Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Thermal Runaway bei LED an Konstantspannung unausweichlich?


von Paul H. (powl)


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Hier mal eine theoretische Frage: Ist der Thermal Runaway bei einer LED, 
die an Konstantspannung betrieben wird, bis hin zum Durchbrennen der LED 
in jedem Fall unausweichlich?

Wenn eine LED an Konstantspannung betrieben wird erwärmt sie sich 
natürlich durch die Verlustleistung. Aufgrund des negativen 
Temperaturkoeffizienten für den differenziellen Widerstand sinkt dieser 
bei steigenden Temperaturen, wodurch die LED mehr Strom bekommt, wodurch 
mehr Verlustleistung in ihr frei wird, wodurch sie noch wärmer wird, 
wodurch der diff. Widerstand noch weiter sinkt.. usw. Das ganze führt 
dann irgendwann bis zum Durchbrennen. Aber ist das immer so? Oder 
überholt/überwiegt die thermische Abgabeleistung je nach 
Bauform/Einbausituation der LED irgendwann die Verlustleistung der LED 
so sehr, dass hier wieder ein Gleichgewicht entsteht?

Sonst würden ja alle LEDs unter allen Umständen an Konstantspannung, 
auch wenn zunächst nur ein geringer Strom fließt, irendwann zwangsläufig 
immer heller werden und schlussendlich durchbrennen. Aber das habe ich 
so noch nicht beobachtet. Außer ich betreibe die LED ohnehin schon am 
Rande ihrer maximalen Belastbarkeit.

lg Paul

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von ArnoR (Gast)


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Paul H. schrieb:
> Ist der Thermal Runaway bei einer LED,
> die an Konstantspannung betrieben wird, bis hin zum Durchbrennen der LED
> in jedem Fall unausweichlich?

Nein, unter bestimmten Bedingungen geht das.
Zur Erklärung zitiere ich mich mal selbst:

ArnoR schrieb:
> Die thermische Drift einer LED wirkt wie ein negativer Innenwiderstand
> der Größe Ri=TKUf*UV*Rth, wobei TKUf der Temperaturkoeffizient der
> Durchlassspannung ist, UV die Versorgungsspannung der LED und Rth der
> Wärmewiderstand zwischen Sperrschicht und Umgebung.
>
> Dem steht der positive Innenwiderstand (Bahnwiderstand Rb) der LED
> entgegen, den man dem Datenblatt bei hohen Strömen entnehmen kann.
>
> Die LED ist thermisch stabil, wenn Rb+Ri>0. Man muss also nur für
> passende Wärmeabfuhr sorgen, das war´s.

von Harald W. (wilhelms)


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Paul H. schrieb:

> Sonst würden ja alle LEDs unter allen Umständen an Konstantspannung,
> auch wenn zunächst nur ein geringer Strom fließt, irendwann zwangsläufig
> immer heller werden und schlussendlich durchbrennen. Aber das habe ich
> so noch nicht beobachtet.

Normalerweise gibt es keine Leuchten, bei denen LEDs mit Konstant-
spannung betrieben werden. Also kannst Du das auch nicht beobachten.

: Bearbeitet durch User
von A-Freak (Gast)


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Hinzu kommt daß gerade die billigsten Leuchtdioden meistens auch ehr 
hohe Bahnwiderstände haben so daß das an einer billigen Batterie die 
ebenfalls hohe Innenwiderstände hat massenhaft gut gehen kann. Man muß 
halt akzeptieren daß eine LED 10 mal heller als eine andere ist.

von A-Freak (Gast)


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@ Harald W. (wilhelms)

> Normalerweise gibt es keine Leuchten, bei denen LEDs mit Konstant-
spannung betrieben werden.

Geh mal in einen 1€-Laden...

von Paul H. (powl)


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ArnoR schrieb:
>> Dem steht der positive Innenwiderstand (Bahnwiderstand Rb) der LED
>> entgegen, den man dem Datenblatt bei hohen Strömen entnehmen kann.
>> Die LED ist thermisch stabil, wenn Rb+Ri>0. Man muss also nur für
>> passende Wärmeabfuhr sorgen, das war´s.

ok, d.h. kann man sich eine LED im Ersatzschaltbild so vorstellen wie 
der Rb (positiv und konstant) + Ri (negativ, temperaturabhängig 
zunehmend negativ bei höheren Temperaturen) in Reihe?

von ArnoR (Gast)


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Paul H. schrieb:
> d.h. kann man sich eine LED im Ersatzschaltbild so vorstellen wie
> der Rb (positiv und konstant)

Wenn es nur um das thermische Verhalten geht, ja.

