Es geht in einem aktuellen Fall um die Mitverantwortung eines angestellten Entwicklers bei einem Gerät der Medizintechnik, welches einen Personenschaden verursacht hat / haben soll. Der Schaden ist nicht völlig zu beheben und führt zu einer Klage gegen den Hersteller wegen Körperverletzung und Schadenersatz. Simultan ermittelt aber auch der Staatsanwalt wegen unzureichender Tests, Dokumentation, nicht normenkonformer Entwicklung und somit eventueller Mitverantwortung von Entwicklern, die Kenntnis von der Gefahr gehabt haben oder hätten haben können. Wer kennt Präzendenzfälle? Mir sind einige Fälle bekannt, wo auch Entwickler zur Verantwortung gezogen wurden. Einer ist angeblich im Knast gelandet. Wie weit geht die Haftung? Eigentlich herrscht doch die Meinung, als Angestellter sei man von der Haftung befreit - einmal davon ausgehend, dass er sich an die Regeln gehalten und sie nicht grob fahrlässig verletzt hat.
Kauf dir einen Anwalt, hier im Forum bringt das nix.
Ich führe schon seit Jahren ein handschriftliches, fortlaufendes "Gesprächsnotizlogbuch". Da kommt alles rein, was im dreckigen Alltag an Verantwortung ignoriert wird. Da steht schön drin, wann ich wen auf welchen Missstand hingewiesen habe. Dieses Buch kenne nur ich und steht bei mir Zuhause. Sollte jemals mein(e) Arbeitgeber einen Sündenbock suchen, kann ich es bei Bedarf hervorzaubern, wenn es juristisch sinnvoll ist. Klar, in diesem Fall nützt es nichts mehr. Aber die Linie ist klar: Alles auf die Firma/Vorgesetzten abschieben. Man hat ja auch genug Insider-Wissen um noch mehr von dem täglichen Wahnsinn hochkochen zu lassen. Ein guter Anwalt sollte das den Firmenanwälten in einem Gesprächstermin verklausuliert erklären können. Und, alles was es zu unterschreiben gibt: Schön an den Vorgesetzten delegieren, schließlich ist er wichtig und soll sich auch so fühlen ;-)
Ratsuchi schrieb: > Simultan ermittelt aber auch der Staatsanwalt wegen unzureichender > Tests, Dokumentation, nicht normenkonformer Entwicklung und somit > eventueller Mitverantwortung von Entwicklern, die Kenntnis von der > Gefahr gehabt haben oder hätten haben können. Wenn man eine Gefahr kannte und sie nicht abgestellt hat, ist man natürlich zurecht dran. Auch als Angestellter. Das spielt für das Strafrecht nämlich keine Rolle. Wobei der Vorgesetzte normalerweise immer eine Mitverantwortung trägt. Unzureichende Test und Dokumentation dürfte eigentlich nicht vorkommen. Da sind viele Leute im Genehmigungsprozess (normalerweise mindestens ein Vorgesetzter, einer aus dem Qualitätsmanagement und ein Normenbeauftragter) beteiligt, sowohl innerbetrieblich als auch beim TÜV. Wenn der TÜV das Zertifikat unter Auflagen "Test XY sind noch durchzuführen" ausstellt und diese Tests sind nicht erledigt oder negativ verlaufen, dann ist man auch wieder zurecht dran.
Ratsuchi schrieb: > Mir sind einige Fälle bekannt, wo auch Entwickler zur Verantwortung > gezogen wurden. Einer ist angeblich im Knast gelandet. Ja, und? Gibt genügend LKW-Fahrer die sitzen auch im Knast!
Once the rockets are up, who cares when they come down, that's not my department, says Mr. Wernherr von Braun. (CCC 2012)
Entwickler schrieb: > Ich führe schon seit Jahren ein handschriftliches, fortlaufendes > "Gesprächsnotizlogbuch". > > Da kommt alles rein, was im dreckigen Alltag an Verantwortung ignoriert > wird. Da steht schön drin, wann ich wen auf welchen Missstand > hingewiesen habe. > > Dieses Buch kenne nur ich und steht bei mir Zuhause. Sollte jemals > mein(e) Arbeitgeber einen Sündenbock suchen, kann ich es bei Bedarf > hervorzaubern, wenn es juristisch sinnvoll ist. Interessante Idee aber juristisch nicht verwertbar , das was du dort drin stehen hast wird eh weggeleugnet.
Ein passender FAZ-Artikel zu dem Thema: Ingenieurshaftung „Es reicht nicht, die technischen Normen zu kennen“ http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/recht-und-gehalt/ingenieurshaftung-es-reicht-nicht-die-technischen-normen-zu-kennen-1436945.html
Antimedial schrieb: > Wenn der TÜV das Zertifikat unter Auflagen "Test XY sind noch > durchzuführen" ausstellt und diese Tests sind nicht erledigt oder > negativ verlaufen, dann ist man auch wieder zurecht dran. Vergiß dass! aus wiki: "Das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) nimmt in Deutschland Regelungen zu den Sicherheitsanforderungen von technischen Arbeitsmitteln und Verbraucherprodukten vor. Es ersetzt seit 1. Dezember 2011 das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG)" Und darin ist der Hersteller der letzendlich Verantwortliche. Alles was da an Zertifizierer sich an dem Teil wichtig machen, ist nicht in der Verantwortung! Die Gutachter hatten halt die bessere Lobby.
