Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Warum sehen (meine) 3 Phasen so verzerrt aus?


von Roman K. (rk_aus_s)


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Hallo

Habe kürzlich mit dem Low-Cost Hantek CC-65 (Stromzange, 
http://www.hantek.com/en/productdetail_15_77.html) meine 3 Phasen 
gecheckt, genau an der Stelle, wo sie in mein Haus hereinkommen.

Erwartet habe ich eigentlich, dass die Stromzange die 3 Ströme in eine 
adäquate Sinusspannung umwandelt. Aber am Oszi sehen die Spannungen 
unerwartet verzerrt aus, siehe Bild 13 von Phase 1. Es handelt sich 
dabei nicht um irgendwelche "Einstreuungen", das habe ich überprüft. Es 
spielt auch keine Rolle, wo ich im Sicherungskasten messe, das Resultat 
sieht überall so aus. Auf Phase 2 läuft etwas weniger, der Sinus sieht 
ebenfalls verzerrt aus, wenn auch völlig anders verzerrt. Auf Phase 3 
lief gerade nichts.

Wenn ich z.B. nur meine Standheizung an einer beliebigen Steckdose im 
Haus messe, dann erhalte ich einen einigermassen korrekten Sinus, siehe 
Bild 14.

Hat ein Fachmann hier eine Erklärung, warum die Phase(n) so verzerrt 
aussehen, und warum ein einzelner Verbraucher relativ normal aussieht? 
Mir kamen zuerst nur induktive und/oder kapazitive Lasten in den Sinn, 
aber liege ich damit richtig...?

Grüsse
Roman

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von hinz (Gast)


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Du hast ein paar nichtohmsche Verbraucher angeschlossen.

von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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Tja, da kannst Du mal sehen was für einen Verzerrungsblindleistungs-Müll 
Deine Geräte so erzeugen. Völlig normal und definitiv kein Messfehler, 
die Ströme sehen wirklich so kacke aus. Wenn Du noch gute alte 
Herdplatten hast oder einen elektrischen Warmwassererzeuger, dann 
schmeiß sowas an, dann hast Du auch eine vernünftige sinusförmige 
Stromaufnahme.

Die Abflachung in den Spitzenwerten sind normal, in dem Moment laden 
alle nicht-PFC-Schaltnetzteile dieser Welt ihren 
Zwischenkreiskondensator auf und dadurch ist die Netzspannung in dem 
Bereich schon viele viele Jahre nicht mehr sinusförmig.

von hinz (Gast)


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Ben B. schrieb:
> Die Abflachung in den Spitzenwerten sind normal, in dem Moment laden
> alle nicht-PFC-Schaltnetzteile dieser Welt ihren
> Zwischenkreiskondensator auf und dadurch ist die Netzspannung in dem
> Bereich schon viele viele Jahre nicht mehr sinusförmig.

Auch Trafos mit Eisenkern und Siebelko nach dem Gleichrichter machen 
solcherlei Bosartigkeiten.

von Dieter (Gast)


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Im Bereich des Stromnulldurchganges bringen auch die ganz normalen 
(großen) Transformatoren kleine Rumpelleien (Hüllkurven des Rauschens 
durch das zufällige umklappen der weisschen Bezirke im Eisen) in das 
Strombild im inneren Bereich der Hysteresekurve, die nur bei kleinen 
Strömen zu sehen sind.

Die hauptsächlichen Ursachen haben hinz und Ben schon genannt.

von Rainer D. (rainer4x4)


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Da Du die Stromkurve darstellst ist das bei den heute üblichen 
Verbrauchern klar. Die Spannungskurve sieht besser aus, aber natülich 
auch nicht perfekt.
De Ursachen wurden genannt.

von Roman K. (rk_aus_s)


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Vielen Dank für eure Antworten.
Also doch induktive/kapazitive Lasten...

Ist zwar jetzt etwas off-topic, aber weiss einer von euch, was die rot 
eingerahmten Geräte in meinem Schaltkasten für eine Funktion haben? 
Keine Ahnung was das ist...

von Jemand (Gast)


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Hallo

hat nur auf den ersten Blick wenig mit deiner Beobachtung zu tun:

Beitrag "Warum tragen Oberwellen nicht zur Wirkleistung bei?"

Nebenbei lernst du im verlinkten Thread auch mal einen der vorbildlichen 
Nutzer des Forums kennen der dafür sorgt man trotz so mancher 
"Spezialisten" hier doch sehr gut Wissen und Hilfe vermittelt werden 
kann und das auf einer freundlichen und verständlichen Art und Weise - 
im besten Sinne ein Nerd (als Ehrentitel)und Mensch mit Bildung, 
Einfühlungsvermögen und den "Erkenntnis" das sein Wissen und Erfahrungen 
eben nicht jeder haben kann.

"Rate" mal wenn ich meine.

