Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Mittlerer Stromverbrauch bei stark schwankenden Strömen


von Jörg (Gast)


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Hallo,

ich habe eine µC-Schaltung, die sehr unterschiedliche Ströme aufnimmt. 
Für ca. 500ms schläft sie und nimmt wenige µA auf. Dann wacht sie kurz 
auf und nimmt einige mA auf. Jedoch sind die Wach-Phasen nicht immer 
gleich. Die Länge und Stromaufnahme variiert.
Nun würde ich gerne den mittleren Strom über einen längeren Zeitraum 
(min 1 Minute) ermitteln. Zugang zu einem modernen Oszi habe ich. Aber 
wie mache ich das am besten?

Die einzige Möglichkeit, die mir einfällt ist, mit unterschiedlichen 
Shunts zu arbeiten. Mit einem hochohmigen Shunt den Standby Strom messen 
und mit einem niederohmigeren Shunt die Lastpulse. Dann mit dem Oszi die 
jeweiligen Zeiten ermitteln und manuell zusammenrechnen. Die Genauigkeit 
ist nicht so wichtig. 10-20% Abweichung wären absolut im Rahmen.

Eine andere Idee wäre, einen Akku mit bekannter Kapazität dranhängen und 
messen, wann er leer ist.

Gibt es eine bessere Möglichkeit?

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Jörg schrieb:
> Für ca. 500ms schläft sie und nimmt wenige µA auf.
Dieser Strombedarf dürfte ja weitestgehend statisch sein. Den Ruhestrom 
musst du also nur einmal messen.

> Dann wacht sie kurz auf und nimmt einige mA auf.
Definiere "kurz" denn daraus lässt sich zusammen mit dem erlaubten 
Messfehler dann das nötige Oversampling berechnen.

> Zugang zu einem modernen Oszi habe ich.
Welche Aufzeichnungstiefe hat dieses Oszi?

von Peter II (Gast)


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Jörg schrieb:
> Gibt es eine bessere Möglichkeit?

die Schaltung mit einem (großen) Kondensator versorgen. Aus dem 
Spannungsabfall nach 1min kann man die entnommene Energie ausrechnen. 
Wenn es etwas genauer sein soll, dann noch den Kondensator 1min lang 
ohne Schaltung als Vergleich nehmen, damit man die eigen-Entladung 
abziehen kann.

von Georg (Gast)


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Jörg schrieb:
> Für ca. 500ms schläft sie und nimmt wenige µA auf. Dann wacht sie kurz
> auf und nimmt einige mA auf

Rechne doch erst mal nach, ob sich die Erfassung des Verbrauchs beim 
Schlafen überhaupt lohnt - kann ja gut sein dass der unerheblich ist 
gegenüber dem Stromverbrauch bei Aktivität. Und selbst wenn nicht würde 
ich den Strom einfach einmal messen, der wird ja nicht stark schwanken.

Georg

von Jörg (Gast)


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Lothar M. schrieb:
> Dieser Strombedarf dürfte ja weitestgehend statisch sein. Den Ruhestrom
> musst du also nur einmal messen.
Genau, das passt.

Georg schrieb:
> Rechne doch erst mal nach, ob sich die Erfassung des Verbrauchs beim
> Schlafen überhaupt lohnt - kann ja gut sein dass der unerheblich ist
> gegenüber dem Stromverbrauch bei Aktivität. Und selbst wenn nicht würde
> ich den Strom einfach einmal messen, der wird ja nicht stark schwanken.
Rechnerisch macht der Ruhestrom ca. 10% des gesamten Stromverbrauchs 
aus. Ich würde ihn also gerade so noch nicht vernachlässigen.

