Forum: Platinen Routing differentiell High-Speed Versatz


von egal (Gast)


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Mal kurze Frage zum routen von differentiellen schnellen Leitungen (z.B. 
lvds).

Man sollte ja darauf achten, dass die beide Adern des Pärchen gleich 
lang sind.
Unterschiede in der Länge gleicht man am Anfang oder am Ende aus wurde 
mir gesagt.
Ist es aber nicht wichtig den Versatz dort zu korrigieren wo er 
entsteht?

Weil wenn der Längenversatz erst am Ende korrigiert wird, läuft das 
Signal über die Strecke hinweg ja doch Phasenverschoben? Oder ist das 
nicht "so schlimm"?

Könnte mir vorstellen dass es die Funktionalität nicht beeinträchtigt, 
sich aber in der EMV bemerkbar macht? Sehe ich das richtig?

von Falk B. (falk)


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@ egal (Gast)

>Man sollte ja darauf achten, dass die beide Adern des Pärchen gleich
>lang sind.

Ja, aber dabei wird gern übertrieben.

>Unterschiede in der Länge gleicht man am Anfang oder am Ende aus wurde
>mir gesagt.

Meistens.

>Ist es aber nicht wichtig den Versatz dort zu korrigieren wo er
>entsteht?

Wenn möglich.

>Weil wenn der Längenversatz erst am Ende korrigiert wird, läuft das
>Signal über die Strecke hinweg ja doch Phasenverschoben? Oder ist das
>nicht "so schlimm"?

Kommt drauf an.

>Könnte mir vorstellen dass es die Funktionalität nicht beeinträchtigt,
>sich aber in der EMV bemerkbar macht? Sehe ich das richtig?

Kann man nicht so einfach sagen.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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egal schrieb:
> Weil wenn der Längenversatz erst am Ende korrigiert wird, läuft das
> Signal über die Strecke hinweg ja doch Phasenverschoben? Oder ist das
> nicht "so schlimm"?
Ich probiere das gern mal selber aus, um ein Gefühl dafür zu bekommen. 
Dabei geht es primär nicht um eine quantitative Bewertung des signals, 
sondern eher um die qualitative Betrachtung: was muss ich "falsch" 
machen, damit Fehler auftreten?

Ein neckisches Beispiel ist z.B. der USB 3.0 "Adapter" dort:
http://www.computerkabelversand.de/CC-12046-CC-Adapterplatine-USB-30-auf-Klemmleisten.html
Oder auch der hier:
https://www.conrad.de/de/usb-steckverbinder-mit-schraubanschluss-stecker-gerade-mn-usb4m-micro-usb-stecker-typ-b-conrad-inhalt-1-st-595240.html
Oder der:
https://www.reichelt.de/HDMI-DVI-VGA-Verbinder/DELOCK-65169/3/index.html?ACTION=3&GROUPID=7534&ARTICLE=113235

Was auf den ersten Blick wie schlechte Aprilscherze aussieht kann 
tatsächlich für solche Tests verwendet weden. Wenn mit so einem 
"Adapter" der USB 3.0 oder der Monitor tatsächlich noch läuft, dann 
kommt es funktionell tatsächlich nicht auf den letzten mm an...

von Georg A. (georga)


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Auch der HDMI-Switch von Hama ist ein "gutes" Beispiel:

Beitrag "Re: hi-speed USB Impedanzkontrolle"

von Georg (Gast)


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egal schrieb:
> Ist es aber nicht wichtig den Versatz dort zu korrigieren wo er
> entsteht?

Wie Radio Eriwan sagt, im Prinzip ja. Aber man handelt sich dabei 
meistens einen anderen Fehler ein: z.B. wenn das DiffPair um eine Kurve 
biegt (also schön abgerundet) ist die kurveninnere Leitung kürzer und 
sollte also verlängert werden - habe es schon so gesehen, dass man da 
eine kleine Schleife einfügt, aber dann hat man für den Rest der Strecke 
die Signale zwar wieder in Phase, dafür aber eine Stossstelle in der 
Impedanz, die Reflexionen verursacht. Das ist fast immer schlimmer als 
der Phasenversatz zwischen den Signalen (den kann man ja leicht 
berechnen und zu der Anstiegs/Abfallzeit in Beziehung setzen).

Ich glaube, dass es für dein Problem keine ideale Lösung gibt, und was 
sich wie auswirkt, müsste man mit der konkreten Geometrie und einem 
geeigneten Simulationsprogramm berechnen.

Georg

von HildeK (Gast)


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Welche Degradation ist durch einen nicht ideale Leiterbahnführung 
gestört? Erfahrungsgemäß sind leichte Fehler in der Anpassung oder, wie 
hier, in der Symmetrie der Leitungen wenig auffällig bis überhaupt nicht 
spürbar für die Funktion "korrekter Empfang" der Signale.
Anders sieht es u.U. aus, wenn man extreme Anforderung an EMV hat. Dort 
kann es durchaus sein, dass eine akkurat geführte differentielle Leitung 
bessere Ergebnisse bringt.