Jemand

von Hubert M. (hm-electric)


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Das Bild verrät mir, dass du in der Schweiz wohnst. Rechts oben, da ist 
hinter Abdeckung eine Lüsterklemme, wo die Steuerleitung vom 
Tarifschaltgerät (Zählerkasten außen) angeschlossen ist. Die zwei 
unteren, sind Schütze, die vom Tarifschaltgerät geschaltet werden, für 
Trockner und Waschmaschine. Und da gibt es in der Schweiz oft 
Drehstromanschlüsse dafür. Zu einer bestimmten Zeit kannst du nicht 
Waschen oder Trocknen. Die weißen Teile sind lediglich Plombierhauben, 
das du da nichts manipulieren kannst, und da sollten auch Plomben dran 
sein, erkenn ich auf dem Bild aber nicht.

von Bernd K. (prof7bit)


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Ben B. schrieb:
> in dem Moment laden
> alle nicht-PFC-Schaltnetzteile dieser Welt ihren
> Zwischenkreiskondensator auf

Nächster Evolutionsschritt: Der Strompreis ist abhängig von der Reinheit 
des Sinus. Der Smart-Zähler wird eine FFT auf dem gezogenen Strom machen 
und den Klirrfaktor bestimmen der dann als Multiplikator bei der 
Preisberechnung einbezogen wird. Zum Beispiel: Klirrfaktor 50% -> 
doppelter Strompreis.

von Roman K. (rk_aus_s)


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Hallo Hubert

Vielen Dank, jetzt macht das Ganze für mich Sinn. Und ja, natürlich hast 
du Recht - ich wohne in der Schweiz (am Bodensee).

Plomben sind da keine dran, hat der Elektriker damals wohl keine dabei 
gehabt.... ;-)

von Roman K. (rk_aus_s)


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Hallo Bernd

Den Fabriken und Grossunternehmen wird ja die Blindleistung bereits 
verrechnet, oder? Vielleicht gilt das irgnendwann auch für 
Privathaushalte...

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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@Roman: Du kannst dir ja mal den Spass machen und die Strommessung 
jeweils nur mit einem Gerät durchführen. Da wird recht deutlich, das die 
meisten Verbraucher heute keine ohmschen Lasten sind.

von Rick SΛnchez .. (Gast)


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Roman K. schrieb:
> Den Fabriken und Grossunternehmen wird ja die Blindleistung bereits
> verrechnet, oder?

Ja, ich glaube ab 100kW Bezugsleistung (also RLM-Zähler, kein SLP).

Ich war schon in einem kleinen Schweißerbetrieb, die hatten auf einer 
Phase einen cos Phi von 0,01° bei einer Bezugsscheinleistung von 
40-50kVA (allerdings dreiphasig). Ich musste dreimal hinschauen.

In privaten Haushalten sind Werte von 0,3° bis 0,4° häufig anzutreffen, 
wenn die LED Beleuchtung und der Fernseher usw. an sind. Zugegeben bei 
recht kleinen Strömen von wenigen hundert mA bis 2A.

PS: Ich arbeite beim EVU als Zählermonteur für Haushalte & 
Sondermessungen.

von Ben B. (Firma: Funkenflug Industries) (stromkraft)


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Naja unterschätzen sollte man solche Blind- und Scheinleistungen nicht.

Industrielle Abnehmer werden völlig anders abgerechet, die bezahlen auch 
für Lastspitzen (in 15 Minuten Messzyklen) und bekommen auch ihren 
Blindstrom in Rechnung gestellt. Als privater Haushalt kannst Du es Dir 
erlauben, das EVU so richtig zu ärgern - schnapp Dir ein paar große 
Ringkerntrafos und lass die ohne Last laufen. Sind dann vielleicht 
20..50W Wirkleistung, aber irgendwann fliegt der 16A LSS allein wegen 
dem Blindstrom.

Oder anderes schönes Beispiel, eine größere Fabrikhalle wurde zu 
DDR-Zeiten mit Leuchtstoffröhren beleuchtet, die alle standardgemäß ihre 
eigenen Kompensationskondensatoren eingebaut hatten. Irgendwann wurde 
das auf westliche Lampentypen umgebaut und zentral kompensiert. Als 
Folge davon sind denen alle Kabel zwischen Leuchten und Schaltschrank 
abgebrannt...

von Karl B. (gustav)


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Rick SΛnchez .. schrieb:
> Werte von 0,3° bis 0,4°

Wieso Grad?
Also Katheten und Hypotenuse haben keine Dimension.
Oder habe ich mal wieder nicht aufgepasst in der Schule.
cos Phi ist eine Verhältniszahl
Der Winkel wäre in Grad.

ciao
gustav

: Bearbeitet durch User
von Test (Gast)


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Bernd K. schrieb:
> Ben B. schrieb:
>> in dem Moment laden
>> alle nicht-PFC-Schaltnetzteile dieser Welt ihren
>> Zwischenkreiskondensator auf
>
> Nächster Evolutionsschritt: Der Strompreis ist abhängig von der Reinheit
> des Sinus. Der Smart-Zähler wird eine FFT auf dem gezogenen Strom machen
> und den Klirrfaktor bestimmen der dann als Multiplikator bei der
> Preisberechnung einbezogen wird. Zum Beispiel: Klirrfaktor 50% ->
> doppelter Strompreis.

