Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Parallele Kondensatoren und gefilterte Frequenzen


von Thomas S. (schlot)


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Hallo zusammen,

ich hoffe, dass diese Frage so noch nicht beantwortet wurde - ich habe 
in der Suche ähnliche, aber nicht genau diese gefunden.

Wenn ich mehrere, unterschiedlich große Kondensatoren parallel schalte, 
wie es verschiedene Datenblätter vorsehen, inwiefern unterscheidet sich 
das Ergebnis dann von einem Bauteil mit der Summe der Kapazitäten?

Das Datenblatt zum GSM-Modul "SIM808" beispielsweise schlägt vor, einen 
(Stütz-)Elko mit 100u, einen (Abblock-)Kerko mit 100n und zwei Kerkos 
mit 22p und 10p - nach meiner Interpretation dienen diese dazu, die Vcc 
nicht mit den generierten GSM-Frequenzen zu "verunreinigen".

Inwiefern verhält sich diese Parallelschaltung anders als ein 
Kondensator mit der Summe der Kapazitäten? Hat das mit der ESR zu tun?

Gerade was das Filtern bestimmter Frequenzen angeht: Wenn ich nicht 
explizit das R im RC-Glied angebe, errechnet sich meine Grenzfrequenz, 
ab der ich eine Dämpfung erreiche, aus dem Innenwiderstand der 
(Störungs-)quelle, dem ESR des Kondensators und der Kapazität, richtig? 
Filtert die Parallelschaltung dann nicht eine ganz andere Frequenz als 
die einzelnen Kondensatoren?
Außerdem: Wie schätze ich den Innenwiderstand der Störungsquelle 
respektive Einflüsse der Leiterbahn ab? Kurz gesagt: Wie dimensioniere 
ich einen Snubber, der für mehrere Frequenzen optimiert ist?

Gruß
Thomas

von Oleg A. (oga)


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Die aufgelisteten Kondensatoren, haben verschiedene Dielektrika, und 
ergo verschiedene parasitäre Grössen (serieller Widerstand, 
Induktivität).

von Possetitjel (Gast)


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Thomas S. schrieb:

> Inwiefern verhält sich diese Parallelschaltung anders
> als ein Kondensator mit der Summe der Kapazitäten?
> Hat das mit der ESR zu tun?

Ja - aber nicht nur. Die Induktivität (sowohl die innere
im Kondensator als auch die der Zuleitungen) spielt auch
eine wichtige Rolle.

> Gerade was das Filtern bestimmter Frequenzen angeht: Wenn
> ich nicht explizit das R im RC-Glied angebe, errechnet
> sich meine Grenzfrequenz, ab der ich eine Dämpfung erreiche,
> aus dem Innenwiderstand der (Störungs-)quelle, dem ESR des
> Kondensators und der Kapazität, richtig?

Hmm.

> Filtert die Parallelschaltung dann nicht eine ganz andere
> Frequenz als die einzelnen Kondensatoren?

Jein: Parasitäre RC-Glieder sind gutartig, weil die Güte
niedrig ist; sie "vernichten" störende Energie. Tückisch
dagegen können parasitäre LC-Glieder sein, denn Resonanzen
können dazu führen, dass aus einem C ein L wird.

> Außerdem: Wie schätze ich den Innenwiderstand der
> Störungsquelle

Naja, den kennt man doch normalerweise...?!

> respektive Einflüsse der Leiterbahn ab?

Über deren Länge. Widerstand ergibt sich bekanntermaßen aus
R = rho * l / A.

Induktivität ist komplizierter, da kommen Logarithmen in der
Formel vor. Quintessenz ist aber, dass man überschlägig mit
7nH je Zentimeter Leitungslänge rechnen kann.