> + Ri (negativ, temperaturabhängig
> zunehmend negativ bei höheren Temperaturen) in Reihe?

Jain. Warum sollte der bei höheren Temperaturen zunehmend negativ und 
temperaturabhängig sein? Der TK ist doch praktisch konstant, UV und Rth 
auch.

von Wolfgang (Gast)


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Paul H. schrieb:
> Oder überholt/überwiegt die thermische Abgabeleistung je nach
> Bauform/Einbausituation der LED irgendwann die Verlustleistung
> der LED so sehr, dass hier wieder ein Gleichgewicht entsteht?
Die thermische Abgabeleistung wird gesteiget, indem der 
Temperaturgradient gegenüber der Umgebung erhöht wird. Wenn keine 
ausreichende Heizleistung vorhanden ist, steigt die Temperatur nicht und 
die Abgabeleistung kann nicht weiter steigen.

von Harald W. (wilhelms)


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A-Freak schrieb:

> Hinzu kommt daß gerade die billigsten Leuchtdioden meistens auch ehr
> hohe Bahnwiderstände haben so daß das an einer billigen Batterie die
> ebenfalls hohe Innenwiderstände hat massenhaft gut gehen kann.

D.h. es sind doch die unbedingt nötigen Widerstände vorhanden,
man sieht sie bloss nicht.

von Stefan F. (Gast)


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Harald W. schrieb:
> D.h. es sind doch die unbedingt nötigen Widerstände vorhanden,
> man sieht sie bloss nicht.

Du hast es erfasst.

Ich hatte mal aus Neugier LED von so einer Lichterkette ausgemessen und 
kam zu dem Schluss, dass der Innenwiderstand dieser LEDs deutlich höher 
ist, als von denen aus meiner Bastelkiste.

von Paul H. (powl)


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ArnoR schrieb:
> Der TK ist doch praktisch konstant, UV und Rth
> auch.

ja, so meinte ich das auch. :-) Ri ist zunehmend negativ je höher die 
Temperatur.

: Bearbeitet durch User
von 2 Cent (Gast)


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ArnoR schrieb:
>> Die LED ist thermisch stabil, wenn Rb+Ri>0. Man muss also nur für
>> passende Wärmeabfuhr sorgen, das war´s.
Das sagt sich so einfach :D


Paul H. schrieb:
> immer heller werden und schlussendlich durchbrennen. Aber das habe ich
> so noch nicht beobachtet. Außer ich betreibe die LED ohnehin schon am
> Rande ihrer maximalen Belastbarkeit.
Bei der "maximalen Belastbarkeit" nicht nur den LEDstrom (deren 
Verlustleistung), sondern unbedingt auch die Umgebungstemperatur (Sommer 
im Auto, oder Haarfön einmal kurz falsch gehalten) beachten. 
Teufelskreis: bei erhöhter Umgebungstemperatur wird die erlaubte 
Verlustleistung kleiner.


Konstantstrom und Parallelschaltung - also mehrere Zweige an der 
gleichen Spannung:
Recht häufig anzutreffen ist die Problematik der Leistung bei 
Parallelschaltung von LEDs, Extrembeispiel Stefans angesprochene 
Lichterkette ohne dedizierte Vorwiderstände. Bei COBLEDs (Arrays zB 
10*10) kein problem weil alle LEDs dieselbe Temparatur haben. Bei einer 
langen Beleuchtungslichterkette thermisch sehr schnell problematisch.

von Dieter (Gast)


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A-Freak schrieb:
>> Normalerweise gibt es keine Leuchten, bei denen LEDs mit Konstant-
> spannung betrieben werden.

> Geh mal in einen 1€-Laden...