Lothar M. schrieb:
> Definiere "kurz" denn daraus lässt sich zusammen mit dem erlaubten
> Messfehler dann das nötige Oversampling berechnen.
25ms

Lothar M. schrieb:
> Welche Aufzeichnungstiefe hat dieses Oszi?
100.000 Punkte

Peter II schrieb:
> die Schaltung mit einem (großen) Kondensator versorgen. Aus dem
> Spannungsabfall nach 1min kann man die entnommene Energie ausrechnen.
> Wenn es etwas genauer sein soll, dann noch den Kondensator 1min lang
> ohne Schaltung als Vergleich nehmen, damit man die eigen-Entladung
> abziehen kann.
Oder so. Das wäre wohl am einfachsten.

von Jörg R. (solar77)


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Peter II schrieb:
> die Schaltung mit einem (großen) Kondensator versorgen. Aus dem
> Spannungsabfall nach 1min kann man die entnommene Energie ausrechnen.
> Wenn es etwas genauer sein soll, dann noch den Kondensator 1min lang
> ohne Schaltung als Vergleich nehmen, damit man die eigen-Entladung
> abziehen kann.

Von der Methode habe ich hier im Forum schon öfter gelesen. Ich selbst 
habe es so noch nicht gemacht.

Verständnisfrage(n):
Ist die Methode genau? Die Spannung am C sinkt doch kontinuierlich, 
damit ändert sich doch auch die Stromaufnahme der Schaltung. Oder, der C 
hat eine hohe Kapazität und die Spannung sinkt nur geringfügig.
Dann müsste ich doch mit einem Messgerät messen das eine hohe Auflösung 
hat, um Änderungen festzustellen.

Liege ich mit meinen Überlegungen komplett daneben?

von Georg (Gast)


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Jörg R. schrieb:
> Die Spannung am C sinkt doch kontinuierlich,
> damit ändert sich doch auch die Stromaufnahme der Schaltung

Kondensator plus Linearregler.

Georg

von Possetitjel (Gast)


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Jörg schrieb:

> Nun würde ich gerne den mittleren Strom über einen
> längeren Zeitraum (min 1 Minute) ermitteln. Zugang zu
> einem modernen Oszi habe ich. Aber wie mache ich das
> am besten?

Den Oszi nicht verwenden :)

Viele Mikrocontroller haben schon 12bit-ADCs integriert.
Damit könnte man 1µA bis 4mA in einem durchgehenden
Messbereich auflösen.

Akademische Alternative: Logarithmierenden I/U-Wandler
aufbauen, z.B. mit Dioden zum logarithmieren. Das ist
aber ausdrücklich KEINE Empfehlung, nur eine anekdotische
Anmerkung.

Weitere akademische Alternative für Analogbastler: Mittleren
Strom direkt mittels Integrator bestimmen, also kleinen
Shunt verwenden und Spannungsabfall direkt in einem genauen
Integrator aufintegrieren.

von Possetitjel (Gast)


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Possetitjel schrieb:

> Weitere akademische Alternative für Analogbastler: Mittleren
> Strom direkt mittels Integrator bestimmen, also kleinen
> Shunt verwenden und Spannungsabfall direkt in einem genauen
> Integrator aufintegrieren.

Nachtrag -- ist mir zu spät eingefallen: Das müsste sich mit
dem ersten Vorschlag (hochauflösender ADC) verheiraten lassen,
indem man einen Delta-Sigma-Wandler verwendet.

Hmm. Ich finde die Idee eigentlich so bestechend, dass es mich
wundert, dass man das noch nicht als Fertiggerät kaufen kann.
Kennt da jemand etwas?

von Simpel (Gast)


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Nimm einen Attiny-ADC und 2 Shunts (einen hoch- und einen niederohmigen) 
in Reihe. Der hochohmige Shunt wird per Reedrelais gebrückt sobald ein 
ADC_Wert > 1000 gemessen wird. Bei einem Adc-Wert < 2 (z.B) wird das RR 
wieder geöffnet. Je nach Shunt-Status wird die Ladung (Strom x 
ADC-Intervall) für den jeweiligen Messbereich integriert und 
anschließend verrechnet und ausgegeben.