Auch die Baulänge von SMD-Kerkos (!) spielt eine Rolle; die
Induktivität und damit die Eigenresonanz sind unterschiedlich,
je nachdem, ob die Kontakte an der schmalen oder der breiten
Seite sind, weil die wirksame Länge jeweils verschieden ist.
Klingt verrückt, ist aber so.

von Thomas S. (schlot)


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Danke für Eure Antworten!

Possetitjel schrieb:
>> Filtert die Parallelschaltung dann nicht eine ganz andere
>> Frequenz als die einzelnen Kondensatoren?
>
> Jein: Parasitäre RC-Glieder sind gutartig, weil die Güte
> niedrig ist; sie "vernichten" störende Energie.

Das darf ich so interpretieren, dass mehrere Kondensatoren parallel 
durchaus einen Sinn haben?

> Tückisch dagegen können parasitäre LC-Glieder sein,
> denn Resonanzen können dazu führen, dass aus einem
> C ein L wird.

> Auch die Baulänge von SMD-Kerkos (!) spielt eine Rolle; die
> Induktivität und damit die Eigenresonanz sind unterschiedlich,
> je nachdem, ob die Kontakte an der schmalen oder der breiten
> Seite sind, weil die wirksame Länge jeweils verschieden ist.
> Klingt verrückt, ist aber so.

Das war mir noch gar nicht bekannt. Lässt sich das in einfachen 
Designregeln hinreichend erschlagen oder muss man das so richtig 
durchdringen? ;-)


>> Außerdem: Wie schätze ich den Innenwiderstand der
>> Störungsquelle
>
> Naja, den kennt man doch normalerweise...?!

Ich nicht, aber vielleicht stelle ich mich zu dumm an.

Wenn es sich um eine Antenne im weitesten Sinne, also auch ggf. lange 
Zuleitungen handelt, finde ich das schwierig abzuschätzen. Bei manchen 
Projekten weiß ich ja nicht unbedingt, mit welcher Leitungslänge das 
später betrieben wird.
Oder aber wenn ein IC die Störungsquelle ist, weil ein FET hinter einer 
langen Kaskade anderer Strukturen mit irgend einer Frequenz schaltet.

von Dergute W. (derguteweka)


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Moin,

Ich zitier mich mal aus einem anderen Thread:
Beitrag "wen schützt der Abblockkondensator eigentlich vor wem?"

> Von TI gibt's einen sehr schoenen "Application Report", den scaa082.pdf
> - dort wird das im Kapitel 2.4 sehr schoen beschrieben und mit der Fig.
> 11 auch in Farbe und bunt gezeichnet.

Gruss
WK

von Andreas S. (Firma: Schweigstill IT) (schweigstill) Benutzerseite


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Thomas S. schrieb:
> Das darf ich so interpretieren, dass mehrere Kondensatoren parallel
> durchaus einen Sinn haben?

Ja. Es gibt aber auch Unmengen an wissenschaftlichen Abhandlungen zu 
diesem Thema, die sich insbesondere auch damit beschäftigen, welche 
zusätzlichen Resonanzen durch ungeschickte Parallelschaltungen von 
Kondensatoren entstehen können. Generell ist es aber völlig unkritisch, 
keramische Abblockkondensatoren zu "dicken" Elkos parallelzuschalten.

> Das war mir noch gar nicht bekannt. Lässt sich das in einfachen
> Designregeln hinreichend erschlagen oder muss man das so richtig
> durchdringen? ;-)

In den meisten Fällen fährt man gut damit, möglichst viele 
Abblockkondensatoren möglichst dicht an den betreffenden Bauteilen bzw. 
deren Stromversorgungspins anzubringen. Wichtig ist dabei aber, dass man 
sich immer vor Augen führt, wo der Strom entlangfließt. Auch die Führung 
von Leiterbahnen und Durchkontaktierungen hat einen erheblichen Einfluss 
darauf, welche Wirkung ein Abblockkondensator hat. Lothat Miller hat 
auch ein paar Zeilen zu diesem Thema geschrieben:

http://www.lothar-miller.de/s9y/categories/14-Entkopplung

> Wenn es sich um eine Antenne im weitesten Sinne, also auch ggf. lange
> Zuleitungen handelt, finde ich das schwierig abzuschätzen. Bei manchen
> Projekten weiß ich ja nicht unbedingt, mit welcher Leitungslänge das
> später betrieben wird.