Dabei handelt es sich um LED in den 1Euro Licherketten, die nicht auf 
Wirkungsgrad getrimmt wurden, sondern auf billigste Herstellung und 
daher hat eine der Schichten in der LED einen Widerstand, die dem 
zufällig entgegenwirkt. Ein Nachteil davon ist, dass diese nicht gut 
Pulse vertragen, der Wirkungsgrad schlechter ist und die theoretische 
maximale Leistung des Leuchtchips reduziert ist, aber umgekehrt nehmen 
diese das parallele Verschalten nicht so übel.

von ArnoR (Gast)


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Paul H. schrieb:
> Ri ist zunehmend negativ je höher die Temperatur.

Du hast es immer noch nicht geschnallt.

von Axel S. (a-za-z0-9)


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Paul H. schrieb:

> Ri ist zunehmend negativ je höher die Temperatur.

Nein

ArnoR schrieb:
> Die thermische Drift einer LED wirkt wie ein negativer Innenwiderstand
> der Größe Ri=TKUf*UV*Rth

Wo siehst du hier die Temperatur?

> wobei TKUf der Temperaturkoeffizient der Durchlassspannung
> ist, UV die Versorgungsspannung der LED und Rth der
> Wärmewiderstand zwischen Sperrschicht und Umgebung

von Udo S. (urschmitt)


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Was ist denn dein konkreter Grund für die Frage.
Wenn du von Leds an Spannungsquellen redest, bedenke, dass diese 
"Spannungsquellen" dann fast immer einen deutlich erkennbaren 
Innenwiderstand haben.
Der addiert sich noch zu dem von ArnoR genannten Widerstand dazu:

ArnoR schrieb:
> Die LED ist thermisch stabil, wenn Rb+Ri>0. Man muss also nur für
> passende Wärmeabfuhr sorgen, das war´s.

"Stabil" heisst dann aber nicht konstant, sondern nur dass es nicht 
"kippt".

von batman (Gast)


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Wie wirkt sich denn der Widerstand einer Konstantspannungsquelle aus?

von Axel S. (a-za-z0-9)


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Udo S. schrieb:
> ArnoR schrieb:
>> Die LED ist thermisch stabil, wenn Rb+Ri>0. Man muss also nur für
>> passende Wärmeabfuhr sorgen, das war´s.
>
> "Stabil" heisst dann aber nicht konstant, sondern nur dass es nicht
> "kippt".

Doch, stabil heißt dann durchaus auch konstant. Aber eben nicht gleich, 
sondern erst nachdem sich die Temperatur stabilisiert hat.

Eine ganz andere Frage ist, bei welcher Temperatur das passiert und ob 
die LED diese Temperatur überhaupt aushält.

von MaWin (Gast)


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Paul H. schrieb:
> Hier mal eine theoretische Frage: Ist der Thermal Runaway bei einer LED,
> die an Konstantspannung betrieben wird, bis hin zum Durchbrennen der LED
> in jedem Fall unausweichlich?

Nein, unausweichlich ist es nicht, aber sehr wahrscheinlich.

Wenn man mit viel zu wenig Leistung (Spanung*Strom) anfängt, kann es 
sein, dass sich bei Erwärmung gerade noch ein verträglicher hoher Strom 
einstellt den man weggekühlt kriegt wobei die LED nicht abraucht.

Aber das ist eher Zufall als gezielt, denn alle Effekte vorher korrekt 
auszurechnen gelingt kaum. Da ist es zielsicherer, gleich den Strom 
vorzugeben und sich die LED die Spannung aussuchen zu lassen wie sie 
möchte, da sinkt sogar die Verlustleistung bei Erwärmung, der Prozess 
ist also selbstbegrenzend statt selbstweglaufed.

Es gibt keinen sinnvollen Grund eine LED an eine Konstantspanung zu 
legen, ausser Dummheit.

von MaWin (Gast)


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A-Freak schrieb:
> @ Harald W. (wilhelms)
>
> > Normalerweise gibt es keine Leuchten, bei denen LEDs mit Konstant-
> > spannung betrieben werden.
>
> Geh mal in einen 1€-Laden...

Jein.

Viele dieser Billigstlampen (Schlüsselfinder, Lichterketten) arbeiten 
mit Batterien und nutzen welche (Knopfzelle, Micro) mit hohem 
Innenwiderstand, werden also mitnichten an einer Konstanspannungsquelle 
betrieben.

