Forum: Platinen Da war doch mal was mit bleifreiem Lötzinn


von Roth (Gast)


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Ich habe mal einen Artikel gelesen über ein "neues Problem" bei 
Platinen. Nach einiger Zeit sollen aus dem Lot Fäden "wachsen". Sah aus 
wie ein Topfkratzer in Miniaturformat. Irgendwann kommt es dann zu 
Kurzschlüssen. Das Phänomen wurde auf Lötzinn ohne Blei geschoben. 
Genaues wusste man angeblich noch nicht.

Wie ist denn der Stand heute? Vorausgesetzt, jemand weiß, was ich meine. 
Bei Google habe ich gerade nichts gefunden. Ich weiß aber, dass ich 
damals viele Treffer hatte. Ich weiß aber auch nicht mehr, nach was ich 
suchen soll.

von A. K. (Gast)


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Jo..du meinst wohl "tin whiskers"
Hilft das?

LG

von bom (Gast)


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Whisker

von Andreas S. (Firma: Schweigstill IT) (schweigstill) Benutzerseite


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Roth schrieb:
> Genaues wusste man angeblich noch nicht.

Dieses Problem ist schon seit Jahrzehnten bekannt, wurde aber um 2005 
herum im Rahmen der Bleifreieinführung wieder aufgewärmt. Dieses 
Nadelwachstum ist aber auch aus anderen Bereich bekannt, z.B. 
Zinknadeln, die auf verzinkten Oberflächen wachsen. Es gab Hersteller 
von "doppelten Böden" für Rechenzentren, die dies nicht beachteten, was 
zu haufenweise Ausfällen irgendwelcher Server führte.

von Roth (Gast)


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Arno K. schrieb:
> Jo..du meinst wohl "tin whiskers"
> Hilft das?

Jepp, danke :-) Genau das meine ich.

Was ist denn daraus geworden? WIE wurde Abhilfe geschaffen und wodurch 
entsteht der Effekt nun tatsächlich?

von Christian G. (christiang)


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von Bernd W. (berndwiebus) Benutzerseite


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Hallo Roth.

Roth schrieb:

> Ich habe mal einen Artikel gelesen über ein "neues Problem" bei
> Platinen. Nach einiger Zeit sollen aus dem Lot Fäden "wachsen". Sah aus
> wie ein Topfkratzer in Miniaturformat. Irgendwann kommt es dann zu
> Kurzschlüssen. Das Phänomen wurde auf Lötzinn ohne Blei geschoben.
> Genaues wusste man angeblich noch nicht.

Thin Whiskers. Ist ein Exotenproblem.

> Wie ist denn der Stand heute? Vorausgesetzt, jemand weiß, was ich meine.
> Bei Google habe ich gerade nichts gefunden. Ich weiß aber, dass ich
> damals viele Treffer hatte. Ich weiß aber auch nicht mehr, nach was ich
> suchen soll.

Das Problem mit den Whiskers besteht weiter. Ist aber in der üblichen 
Elektronik fast nicht relevant, weil es nur Lötverbindungen oder 
überhaupt Verzinnte oder Teile aus Zinn betrifft, die aus sehr reinem 
Zinn sind.
Sobald eine Legierung Zinn mit irgendwas besteht, ist das Problem weg.

Es gibt aber mehr Probleme mit Bleifrei, die je nach Fall mehr oder 
weniger  schwerwiegend sind.

Bleifrei benetzt schlechter und steigt schlechter durch Spalte.
Das bedeutet mehr Vorarbeit beim reinigen der Lötstellen und größere 
Genauigkeit erforderlich.

Bleifrei benötigt was um 30°C höhere Löttemperatur als Bleihaltig. 
Dadurch gelangt man beim Löten oberhalb eines Punktes, wo die Haftung 
eines Lötpads auf der Platine durch das Löten irreversibel 
verschlechtert wird. Und zwar bei jedem Lötvorgang erneut. Das ist sehr 
unangenehm bei Prototypen, an denen viel herumgelötet wird.
Darum wird dort auch heute noch sehr viel bleihaltig gelötet.

Durch die höhere Löttemperatur und das fehlende Blei verzundern 
Lötspitzen schneller und lassen sich dann auch noch schlechter reinigen.

Durch die höhere Löttemperatur bestehen verstärkt Probleme beim verlöten 
temperaturempfindlicher Bauteile. Z.b. keramische Kondensatoren mit X7R 
Dielektrikum wegen mechanischer Verspannungen.

Die Duktilität von bleifreiem Löt ist schlechter. Daraus resultieren 
ebenfalls Probleme bei mechanischen Verspannungen.

Die Temperaturwechselfestigkeit von bleifreien Loten ist schlechter als 
die von bleihaltigen.

Es gibt zwar immer eine Legierung, die ein spezielles Problem löst, aber 
dafür wird dann an anderer Stelle etwas schlimmer.

Ein weiteres Problem ist, dass die meisten bleifreien lote nach Erkalten 
mattgrau sind, ähnlich wie eine "kalte Lötstelle" bei bleihaltigem Lot. 
Eine optische Sichtkontrolle in der Produktion ist damit aber fast 
unmöglich.
Darum hat man eine Legierung eingeführt, die auch nach Erkalten noch 
etwas glänzt. Die glänzt aber fast immer, auch bei schlechten 
Lötstellen. Eine
Sichtkontrolle ist dadurch auch nicht zuverlässiger geworden, aber die 
Kunden sind zufriedener, weil sie die blanken Lötstellen halt noch als 
"gut" von früher kennen.
Dafür benetzt das Zeug dann wiederum schlecht......

Die ternären Zinnlegierungen hat man wohl auf der Suche nach einem guten 
Ersatzlot alle durch, und ist jetzt bei den quaternären.....seit ca. 10 
Jahren ohne Erfolg. Natürlich versprechen einem die Verkaufsfritzen das 
blaue vom Himmel......

Für sicherheitskritische Anwendungen wird darum auch heute noch oft 
bleihaltig vorgeschrieben. Insbesondere venn es um den Einsatz in weiten 
Temperaturbereichen geht.