Deswegen geht man mit seinen Geräten auch in die EMV-Prüfkammer und 
führt dort Messungen mit und ohne angeschlossene Kabel durch. Ebenso 
variiert man die Kabellängen. Gerade die üblichen Takte von 
Digitalschaltungen und deren Oberwellen erzeugen ein so lustiges 
Frequenzgemisch, dass ohne weitere Maßnahmen fast jede Kabellänge eine 
gute Antenne für mehrere dieser Frequenzen darstellt.

Viele kommerzielle Geräte werden mit Anschlusskabeln ausgeliefert, auf 
denen sich mehr oder minder dicke Ferritklötze befinden. Diese sind aber 
kein Zeichen dafür, dass es sich um besonders hochwertige Geräte 
handelt, sondern die Ansage: "Hallo Leute, unser Gerät ist unter 
EMV-Gesichtspunkten so unterirdisch schlecht konstruiert, dass wir bei 
den Konformitätstests durchgefallen sind. Durch die Anbringung der 
Ferritklötze konnten wir aber die leitungsgebundene Störausstrahlung 
geringfügig verbessern, so dass der Prüfer beide Augen zudrückte und wir 
deswegen mit 0,04 dB Reserve innerhalb der zulässigen Störaussendungen 
lagen."

> Oder aber wenn ein IC die Störungsquelle ist, weil ein FET hinter einer
> langen Kaskade anderer Strukturen mit irgend einer Frequenz schaltet.

Die Schaltfrequenz des FETs liefert vermutlich nur den geringsten Teil 
der Störfrequenzen. Viel entscheidender ist das Frequenzgemisch, das 
durch die Steilheit der Schaltflanken entsteht.

von Thomas S. (schlot)


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Andreas S. schrieb:
> In den meisten Fällen fährt man gut damit, möglichst viele
> Abblockkondensatoren möglichst dicht an den betreffenden Bauteilen bzw.
> deren Stromversorgungspins anzubringen.

Ich spendiere hier normalerweise einen 100n pro Vcc des Chips, weil ich 
das als Daumenregel so mitgenommen habe (außer das Datenblatt sagt etwas 
anderes). Abenteuerlich wurde es mir nur bei besagter Parallelschaltung 
mehrerer Kerkos für verschiedene Störfrequenzbereiche (auch wieder aus 
einem Datenblatt).

> Auch die Führung von Leiterbahnen und Durchkontaktierungen hat einen
> erheblichen Einfluss darauf, welche Wirkung ein Abblockkondensator hat.

Nach den hervorragend ausgearbeiteten Layout Dos und Don'ts hier in den 
Artikeln, habe ich schon beherzigt, dass der Abblockkondensator immer 
die kürzeste und beste Anbindung an die IC Pins haben sollte und der 
Strompfad so dicht an den C geführt werden soll, wie möglich.

> Lothar Miller hat auch ein paar Zeilen zu diesem Thema geschrieben:
>
> http://www.lothar-miller.de/s9y/categories/14-Entkopplung

Habe einen Blick in den Link auf Lothar Millers Website geworfen und von 
dort aus auf die unten verlinkten Themen auf uCnet. Da gab es einen 
entscheidenden Nebensatz, dass mit steigender Baugröße / Kapazität eines 
Kondensators auch die parasitäre Induktivität steigt. Dann könnte ich 
mir das ganze wieder modellhaft erklären: Durch die größere 
Serieninduktivität des größeren Kondensators wird die 
Stromanstiegsgeschwindigkeit di/dt in diesen Kondensator gegenüber dem 
kleineren Kondensator begrenzt. Deshalb kommt der kleinere Kondensator 
bei steileren Flanken eher "zum Zug".

