 T, aber typische Werte liegen bei 1,2 oder 1,3 T, und ein gutes kornorientiertes Material geht vielleicht bis 1,6 oder sogar 1,7 T. Wenn man wirklich nicht weiß, welches Material man hat, sollte man besser bei 1 T auf der sicheren Seite bleiben. Für dieses Beispiel nehmen wir an, daß das Eisen für 1,2 T gut genug ist.

Durch Anwendung von Formel (2) erhält man den maximal zulässigen Fluß von 0,72 mWb. Doch bevor es weitergeht, warte für einen Moment und denk nach! Eisen kann in beide Richtungen magnetisiert werden. Die Gesamtänderung des magnetischen Flusses, vom maximal negativem zum maximal positiven, kann 1,4 mWb betragen. Weiter mit Formel (1) und der Berechnung der Windungen. Nehmen wir an wir reden von Chile oder einem anderen Land mit 220 V und 50 Hz.

[math]\displaystyle{ 1,44~\text{mWb}=\frac{220~\text{V} \cdot 10~\text{ms}}{N} }[/math]
[math]\displaystyle{ N=\frac{220~\text{V} \cdot 10~\text{ms}}{1,44~\text{mWb}}=1528 }[/math]

Das ist die Windungszahl der 220 V Primärwicklung. Einfach, oder? In Wirklichkeit ist das oben Gesagte zu einfach um wahr zu sein. Es gibt einen anderen Faktor, den ich übersprungen habe. Das Obige wäre wahr, wenn die Netzspannung 220 V Rechteck wäre. In Wahrheit ist es aber ein Sinus mit 220 V Effektivwert, während der Mittelwert etwas anders ist. Und der magnetische Flußaufbau hängt vom Mittelwert ab, nicht vom Effektivwert! Also müssen wir einen kleinen Korrekturfaktor einführen, welcher durch Mathematik aus der Sinusfunktion abgeleitet werden kann. Anstatt mit der exakten Mathematik hier zu nerven empfehle ich mein Kochbuchrezept. 11 % zu unserem Vorteil.[1] Also reichen hier 1376 Windungen. Wo kommen die 10 ms her, mag man fragen? Denk noch mal. Die Änderung vom maximal negativen zum maximal positiven Fluß passiert in einer Halbwelle. Und bei 50 Hz sind das 10 ms. Wir können das alles in eine einfache, universelle Formel packen, gültig für die Berechnung der Windungen für alle Transformatoren und Spulen mit Sinusspannung.

[math]\displaystyle{ (4)\quad N = \frac{U_{RMS}}{4,44 \cdot A \cdot f \cdot B} }[/math]
[math]\displaystyle{ [\text{Windungen}] = \frac{[V]}{4,44 \cdot [m^2] \cdot [Hz] \cdot [T]} }[/math]

Die 4,44 ist kein Umrechnungsfaktor, sondern ergibt sich aus 2 * 2 * 1,11. Eine "2" ist für die Tatsache, daß der magnetische Umschwung doppelt so groß wie der einseitige ist (damit kann man die einfache Sättigungsgrenze einsetzen), die andere "2" entsteht durch die zwei Halbwellen der Sinusschwingung und die 1,11 ist der Umrechnungsfaktor von Effektivwert auf Mittelwert der Sinusspannung.

([math]\displaystyle{ N = \tfrac{\hat{Uind}}{d\Phi/dt} }[/math] für Sinus: [math]\displaystyle{ = \tfrac {\hat{Uind}} { j \omega \cdot \Phi } = \tfrac {\hat{Uind}} {2 \cdot \pi \cdot f \cdot B \cdot A} = \tfrac { \sqrt{2} \cdot Uind_{rms} } {2 \cdot \pi \cdot f \cdot B \cdot A} }[/math] also [math]\displaystyle{ 4,44 \approx \tfrac {2 \cdot \pi } { \sqrt{2}} }[/math])

Leistung

Eine andere Frage ist meistens, wieviel Leistung ein Trafo bestimmter Größe übertragen kann. Laßt uns das analysieren.

Der magnetische Fluß im Kern hängt ab von der Spannung, welche an die Windungen angelegt wird, der Frequenz, aber nicht dem Strom, welcher der Transformator liefert! Oh, na gut, ein wenig Abhängigkeit gibt es da schon durch Effekte der realen Welt. Wenn man mehr Strom zieht, fällt durch den Widerstand der Wicklung etwas Spannung ab, wodurch die effektiv an der Wicklung wirksame Spannung reduziert wird und dadurch der magnetische Fluß proportional reduziert wird. Aber der entscheidende Punkt ist, daß der Kern des Trafos nicht die Ausgangsleistung beeinflußt. Diese Grenze kommt von den Wicklungen und hat zwei Seiten. Eine ist der Spannungsabfall, welche proportional zum Ausgangsstrom ist und an einem Punkt so groß sein wird, daß die Spannung für die Last nicht mehr ausreicht. Die andere ist Erwärmung. Mit steigender Last steigt die Verlustleistung in den Wicklungen quadratisch, und wenn man genügend Leistung lange genug entnimmt werden sie abbrennen.