Mit freundlichem Gruß: Bernd Wiebus alias dl1eic
http://www.l02.de

von Roth (Gast)


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Dankeschön für die wirklich tollen Hinweise. Ich wußte schon nicht mehr, 
ob ich das wirklich gelesen habe, oder nur geträumt. Bei Google habe 
ich, ohne den Begriff zu kennen, NULL gefunden...

Ich habe vor kurzem Lötzinn bestellt, bleihaltiges... Aber ich löte auch 
nicht viel.

von Bernd W. (berndwiebus) Benutzerseite


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Hallo Roth.

Roth schrieb:
> Ich wußte schon nicht mehr,
> ob ich das wirklich gelesen habe, oder nur geträumt. Bei Google habe
> ich, ohne den Begriff zu kennen, NULL gefunden...

Das mit den "Thin whiskers" war halt mal ein Hype. vermutlich aus 
rhetorischen Gründen, weil zwar, in den Situationen, ein sehr 
ernsthaftes Problem, das auch nachvollziehbar war, aber auch ein 
exotisches, was kaum jemanden betraf.

> Ich habe vor kurzem Lötzinn bestellt, bleihaltiges... Aber ich löte auch
> nicht viel.

Ich löte auf der Arbeit bleifrei. Mittlerweile habe ich mich auch an die 
Handhabung gewöhnt, aber privat meide ich das. Vor allem, wenn es um 
problematische Stellen geht.

Mit freundlichem Gruß: Bernd Wiebus alias dl1eic
http://www.l02.de

von MaWin (Gast)


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Bernd W. schrieb:
> Es gibt aber mehr Probleme mit Bleifrei,

Bleifrei hat aber auch Vorteile, die werden von den ewigen Nörglern 
gerne verschwiegen:
Hält höheren Bauteiltemperaturen stand, wiegt weniger und Silberlote 
leiten besser (und vermutlich noch einige mehr, die mir jetzt nicht 
einfallen).

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Bernd W. schrieb:
> Darum wird dort auch heute noch sehr viel bleihaltig gelötet.

Gefühlt vermutlich mehr als tatsächlich. ;-) Die Liste der genehmigten 
Ausnahmen wird allmählich kleiner, viele der anfänglichen Probleme sind 
zumindest in der Serie mittlerweile im Griff. Handlöten ist zwar damit 
etwas anspruchsvoller, aber wir haben auch schon Lötanfänger damit 
hantieren lassen, geht durchaus.

Roth schrieb:
> WIE wurde Abhilfe geschaffen

Dort, wo es wirklich drauf ankommt, behilft man sich wohl mit Überzügen 
(Schutzlack oder sowas). Kannst du aber im Internet nachlesen.

von Roth (Gast)


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Jörg W. schrieb:
> Dort, wo es wirklich drauf ankommt, behilft man sich wohl mit Überzügen
> (Schutzlack oder sowas). Kannst du aber im Internet nachlesen.
Also die Fäden wachsen immer noch, oder was haben die Überzügen 
auszusagen?

Was ist denn nun der Grund? Das fehlende Blei? Und wieso kann tote 
Materie überhaupt "Fäden" wachsen lassen? Für mich ist das fast ein 
Mysterium ...

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Roth schrieb:

> Also die Fäden wachsen immer noch, oder was haben die Überzügen
> auszusagen?

Lies doch selbst nach, das Stichwort hast du doch nun …

Was der Grund ist, weiß wohl nach wie vor niemand genau. Man weiß aber, 
dass es nur bei (fast) reinem Zinn passiert (es genügt auch eine 
galvanische Verzinnung der Pins, tin whiskers gab es daher schon vor der 
Erfindung des bleifreien Lötens). Ich glaube mich zu erinnern, dass 
thermischer Stress (Temperaturwechsel) das begünstigt, und alles 
Mögliche stört es, eben Anwesenheit von Blei oder irgendein Lack drüber.

> Und wieso kann tote
> Materie überhaupt "Fäden" wachsen lassen?

Weil es bei Temperaturen jenseits des absoluten Nullpunkts immer 
irgendwelche Molekularbewegung gibt, die auch Kristalle umschichten 
kann.

von Karl (Gast)


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Roth schrieb:
> Und wieso kann tote
> Materie überhaupt "Fäden" wachsen lassen? Für mich ist das fast ein
> Mysterium ...

Na dann setz Dich mal vor Deinen Salzstreuer und sinniere ein wenig über 
dieses Mysterium nach.

von Roth (Gast)


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Jörg W. schrieb:
> Weil es bei Temperaturen jenseits des absoluten Nullpunkts immer
> irgendwelche Molekularbewegung gibt, die auch Kristalle umschichten
> kann.
Von Salzen kenne ich das (z.B. Salpeter-Ausblühungen). Dazu ist aber 
zwingen notwendig Wasser erforderlich. Das ist bei tin whiskers nicht 
so, und das irritiert mich doch sehr.

von Faulpelz (Gast)


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MaWin schrieb:
> Bleifrei hat aber auch Vorteile, die werden von den ewigen Nörglern
> gerne verschwiegen ...

Das wiegt aber den folgenden Nachteil nicht auf:

"In sicherheitskritischen Anwendungen der Elektronik [...] werden wegen 
der mangelnden Langzeitstabilität weiterhin bleihaltige Lote 
verwendet"...
https://de.wikipedia.org/wiki/Whisker_(Kristallographie)#Folgen_der_Whiskerbildung

Bernd W. schrieb:
> weil es nur Lötverbindungen oder überhaupt Verzinnte oder Teile aus
> Zinn betrifft, die aus sehr reinem Zinn sind.

Das liest sich aber hier genau anders rum:

"Weiterhin muss bei der Whiskerbildung bei einer Lotlegierung der 
Zinnanteil betrachtet werden. Wenn der Zinnanteil der Legierung kleiner 
als 70 Prozent ist, tritt der Effekt des Whiskerwachstums nicht auf."
https://de.wikipedia.org/wiki/Whisker_(Kristallographie)#Whiskerwachstum

Roth schrieb:
> Und wieso kann tote Materie überhaupt "Fäden" wachsen lassen?
> Für mich ist das fast ein Mysterium ...