Das gilt dann nicht nur beim Vergleich Elko  Tantal  Keramik, sondern 
auch beim Vergleich zwischen bspw. zwei Kerkos mit z. B. 1 nF und 100 
nF.


Nebenbei: Wie kann ich dann mit Eagle unterbinden, dass meine GND Plane 
direkt an das IC Pad angebunden wird? In der "so wirds 
gemacht"-Abbildung auf Lothar Millers Seite sehe ich, dass der Tantal an 
die Massefläche angeschlossen ist, der Kerko an die Massefläche 
angeschlossen ist (warum eigentlich?) und das IC Pad eben nicht. Muss 
ich dann manuell Keepout-Flächen legen?

>> Wenn es sich um eine Antenne im weitesten Sinne, also auch ggf. lange
>> Zuleitungen handelt, ...
>
> Deswegen geht man mit seinen Geräten auch in die EMV-Prüfkammer und
> führt dort Messungen mit und ohne angeschlossene Kabel durch.

Dem will ich nicht widersprechen. Es ist die richtige Vorgehensweise. 
Für mich und meine Privatprojekte ist das nur leider nicht 
erschwinglich. Habe dazu schon einige Themen hier gelesen ("wie kann ich 
Abstrahlung mit einem Oszi messen" usw.), die alle den Tenor haben: 
"Wenn es wichtig ist, geh ins EMV-Labor." Es gibt also wohl keinen 
wirklich sinnvollen Mittelweg.

> Die Schaltfrequenz des FETs liefert vermutlich nur den geringsten Teil
> der Störfrequenzen. Viel entscheidender ist das Frequenzgemisch, das
> durch die Steilheit der Schaltflanken entsteht.

Auch wieder richtig, sonst hätten Treiberbausteine ja keine Slope 
Control-Eingänge nötig.

von Nop (Gast)


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Thomas S. schrieb:

> Wenn ich mehrere, unterschiedlich große Kondensatoren parallel schalte,
> wie es verschiedene Datenblätter vorsehen, inwiefern unterscheidet sich
> das Ergebnis dann von einem Bauteil mit der Summe der Kapazitäten?

Was hier auch noch wichtig ist, das ist die Frequenzabhängigkeit. Bei 
einem Elko finden chemische Umladungsprozesse statt, bei einem 
Keramikkondensator nicht. Folglich kann ein Elko zwar mehr Energie 
speichern, weil er eine größere Kapazität hat, aber er lädt sie 
langsamer um.

Ein Elko geht damit als Stützkondensator gut, aber nicht zum Abpuffern 
von HF-Störungen. Will man beides, dann schaltet man die beiden 
parallel.

von Thomas S. (schlot)


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Das mit dem Elko und dem Kerko ist einleuchtend. Ich habe mir (und dann 
Euch) vor allem die Frage gestellt, was bei mehreren, unterschiedlich 
großen Kerkos parallel passiert.

Wenn meine Zusammenfassung bzgl. der parasitären Induktivität zutrifft, 
erklärt es das ganze für mich.

von HildeK (Gast)


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Thomas S. schrieb:
> Ich habe mir (und dann
> Euch) vor allem die Frage gestellt, was bei mehreren, unterschiedlich
> großen Kerkos parallel passiert.

Das kannst du bei Kemet simulieren, auch mit mehreren parallel liegenden 
Cs:
http://ksim.kemet.com/Default.aspx

von ArnoR (Gast)


Angehängte Dateien:

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Thomas S. schrieb:
> Ich habe mir (und dann
> Euch) vor allem die Frage gestellt, was bei mehreren, unterschiedlich
> großen Kerkos parallel passiert.

Nicht so einfach zu beantworten (siehe Betrag von Possetitjel); kann gut 
gehen oder voll in die Hose.

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