Cha-woma M. schrieb: > Und darin ist der Hersteller der letzendlich Verantwortliche. > Alles was da an Zertifizierer sich an dem Teil wichtig machen, ist nicht > in der Verantwortung! Dem widerspreche ich auch nicht. Allerdings ist der TÜV schon sehr gründlich und daher kann unzureichende Test und Doku nicht vorkommen, wenn man schön brav alles macht, was der Prüfer verlangt (bzw. "vorschlägt"). Ansonsten ist man wirklich selbst Schuld, weil man dann mit Absicht schlampig war.
Gehts noch? schrieb im Beitrag #3961912: > Kommt drauf an ob man die Befugnis als Weisungsempfänger hat, eine > Gefahr zu beseitigen. Gehts noch? Eine Information an den Kollegen und den Vorgesetzten per e-mail und schon passiert etwas. Gehts noch? schrieb im Beitrag #3961912: > Sofern es ein QM-System gibt. Gewöhnlich richtet man so was für den > Fertigungsprozess ein. Für die Entwicklung wäre das kaum brauchbar, > oder wie will man einer Idee Qualität aufzwingen? Noch nie etwas von FMEA gehört? QM/QS zieht sich durch alle Abteilungen. Auch der Einkauf ist z. B. betroffen, siehe Lieferantenbewertung. Deine Vorstellungen entsprechen nicht der Realität, so denkt ein Laie.
MoD - Master of Desaster schrieb: > „Es reicht nicht, die technischen Normen zu kennen“ Normen sind keine Gesetze
lkakw4ö4 schrieb: > Normen sind keine Gesetze Du musst aber sehr gut erklären können, wieso du entsprechende Normen (anerkannte Regeln der Technik) nicht eingehalten hast, falls etwas passiert. Stichworte: Stand der Technik Stand der Wissenschaft (und Technik) Produktions- und Konstruktionsverantwortung Schwierig wird es, wenn es für eine neue Entwicklung keine Normen gibt. Machen wir es mal einfach: Wie viele Not-Aus-Schalter braucht ein eingezäuntes Prüffeld ohne zwangsläufigen Berührungsschutz? Was ist ausreichend? Was heißt unverzüglich zu erkennen? Ales kein Problem, solange keiner kleben bleibt.
Gehts noch? schrieb im Beitrag #3961912: > Kommt drauf an ob man die Befugnis als Weisungsempfänger hat, eine > Gefahr zu beseitigen. Die Freiheiten eines Angestellten haben Grenzen. Auch wenn man nicht weisungsbefugt ist, muss man darauf hinweisen. Wenn man das getan hat und der Vorgesetzte ignoriert es, ist man wahrscheinlich aus der Pflicht und der Chef hat ein dickes Problem. Gehts noch? schrieb im Beitrag #3961912: > Kommt drauf an ob es dafür Vorschriften gibt. Produkthaftungsgesetz. Außerdem beziehen zumindest alle mir bekannten Normen die Dokumentation und den Test mit ein. Eigentlich beschreiben die meisten Produktnormen sehr ausführlich wie man das Produkt zu testen hat. Gehts noch? schrieb im Beitrag #3961912: > Sofern es ein QM-System gibt. Gewöhnlich richtet man so was für den > Fertigungsprozess ein. Für die Entwicklung wäre das kaum brauchbar, > oder wie will man einer Idee Qualität aufzwingen? Natürlich ist QM auch ein wesentliches Thema in der Produktentwicklung. FMEA wurde ja schon erwähnt. Außerdem ist bei sicherheitsrelevanten Komponenten gefordert, dass der Konformitätstest von einer unabhängigen Stelle durchgeführt wird und nicht von der Entwicklung. Kleine Firmen lassen das in einem akkreditierten Prüflabor durchführen, größere Firmen haben eigene Abteilungen. Und die ist oft dem Qualitätsmanagement zugeordnet.
Man entwickelt immer nach bestem Wissen und Gewissen. Man ist nicht fehlerfrei. Deswegen gibt es ja in der Medizintechnik entsprechende Normen nach denen Entwickelt werden muss und vorgeschriebene Prüfungen um menschliche Fehler zu mnimieren. Wenn man natürlich wissentlich Fehlverhalten des Gerätes verschweigt dann ist das nur dumm und verantwortungslos. Das sollte aber in diversen Tests aufgespürt werden. Hier würde ich das Unternehmen in der Pflicht sehen. Natürlich versucht man das immer auf das schwächste Glied in der Kette abzuwälzen. Ein Arbeitgeber, der was auf sich hält, schützt seinen Mitarbeiter allerdings. Ich persönlich sehe zuerst die Zulassungsbehörde in der Pflicht und dann den Hersteller. Der Hersteller / Entwicklungsunternehmer muss seine Mitarbeiter so schulen, das diese Qualität abliefern. Zu bestrafen wäre das Unternehmen. Es kann nicht sein, dass junge, unerfahrene Entwickler kritische Produkte entwickeln da das Unternehmen an der falschen Stelle Geld sparen tut indem es günstige und willige unerfahrene Entwickler an die Sache lässt. Wenns supi lief, sahnt das Unternehmen die Kohle ein und wenns Schadensersatz gibt, dann ist es der Entwickler, der dafür geradestehen soll?? So geht es ja nicht. Obwohl das manch Unternehmer gerne so hätte.