Dann schau mal hier:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/49/Zinc_whiskers.jpg

von Bernd W. (berndwiebus) Benutzerseite


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Hallo Faulpelz.

Faulpelz schrieb:

> Bernd W. schrieb:
>> weil es nur Lötverbindungen oder überhaupt Verzinnte oder Teile aus
>> Zinn betrifft, die aus sehr reinem Zinn sind.
>
> Das liest sich aber hier genau anders rum:
>
> "Weiterhin muss bei der Whiskerbildung bei einer Lotlegierung der
> Zinnanteil betrachtet werden. Wenn der Zinnanteil der Legierung kleiner
> als 70 Prozent ist, tritt der Effekt des Whiskerwachstums nicht auf."
> https://de.wikipedia.org/wiki/Whisker_(Kristallographie)#Whiskerwachstum

Ich hatte meine Info von hier:
https://nepp.nasa.gov/whisker/background/index.htm

Dort ""Hair-like" Crystalline structures that May Grow from mostly pure 
Tin (or Zinc) Finished Surfaces."

Hängt vieleicht auch an der Interpretation von "mostly pure". Es könnten 
auch reine Stellen in einer mehrphasigen Legierung gemeint sein.


> Roth schrieb:
>> Und wieso kann tote Materie überhaupt "Fäden" wachsen lassen?
>> Für mich ist das fast ein Mysterium ...
>
> Dann schau mal hier:
> https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/49/Zinc_whiskers.jpg

Von https://nepp.nasa.gov/whisker/background/index.htm
"Growth Mechanism(s): UNKNOWN!
Diffusion Processes within finish or on Surface are likely involved, but 
what drives diffusion into specific grains and then launches them out 
from surface?
fundamental Research is INCOMPLETE."

Weiter unten auf der Seite steht noch etwas mehr über die vermuteten 
Ursachen.

Zinn ist bei näherer Betrachtung schon ein komisches Zeug, auch was den 
Übergang von Beta zu Alpha Zinn angeht, siehe:
https://de.wikipedia.org/wiki/Zinnpest

Was ich schon in der Kindheit beobachtet habe, ist, dass sich 
Gegenstände aus relativ reinem Zinn wie Zinngeschirr mit der Zeit 
anfangen "von selber" zu zerbeulen und zu verbiegen.

Mein damaliger Physiklehrer kannte das Phänomen auch und erklärte das 
mit dem Phasenübergang zwischen Alpha und Beta Zinn bei 13,2 °C. Der 
scheint
aber eher für die Zinnpest verantwortlich zu sein.

Möglicherweise spielt auch mit hinein, dass Zinn relativ weich ist. 
Temperaturspannungen durch ungleichmäßige Erwärmung/Abkühlung führen 
dann zu einer plastischen Verformung, und bei jedem mal Abkühlen und 
Erwärmen wird es schlimmer.

Mit freundlichem Gruß: Bernd Wiebus alias dl1eic
http://www.l02.de

von Bernd W. (berndwiebus) Benutzerseite


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Hallo Jörg.

Jörg W. schrieb:

>> Darum wird dort auch heute noch sehr viel bleihaltig gelötet.
>
> Gefühlt vermutlich mehr als tatsächlich. ;-) Die Liste der genehmigten
> Ausnahmen wird allmählich kleiner, viele der anfänglichen Probleme sind
> zumindest in der Serie mittlerweile im Griff.

Naja. Eher hat man sich oft die Randbedingungen angeschaut, und dann 
halt dort Einschränkungen gemacht. Z.B. hat man sich überlegt, ob man 
wirklich den vollen Temperaturbereich braucht....

> Handlöten ist zwar damit
> etwas anspruchsvoller, aber wir haben auch schon Lötanfänger damit
> hantieren lassen, geht durchaus.

Zwischen "es geht" und "es ist gut" ist aber schon ein Unterschied.

>> WIE wurde Abhilfe geschaffen
>
> Dort, wo es wirklich drauf ankommt, behilft man sich wohl mit Überzügen
> (Schutzlack oder sowas). Kannst du aber im Internet nachlesen.

Ein Coating verlangsamt das Whisker-Wachstum, aber unterbindet es nicht.
siehe 
https://nepp.nasa.gov/docuploads/95565195-0E5A-40D8-98D88425FF668F68/JayBrusseRevision2.pdf

Aber ein Coating kann die Wahrscheinlichkeit verringern, das ein Whisker 
einen Kurzschluss macht
Siehe 
https://nepp.nasa.gov/whisker/reference/tech_papers/2012-Panashchenko-IPC-Art-of-Metal-Whisker-Appreciation.pdf 
Seite 15.
Aber auszuschliessen ist das trozdem nicht. Seite 93.

Mit freundlichem Gruß: Bernd Wiebus alias dl1eic
http://www.l02.de

von Roth (Gast)


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Faulpelz schrieb:
> Dann schau mal hier:
> https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/49/Zinc_whiskers.jpg
Das ist die Rache des GOTTES. Weil ihm die Wissenschaft ins Handwerk 
pfuschen will. Stichwort KI. "Ihr wollt sein wie ich? Seht her, das ist 
euer Werk. Das kommt dabei raus, wenn ihr Menschen glaubt, ihr könnt 
was"

Oder anders gesagt:

Lehrer: "Wie ist die Vergangenheitsform von 'Der Mensch denkt, und Gott 
lenkt'?"

Fritzchen: "Der Mensch dachte, und Gott lachte"

:-))

von Roth (Gast)


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Bernd W. schrieb:
> Zinn ist bei näherer Betrachtung schon ein komisches Zeug, auch was den
> Übergang von Beta zu Alpha Zinn angeht, siehe:
> https://de.wikipedia.org/wiki/Zinnpest
Zinnpest :D Das kannte ich auch noch nicht. Hört sich gefühlt nach 
Mittelalter an.

> Was ich schon in der Kindheit beobachtet habe, ist, dass sich
> Gegenstände aus relativ reinem Zinn wie Zinngeschirr mit der Zeit
> anfangen "von selber" zu zerbeulen und zu verbiegen.
Sage ich doch, Mystik Aber auf mich hört ja immer nie jemand.