All das Gesagte macht klar, daß die Leistung eines Transformators abhängt von dem magnetischen Kernquerschnitt (weil mehr Querschnitt weniger Windungen benötigt, damit dickerer Draht verwendet werden kann) und von der Größe des Wickelfensters, das ist der Querschnitt wo sich die Wicklungen befinden. Aber es gibt keine lineare Formel für den Zusammenhang dieser beiden Dinge zur Leistung. Wenn ein Transformator größer wird, wird der Pfad zur Wärmeableitung länger und somit wird das Anwachsen der Leistung geringer als das Produkt der beiden Querschnittsflächen.

Bei all dem Durcheinander werde ich keine Abschätzungen abgeben, dafür aber die reale Berechnung empfehlen. Für einen gegebenen Eisenkern, berechne die benötigten Windungen, beachte den verfügbaren Platz dafür, berechne die Drahtstärke und über den spezifischen Widerstand von Kupfer von 0,0178 Ω ⋅ mm² / m den Gesamtwiderstand der Wicklung. Jetzt kann es helfen zu wissen, daß für kleine Transformatoren ein maximaler Verlust von 10 % (5 % pro Wicklung) normalerweise akzeptiert wird. Das sollte es ermöglichen, die Leistung zu berechnen, welche sicher aus dem Trafo entnommen werden kann, wenn man genug Wissen für diese Rechnung hat. Man braucht nicht mehr Mathematik als man in der Schule gelernt hat, etwa in der 5. Klasse.

Hey, ich höre euch schreien. Ok, ok, um die Sache klarer zu machen werde ich ein Beispiel vorrechnen. Nehmen wir den Kern von oben an, mit 6 cm² Querschnitt und 10 cm² verfügbar für die Wicklungen und daß eine Windung im Mittel 20 cm lang ist. Wir verteilen den Wickelraum gleichmäßig auf Primär- und Sekundärseite. Und wir nehmen an, daß nur 40 % des Wickelfensters wirklich für Kupfer genutzt werden, der Rest ist Isolation, Luft und verlorener Zwischenraum. Das ist in etwa eine realistische Annahme und beschert uns 2 cm² für das Kupfer pro Wicklung. Mit 1376 Windungen hat die Primärwicklung einen Drahtquerschnitt von 0,14 mm², die Gesamtlänge ist 275 m. Der Widerstand berechnet sich aus

[math]\displaystyle{ R = \frac{\rho \cdot l}{A} = \frac{0,0178 \frac{\Omega \cdot mm^2}{m} \cdot 275m}{0,14mm^2}=35 \Omega }[/math]

Wir erlauben 5 % Verlust in jeder Wicklung. Bei 220 V sind das 11 V. Nun einfach das ohmsche Gesetz anwenden und der maximal Primärstrom ist 0,32 A, multipliziert mit 220 V ergibt das ein maximale Eingangsleistung von 70 VA für diesen Trafo.

Cool, he? ;-)

Man beachte, daß der Magnetisierungsstrom hier nicht berücksichtigt wird. Du sagst vielleicht, daß selbst wenn es nur 10 oder 20 % des Maximalstroms sind, er doch berücksichtigt werden muß. Wenn du das sagst, liegst du falsch. Der Magnetisierungsstrom ist 90° phasenverschoben zum transformierten Laststrom und dadurch, selbst wenn es 20 % des Laststrom sind, die Spitze der vektoriellen Summe der beiden sehr nahe beim Laststrom allein liegt. Es lohnt sich nicht den kleinen Unterschied zu beachten.

Transformatoren für Schaltnetzteile

Das vorherige Kapitel kann nahezu vollständig auf Transformatoren höherer Frequenz in Schaltnetzteilen angewendet werden. Es gibt nur ein paar praktische Unterschiede, welche ich jetzt nennen werde.

Bei Frequenzen über ein paar hundert Hertz ist die Sättigung nicht mehr der begrenzende Faktor bei Auswahl der maximalen Flußdichte. Der Grund liegt darin, daß die Verluste des magnetischen Materials so hoch werden, daß die Flußdichte verringert werden muß, um ein akzeptables Maß an Verlusten zu erreichen. Man braucht wirklich das Datenblatt des Herstellers, um die akzeptable Flußdichte zu ermitteln. Um eine grobe Vorstellung zu erhalten, sollte man bedenken, daß fast immer Ferritmaterial benutzt wird. Ferrit sättigt bei 0,3 bis 0,4 T; das ist die absolute Grenze. Für ein typisches Leistungsferrit muß man die Flußdichte bei 25 kHz unterhalb 150 mT halten, und über 100 kHz unter 50 mT. Aber viel hängt auch von der Kerngröße ab. Ein größerer Kern muß dabei mit geringerer Flußdichte arbeiten, um eine Überhitzung zu vermeiden.

