Forum: Offtopic Elektronikentwickler und Produkthaftung


von Hanno R. (Firma: webatel hanno reimann) (realhanno)


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Seit einigen Jahren bin ich Rentner. Die Rente reicht weder vorne noch 
hinten. Also habe ich ein Gewerbe angemeldet, damit ich als Entwickler 
von Hard- und Software meine Steuern zu meinem kleinen Nebenverdienst 
abführen darf.
Habe fast mein ganzes Leben (>40 Jahre) in der Industrie als Entwickler 
gearbeitet. Ich entwickle für verschiedene Firmen die 
unterschiedlichsten Dinge, vorrangig elektronische und mechanische 
Baugruppen.

Wie sieht es für mich generell mit Haftung aus?

Grundlegend:
Ich baue keine Geräte - die stellen meine Kunden selber zusammen.
Meine Entwicklungen gehen von Prototypen bis hin zu Mustern von 
Baugruppen.

Kann man mich für einen später auftretenden Fehler haftbar machen?
Oder für eine falsche Handhabung beim Endkunden, wodurch Geräte 
ausfallen oder Schlimmeres passiert?

Ein krasses Beispiel einer Eigenentwicklung ist ein elektrostatisches 
Filter zur Luftreinigung, das intern mit ca. 30 kV arbeitet. Ich baue 
einige Prototypen als Modul auf, der Kunde baut es in seine Maschine ein 
und testet. Bis zur endgültigen CE-Prüfung ist das für meinen Begriff 
eine Grauzone - wenn hier etwas passiert, dann ist der Teufel los...

Bin ich hier haftbar oder ist es der Hersteller? Oder beide?

von Joe F. (easylife)


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Das kommt auf den Vertrag an, den du mit deinem Kunden abschließt.
Bei 30kV würde ich ebenfalls sehr vorsichtig sein. Um einen wirklich 
wasserdichten und wirksamen Haftungsausschluss zu erreichen, kommst du 
wohl um die Beratung durch einen Fachanwalt nicht herum.
Und als Privatperson bist du bei Schäden u.U. voll mit deinem gesamten 
Vermögen haftbar. Schon eine juristische Auseinandersetzung kann im 
Zweifel so teuer werden, dass es dich ruiniert.
Die Gründung einer GmbH oder Ltd. könnte da ebenfalls hilfreich sein.

von Michael B. (laberkopp)


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Hanno R. schrieb:
> Kann man mich für einen später auftretenden Fehler haftbar machen?

Ein klares Nein.
Laut Produktsicherheitsgesetz ist der Hersteller haftend, also der der 
seinen Namen draufstempelt und das Gerät liefert, nicht du.

Leute die in der Herstellerfirma mit deinen Geräten arbeiten müssen 
ausreichenden Sachverstand besitzen. Lässt der Chef einen Lehrling ran 
"probier mal aus was der Hanno uns geschickt hat" ist das sein Problem.

Bosch hat für seine ABS Systeme sicher eine Risikobewertung gemacht und 
sichert als OEM dem Hersteller des Automobils eine Funktion zu, aber 
Bosch liefert auch die black boxes, nicht bloss engineering samples. Bei 
ABS Fehlern wendet sich der Endkunde an den Autohersteller, und der holt 
sich wegen der Verträge die er mit Bosch geschlossen hat an Bosch wegen 
Austauschkosten etc. (man erinnere an Airbag-Rückrufaktionen).

Lesestoff: 
http://www.dihk-verlag.de/produkthaftung_und_produktsicherheit.html

von Joe F. (easylife)


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Michael B. schrieb:
> Ein klares Nein.
> Laut Produktsicherheitsgesetz ist der Hersteller haftend, also der der
> seinen Namen draufstempelt und das Gerät liefert, nicht du.

Das würde ich nicht als so klar betrachten.
Der Endkunde wendet sich natürlich erstmal an den Hersteller, dieser 
will dann den Schaden aber u.U. dem "Zulieferer" = Entwickler anhängen.
Anderer Fall: im Unternehmen des Kunden kommt es beim Testen des 
Prototyps zu einem Personenschaden. Wer haftet dann, wenn z.B. ein 30KV 
führendes Kabel abgefatzt ist, und mit dem Gehäuse Kontakt hatte?
Alles eher ziemlich glattes Eis würde ich sagen.

von Purzel H. (hacky)


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> Um einen wirklich wasserdichten und wirksamen Haftungsausschluss zu erreichen, 
kommst du wohl um die Beratung durch einen Fachanwalt nicht herum.