> Möglicherweise spielt auch mit hinein, dass Zinn relativ weich ist.
> Temperaturspannungen durch ungleichmäßige Erwärmung/Abkühlung führen
> dann zu einer plastischen Verformung, und bei jedem mal Abkühlen und
> Erwärmen wird es schlimmer.
Nö. Das ist Magie. Der Zinn-Geist. Hatte vor gut vier Wochen auch sowas 
ähnliches. Völlig unerwartet, zerstörte es in nur 10 Sekunden mein Werk. 
Eine fertige 150A-Hochstromplatine. Was habe ich gemacht? Natürlich Nix. 
Nur ein Gedanke. Ich könnte meinem sehr kupferhaltige Produkt eigentlich 
ein Tauchbad in Seno Glanzzinn gönnen. Die Platine hats verdient, habe 
ich mir überlegt, so viel Arbeit... Also rein ins Glanzzinn-Bad. Erst 
habe ich es gar nicht gerafft. CHLOR strömte in die Küche. Gasmelder 
sprang an. Im Becken sprudelte es wie wild. Das kannte ich so gar nicht. 
Alles, was aus ZINK war (also Zink, nicht Zinn) hat sich in Windeseile 
in ein schwarzes chemischen Etwas verwandelt. Das waren die 
Rohrkabelschuhe, alle Schrauben, Muttern und das komplette 
Montagematerial.

von Bernd W. (berndwiebus) Benutzerseite


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Hallo Roth.

Roth schrieb:

> CHLOR strömte in die Küche. Gasmelder
> sprang an. Im Becken sprudelte es wie wild. Das kannte ich so gar nicht.

Erinnert mich an meine Kindheit. In der Küche in der Edelstahlspüle 
Chlorgas erzeugt. Wurde aber etwas viel. Also Fenster aufreissen, 
Kanarienvogel vom Haken und fliehen.

Nach einer einer halben Stunde hatte die Reaktion aufgehört, und ich 
konnte die Küche wieder betreten.....die Edelstahlspüle hatte eine 
elegante schwarze Färbung angenommen. Ich habe stundenlang mit Schmirgel 
und Polierpaste hantiert, um zumindest wieder sowas wie einen 
metallischen Glanz hinzubekommen. ;O)

> Alles, was aus ZINK war (also Zink, nicht Zinn) hat sich in Windeseile
> in ein schwarzes chemischen Etwas verwandelt. Das waren die
> Rohrkabelschuhe, alle Schrauben, Muttern und das komplette
> Montagematerial.

Die Rohrkabelschuhe, die ich kenne, sind fast alle aus verzinntem 
Kupfer. Ok, ich habe auch schon welche aus vernickeltem Eisen gesehen, 
aber dass war für einen Heissbetrieb. Bei Schrauben und Muttern könntest 
Du den Zinkanteil im Messing meinen. Montagematerial wie 
Führungsschienen und Haltewinkel ec. könnte natürlich aus Zinkdruckguss 
sein.

Roth schrieb:

> Das ist die Rache des GOTTES. Weil ihm die Wissenschaft ins Handwerk
> pfuschen will. Stichwort KI. "Ihr wollt sein wie ich? Seht her, das ist
> euer Werk. Das kommt dabei raus, wenn ihr Menschen glaubt, ihr könnt
> was"

Vermutlich denken wir komplett anders. Aber wenn ich Gott wäre, würde 
ich jeden furchtbar in den Hintern treten, der mich anbetet, statt einer 
wie auch immer gearteten Tätigkeit (und da würde ich dann sogar 
Faulenzen aktzeptieren) nachzugehen.
Ich kann mich fast nicht in Leute mit religiösem Empfinden hineindenken.


Mit freundlichem Gruß: Bernd Wiebus alias dl1eic
http://www.l02.de

von Roth (Gast)


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Bernd W. schrieb:
> Die Rohrkabelschuhe, die ich kenne, sind fast alle aus verzinntem
> Kupfer. Ok, ich habe auch schon welche aus vernickeltem Eisen gesehen,
> aber dass war für einen Heissbetrieb. Bei Schrauben und Muttern könntest
> Du den Zinkanteil im Messing meinen. Montagematerial wie
> Führungsschienen und Haltewinkel ec. könnte natürlich aus Zinkdruckguss
> sein.
Verzinkte Schrauben waren das. Mit den Kabelschuhen hast du recht. 
Kupfer ist normal verZINNt. War trotzdem alles schwarz. Die Kabelschuhe 
habe ich abgeschliffen, Schrauben + Montagematerial gegen Neuteile 
getauscht.

> Aber wenn ich Gott wäre, würde ich jeden furchtbar in den Hintern
> treten, der mich anbetet.
Ich auch. Die Narren würde ich scheuchen...sollen lieber arbeiten gehen

von soso... (Gast)


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Bernd W. schrieb:
> ...

Ich habe beruflich hunderte Platinen zu je Tausenderstückzahlen im Serie 
zu betreuen. Die sind ALLE bleifrei. Und teils mehr als 20 Jahre als 
(ja, im gewerblichen Bereich kommt das vor!).

Was die angeblichen Probleme angeht:
Temperaturen: Mir sind 0 Fälle von vertoasteten Bauteilen bekannt.
Benetzung / Lötstellen: Die Prozessstatistik sagt nein, das passt
Whiskers : Mir sind 0 Fälle bekannt

Ich traue mir zu, zu sagen, bleifreie Lötung ist problemlos prozessicher 
hinzubekommen, und die damit gelöteten Platinen sind dauerhaft sind (>20 
Jahre Felderfahrung in Großstückzahlen) und qualitativ hochwertig.
Blei ist für normale Elektronik unnötig, und man hat den bleifreien 
Prozess sicher im Griff.

Ob es vor meiner Zeit Probleme gab, kann ich nicht sagen. Heute gilt: 
Blei nötig? Nein!

Was die Sicherheitstechnik angeht:
Wir haben zig SIL3-Platinen in Großserie, die sind alle bleifrei 
verarbeitet. Dem TÜV wurde das auch so vorgelegt, schon bei den 
Konzeptprüfungen. Bei der allgemeinen Qualität der bleifreien Platinen 
(validiert durch Langzeiterfahrungen im Feld) traue ich mir auch die 
Aussage zu, dass das kein Sicherheitsproblem ist.

