Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik TL072 an 9V - was bei kurzer Verpolung der Betriebsspannung?


von flo (Gast)


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Kurze Frage zu 9V-Block-Betrieb an TL072 (Versorgung also asymmetrisch).

Was passiert, wenn man aus Versehen die Batterie falsch rum an den 
Anschlussclip hält?
Dann ist der TL072 ja verpolt angeschlossen.

Im Datenblatt steht, er verträgt so max. 0,5V.
http://www.ti.com/lit/ds/symlink/tl072.pdf

Ist er dann wirklich bei einer kurzen Verpolung an 9V schon defekt???

(oder ist das eine Frage, die man so nicht sicher beantworten kann?)

von Schnellkaputt (Gast)


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flo schrieb:
> Ist er dann wirklich bei einer kurzen Verpolung an 9V schon defekt???

wie lang ist kurz?

von Achim S. (Gast)


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flo schrieb:
> Ist er dann wirklich bei einer kurzen Verpolung an 9V schon defekt???

Wenn die Batterie niederohmig ist, dann reicht eine kurze Verpolung, um 
den OPV zu zerstören.

Wenn die Batterie so hochohmig ist, dass die Versorgung zusammenbricht 
und kein zu großer Strom fließt, kann der OPV es "eine Weile" überleben. 
Dann bist du in dem Bereich, wo man  das Ergebnis nicht so ohne weiteres 
sicher vorhersagen kann.

Für einen Betrieb an einem 9V Block ist der TL072 übrigens oft nicht die 
erste Wahl (weil bei 9V Versorgung der nutzbare Spannungsbereich recht 
klein wird).

von Εrnst B. (ernst)


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Ich würde vermuten: Er hat ESD-Schutzdioden, über die dann die Batterie 
"Kurzgeschlossen" wird. Laut Absolute Max Ratings im Datenblatt verträgt 
er als "input clamp current" 50 mA.

==> Vermutlich reicht ein 9V-Block mit seinem hohen Innenwiderstand 
nicht aus, um den OpAmp zu zerstören, wenn er wirklich nur kurz verkehrt 
angeschlossen ist.

Bei längerem Verpolen wird dann wohl die Verlustleistung zu hoch, und 
der Chip verbrät evtl. doch noch.

von flo (Gast)


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Schnellkaputt schrieb:
> wie lang ist kurz?

kurz = "man nestelt etwas rum, bis man merkt, dass der Block um 180 Grad 
gedreht werden muss." (2s ?)


Mir fällt grade ein, da wären auch noch Elkos im Spiel.

Wenn man nun eine 1N4007 antiparallel in die Versorgungsleitung legen 
würde, würde wahrscheinlich eher der 9V-Block einknicken, bevor die 
Diode schaden nehmen kann.
Würde diese Diode die Elkos und den TL072 ausreichend schützen?

von Harald W. (wilhelms)


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Achim S. schrieb:

> Wenn die Batterie niederohmig ist, dann reicht eine kurze Verpolung,
> um den OPV zu zerstören.

Wenn Du Glück hast. Wenn Du Pech hast, fängt es an zu brennen.
Aber 9V Blöcke kann man ja eigentlich garnicht verpolen.

von Stefan F. (Gast)


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flo schrieb:
> Würde diese Diode die Elkos und den TL072 ausreichend schützen?

Solange sie nicht durchbrennt: ja

von flo (Gast)


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Achim S. schrieb:
> Für einen Betrieb an einem 9V Block ist der TL072 übrigens oft nicht die
> erste Wahl (weil bei 9V Versorgung der nutzbare Spannungsbereich recht
> klein wird).

Deshalb soll nach Möglichkeit auch keine serielle Diode (auch nicht 
Schottky) eingepflanzt werden.

Dann schon eher ein Verpolungsschutz mit Mosfet.