Normalerweise arbeiten Schaltnetzteile mit Rechtecksignalen, d.h. man muß die 11 % zur "Sinuskorrektur" aus der Formel (4) entfernen. Und dann nutzen viele Schaltnetzteile den magnetischen Kern nur einseitig, sprich er wird nur in eine Richtung magnetisiert, was wiederum einen Faktor zwei aus der Formel entfernt. Für den Rest ist die Rechnung die gleiche wie für Netztafos.

Sei nicht überrascht wenn man mit sehr wenigen Windungen endet. Faktisch ist es ziemlich normal, nur 10 oder 20 Windungen an einer 300 V Primärwicklung eines großen Schaltnetzteils zu haben.

HF-Breitbandübertrager

Vielleicht hast du diese Ferrittrafos schon am Ausgang von Transistor HF-Verstärkern gesehen. Sie sehen aus wie zwei Ferritröhren nebeneinander, mit zwei Kupferröhren hineingesteckt, welche die Primärwicklung mit einer Windung ergeben. Durch diese Kupferröhren sind einige Windungen isolierter Draht gezogen, welche die Sekundärwicklung bilden. Laßt uns so einen Trafo als Beispiel nutzen.

Unser hypothetischer Fall ist ein 100-W-Push-Pull-Verstärker für 1,8-30 MHz, gespeist von 13,8 V, wie sie zu Millionen täglich von Funkamateuren und allen möglichen kommerziellen Diensten genutzt werden. Jeder Transistor kann seine Seite der Primärwicklung ziemlich nah an Masse heranziehen, aber nicht ganz, wegen der Sättigungsspannung. HF-Transistoren sättigen typisch bei 1 V, so daß es vernünftig ist anzunehmen, daß der Transistor um 12,8 V schalten kann, was 25,6 V Spitzenspannung für die Primärwicklung bedeutet, oder ca. 18 V RMS. Auf der anderen Seite soll die Sekundärwicklung die HF-Leistung an 50 Ω liefern, und 100 W an 50 Ω sind 70,7 V. Deshalb brauchen wir ein Spannungs(Windungs)verhältnis von ca. 3,9. Mit einer Primärwicklung mit nur einer Windung können wir nur ganzzahlige Verhältnisse realisieren, deshalb entscheiden wir uns für vier Sekundärwindungen. Der Effekt ist, daß bei 100 W die Transistoren bei 17,7 V RMS laufen, oder 25 V Spitze. D.h. sie schwingen über 12,5 V der Stromversorgung und lassen dabei 1,3 V übrig für sie Sättigung. So weit so gut.

Bei 1,8 MHz, unsere niedrigste Frequenz, kann ein typischer Ferrit sicher bis 12 mT belastet werden. Wir haben einen schönen, reinen Sinus, also nutzen wir Gleichung (4).

[math]\displaystyle{ 1 Windung = \frac{17,7V}{4,44 \cdot A \cdot 1,8MHz \cdot 12mT} }[/math]

umgestellt nach der Fläche

[math]\displaystyle{ A = \frac{17,7V}{4,44 \cdot 1 Windung \cdot 1,8MHz \cdot 12mT} = 1,8 \cdot 10^{-4}m^2 }[/math]

Wir brauchen ein Kernquerschnitt von 1,8 cm². Ein kleinerer Kern würde bei voller Leistung nach einiger Zeit überhitzen, während ein größerer etwas teuerer wäre, aber den Vorteil der spektralen Reinheit mit sich bringt, denn geringere Flußdichte heißt weniger Verzerrung. Aber für die Übung bleiben wir bei 1,8 cm².

Wir müssen noch etwas arbeiten. Wir könnten einen langen, dünnen Ferrit nutzen oder einen kurzen dicken. Und wir können unter verschiedenen Ferrittypen wählen. Um die Auswahl einzuschränken, schauen wir uns die Induktivitätsforderung an. Der Ansatz ist, daß der Transformator eine Induktivität haben sollte, die hoch genug ist, um wenig Einfluß zu haben, wenn man ihn parallel zur Last schaltet. Pi mal Daumen sollte der induktive Widerstand zehnmal höher sein als die Last. Man kann sich aussuchen, ob man das für die Sekundärspule mit vier Windungen und 50 Ω oder die Primärspule mit einer Windung und 3,1 Ω berechnen will, das Ergebnis ist gleich. Ich wähle die Primärseite. Der induktive Widerstand berechnet sich aus

[math]\displaystyle{ X_L=2 \pi \cdot f \cdot L }[/math]

Das heißt für uns

[math]\displaystyle{ L=\frac{X_L}{2 \pi \cdot f}=\frac{31 \Omega}{2 \pi \cdot 1,8 MHz}=2,7 \mu H }[/math]

Wir brauchen also 2,7 µH, um Pi mal Daumen die Anforderung des zehnfachen induktiven Widerstands zu erfüllen. Jetzt muß man sich die Datenblätter der Kerne anschauen und den passenden raussuchen. Für diese Beispiel werde ich den Katalog von Amidon nutzen.