Auch für Sicherheitstechnik gilt: Blei nötig? Nein.

von HildeK (Gast)


Angehängte Dateien:

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An bleifreien Lötstellen habe ich das auch noch nicht gesehen, aber mal 
länger nach einem (sporadisch auftretenden) Fehler gesucht an einer 
verzinnten Abdeckung eines Steckverbinders.
Anbei ein selbst aufgenommenes Foto - so sehen schöne Whisker aus.
Fehler war nach Auskunft des Herstellers der Abdeckung wohl ein 
fehlerhafter Aufbau der Verzinnung, irgend eine galvanische 
Zwischenschicht wurde vergessen. Ich kenne mich da nicht so aus ....

von soso... (Gast)


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HildeK schrieb:
> Anbei ein selbst aufgenommenes Foto - so sehen schöne Whisker aus.
> Fehler war nach Auskunft des Herstellers der Abdeckung wohl ein
> fehlerhafter Aufbau der Verzinnung, irgend eine galvanische
> Zwischenschicht wurde vergessen. Ich kenne mich da nicht so aus ....

Ja, Verzinnung von Bauteilen dürfte die einzige Stelle sein, wo man 
reines Zinn antreffen wird. Und vielleicht bei verzinnten Leiterplatten.
Lötzinn ist legiert. Angeblich gibts das Problem da nicht. Bin aber kein 
Experte.

Schönes Foto, und danke fürs hier reinstellen :-)

Reines Zinn ist sowieso ein seltsames Material. Zinnpest ist sehr 
schräg:
https://www.youtube.com/watch?v=FUoVEmHuykM

Oder:
https://www.youtube.com/watch?v=ITgfscq6__A

von Bernd W. (berndwiebus) Benutzerseite


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Hallo soso....

soso... schrieb:

> Die sind ALLE bleifrei. Und teils mehr als 20 Jahre als
> (ja, im gewerblichen Bereich kommt das vor!).

Und ich kenne auch Platinen, die in den 70er, 80er Jahren in Through 
hole entwickelt wurden und immer noch gebaut werden, wo das Layout nicht 
auf bleifrei angepasst wurde. Die werden problemlos gefertigt, was Löten 
angeht, aber wenn ich bei einer Fehlbestückung etwas ändern muss, fängt 
der Ärger an.....

> Was die angeblichen Probleme angeht:
> Temperaturen: Mir sind 0 Fälle von vertoasteten Bauteilen bekannt.

Doch, kenne ich, interessanterweise keine Halbleiter, sondern große 
keramische Kondensatoren mit X5R oder X7R Dielektrikum. Verbrannt kann 
man dabei auch schlecht sagen, sie hatten Sprünge und daraus 
resultierend Kapazitätsverlust oder Kurzschlüsse. Das resultierte aus zu 
ungleichmäßiger  Erwärmung, und die möglichen zu hohen 
Temperaturgradienten können bei höheren Temperaturen auch höher werden.

Die sich ablösenden Pads bei Prototypen, an denen öfter was geändert 
wird oder bei Geräten, die mehrfach Repariert werden hatte ich ja oben 
schon erwähnt.

Insgesammt wird Dein Toleranzfeld beim Löten in der Temperatur nach 
unten beschnitten, was bedeutet, dass es enger wird und schwieriger zu 
treffen. Das bedeutet nicht, dass es unmöglich wird, etwas zu Löten. Du 
must aber mehr Sorgfalt und Zeit investieren.

> Benetzung / Lötstellen: Die Prozessstatistik sagt nein, das passt
> Whiskers : Mir sind 0 Fälle bekannt

Whiskers habe ich persönlich nie (bewusst) erlebt. Aber dass könnten die 
Kurzschlüsse an hochomig angesteuerten Gates sein, die nach einer 
Überprüfung plötzlich weg sind.....

> Ich traue mir zu, zu sagen, bleifreie Lötung ist problemlos prozessicher
> hinzubekommen, und die damit gelöteten Platinen sind dauerhaft sind (>20
> Jahre Felderfahrung in Großstückzahlen) und qualitativ hochwertig.
> Blei ist für normale Elektronik unnötig, und man hat den bleifreien
> Prozess sicher im Griff.

Bei meinem alten Handhelt GPS hatte ich im Winter öfter das Problem, 
dass Lötstellen offen wurden. Temperaturwechsel im Betrieb können zum 
Problem werden.

Die Frage stellt sich dienstlich für mich eher nicht, weil alles doch in 
relativ gut klimatisierten Räumen betrieben wird.

> Ob es vor meiner Zeit Probleme gab, kann ich nicht sagen. Heute gilt:
> Blei nötig? Nein!

Solange es Grosserien betrifft auch sicher nicht, weil das Umfeld darauf 
ausgelegt ist, möglist definierte und saubere Prozessumgebungen zu 
bieten.
Aber das hinzubekommen ist bei Reparaturen im Feld wesentlich 
aufwändiger.

> Was die Sicherheitstechnik angeht:
> Wir haben zig SIL3-Platinen in Großserie, die sind alle bleifrei
> verarbeitet. Dem TÜV wurde das auch so vorgelegt, schon bei den
> Konzeptprüfungen. Bei der allgemeinen Qualität der bleifreien Platinen
> (validiert durch Langzeiterfahrungen im Feld) traue ich mir auch die
> Aussage zu, dass das kein Sicherheitsproblem ist.
>
> Auch für Sicherheitstechnik gilt: Blei nötig? Nein.

Grundsätzlich mag das machbar sein, wenn auch schon in der Entwicklung 
darauf geachtet wurde. Aber es ist es halt wesentlich aufwändiger, die 
passenden Randbedingung bei der Fertigung einzuhalten. Alles muss besser 
passen, und die Oberflächen müssen gut sein und das Iemperaturprofil 
besser passen. Umgekehrt betrachtet bedeutet das aber, dass es mehr 
Komplexität und viele potentielle Fehlerquellen gibt. Viel kritischer 
als bei verbleit.
In der Grossserie bestimmt kein Problem, in der Kleinserie und bei 
Einzelstücken sollte man sich überlegen, ob man sich das einhandelt.