Aber man findet oft direkte LED Parallelschaltungen, was ja auch eine 
Art der Spannungsversorgung ist. Dazu findet man eben so viele 
(Lichterketten, Taschenlampen aus x * 5mm LED, Autorücklichter) in denne 
nach kurzer Zeit einzelne LEDs ausfallen.

Der Beweis, daß direkte Parallelschaltung nichts taugt ist also 
erbracht, auch wenn es nicht in JEDEM FALL schief geht.

Hier steht zur direkten Parallelschaltung einfach 'not recommended' 
https://www.led1.de/shop/files/Datenblaetter/5mm/NSPG500DS.pdf

von Paul H. (powl)


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Axel S. schrieb:
> Wo siehst du hier die Temperatur?

Nirgendwo. D.h. Ri ist konstant? Was ist denn hier nun stattdessen 
Temperaturabhängig? Wo kommt die Formel überhaupt her, die hab ich noch 
nirgendwo gesehen.

Udo S. schrieb:
> Was ist denn dein konkreter Grund für die Frage.

Na, die Vorgänge, die hierbei stattfinden, verstehen zu wollen.

> Wenn du von Leds an Spannungsquellen redest, bedenke, dass diese
> "Spannungsquellen" dann fast immer einen deutlich erkennbaren
> Innenwiderstand haben.> Wenn du von Leds an Spannungsquellen redest, bedenke, 
dass diese
> "Spannungsquellen" dann fast immer einen deutlich erkennbaren
> Innenwiderstand haben.

Ja aber der liegt ja je nach Quelle einfach im Milliohmbereich 
(Labornetzteil). Da überwiegen die Effekte, die durch die Thermik der 
LED verursacht werden ja bei weitem.

batman schrieb:
> Wie wirkt sich denn der Widerstand einer Konstantspannungsquelle aus?

Er mindert die Ausgangsspannung der Quelle desto mehr, je größer der 
Strom ist? Wirkt also wie ein Vorwiderstand der LED.

: Bearbeitet durch User
von ArnoR (Gast)


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Paul H. schrieb:
> D.h. Ri ist konstant?

Ja, näherungsweise.

> Was ist denn hier nun stattdessen Temperaturabhängig?

Falsche Frage, du bringst die Dinge durcheinander. Konstant 
temperaturabhängig ist die UF, dadurch kommt die Mitkopplung zustande, 
die zur Instabilität führt.

> Wo kommt die Formel überhaupt her, die hab ich noch
> nirgendwo gesehen.

Die ist ein "Abfallprodukt" aus einer Überlegung zur thermischen 
Stabilität, die ich mal gemacht hatte.

von Axel S. (a-za-z0-9)


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Paul H. schrieb:
> Axel S. schrieb:
>> Wo siehst du hier die Temperatur?
>
> Nirgendwo. D.h. Ri ist konstant?

Er ist zumindest nicht termperaturabhängig. Ansonsten ist er so 
konstant, wie das die anderen Größen in der Gleichung sind.

> Was ist denn hier nun stattdessen Temperaturabhängig?

Die Flußspannung Uf. Und wegen deren Temperaturabhängigkeit steht da 
der Temperaturkoeffizient TKUf in der Gleichung.

> Wo kommt die Formel überhaupt her, die hab ich noch
> nirgendwo gesehen.

Die kann man sich mit ein paar Grundkenntnissen der Physik selber 
herleiten. Etwa so:

Wenn wir eine Stromänderung ΔI haben, dann ändert sich die 
Verlustleistung: ΔP = UV·ΔI. Die Änderung der Leistung führt zu einer 
Änderung der Temperatur: ΔT = Rth·ΔP. Die Änderung der Temperatur führt 
zu einer Änderung der Flußspannung: ΔUf = TKUf·ΔT.

Der differentielle Widerstand der LED ist definitionsgemäß Ri = ΔUf÷ΔI. 
Alles aus den obigen Beziehungen einsetzen, feststellen daß sich ΔI 
rauskürzt und man kommt auf die Gleichung von Arno.

von Stefan F. (Gast)


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batman schrieb:
> Wie wirkt sich denn der Widerstand einer Konstantspannungsquelle aus?

Konstantspannungsquellen haben keinen Widerstand, sonst würden sie keine 
konstante Spannung liefern.

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