Man darf auch berücksichtigen, dass die Signale für einen mm Weg rund 
70ns benötigen (auf typischen Platinen), d.h. wenn die Signalflanken 
wesentlich langsamer ansteigen, dann ist es deutlich weniger 
problematisch wenn man hier nicht perfekt geroutet hat.

von HildeK (Gast)


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HildeK schrieb:
> für einen mm Weg rund
> 70ns benötigen

Quatsch - 7ps/mm - sorry!

von Max G. (l0wside) Benutzerseite


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Der Kehrwert davon sind 140 GHz, d.h. bis ca. 15 GHz sollte das im 
Augendiagramm kaum etwas ausmachen (ein Versatz um 1/10 der Symbollänge 
würde mich jetzt nicht unruhig schlafen lassen).

von samsam (Gast)


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Aus ein wenig eigener Erfahrung mit 'schelleren' Digitalsignalen (> 
10Gbit/s) und dem was man so nachlesen kann:

Wieviel Phasenverschiebung kann man tolerieren und was sollte man 
beachten:
- 50% der Risetime (hat man 200ps Risetime, 100ps oder 15mm), wenn es 
keine anderen Einschränkungen gibt. Siehe z.B. Lee Ritchey - Right the 
First Time
- Durch die Phasenverschiebung entsteht ein Common-Mode Signal. Falls 
spezifiziert, wieviel Common-Mode kann der Empfänger ab? Üblicherweise 
erfordert das dann schon eine viel bessere Anpassung.
- Ist EMV ein Problem? Hat man ein Common-Mode Signal auf einem 
ungeschirmten Kabel fällt das Produkt sehr schnell durch den EMV-Test, 
lange bevor etwas nicht mehr funktionert.
- Pragmatisch: Ab wann wird der Aufwand im Layout zu groß?

Georg schrieb:
> z.B. wenn das DiffPair um eine Kurve
> biegt (also schön abgerundet) ist die kurveninnere Leitung kürzer und
> sollte also verlängert werden - habe es schon so gesehen, dass man da
> eine kleine Schleife einfügt, aber dann hat man für den Rest der Strecke
> die Signale zwar wieder in Phase, dafür aber eine Stossstelle in der
> Impedanz, die Reflexionen verursacht.

Das Gerücht, man bräuchte gebogene Leiterbahnen hält sich hartnäckig. In 
speziellen Fällen könnten sie auch eine Berechtigung haben, bei 
digitalen Signalen halt ich es in 99% der Fälle für Voodoo. Bei 
typischen Leiterbahnbreiten, sagen wir >200um, wirkt eine 90° Ecke wie 
ein winziger diskreter Kondensator mit ein paar fF Kapazität, der Effekt 
geht gegen 0. Wir routen 25Gbit/s Stripline mit 45° Ecken, weil das 
Handling im Layout-Tool deutlich besser ist. Funktioniert trotzdem :).

Das Thema 'Schleife' lohnt auch einen genaueren Blick. Hat man schwach 
gekoppelte Päärchen (Stripline, Leiterbahnbreite > 1,5x 
Leiterbahnabstand) aendert sich die Impedanz kaum noch, wenn man den 
Abstand der Leiterbahnen ändert. In dem Fall ist dann auch 
Längenmatching mit 'Schleifen' kein Problem.

von Georg (Gast)


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samsam schrieb:
> Wir routen 25Gbit/s Stripline mit 45° Ecken

Das ändert aber überhaupt nichts daran, dass die "innere" Leiterbahn 
kürzer ist - egal ob rund, 45 oder 90 Grad. Das Problem, wenn es eines 
ist, bleibt also das gleiche, daher verstehe ich deinen Einwand gegen 
meine Argumentation nicht. Muss ich vermutlich auch nicht.

Georg

von samsam (Gast)


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Sorry, wahrscheinlich hab ich mich da ungeschickt ausgedrückt. Mir ging 
es um 'schön abgerundet', da habe ich verstanden, dass anstatt mit einer 
harten Ecke, mit einem schönen großen Radius geroutet werden sollte. Das 
ist nach dem was man an Literatur mit vernünfiger Erklärung findet und 
meiner Erfahrung tatsächlich unnötig. Natürlich gibt es eine 
Längendifferenz, die muss man gegebenenfalls ausgleichen.

von Bert (Gast)


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Wie sieht es eigentlich mit sehr schnellen signel-ended Signalen aus, 
z.B. bei Ram die Datenleitungen?
Heißt das diese müssen immer zwischen zwei Gnd-Platten geroutet werden 
und dürfen keinesfalls außen sein weil es sonst zu starke EMV Probleme 
gibt?

von Georg (Gast)


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Bert schrieb:
> Heißt das diese müssen immer zwischen zwei Gnd-Platten geroutet werden

Entweder das oder über einer GND-Plane - das reduziert EMV fast genauso 
gut (weil der Rückstrom dann unter der Signalleitung fliesst). Flapsig 
gesagt, auch eine GND-Plane darunter schirmt ab, daher geht auch 
Microstrip statt Stripline.

Georg

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