Oder Strom über einen Shunt + Chopper-Op(Zero-Offset) + Kond. 
integrieren und per Schwellwertschalter(555-CMOS eignet sich gut) 
entladen. --> Jeder Impuls repräsentiert dann je nach Dimensionierung 
eine bestimmte Ladung in As oder mAs... Die Summe der Pulse, geteilt 
durch die Summe der Integrationszeit = die gemittelten Ampere.

von MiWi (Gast)


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Possetitjel schrieb:
> Jörg schrieb:
>
>> Nun würde ich gerne den mittleren Strom über einen
>> längeren Zeitraum (min 1 Minute) ermitteln. Zugang zu
>> einem modernen Oszi habe ich. Aber wie mache ich das
>> am besten?
>

>
> Weitere akademische Alternative für Analogbastler: Mittleren
> Strom direkt mittels Integrator bestimmen, also kleinen
> Shunt verwenden und Spannungsabfall direkt in einem genauen
> Integrator aufintegrieren.


ACF2101, ein bischen Komparatorzauber mit dem Ausgang des Chips, 
nachgeschaltete Timerlogik (das mactht ein uC), Eingäng wechselnd auf 
das Messobjekt geschalten damit die Resetphase ausreichend lang ist und 
quasi  fertig.

läuft hier seit vielen Jahren für solche Messungen sehr 
zufriedenstellend.


MiWi

von Wolfgang (Gast)


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Possetitjel schrieb:
> Akademische Alternative: Logarithmierenden I/U-Wandler
> aufbauen, z.B. mit Dioden zum logarithmieren. Das ist
> aber ausdrücklich KEINE Empfehlung, nur eine anekdotische
> Anmerkung.

Dabei würde man das geometrische Mittel der Stromaufnahme bestimmen. 
Hier ist aber nach dem arithmetischen gefragt.

von Werner H. (werner45)


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Eine in Vergessenheit geratenes Meßgerät dafür wäre das 
Silber-Coulometer.
Kupfer-Coulometer geht aber auch.

Gruß   -   Werner

von Anja (Gast)


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Possetitjel schrieb:
> Hmm. Ich finde die Idee eigentlich so bestechend, dass es mich
> wundert, dass man das noch nicht als Fertiggerät kaufen kann.
> Kennt da jemand etwas?

So etwas heißt "SMU"
http://www.keysight.com/en/pc-1862522/source-measure-units?cc=DE&lc=ger
Aber für den Preis gibt es viele Oszis.

Jörg schrieb:
> Lothar M. schrieb:
>> Welche Aufzeichnungstiefe hat dieses Oszi?
> 100.000 Punkte
Das reicht nicht vernünftig für eine Minute.
und womöglich noch ein 8-bitter.

Wenn Oszi dann mindestens 12-16 Bit und 100-1000 mal mehr Samples.
Siehe z.B. hier:

https://www.mikrocontroller.net/articles/Batteriew%C3%A4chter#Nachtrag2:_Strommessung_mit_dem_Oszi

Gruß Anja

von Possetitjel (Gast)


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Wolfgang schrieb:

> Possetitjel schrieb:
>> Akademische Alternative: Logarithmierenden I/U-Wandler
>> aufbauen, z.B. mit Dioden zum logarithmieren. Das ist
>> aber ausdrücklich KEINE Empfehlung, nur eine anekdotische
>> Anmerkung.
>
> Dabei würde man das geometrische Mittel der Stromaufnahme
> bestimmen.

Nein, nein.
Ich meinte schon eine zeitaufgelöste Messung, keine
integrierende.

Der logarithmierende I/U-Wandler soll nur eine Dynamik-
kompression machen, damit der Oszi mit seinen 8 Bit das
vernünftig darstellen kann.

Den mittleren Strom muss man halt bei Bedarf mit Excel
ausrechnen.

von Possetitjel (Gast)


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MiWi schrieb:

> ACF2101, ein bischen Komparatorzauber mit dem Ausgang
> des Chips, nachgeschaltete Timerlogik (das mactht ein
> uC), Eingäng wechselnd auf das Messobjekt geschalten
> damit die Resetphase ausreichend lang ist und quasi
> fertig.
>
> läuft hier seit vielen Jahren für solche Messungen sehr
> zufriedenstellend.

Hübsch.