(ja, der TL07x ist an 9V nicht erste Wahl, hat aber ein sehr gutmütiges 
Übersteuerungsverhalten)

von Udo S. (urschmitt)


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flo schrieb:
> bei einer kurzen Verpolung

Zeit ist relativ. Was für dich ein Wimpernschlag ist, ist für ein 
Halbleiter eine Ewigkeit.
Du kannst ja z.B. auch nicht im Bruchteil von einer Mikrosekunde einen 
Schalter ein und wieder ausschalten.

von Udo S. (urschmitt)


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flo schrieb:
> (ja, der TL07x ist an 9V nicht erste Wahl, hat aber ein sehr gutmütiges
> Übersteuerungsverhalten)

Er hat zumindest laut Datenblatt kein Latchup Verhalten.
Alle anderen Eigenschaften disqualifizieren ihn eher.
Output Voltage swing +-12V bei +-15V Versorgung, sprich bei 9V Single 
Versorgung kannst du mit 3-6V Ausgangsspannungsbereich rechnen, nur wann 
hat eine 9V Blockbatterie wirklich 9V?
Minimum supply Voltage: +-5V, bist du auch nicht so ganz im grünen 
Bereich.
...

von HildeK (Gast)


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flo schrieb:
> Ist er dann wirklich bei einer kurzen Verpolung an 9V schon defekt???

Schließe in an und teste.
Solche Fragen kann niemand zuverlässig beantworten.

von Dietrich L. (dietrichl)


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HildeK schrieb:
> flo schrieb:
>> Ist er dann wirklich bei einer kurzen Verpolung an 9V schon defekt???
>
> Schließe in an und teste.

Nur leider erkennt man nicht so leicht, ob und wie sich die 
Eigenschalten des OpAmps verändert haben und die Schaltung sich etwas 
anders verhält.

von Udo S. (urschmitt)


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Dietrich L. schrieb:
> ob und wie sich die
> Eigenschalten des OpAmps verändert haben und die Schaltung sich etwas
> anders verhält.

Dann schmeiß ihn weg. Kostet bei Mouser im 100er Pack 35ct p. Stück. 
Alleine der Strom der benötigt wird um diesen Thread im Netz zu 
verbreiten kostet mehr.

von F. F. (foldi)


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Leute, wir reden hier über 10 Cent.
Wenn wichtig, dann wegwerfen und neuen nehmen.
Wenn zum spielen, dann macht der Versuch kluch.

von Michael B. (laberkopp)


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flo schrieb:
> Ist er dann wirklich bei einer kurzen Verpolung an 9V schon defekt???

Ja.

von flo (Gast)


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Udo S. schrieb im Beitrag #5784688 [zum TL072]:
> Output Voltage swing +-12V bei +-15V Versorgung, sprich bei 9V Single
> Versorgung kannst du mit 3-6V Ausgangsspannungsbereich rechnen, nur wann
> hat eine 9V Blockbatterie wirklich 9V?
> Minimum supply Voltage: +-5V, bist du auch nicht so ganz im grünen

Ok, aber das trifft auch auf den JNR4558 (RC4558) zu un der wird seit 
Jahrzehnten in bodeneffektgeräten für 9V verbaut, in denen auch 
8,4V-NMh-Akkus problemlos ihren Dienst tun (wobei der keinen hochohmigen 
Eingang > 2M hat).

Ein TL072 nimmt in der Praxis seine Arbeit ab etwa +-1,75V bzw. 3,5V auf 
(darunter geht absolut nichts). Ab da funktioniert er (laut meiner 
Testreihen) sehr zuverlässig.



Das könnte ein brauchbarer Verpolungsschutz sein:
http://www.lothar-miller.de/s9y/uploads/Bilder/Verpolschutz_3-15V.gif
Vorausgesetzt, das läuft auch mit einem IRLML2246TRPBF.

von Dussel (Gast)


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flo schrieb:
> (oder ist das eine Frage, die man so nicht sicher beantworten kann?)
Du siehst: Ja.

von Sven S. (schrecklicher_sven)


Angehängte Dateien:

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Diese beiden Diodenstrecken werden sofort gekillt.
Damit ist der Chip hinüber.

von Bimbo. (Gast)


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Übrigens:

Laut Datenblatt braucht der TL072 übrigens 10V Single Supply oder +-5V.

von MaWin (Gast)


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flo schrieb:
> hat aber ein sehr gutmütiges Übersteuerungsverhalten

Genau das Gegenteil ist dsr Fall, er leidet unter phase reversal, also 
vollständiger Verzerrung wenn ein Eingang nahe an die negative 
Betriebsspannung kommt.