Ein Anwalt kostet viel und bringt wenig, eigenlich kann er gar nichts, 
beitragen schon gar nicht. Man sollte nicht mal im Traum dran denken 
etwas auszuliefern, das die Vorschriften nicht erfuellt. In diesem Fall 
muss die Hochspannung sicher sein. Muss einfach. Das kann ein 
geschlossenes Gehaeuse sein, das bei Oeffnen per Endschalter die 
Speisung abschaltet.

Falls man noch am Basteln ist, hat man vor Ort, dh beim Kunden ein 
Hochspannungsnetzteil, irgendwelche Verkabelung, und dreht etwas rum. 
Der Kunde schaut zu, der Auftragnehmer schraubt rum. Nachher, beim 
Prototyp muss das Ganze schon sicher sein. Weshalb sollte man 
Sicherungsfunktionalitaeten weglassen ? Wenn der Kunde selber was 
rumschrauben will, kann er das Gehauese entgegen den Anweisungen 
oeffnen, den Endschalter ueberbruecken, die Sicherheitsfunktion 
austricksen, und muss die Haftung selbst uebernehmen.

Dasselbe mit EMV. Ich denke man sollte einem Kunden keinen Schwarzsender 
aushaendigen, nur weil man zu faul war ein paar Richtlinien umzusetzen. 
Ich wuerd sowas nicht mal selbst in Betrieb nehmen.

Meine Prototypen haben den Anspruch die Normen auch schon erfuellen zu 
wollen. In der Hardware ist es einfacher wie in der Software. Aber in 
der Software muessen die Fehler ja sowieso raus. Das ist dann ja der 
Entwicklungsprozess.

von Basti M. (counterfeiter)


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Michael B. schrieb:
> Ein klares Nein.
> Laut Produktsicherheitsgesetz ist der Hersteller haftend, also der der
> seinen Namen draufstempelt und das Gerät liefert, nicht du.

Wenn der Kunde nicht aus dem Bereich kommt und hier keine Erfahrung hat, 
dann kann man bei entsprechner Auftragsgeschaltung nicht einfach die 
Verantwortung abschieben.

Die KFZ-Werkstatt kann auch nicht einfach sagen: Evtl. ist das Fahrwerk 
noch locker, sie fahren hier auf eigene Gefahr los.

von Joe F. (easylife)


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Zwölf M. schrieb:
> Ein Anwalt kostet viel und bringt wenig, eigenlich kann er gar nichts,
> beitragen schon gar nicht.

Äh, aha. Also kostet viel: full ack. Aber es ist sein Job dich vor 
rechtlichen Konsequenzen zu schützen. Haftungsausschlüsse sollte man nie 
im Leben selbst formulieren. Und es kann auch hilfreicht sein zu 
erfahren, wovor man sich selbst mit einem guten Vertrag nicht absichern 
kann. Und bevor ich eine 6-stellige Schadenersatzklage am Hals habe 
bezahle ich lieber ein paar Hundert bis Tausend Tacken an einen guten 
Anwalt.

von Hanno R. (Firma: webatel hanno reimann) (realhanno)


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Hallo Leute,
ist ja recht aufschlussreich, welch unterschiedliche, sogar 
gegensätzliche Meinungen hierzu existieren...