Tut mir Leid, wenn ich nicht so in Deinen Jubel einstimmen mag.

Mit freundlichem Gruß: Bernd Wiebus alias dl1eic
http://www.l02.de

: Bearbeitet durch User
von soso... (Gast)


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Bernd W. schrieb:
> Und ich kenne auch Platinen, die in den 70er, 80er Jahren in Through
> hole entwickelt wurden und immer noch gebaut werden, wo das Layout nicht
> auf bleifrei angepasst wurde. Die werden problemlos gefertigt, was Löten
> angeht, aber wenn ich bei einer Fehlbestückung etwas ändern muss, fängt
> der Ärger an.....

Bleifrei ist seit >20 Jahren Standard. Die 80er sind fast 40 Jahre 
vorbei, die 70er fast 50 Jahre. Solche Platinen produziert man heute 
nur, wenn man zwingend muss (zertifizierte Medizintechnik wäre ein 
solcher Fall).

Bernd W. schrieb:
> Doch, kenne ich, interessanterweise keine Halbleiter, sondern große
> keramische Kondensatoren mit X5R oder X7R Dielektrikum. Verbrannt kann
> man dabei auch schlecht sagen, sie hatten Sprünge und daraus
> resultierend Kapazitätsverlust oder Kurzschlüsse. Das resultierte aus zu
> ungleichmäßiger  Erwärmung, und die möglichen zu hohen
> Temperaturgradienten können bei höheren Temperaturen auch höher werden.

Und das liegt häufig an mechanischen Stress, und hat nichts mit Bleifrei 
zu tun. Alle solchen Fälle mit denen ich zu tun hatte konnten eindeutig 
auf mechanischen Stress zurückgeführt werden (z.B. von naheliegenden 
Befestigungen), und alle Fälle (wo kein Redesign möglich war) ließen 
sich durch Flex-Kerkos lösen.
Würde die Temperaturtheorie stimmen, müssten die Flex-typen auch 
brechen, weil der Aufbau des Kondensatorkörpers identisch ist.

Bernd W. schrieb:
> Grundsätzlich mag das machbar sein, wenn auch schon in der Entwicklung
> darauf geachtet wurde. Aber es ist es halt wesentlich aufwändiger, die
> passenden Randbedingung bei der Fertigung einzuhalten.

Das ist einfach falsch. Bleifrei ist Stand der Technik. Unser Fertiger 
verlangt z.B. einen Aufpreis (!) für verbleit. Bleifrei ist sowieso 
meist auch keine Frage von wollen, sondern müssen. Seit der Einführung 
von ROHS darf man verbleite Elektronik (außer in wenigen Ausnahmen) gar 
nicht mehr verkaufen.

Wir haben 2018, nicht 1995. Es gibt Jahrzehnte Erfahrung mit der 
Technik.

von Bernd W. (berndwiebus) Benutzerseite


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Hallo soso.....

soso... schrieb:
>> Doch, kenne ich, interessanterweise keine Halbleiter, sondern große
>> keramische Kondensatoren mit X5R oder X7R Dielektrikum. Verbrannt kann
>> man dabei auch schlecht sagen, sie hatten Sprünge und daraus
>> resultierend Kapazitätsverlust oder Kurzschlüsse. Das resultierte aus zu
>> ungleichmäßiger  Erwärmung, und die möglichen zu hohen
>> Temperaturgradienten können bei höheren Temperaturen auch höher werden.
>
> Und das liegt häufig an mechanischen Stress, und hat nichts mit Bleifrei
> zu tun. Alle solchen Fälle mit denen ich zu tun hatte konnten eindeutig
> auf mechanischen Stress zurückgeführt werden (z.B. von naheliegenden
> Befestigungen),

Natürlich sind die Brüche auf mechanischen Stress zurückzuführen. Aber 
dieser ist eine Summe aus allen Verspannungen, denen das Bauteil 
ausgesetzt ist. Egal welche Ursache sie haben. Und thermische 
Verspannungen des Bauteils beim Löten zählen dazu.

Der Lötprozess vergrößert schon den mechanischen Stress, dem das Bauteil 
ausgesetzt ist:
"Ceramic Capacitor Failures and Lessons Learned" Seite 16
Von https://www.osti.gov/servlets/purl/1106635

Interessant ist auch die Applikationsschrift von Darfon:
http://www.darfon.com.tw/Cn/Folder/MLCC/MLCC/NP0%20high%20Q%20sreies.pdf
Auf Seite 28 wird für Handlöten eine maximale Temperatur von 300°C 
angesetzt, wobei die Leistung des Kolbens auf 20W begrenzt ist, und die 
Spitze auf einen Durchmesser von 3mm. Vermutlich um den Wärmefluss und 
zu schnelles Aufheizen zu begrenzen.
Toll wenn Du ein Design vor der Nase hast, wo breite, dicke Leiterbahnen 
für hohe Ströme vorgesehen sind, und die Kondensatoren aus Angst vor 
parasitären Induktivitäten und Widerstand auf Pads ohne Thermals an 
diese Leiterbahnen gesetzt sind. Die kriegst Du mit einem solchen Eisen 
fast nicht warm. Bleihaltig hast du schon dadurch Reserven, weil das Lot 
bei ca. 30°C geringer fliesst. Das ist weniger Temperaturunterschied, 
UND Du hast eher eine Chance, das überhaupt flüssig zu bekommen.

Andere Hersteller erwähnen in ihen Applikationsschriften Handverlötung 
erst garnicht (ausser Heissluft), und beschränken sich auf Wave und 
reflow, und in einigen Bauformen auf Reflow. Dabei wird ausdrücklich auf 
den Preheatprozess verwiesen, und darauf, die Temperaturdifferenzen 
klein zu halten.
Siehe die Applicationsschrift von Kemet:
http://www.kemet.com/Lists/ProductCatalog/Attachments/53/KEM_C1002_X7R_SMD.pdf 
auf seite 14.
Die Automotive Serie handhabt das nicht anders:
http://www.kemet.com/Lists/ProductCatalog/Attachments/349/KEM_C1023_X7R_AUTO_SMD.pdf

Interessant ist auch die Schrift "CRACKS: THE HIDDEN DEFECT" von Maxwell 
(AVX):
https://www.avx.com/docs/techinfo/CeramicCapacitors/cracks.pdf
Dort wird ausdrücklich erwähnt, das ca. 25% aller Brüche auf thermische 
Schocks zurückzuführen sind.