Versuchen wir den ziemlich verbreiteten Typ FT-50-43. Dieser Ringkern hat 0,133 cm² Querschnitt. Zwei Stapel zu je sieben Stück würden unsere Anforderung bezüglich Flußdichte erfüllen. Der AL-Wert ist 0,52 µH/N², d.h. 14 Kerne mit einer Wicklung ergeben 7,3 µH, ein Mehrfaches unseres benötigten Wertes. Weil aber Breitbandverstärker zu Schwingungen bei niedrigen Frequenzen tendieren, weil dort die Transistoren die größte Verstärkung haben, ist es keine gute Idee mehr Leistung bei niedrigen Frequenzen anzubieten als notwendig. Versuchen wir einen anderen Typ.

Das Material 43 hat eine Permeabilität von 850. Ein Kern mit den gleichen Abmessungen aber mit einer Permeabilität von nur 330 wäre nett. Aber Amidon macht keine Kerne dieser Größe in einer Permeabilität auch nur annähernd zu dem. Hey, man kann nicht immer umsonst Achterbahn fahren. Die nächstniedrigere Permeabilität, welche von Amidon verfügbar und für unser Projekt brauchbar ist, ist 125, das ist zu wenig. Also bleiben wir beim 43er Material uns sehen was wir machen können. Es gibt den FT-82-43 aus dem gleichen Material. Er ist viel dicker, hat 0,25 cm² Querschnitt und einen AL-Wert ziemlich ähnlich zu unserem anderen Kern, 0,55 µH/N². Zwei Stapel mit je vier Stück ergeben mehr als genug Querschnitt mit 4,4 µH. Das ist eine brauchbare Lösung und bringt uns mehr Platz für die Wicklungen.

Bei höheren Frequenzen ist die Flußdichte geringer und bleibt damit unterhalb der Grenze des Materials. Das Verhältnis zwischen induktivem Widerstand und Lastwiderstand verbessert sich mit steigender Frequenz, aber bei den höchsten Frequenzen könnten parasitäre Kapazitäten starken Einfluß gewinnen, so daß man sie bei der Entwicklung berücksichtigen sollte.

Energiespeicherung in Magnetkernen

Weiß du wieviel Energie eine Spule speichert? Das ist definiert durch die gleiche, alte Formel, die oft in der klassischen Physik auftaucht.

[math]\displaystyle{ (5)\quad E = \frac{1}{2} \cdot L \cdot I^2 }[/math]
[math]\displaystyle{ [J] = \frac{1}{2} \cdot [H] \cdot [A]^2 }[/math]

Die Einheit der Energie ist Joule (J). Die Induktivität L in Henry (H) sowie der Strom I durch die Spule in Ampere (A). Im Falle eines Transformators muß dieser Strom netto berechnet werden, nachdem man die (transformierten) Primär- und Sekundärströme abgezogen hat unter Berücksichtigung des Windungsverhältnisses. Kurz, das ist der Magnetisierungsstrom.

In den meisten Anwendungen als Transformator ist dieser Strom nicht wirklich gewünscht, aber ein unvermeidbarer Nebeneffekt. Aber es gibt Anwendungen, welche diese Energiespeicherung gut nutzen. Ein sehr wichtiges Beispiel ist der Sperrwandler. Im Prinzip speichert dieser Wandler die Energie von der Primärseite und entlädt sie in die Sekundärseite, oft mit einer Spannung, welche nicht dem Windungsverhältnis entspricht! Weil Primär- und Sekundärstrom nicht zur gleichen Zeit fließen, ist es nicht mehr gültig, daß die Spannungen im gleichen Verhältnis wie die Windungszahlen stehen.