Und richtig: An einer 9V Batterie, die zum Schluss nur noch 5.6V hat, 
unbrauchbar, erst recht mit Verpolschutzdiode in Reihe.

Aber keine Sorge, es gibt seit 20 Jahren wunderbare Rail-To-Rail OpAmps 
wie LT1677 die mit niedriger Betriebsspannung zurecht kommen und viel 
besser als der 40 Jahre alte Steinzeit-TL072 sind.

von Bimbo. (Gast)


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MaWin schrieb:
> Aber keine Sorge, es gibt seit 20 Jahren wunderbare Rail-To-Rail OpAmps
> wie LT1677 die mit niedriger Betriebsspannung zurecht kommen und viel
> besser als der 40 Jahre alte Steinzeit-TL072 sind.

Der kostet aber auch das 12-fache. Wie wäre z.B. ein TSH82?

von flo (Gast)


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Danke Sven für das aufschlussreiche Schaltbild mit den Diodenstrecken!

MaWin schrieb:
>> hat aber ein sehr gutmütiges Übersteuerungsverhalten
>
> Genau das Gegenteil ist dsr Fall, er leidet unter phase reversal, also
> vollständiger Verzerrung wenn ein Eingang nahe an die negative
> Betriebsspannung kommt.

Also in der Praxis ist der TL07x ein ganz lieber, rauscht nicht so 
stark, zieht wenig Strom, hohe Eingangsimpedanz, läuft noch mit 
halbleeren Batterien und erzeugt verrundete Verzerrungen.

Das phase reversal kommt erst gegen Ende (wenn es das ist, was ich 
meine), dann muss die Batterie gewechselt werden.


MaWin schrieb:
> Aber keine Sorge, es gibt seit 20 Jahren wunderbare Rail-To-Rail OpAmps
> wie LT1677 die mit niedriger Betriebsspannung zurecht kommen und viel
> besser als der 40 Jahre alte Steinzeit-TL072 sind.

Bimbo. schrieb:
> Der kostet aber auch das 12-fache. Wie wäre z.B. ein TSH82?

Für andere (neuere) OP-Typen bin ich trotzdem sehr dankbar, dann können 
die nämlich auch mal getestet werden :-)

von MaWin (Gast)


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Bimbo. schrieb:
> Wie wäre z.B. ein TSH82

Ein Videoverstärker als Ersatz des TL072 ? Eher abwegig.

flo schrieb:
> Das phase reversal kommt erst gegen Ende

Nein. So bald der Eingang übersteuert wird.

Und rauscharm war der höchstens 1976.

Aber die Werbekampagne war gut, reicht offensichtlich bis heute.

flo schrieb:
> Für andere (neuere) OP-Typen bin ich trotzdem sehr dankbar

TL971/TS971, MUSES8832, OPA1688, und natürlich
LME49721

von Axel S. (a-za-z0-9)


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Sven S. schrieb:
> Diese beiden Diodenstrecken werden sofort gekillt.

Kommt drauf an. Eine 9V Batterie kann (zumal wenn sie nicht mehr ganz 
frisch ist) nur recht wenig Strom liefern. Der TL072 ist Uralt-Technik 
mit Strukturgrößen von mehreren µm und dementsprechend recht robust. Der 
kann das überlebt haben.

Aber wie Vorredner schon sagten: wenn es nur zum Basteln ist, einfach 
ausprobieren. Wenn die genaue Einhaltung aller Parameter gefordert ist, 
einfach einen neuen nehmen.

von Fred R. (Firma: www.ramser-elektro.at/shop) (fred_ram)


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Für Verzerrer sind die TL072 recht gut geeignet.
Schönes Clipping.
Für hoch lineare Anforderungen aber eher ungeeignet.

von Sven S. (schrecklicher_sven)


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Axel S. schrieb:
> Kommt drauf an. Eine 9V Batterie kann...

Auch wenn die Batterie fast leer ist, die paar zehntel Ampere, um den 
FET zu zerstören, sind immer drin.

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