Mift... wieder nicht der Erste mit der Idee :)

von Possetitjel (Gast)


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Anja schrieb:

> Possetitjel schrieb:
>> Hmm. Ich finde die Idee eigentlich so bestechend, dass es mich
>> wundert, dass man das noch nicht als Fertiggerät kaufen kann.
>> Kennt da jemand etwas?
>
> So etwas heißt "SMU"
> http://www.keysight.com/en/pc-1862522/source-measure-units?cc=DE&lc=ger
> Aber für den Preis gibt es viele Oszis.

Interessant. Danke für den Hinweis.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Jörg schrieb:
> Lothar M. schrieb:
>> Welche Aufzeichnungstiefe hat dieses Oszi?
> 100.000 Punkte
Mal überschlagen: 60s/100000 = 600µs. Mit diesem Oszi kannst du also die 
25ms knapp 42 mal abtasten. Damit ist der Fehler durch die Abtastung ca. 
2% ("eins mehr oder weniger"). Für eine überschlägige Messung im 
geforderten Genauigkeitsbereich von 10-20% reicht das aus. Sogar wenn du 
nur 8-Bit Wandler im Oszi hast...

Sollte die "Aktivzeit" dann natürlich deutlich geringer sein, bekommst 
du unter ca. 7ms theoretisch einen zu großen Fehler, der sich allerdings 
durch mehrere Messungen auch wieder herausmitteln kann.

von Harald W. (wilhelms)


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Jörg schrieb:

> ich habe eine µC-Schaltung, die sehr unterschiedliche Ströme aufnimmt.
> Für ca. 500ms schläft sie und nimmt wenige µA auf. Dann wacht sie kurz
> auf und nimmt einige mA auf. Jedoch sind die Wach-Phasen nicht immer
> gleich. Die Länge und Stromaufnahme variiert.
> Nun würde ich gerne den mittleren Strom über einen längeren Zeitraum
> (min 1 Minute) ermitteln.

Dafür gbt es viele, meist ziemlich aufwändige Meßlösungen.
Wesentlich einfacher ist es aber, nur den Strom in der
"Hochstromphase" zu messen, und den einmal gemessemen
Ruhestrom rechnerisch dazu zu addieren.

von MiWi (Gast)


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Possetitjel schrieb:
> MiWi schrieb:
>
>> ACF2101, ein bischen Komparatorzauber mit dem Ausgang
>> des Chips, nachgeschaltete Timerlogik (das mactht ein
>> uC), Eingäng wechselnd auf das Messobjekt geschalten
>> damit die Resetphase ausreichend lang ist und quasi
>> fertig.
>>
>> läuft hier seit vielen Jahren für solche Messungen sehr
>> zufriedenstellend.
>
> Hübsch.
>
> Mift... wieder nicht der Erste mit der Idee :)

Na... gräm dich nicht :-)

Ich hab ... lang ists her (1996/97) mit dem Teil PAL-Signale auf 20 
Pixel pro Zeile "heruntergesampelt"... ein LM1881 hat die (mit 74HC und 
74LS-Chips) aufgebaute Zählerschaltung Timingmäßig gesteuert, ein SAB 
C167 hat die alle paar us herausfallenden Analogwerte gemessen und dann 
über eine synchrone Schnittstelle zu den per PWM gesteuerten Glühlampen 
geschickt... War ein lässiges Projekt für eine Opernrequisite :-)

Damals waren SGI-Workstations die einzig brauchbare (und unbezahlbare) 
Alternative, bezahlbare PCs hätten das noch nicht geschafft 
(digitalisieren vielleicht schon, aber das dann auf eine 8x6m große 
Leinwand mit Glühlampen zu bringen...) und heute macht das ganze 
digitalisieren, versenden und auch am FOH-Platz anzeigen vermutlich ein 
ARM ohne nennenswerte exerne Hardware...


Naja, und seit dem bin ich diesem ACF2101 (damals noch von Burr Brown) 
doch sehr zugeneigt, da damit etliches auf sehr elegante - wenn auch auf 
unkonventionelle - Weise lösbar ist...

Interessanterweise hat TI diesen seit mindestens 20 Jahren bestehenden 
Chip  sogar auf eine 1-Kanal-Version erweitert und das Teil wird immer 
noch gefertigt... scheint also doch kein so Nischenprodukt zu sein...


MiWi

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