Nehmen wir an, wir entwickeln ein Schaltnetzteil auf dieser Basis. Wir wollen 13,8 V Ausgangsspannung, während die Eingangsspannung 110 oder 220 V ist. Der logische Ansatz in diesem Fall ist die Nutzung eines Gleichrichters, welcher als Brücke für 220 V oder als Verdoppler für 110 V geschaltet werden kann. Am Ende haben wir 300 VDC in beiden Fällen, der Rest des Schaltnetzteils ist identisch unabhängig von der Netzspannung. Nehmen wir weiter an, wir haben einen Ferritkern mit 2 cm² Querschnitt, 12 cm magnetische Pfadlänge mit einer Anfangspermeabilität von 2000 und 350 mT Sättingungsflußdichte. Der Wandler soll bei 100 kHz laufen. Für die Entwicklung brauchen wir noch ein paar Informationen. Den AL-Wert, welcher das Verhältnis zwischen Anzahl der Windungen und Induktivität beschreibt. Wenn er nicht im Datenblatt angegeben ist, kann man ihn aus den physikalischen Abmessungen und Ferriteigenschaften berechnen. Oder man wickelt eine Meßspule und mißt den Wert nach, aber es ist ganz sicher einfacher, ihn aus dem Katalog zu bekommen. Nehmen wir an unser Kern hat 6 µH/N², d.h. eine Windung ergibt 6 µH, zehn Windungen ergeben 600 µH und so weiter. Diese angenommenen Werte sind typisch für praktische Fälle.

Um die Spannungsbelastung des Transistors der Primärseite zu verringern, wählen wir 30 % der Zykluszeit für die Aufladung des Transformators und 60 % für die Entladung. Das erlaubt die Entladung mit der halben Eingangsspannung, d.h. der Schalttransistor sieht nur 450 V statt 600 V. Das reduziert auch die Stromspitze des sekundären Gleichrichters, während dadurch aber die Stromstärke der Primärseite sowie Spannungsfestigkeit der Sekundärseite erhöht werden, was hier aber kein Problem ist. Die verbleibenden 10 % der Schaltzeit sind reserviert für Schaltzeit des Transistors, Totzeitsteuerung des Steuer-ICs etc. Bei 100 kHz ist die Ladezeit 3 µs, die Entladezeit 6 µs. Ein Blick ins Datenblatt sagt uns, daß bei 100 kHz und einseitiger Magnetisierung die Flußdichte auf 100 mT begrenzt werden sollte. Durch Anwendung von Formel (1) und (2) können wir schnell ausrechnen.

[math]\displaystyle{ B = \frac{U \cdot t}{N \cdot A} }[/math]
[math]\displaystyle{ N = \frac{U \cdot t}{B \cdot A} = \frac{300V \cdot 3\mu s}{0,1T \cdot 2 \cdot 10^{-4}m^2}=45 }[/math]

45 Windungen laden diesen Kern auf 0,1 T in 3 µs, wenn man 300 V anlegt. Schön und einfach. Auf der Sekundärseite brauchen wir 13,8 V, plus ca. 1 V für die Gleichrichterdiode, macht in Summe ca. 15 V. Wir können die gleiche Formel einsetzen, nur mit anderen Werten für Spannung und Zeit.

[math]\displaystyle{ N = \frac{U \cdot t}{B \cdot A} = \frac{15V \cdot 6\mu s}{0,1T \cdot 2 \cdot 10^{-4}m^2}=4,5 }[/math]

Gefällt dir das? Das Windungsverhältnis ist 10:1, während das Spannungsverhältnis 20:1 ist, weil das Zeitverhältnis 1:2 ist!

Entscheide frei, ob du lieber vier oder fünf Windungen haben willst, das bewirkt nur eine geringfügige Änderung der Lade- und Entladezeiten.

Nun, wieviel Leistung kann dieses Netzteil liefern? Nein, rechne jetzt nicht wie bei einem Netztrafo! Wir haben hier zwei Grenzen. Eine ist die begrenzte Wärmeerzeugung im Transformator, aber es gibt auch eine funktionale Grenze, welche viel wichtiger ist. Unser Schaltnetzteil arbeitet mit Energiespeicherung und bei jedem Zyklus wird nur eine kleine Menge an Energie gespeichert, wodurch die am Ausgang verfügbare Leistung streng begrenzt ist.

Durch unseren oben angenommenen AL-Wert hat unsere Primärwicklung mit 45 Windungen eine Induktivität von 12 mH. Über die Definition der Induktivität können wir den Spitzenstrom am Ende des Ladezyklus ausrechnen.

[math]\displaystyle{ I = \frac{U \cdot t}{L} = \frac{300V \cdot 3 \mu s}{12mH}= 75mA }[/math]

Nur 75 mA! Sieht nicht viel aus. Berechnen wir die gespeicherte Energie.

[math]\displaystyle{ E = \frac{1}{2} \cdot L \cdot I^2= \frac{1}{2} \cdot 12mH \cdot (75mA)^2=34\mu J }[/math]

Man kann das auch über einen anderen Ansatz berechnen. Da der Strom linear von Null bis 75 mA ansteigt, ergibt das im Mittel 37,5 mA. Bei 300 V und 3 µs sind das

[math]\displaystyle{ E = U \cdot I \cdot t = 300V \cdot 37,5mA \cdot 3\mu s =34\mu J }[/math]

Schön wenn die Dinge übereinstimmen...? ;-)

Wenn man bedenkt, daß man bei 100 kHz 100.000 dieser kleinen Brocken von Energie pro Sekunde hat und Leistung schlicht Energie pro Zeit ist, dann kommen wir auf traurige 3,4 W für unser glorreiches Netzteil. Sieht nach einer ziemlich schlechten Nutzung für einen Kern dieser Größe aus, nicht wahr? Dieser Kern ist mit "250 W typisch" durch den Hersteller gekennzeichnet.