Warum auch nicht? Es erscheint ja durchaus sinnvoll sein im Netz 
Oberwellen- und Blindleistungsminimierung zu betreiben. Im Angesicht 
dessen was auf unsere Netze in den kommenden Jahrzehnten zukommen wird 
(Zuwachs von elektrischen Verbrauchern) ... bitter nötig.

Nachdem Verbraucher lieber billig billig kaufen und diese Produkte in 
der Praxis nahezu unkontrollierbar sind, werden die Kontrollen (EMV, 
PFC, harmonics, ...) halt in Messgeräte am Hausanschluss verlegt. Ist 
zwar -- wie immer auf dem Rücken der Verbraucher -- wird aber dazu 
führen dass die Leute aufhören Schrott zu kaufen. Sobald das was kostet 
wird es irgendwelche Mess-Güte-Siegel z.B. für Obwerwellenfreiheit geben 
und plötzlich werden nur noch LED-Steuerungen mit richtig 
dimensionierten Filtern verkauft. Erscheint mir jetzt auf den ersten 
Blick nicht unlogisch ...

von Rick SΛnchez .. (Gast)


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Karl B. schrieb:
> Wieso Grad?

Sorry, das war mal so richtig dumm von mir ;D

von Karl B. (gustav)


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Rick SΛnchez .. schrieb:
> Sorry, das war mal so richtig dumm von mir ;D

Hi,
so war das nicht gemeint, also, wieviele Böcke ich hier schon geschossen 
habe, kann ich schon garnicht mehr zählen. ;-)
Aber vielleicht gibt es ja auch Änderungen oder Abwandlungen, von denen 
ich bislang nichts weiß.

ciao
gustav

von Dussel (Gast)


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Warum gibt man eigentlich nicht direkt Phi an? Bei cos(Phi)=0,9 kann Phi 
25,8° und -25,8° sein. Mit dem Winkel könnte man direkt das Vorzeichen 
ablesen. Ich habe es wahrscheinlich mal gelernt, aber mir fällt gerade 
kein Grund ein.

von Dieter W. (dds5)


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Wenn es nicht aus dem Kontext hervorgeht, wird beim cos phi die 
Phasenlage mit dem Zusatz ind oder kap angegeben.

Macht man bspw. bei Leuchtstofflampen mit KVG so, unkompensiert 0,4 ind 
und kompensiert 0,4 kap.

: Bearbeitet durch User
von Nautilus (Gast)


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Bernd K. schrieb:
> Der Strompreis ist abhängig von der Reinheit
> des Sinus. Der Smart-Zähler wird eine FFT auf dem gezogenen Strom machen
> und den Klirrfaktor bestimmen der dann als Multiplikator bei der
> Preisberechnung einbezogen wird. Zum Beispiel: Klirrfaktor 50% ->
> doppelter Strompreis.

Ist bei Großverbrauchern in der Industrie schon Standard. Dort gibt es 
für die Blindleistung einen Aufschlag.

von Bernd K. (prof7bit)


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Nautilus schrieb:
> Dort gibt es
> für die Blindleistung einen Aufschlag.

Blindleistung meinte ich nicht sondern den Klirrfaktor wie im 
Oszillogramm im Eröffnungspost zu sehen.

Deshalb schrieb ich ja auch nächste Evolutionsstufe. Der 
Innovationsdruck muss doch kanalisiert werden bevor die Köpfe der 
verantwortlichen Visionäre zu explodieren drohen, zu irgendwas muss es 
doch gut sein daß jetzt bei jedem Verbraucher aufwendige Elektronik im 
Zähler installiert werden kann mit hundert mal mehr Rechenleistung als 
man bräuchte um ein Raumschiff zum Mond und zurück zu steuern. Es kann 
doch nicht sein daß beim heutigen Funktionsumfang der Zähler jetzt 
endgültig Schluss sein wird, irgendwann müssen die geupdatet[TM] werden 
auf was noch neueres, noch smarteres, 4.2.

: Bearbeitet durch User
von Fritjof (Gast)


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@prof7bit: Ich verstehe gut, was Du meinst.

von Karl B. (gustav)


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Dieter W. schrieb:
> Macht man bspw. bei Leuchtstofflampen mit KVG so, unkompensiert 0,4 ind
> und kompensiert 0,4 kap.

Hi,
nicht so ganz bei Duoschaltung.
Drossel ist beim Zweig mit in Reihe geschaltetem Kondensator nach wie 
vor drin.
Also induktive Phasenverschiebung beim einen Zweig.
Induktive plus kapazitive beim anderen Zweig.
So überkompensiert, dass am gemeinsamen Netzanschluss keine 
Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung vorhanden sein sollte.
(Idealerweise... wie die Praxis aussieht: In der Schweiz sind die 
Duo-Schaltungen sogar verboten. Hatte noch irgenwas von 12 % Verlust in 
Erinnerung)

ciao
gustav

: Bearbeitet durch User
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