Zu meinem Fall (betrifft möglicherweise viele eigenständige Entwickler):
1. einen Vertrag gibt es nicht, nur mündliche Absprachen
2. gearbeitet wird auf Stundenbasis, nicht auf Projektbasis.
   (damit arbeite ich als externer zeitweiliger Angestellter, oder?) und
   da entfällt meiner Meinung nach meine Produkthaftung.
3. Natürlich beachte ich alle relevanten Vorschriften (CE, GS, EMV,..)
   auch schon bei den Prototypen.
4. Einen Anwalt kann ich mir bei diesem Nebenverdienst nicht leisten.
   Ich darf ja nicht mehr dazuverdienen als meinen Rentenbetrag. Sonst
   würde ich nicht mehr als Rentner geführt, sondern als Firma. Damit
   würden meine Abgaben drastisch ansteigen (sind ja auch jetzt schon
   fast untragbar - Rente wird zu 2/3 besteuert, der Nebenverdienst
   voll, KV/PV kommt auch noch dazu sowie diverse Vorauszahlungen)

Wäre ich jünger, würde ich auswandern...

von Michael B. (laberkopp)


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Basti M. schrieb:
> Wenn der Kunde nicht aus dem Bereich kommt und hier keine Erfahrung hat,
> dann kann man bei entsprechner Auftragsgeschaltung nicht einfach die
> Verantwortung abschieben.
>
> Die KFZ-Werkstatt kann auch nicht einfach sagen: Evtl. ist das Fahrwerk
> noch locker, sie fahren hier auf eigene Gefahr los.

Bla Bla Bla, bei der KFZ Werkstatt ist der Kunde Endverbraucher. Aber 
schön, daß du mal gezeigt hast, daß du keine Ahnung von Analogien hast.

Hanno R. schrieb:
> 1. einen Vertrag gibt es nicht, nur mündliche Absprachen

Kann ein Vorteil oder auch ein Nachteil sein.

> 2. gearbeitet wird auf Stundenbasis, nicht auf Projektbasis.
>    (damit arbeite ich als externer zeitweiliger Angestellter

Nein, als Selbständiger im Dienstvertrag, kein Werkvertrag.

Vorteil Dienstvertrag: Ein bestimmtes Ergebnis und ein Erfolg können 
nicht garantiert werden.

Wo wir beim Juristen sind: Der macht nur Dienstverträge. Ein Werkvertrag 
würde bei ihm heissen: Nur Geld wenn Prozess gewonnen.

Zwölf M. schrieb:
> Dasselbe mit EMV. Ich denke man sollte einem Kunden keinen Schwarzsender
> aushaendigen, nur weil man zu faul war ein paar Richtlinien umzusetzen.

Jeder Sender-Prototyp ist ein Schwarzsender, weil er ohne Gehäuse keine 
Abschirmung hat.

von Timm T. (Gast)


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Joe F. schrieb:
> Und bevor ich eine 6-stellige Schadenersatzklage am Hals habe
> bezahle ich lieber ein paar Hundert bis Tausend Tacken an einen guten
> Anwalt.

Du kannst aber gut 1000 Tacken an den Anwalt zahlen und bekommst 
trotzdem eine Schadensersatzklage an den Hals. Und dann zahlst Du 
nochmal ein paar tausend Tacken und bist trotzdem dran.

Viel interessanter wäre eine Betriebshaftpflicht, bekommt man auch als 
Selbständiger, geht so bei 400 Eur im Jahr los. Zahlt aber nicht bei 
Leistungen in den USA und Kanada - also meine zumindest nicht.

Hanno R. schrieb:
> Wäre ich jünger, würde ich auswandern...

Heul doch! Ihr Alten habt das Land doch zu dem gemacht, was es ist. Ich 
gehe davon aus, dass ich mal gar keine Rente bekommen werde, da geht nur 
noch Arbeiten bis zuletzt und dann sozialverträglich abnippeln.

von Paul B. (paul_baumann)


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Ich rate Dir, diesem Link zu folgen:
Beitrag "Re: Keine Ahnung in der Entwicklung"

Dort ist ein Universalgenie mit dem schönen Namen "Claymore" zu Gange. 
Dieser Experte erklärt Dir Dein Leben und setzt Dir auch auseinander, 
warum Du mit Deiner Rente nicht ausreichst bzw. nicht ausreichen kannst.

MFg Paul

von Hanno R. (Firma: webatel hanno reimann) (realhanno)


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Timm T. schrieb:
>
> Heul doch! Ihr Alten habt das Land doch zu dem gemacht, was es ist. Ich
> gehe davon aus, dass ich mal gar keine Rente bekommen werde, da geht nur
> noch Arbeiten bis zuletzt und dann sozialverträglich abnippeln.