Wir müssen herausfinden, wie wir mehr Energie in dem Kern speichern können. Wenn wir die Induktivität erhöhen, wird der Strom kleiner, aber der Strom geht quadratisch in die Energie ein. Keine gute Idee. Es ist besser, die Induktivität zu verringern, denn dadurch steigt der Strom. Da die gespeicherte Energie linear von der Induktivität, aber quadratisch vom Strom abhängt, ist es offensichtlich, daß die gespeicherte Energie proportional steigt.

Wie machen wir das? Wir können nicht einfach die Windungszahl verringern. Das bringt uns in Widerspruch mit Gleichung (1), erhöht die Flußdichte mehr als der Ferrit verträgt. Erkennst du das Problem? Wir müssen die Induktivität verringern, ohne die Windungszahl zu verringern, um die Flußdichte zu erhalten.

Es gibt ein einfaches Werkzeug um das zu erreichen. Luft! Man muß nur den Magnetfluß über einen Luftspalt laufen lassen, indem man die beiden Kernhälften geringfügig auseinander zieht. Der Effekt dieses Luftspalts ist die Verringerung der effektiven Permeabilität des Kerns und damit die Reduzierung des AL-Werts, ohne Einfluß auf andere Parameter. Schauen wir was passiert wenn wir einen Luftspalt von insgesamt 1 mm einfügen, was durch das Entfernen der Kernhälften um 0,5 mm erreicht wird.

Der magnetische Fluß läuft nun 120 mm durch Ferrit mit einer Permeabilität von 2000 und 1 mm durch Luft mit einer Permeabilität von eins. 2000 mm Ferrit haben den gleichen magnetischen Widerstand wie 1 mm Luft. D.h. unser Kern hat nun nur noch eine effektive Permeabilität von 120 anstatt der 2000! Das heißt auch, unser AL-Wert ist nun 0,36 µH/N² und unsere Primärwicklung mit 45 Windungen hat nun nur noch 720 µH. Das wiederum heißt, daß sie in 3 µs auf 1,25 A aufgeladen wird und 0,56 mJ pro Zyklus speichert, woraus 56 W Ausgangsleistung entstehen. Das sieht deutlich besser aus als unsere mageren 3,4 W ohne Luftspalt. Und all das bei der gleichen Flußdichte im Kern.

Hast du jemals gedacht, daß eine 1 mm dicke Luftschicht so schrecklich wichtig sein kann?

Die nächste Frage wäre, ob es eine Grenze für den Luftspalt gibt. Sicher, es gibt zwei Grenzen. Eine ist einfach, wenn man die gespeicherte und übertragene Energie erhöht, erhöht sich auch der Verlust in der Wicklung. An einem Punkt erreicht man die Grenze der thermischen Verluste im Kupfer, genauso wie im Netztransformator. Die Größe des Luftspalts ist meist ein Kompromiß des Entwicklers. Aber es gibt ein anderes Problem. Mit fallender effektiver Permeabilität fällt auch die Kopplung zwischen den Wicklungen. Der Transformator entwickelt ein starkes Streufeld und zeigt starke ungekoppelte Induktivität, welche zur Zerstörung des Leistungstransistors und der Diode führen kann und in den meisten Fällen einen Snubber notwendig macht. Der Entwickler muß manchmal mit weniger Luftspalt auskommen als was die Wicklungen thermisch verkraften könnten. In jedem Fall kann das Koppelproblem durch richtige Konstruktion des Transformators minimiert werden. Die Primär- und Sekundärwicklung kann gemischt sein, eine bifilare Wicklung ist manchmal möglich. Und es ist oft eine gute Idee, eine dicke Kupferfolie um den kompletten Transformator zu wickeln, welche eine Kurzschlußwindung darstellt. Diese bewirkt, daß der Fluß außerhalb zu Null wird, was bedeutet, daß der Fluß durch den Spulenaufbau gleich dem um die Spule (Seitenschenkel des Kerns) ist und damit die Kopplung verbessert.

In vielen Fällen ist es besser, ein Material mit weniger Permeabilität zu verwenden, wie z. B. Eisenpulver. Der Transformator wäre nahezu identisch, wenn wir ihn mit einem Material mit einer Permeabilität von 120 ohne Luftspalt bauen würden. Er hätte eine bessere Kopplung und weniger Streufeld. Andererseits ist der große Vorteil des Luftspalts, daß der Entwickler genau festlegen kann, wieviel effektive Permeabilität er will, ohne einen neuen Kern bestellen zu müssen.