> und alle Fälle (wo kein Redesign möglich war) ließen
> sich durch Flex-Kerkos lösen.
> Würde die Temperaturtheorie stimmen, müssten die Flex-typen auch
> brechen, weil der Aufbau des Kondensatorkörpers identisch ist.

Flex ist unkritischer bei Verspannungen, egal aus welchen Quellen die 
Verspannungen kommen.

>> Grundsätzlich mag das machbar sein, wenn auch schon in der Entwicklung
>> darauf geachtet wurde. Aber es ist es halt wesentlich aufwändiger, die
>> passenden Randbedingung bei der Fertigung einzuhalten.
> Das ist einfach falsch. Bleifrei ist Stand der Technik. Unser Fertiger
> verlangt z.B. einen Aufpreis (!) für verbleit.

Weil mitlerweile bleihaltig exotisch ist, teilweise extra Anlagen 
benötigt und überhaupt ein Störfaktor im normalen bleihaltig Prozess 
geworden ist.

> Bleifrei ist sowieso meist auch keine Frage von wollen, sondern müssen.
> Seit der Einführung von ROHS darf man verbleite Elektronik
> (außer in wenigen Ausnahmen) gar nicht mehr verkaufen.

Es ist ja auch richtig, dass bleifrei für Konsumerprodukte Vorschrift 
geworden ist. Das heisst aber nicht, dass es nicht Ausnahmen geben muss, 
und dass Du für bleifrei Probleme lösen musst, die verbleit überhaupt 
nicht oder nur in viel geringerem Umfange auftreten würden.

> Wir haben 2018, nicht 1995. Es gibt Jahrzehnte Erfahrung mit der
> Technik.

Und es hat viele Bauchplatscher beim Erlernen dieser Technik gegeben. 
Und sie verlangt immer noch ein deutlich höheres know how und 
Geschicklichkeit.

Mit freundlichem Gruß: Bernd Wiebus alias dl1eic
http://www.l02.de

: Bearbeitet durch User
von Kurt (Gast)


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Bleifrei ist eine politische Entscheidung, keine technologisch sinnvoll 
begründbare.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Kurt schrieb:
> Bleifrei ist eine politische Entscheidung, keine technologisch sinnvoll
> begründbare.

Technologisch ohnehin nie (es hat also niemand deshalb forciert, weil 
er behauptet hätte, damit ließe es sich einfacher oder sonstwie 
vorteilhafter löten), toxikologisch schon eher.

Andererseits, wie MaWin oben schon schrieb, kann es technologisch sogar 
ein Vorteil sein, wenn die Bauteile auf diese Weise wärmer werden 
dürfen, ohne sich auszulöten. Das sind aber natürlich Sonderfälle.

von Roth (Gast)


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Kurt schrieb:
> Bleifrei ist eine politische Entscheidung, keine technologisch sinnvoll
> begründbare.
So isses. Wie beim CO2.

Und jetzt trinke ich erst mal ein schönes Glas sprudelndes 
Mineralwasser. Ich alte Umwelts@u.

von Alex G. (dragongamer)


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Roth schrieb:
> Kurt schrieb:
>> Bleifrei ist eine politische Entscheidung, keine technologisch sinnvoll
>> begründbare.
> So isses. Wie beim CO2.
>
> Und jetzt trinke ich erst mal ein schönes Glas sprudelndes
> Mineralwasser. Ich alte Umwelts@u.
Warum erzählst du solchen Schwachsinn?
Hälst du dich jetzt echt für cool weil du das Klima schädigst...
Und das während du das eigentlich kaum tust?
https://www.handelsblatt.com/technik/energie-umwelt/klima-orakel-schaden-co2-haltige-getraenke-dem-klima/3485840.html?ticket=ST-8453126-avpSHLkRe779co0ZbZbD-ap2

Kurt schrieb:
> Bleifrei ist eine politische Entscheidung, keine technologisch sinnvoll
> begründbare.
Es gibt nunmal noch andere Dinge ausser Technologie.
Z.B. Gesundheit...

: Bearbeitet durch User
von Kurt (Gast)


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Also was die Bastelei angeht, war ich mit bleifrei auch nie zufrieden. 
Seitdem ich auf irgendsoeine Legierung von den Jungs hier umgestiegen 
bin, hat sich das geändert:

https://www.almit.de/lotdraehte-lotbarren-bleifrei

Erheblich besser als zB das beste was Felder so im Angebot hat. Lötet 
sich fast so gut wie bleihaltig.

von Karl (Gast)


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Kurt schrieb:
> Bleifrei ist eine politische Entscheidung, keine technologisch sinnvoll
> begründbare.

Genauso wie
- bleifreies Benzin
- cadmiumfreie Farben für Kinderspielzeug
- FCKW-freie Spraydosen
- ...

Technologisch unbegründet, ging ja auch mit ganz gut und die Kinder sind 
aj selbst schuld, wenn sie ihr Spielzeug in dem Mund stecken.

Ich bin in einer Welt aufgewachsen, in der Töpfereien ihre 
schmermetallhaltigen Glasuren einfach in den Bach kippten, in dem wir 
spielten. Ich bin froh, dass meine Kinder an einem etwas saubereren Bach 
spielen können, auch wenns nicht optimal ist.

In Deiner Welt möchte ich nicht leben.

von C. A. Rotwang (Gast)


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Bernd W. schrieb:

> Das mit den "Thin whiskers" war halt mal ein Hype. vermutlich aus
> rhetorischen Gründen, weil zwar, in den Situationen, ein sehr
> ernsthaftes Problem, das auch nachvollziehbar war, aber auch ein
> exotisches, was kaum jemanden betraf.

Doch Verkürzung der Kriechstrecke und dadurch Gefahr von 
Funktionsstörungen durch Überschläge betrifft jeden der fliegt und sonst 
wie von Elektronik abhängig ist, die geringem Luftdruck ausgesetzt ist.

https://www.aviationtoday.com/2012/07/01/system-design-death-by-tin-whiskers/

In dem Text wird auch ein Problem von Toyata-Autos 2011 berichtet, das 
auf whiskers im Pedal-Sensor zurückgeführt wurde.