Ich glaube nicht, dass ich zu denen gehöre, die dieses "Deutschland" 
verbrochen haben. Aber das gehört sicherlich in eine andere Rubrik und 
erst recht nicht hierher..

von Hanno R. (Firma: webatel hanno reimann) (realhanno)


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Michael B. schrieb:
> Jeder Sender-Prototyp ist ein Schwarzsender, weil er ohne Gehäuse keine
> Abschirmung hat.

Ich denke, er meint keine Sender im direkten Sinn, sondern eine wilde 
Schwingerei auf einer 'was weiß ich was für einer Elektronik'

von Lars R. (lrs)


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Joe F. schrieb:
> Zwölf M. schrieb:
>> Ein Anwalt kostet viel und bringt wenig, eigenlich kann er gar nichts,
>> beitragen schon gar nicht.
>
> Äh, aha. Also kostet viel: full ack. Aber es ist sein Job dich vor
> rechtlichen Konsequenzen zu schützen. Haftungsausschlüsse sollte man nie
> im Leben selbst formulieren. Und es kann auch hilfreicht sein zu
> erfahren, wovor man sich selbst mit einem guten Vertrag nicht absichern
> kann. Und bevor ich eine 6-stellige Schadenersatzklage am Hals habe
> bezahle ich lieber ein paar Hundert bis Tausend Tacken an einen guten
> Anwalt.

Kannst Du das auch belegen?

Kann man diese Texte, wenn sie einmal formuliert sind, auch einmal 
nachlesen, oder hat jeder Anwalt eine eigene Ansicht und jeder Anwalt 
erzeugt einen anderen Text?

Wenn Du dennoch verklagt wirst, haftet der Anwalt, der Dir den Vertrag 
gestaltet hat? Zumindest müsste man es nach Deiner Logik probieren und 
in einem solchen Fall den eigenen Anwalt verklagen, oder? Andererseits 
sei die Annahme, dass:

Joe F. schrieb:
> Schon eine juristische Auseinandersetzung kann im
> Zweifel so teuer werden, dass es dich ruiniert.

Demzufolge drohe ich dem Entwickler auf jeden Fall mit der Klage, wenn 
er nicht gehorcht, auch wenn ich weiß, dass ich mit der Klage keinen 
Erfolg habe?


Lasst uns doch die Texte hier diskutieren und schauen, was heraus kommt, 
anstatt drum herum oder Initiative immer zu nur madig zu reden. Ich 
fange mal an:
Voraussetzung für die Auftragsannahme/Zustandekommen des 
Vertragsverhältnisses ist die Akzeptanz der AGBs des Auftragnehmers 
durch den Auftraggeber.

von Purzel H. (hacky)


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> Michael schrieb ..
>> Zwölf M. schrieb:
>> Dasselbe mit EMV. Ich denke man sollte einem Kunden keinen Schwarzsender
>> aushaendigen, nur weil man zu faul war ein paar Richtlinien umzusetzen.
>
>Jeder Sender-Prototyp ist ein Schwarzsender, weil er ohne Gehäuse keine
>Abschirmung hat.

Eine Frage des Gebietes. Es gibt kritischere und weniger kritische. Wenn 
ein Gehaeuse wegen der EMV dazugehoert ist auch beim Prototypen eins 
dabei.
Allerdings ist ein Gehaeuse noch keine Garantie, dass alles gut ist.

Kuerzlich lernte ich, dass man allenfalls sowieso ein Gehauese 
mitliefern sollte, auch wenn die EMV das nicht verlangen wuerde. Wenn 
die Prototypen von Grobmotorikern, Deppen, Ignoranten und Besserwissern 
gehandhabt werden.

Nach einem Monat im Feld war die Leiterplatte schwarz, zugesifft, und 
hat falsche Daten geliefert. Der Kunde hat ihn dann mit einer 
Zahnbuerste und Isopropanol gereinigt. Dabei kam der Loetstopplack auch 
gleich runter. Nach einem weiteren Monat war die Leiterplatte wieder 
zugesifft. Es gab einen Kurzschluss und sie kam zu mir zurueck. So eine 
Umgebung war mir und dem Kunden nicht bekannt, wurde nicht erwartet.

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