Drosseln

Eines der schlimmsten Dinge, die ich je in einem elektrischen Sachbuch sah, daß man verschiedene Formeln für das Gleichstrom- und Wechselstromverhalten von Spulen angegeben hat. Das ist kompletter Unsinn! Es gibt keinen grundlegenden Unterschied zwischen Gleich- und Wechselstrom. Zu jedem Zeitpunkt des Wechselstroms fließt ein "Gleichstrom", und in Gleichstromanwendungen fließt auch ein Wechselstrom, wenigsten beim Ein- und Ausschalten. Deshalb können und sollten wir die gleichen Entwicklungsansätze für Drosseln nutzen.

Schauen wir uns das in der Praxis an. Eine verbreitete Aufgabe ist die Entwicklung einer Drossel mit einer bestimmten Induktivität, welche einen bestimmten Strom aushält ohne in die Sättigung zu gehen. Beachte, daß für Gleichstromanwendungen die Grenze immer durch die Flußdichte gesetzt wird. Erinnerst du dich daran, was ich weiter oben geschrieben habe? Bei hohen Frequenzen ist die Grenze durch die Kernverluste bestimmt, und bei niedrigen durch die Sättigung. Und Gleichstrom ist einfach eine sehr, sehr niedrige Frequenz. ;-)

Nehmen wir an, wir brauchen eine Drossel mit 100 µH, die wenigstens 10 A aushält, bevor sie in die Sättigung geht. Nehmen wir an, wir nutzen einen Ringkern aus Eisenpulver dafür mit einem Querschnitt von 1cm² und einer Pfadlänge von 10 cm. Die Permeabilität ist 75 und die Sättigung beginnt bei 0,5 T, Der AL-Wert ist 80 nH/N². Allein aus dem AL-Wert können wir leicht ausrechnen, daß wir 35 Windungen brauchen. Nun, wie können wir den Fluß ausrechnen? Letztendlich wird keine Spannung an die Wicklung angelegt! Denk noch mal nach! Es muß eine Spannung angelegt worden sein, um den Strom fließen lassen zu können. Wenn wir 1 V anlegen, würde es bei 100 µH eine Millisekunde dauern, ehe 10 A erreicht werden, wie man aus Gleichung (3) leicht errechnen kann. Zusammen mit Hilfe von Gleichung (2) können wir die Flußdichte direkt berechnen

[math]\displaystyle{ B = \frac{L \cdot I}{A \cdot N}= \frac{100 \mu H \cdot 10A}{1 \cdot 10^{-4}m^2 \cdot 35}=0,28T }[/math]

welche in einer Flußdichte von 0,28 T endet in unserem Kern mit 1 cm² Querschnitt. Bingo! Diese Drossel könnte fast das Doppelte an Strom leiten, bevor sie in die Sättigung geht. Ein kostenbewußter Entwickler würde die selbe Übung mit dem nächstkleineren Kern durchführen, welcher gerade groß genug ist, um die Drossel mit 100 µH bei 10 A zu erreichen.

Kernauswahl

Es gibt unzählige Formen und Größen von magnetischen Kernen, und alle sind mit verschiedenen Materialien verfügbar. Es ist eine gute Idee, wenn man wenigstens prinzipiell weiß, was es gibt.

Materialien

Das älteste Material für Transformatoren ist Eisen, bekannt als Dynamoblech. Es ist in dünnen Blechen verfügbar, welche voneinander isoliert werden müssen, um die Wirbelströme gering zu halten. Nur in reinen Gleichstromanwendungen kann man massives Eisen oder unisolierte Bleche nehmen. Transformatoreisen verträgt mindestens 1 T, bevor es in die Sättigung geht, während 1,2 T für die meisten Typen ok ist, 1,5 T für einige und 1,7 T sind mit den Besten möglich. Die Permeabilität dieses Materials ist ca. 2000 bis 5000. Die Eisenlegierungen mit höherer Sättigungsgrenze haben die geringeren Werte. Die Verluste sind so hoch, daß sie für Frequenzen kurz über 100 Hz der begrenzende Faktor sind, anstatt die Sättigung.