Whiskers ist mitnichten ein rein rhetorisches Exotenproblem.

Beitrag #5577795 wurde von einem Moderator gelöscht.
Beitrag #5578171 wurde von einem Moderator gelöscht.
Beitrag #5578208 wurde von einem Moderator gelöscht.
Beitrag #5578223 wurde von einem Moderator gelöscht.
Beitrag #5578237 wurde von einem Moderator gelöscht.
Beitrag #5578320 wurde von einem Moderator gelöscht.
Beitrag #5578340 wurde von einem Moderator gelöscht.
von Bernd W. (berndwiebus) Benutzerseite


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Hallo C. A. Rotwang.

C. A. Rotwang schrieb:

> Doch Verkürzung der Kriechstrecke und dadurch Gefahr von
> Funktionsstörungen durch Überschläge betrifft jeden der fliegt und sonst
> wie von Elektronik abhängig ist, die geringem Luftdruck ausgesetzt ist.
>
> https://www.aviationtoday.com/2012/07/01/system-design-death-by-tin-whiskers/

Jaja, aber es gibt halt nur wenige, die so etwas Entwickeln. Und die 
legieren ihr Lötsinn passend, oder arbeiten mit Überzügen und was da 
sonst noch für Tricks üblich sind.

> In dem Text wird auch ein Problem von Toyata-Autos 2011 berichtet, das
> auf whiskers im Pedal-Sensor zurückgeführt wurde.

Auch an den sicherkeitskritischen Stellen der KFZ Elektronik entwickeln 
nur wenige.

> Whiskers ist mitnichten ein rein rhetorisches Exotenproblem.

Wenn Du es auf Enduser beziehst magst Du recht haben, aber insgesammt in 
der Entwicklung ist das schon ein recht exotischer Bereich, mit dem nur 
wenige zu tun haben.

Mit freundlichem Gruß: Bernd Wiebus alias dl1eic
http://www.l02.de

von Bernd W. (berndwiebus) Benutzerseite


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Nachtrag:

Bernd W. schrieb:

> Natürlich sind die Brüche auf mechanischen Stress zurückzuführen. Aber
> dieser ist eine Summe aus allen Verspannungen, denen das Bauteil
> ausgesetzt ist. Egal welche Ursache sie haben. Und thermische
> Verspannungen des Bauteils beim Löten zählen dazu.
>
> Der Lötprozess vergrößert schon den mechanischen Stress, dem das Bauteil
> ausgesetzt ist:
> "Ceramic Capacitor Failures and Lessons Learned" Seite 16
> Von https://www.osti.gov/servlets/purl/1106635

Gerade gefunden:

Interessanterweise haben aber die drei hier (Keimasi, Azarian, Pecht) in 
"Comparison of Flex Cracking of Multilayer Ceramic Capacitors Assembled 
with Lead-Free and Eutectic Tin-Lead Solders " herausgefunden, dass 
keramische Kondendsatoren mit bleifreiem Lot besser zurechtkommen. Ist 
aber schon was älter, von 2006.
Siehe:
https://www.researchgate.net/profile/Mohammadreza_Keimasi/publication/3430388_Flex_Cracking_of_Multilayer_Ceramic_Capacitors_Assembled_With_Pb-Free_and_Tin-Lead_Solders/links/00b7d52b8a6d063410000000/Flex-Cracking-of-Multilayer-Ceramic-Capacitors-Assembled-With-Pb-Free-and-Tin-Lead-Solders.pdf

Mit freundlichem Gruß: Bernd Wiebus alias dl1eic
http://www.l02.de

von soso... (Gast)


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Karl schrieb:
> Ich bin in einer Welt aufgewachsen, in der Töpfereien ihre
> schmermetallhaltigen Glasuren einfach in den Bach kippten, in dem wir
> spielten. Ich bin froh, dass meine Kinder an einem etwas saubereren Bach
> spielen können, auch wenns nicht optimal ist.
>
> In Deiner Welt möchte ich nicht leben.

Genau.

Ich bin alt genug, um den Gestank des Autoverkehrs und die Auswirkungen 
auf den Wald noch live miterlebt zu haben. Früher war außerdem der 
lokale Fluss ziemlich schmutzig - bei Niedrigwasser roch es immer nach 
Abwasser.
wir haben trotzdem dort gespielt.

Heute hat sich sehr viel verbessert. Der Fluss ist sauber, und das nicht 
nur auf den ersten Blick, Autos stinken nicht mehr so schlimm, und so 
tolle Dinge wie Keuchhusten bei Schulkindern haben stark abgenommen. Der 
Wald sieht langsam etwas besser aus (das war teils schon sehr augenfällg 
in den späten 80ern).

Das Blei im Lot ist global nur ein kleiner Punkt, aber ein wichtiger. 
Schwermetalle sind giftig.

Und weil das bleifrei Löten inzwischen gut funktioniert, kann ich nicht 
nachvollziehen, warum man unbedingt zur alten, schmutzigen Methode 
zurückwill.
Wenn jede Umweltschutzmaßnahme so geringe Auswirkungen hätte wie die 
Umstellung auf bleifreies Lot, wäre die Welt schon lang gerettet.

von Günther (Gast)


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+1 für 'soso'
ich löte seit vielen Jahren nur noch bleifrei mit dem Amasan BF32-3.
Hier ein Thread darüber: Beitrag "Vergleich Lötzinne: Felder EL Sn100Ni+ und Amasan BF32-3"

Meist nehme ich 0,5mm für die üblichen Bauteile und bedrahtetes in 
0,8mm.
Bleihaltiges Lot benutze ich allenfalls (wenn überhaupt) 1x pro Jahr, 
wenn ich eine dicke Leitung löten muss.
In meiner Schublade habe ich noch zwei andere bleifreie Lote (ich 
glaube, beides von Stannol), aber die benutze ich nicht mehr, seit ich 
das Amasan kennengelernt habe denn da liegen Welten zwischen!

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