müller schrieb: > Ein Arbeitgeber, der was auf sich hält, schützt seinen > Mitarbeiter allerdings. HöHöHöHöHö!
müller schrieb: > Man entwickelt immer nach bestem Wissen und Gewissen. > Man ist nicht fehlerfrei. Deswegen gibt es ja in der Medizintechnik > entsprechende Normen nach denen Entwickelt werden muss und > vorgeschriebene Prüfungen um menschliche Fehler zu mnimieren. Wer kennt schon die Normen zu 100%, wer liest die schon? Geschweige denn, dass man die Zeit für die Einhaltung des Enwicklungsprozesses bekommt. Meist wird ein Gerät husch pfusch zusammengefrickelt und dann irgendwie durch den Zertifizierungsprozess geboxt. Das wird schon Monate verkauft, bevor der TÜV-Prüfer da mal draufschaut... (natürlich ohne Papperl, aber das merkt der Kunde eh nicht). Der TÜV prüft auch nicht so genau, wie viele hier glauben. Man kann dem TÜV viel erzählen. Die Prüfer die ich getroffen habe sind schon kompetent gewesen und haben ihre Arbeit recht gewissenhaft gemacht, aber die haben nicht einmal genug Zeit um die ganze Dokumentation zu lesen. Ich habe daher einige Abneigung gegen Sicherheitstechnik entwickelt (die ähnlich der Medizintechnik sein dürfte) und deshalb sogar schon den Job gewechselt - in einen Bereich mit wenig Sicherheitskram :-) Ironischerweise arbeitet die neue Firma sehr gewissenhaft in dieser Hinsicht... Meiner Meinung nach ist das alles Augenauswischerei, und bei Personenschäden haftet sowieso der Entwickler, weil alle darüber sich aus der Verantwortung ziehen werden. Ich habe nämlich noch nicht erlebt, dass einer die Normen wirklich sauber durchexerziert hätte. Das setzt der Staatsanwalt aber voraus, und der hat die Zeit, das zu nachzuprüfen. Im Gegensatz zum Entwickler.
Als Entwickler muss man natuerlich in Kenntnis fuer die Anwendung gesetzt werden. Ein Produkt fuer eine Anwendung entwickeln und fuer einen Andere verkaufen ist vielleicht ijn der Pharma ueblich. Geht aber mit Elektronik nicht, auch wenn gewisse Leute das so sehen moechten. Denn der Entwickler muss die moeglichen Fehlerfaelle vorwegnehmen und einbeziehen. Deswegen macht man erst mal einen Prototypen um die Funktionalitaet zu testen. Dort faellt dann auf, wie das Produkt angewendet wird, welches die moeglichen Fehlerquellen im ganzen Prozess sind, und was fuer Vorkehrungen man machen koennte. Daraus ergibt sich dann zB ein neuer Prototyp, oder die Nullserie. Wenn der Sprung vom ersten Prototypen zur Nullserie zu gross ist, macht man eben nochmals einen. Eine spaetere Aenderung ist immer teurer. Mit der Nullserie erprobt man die Serientauglichkeit eines Produktes. Koennen wir so in die Fertigung? Ich bin jetzt am 4. Prototypen fuer eine "eigentlich einfache" Regelung einer nicht elektrischen Groesse. Der erste Sensor war leider nichts, wurde immer wieder verzoegert, hat die Spezifikationen nicht erfuellt, war selbst noch ein Prototyp. Das merketn wir aber erst beim zweiten Prototypen, wir hatten den Fehler bei uns gesucht. Der naechste Sensor kam dann etwa hin. Die Montage ist aber nicht fertigbar. Dabei muss man immer im Auge behalten... Das Gehaeuse ist ein Kuststoff/Metallgaehaeuse. die Speisung ist ein Schaltregler von (..). Die Leitungen gehen durch dieses(!) Umfeld, Sensoren und Aktoren sind so(!) montiert. Und nicht ploetzlich Betonindustriehalle durch Privatholzhaus, Kinderzimmer, oder so ersetzen. Was geschieht, wenn der Sensor Unterbruch hat, Kabel vom Hamster durchgebissen, usw. Was macht der Aktor dann ? Der Aktor ist dann vielleicht ein Ventil am Wasser Netz, der Stall laeuft voll. Oder die Menge im Fass sind nur 20 Liter. Je nachdem muss man dann einen Kontrollsensor einplanen.
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