Eisenstaub wird auch genutzt, gemischt mit Epoxidharz und in Magnetkerne geformt. Die Permeabilität hängt vom Eisengehalt der Mischung ab. Da selbst eine kleine Menge Harz deutlich weniger Permeabilität als das Eisen hat, ist die effektive Permeabilität ziemlich niedrig, zwischen 2...100 sind typisch. Für höhere Permeabilitäten wird die Korngröße und Form des Eisen sehr wichtig, da man sehr enge Kornpackungen erzielen kann. Sättigung setzt eher als bei massivem Eisen ein, weil der Fluß tendenziell aus den Eisenpartikeln gedrängt wird; 0,5 T ist ein typischer Wert. Auf jeden Fall ist die Sättigung sehr "weich", es gibt keinen gut definierten Punkt an dem die Sättigung einsetzt. Die Verluste sind niedrig, so daß die Typen mit geringer Permeabilität bis in den HF-Bereich verwendet werden können. Diese Pulverkerne gibt es auch mit anderen Legierungen, wie z. B. Permalloy, in einigen Fällen mit attraktiven Eigenschaften.

Ferrite sind die vielseitigsten aller verfügbaren Materialien. Während sie bei niedrigeren Werten sättigen, typisch 0,3 T, gibt es sie in einer riesigen Breite von Permeabilitäten. Es ist nicht schwer Ferrite mit einer Permeabilität von 20 oder 25.000 zu finden! Der unerfahrene Anwender kann den Unterschied von außen nicht erkennen. Selbst wenn zwei Ferritkerne identisch aussehen, kann der eine 1000fach verschieden zum anderen sein. Also sollte man sicherstellen, daß man weiß, welches Material man hat, bevor man mit der Rechnung anfängt.

In jedem Fall gibt es zwei große Kategorien von Ferriten. Leistungsferrite, genutzt in Schaltnetzteilen etc., sie haben eine Permeabilität von etwa 2000 und geringe Verluste zwischen 20...100 kHz. HF-Ferrite mit Permeabilitäten zwischen 100...1000 und geringen Verlusten machen sie brauchbar bis 30 MHz. Aber es gibt viele Ferrittypen, die bei weit höheren Frequenzen noch arbeiten und weniger Permeabilität haben. Die Permeabilitäten über 2000 sind reserviert für spezielle Kerne wie Breitbandübertrager, Transductoren und Rauschfilter.

Formen

Bei den Formen will ich nur einige nennen.

  • Ringkerne: Sie sind einfach, billig und leicht zu nutzen, haben geringe Dispersion (wenig Streufeld), gute Selbstabschirmung, können aber keinen Luftspalt enthalten, und 10.000 Windungen auf einen Ringkern wickeln ist nichts was ich gern tun würde.
  • Für Speicherdrosseln gibt es Ringkerne mit "verteiltem" Luftspalt. Sie bestehen aus Eisenpulver mit Bindemittel, der Luftspalt verteilt sich über den gesamten Ring
  • E-Kerne: Sehr zweckmäßig für die meisten Anwendungen, aber die scharfen Ecken sorgen für mehr Streuverluste
  • U-Kerne: Etwas billiger und leicht ineffizienter als E-Kerne (wegen der größeren Pfadlänge)
  • Schalenkerne: Vereint die Zweckmäßigkeit des E-Kerns mit der guten Schirmung des Ringkerns (er ist sogar besser), aber teurer. Manche haben einen einstellbaren Luftspalt.
  • Stäbe: Nutzbar für Drosseln. Sie haben wirklich große Luftspalte! ;-) Aus genau diesem Grund sind sie unbrauchbar für Transformatoren, die Kopplung wäre zu schlecht.
  • E-I-Laminate: Das ist so ziemlich die einzige Form, in der man Transformatoreisen kaufen kann.

Ich empfehle, man bestellt sich einige Kataloge der Hersteller von magnetischen Materialien und kann so mehr über die anderen 994 Formen lernen ... Ich empfehle Amidon, Ferroxcube, Ferrinox (Thomson Composants), SiFerrit (Siemens), TDK, Philips, um einige zu nennen. Ich habe meist mit Amidon, Ferrinox und Mülleimerkernen gearbeitet. Die besten Leistungsdaten scheinen von einigen japanischen Ferriten zu kommen.

Diese kleine Abhandlung des Elektromagnetismus kann natürlich nicht als vollständig betrachtet werden, aber ich bevorzuge es, mich auf die wichtigsten Dinge für den Entwickler bzw. Hobbybastler zu konzentrieren. Ich habe alle Dinge übersprungen, welche in meinen Augen weniger wichtig sind für die praktische Anwendung. Ich habe auch viele praktische Hinweise übersprungen, welche zwar nützlich wären, aber diesen Artikel zu sehr in ein Kochbuch verwandelt hätten. Wer Fragen hat soll nicht zögern. Meine Adresse ist auf der ersten Seite. Wenn genug Fragen auftauchen, werde ich ein F.A.Q. anfügen.

  1. Kurze Herleitung: Das Verhältnis Spitzenwert/RMS-Wert einer Sinusgröße ist sqrt(2), das Gleichrichtwertsverhältnis ~1,57, ergo 1,41*1,11 = 1,57

Siehe auch

Weblinks