Forum: Platinen Abblockkondensatoren, wieviele?


von Andre K. (andre1980)


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Beim Thema Abblockkondensatoren bin ich mir gerade unsicher.

Generell sagt man ja an jedem IC an der Versorgung möglichst 100nF. Dies 
so nah wie möglich am IC.

Ist es vorteilhaft noch mehr verteilt auf dem PCB zu setzen? Oder eher 
sogar nachteilig?

Wie ist es an ICs wo der Vin und der GND weit auseinander liegen? Der 
100nF dann eher Richtung Vin setzen oder eher Richtung GND oder sogar am 
Besten genau Mittig zwischen die zwei Pins? Oder ist es dann sogar 
Sinnvoll ein 100nF nahe an Vin und Zusätzlich einen 100nF nahe GND zu 
setzen?

Welche Entfernung ist mit „Nah“ eigentlich gemeint? (Leiterbahnlänge)

Vielleicht könnt ihr mir ein bisschen Licht ins Dunkle bringen, Danke.


Auf etlichen PCBs sieht man immer so viele Kerkos. Bei meinem habe ich 
jetzt gerade 3 Stück. Daher bin ich stutzig geworden.

von MaWin (Gast)


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Andre K. schrieb:
> Ist es vorteilhaft noch mehr verteilt auf dem PCB zu setzen?

Nein.

> Oder eher sogar nachteilig?

Kann zu Klingeln (Schwingungen) auf der Versorgungsleitung führen.

Eine Zuleitung hat einen Induktivität, die bei rapide sich änderndem 
Strombedarf die schnelle Änderung des zufliessenden Stroms behindert.
Da soll der Kind"ensator der Versorgungsspannung stützend unter die Arme 
greifen.

Je schneller die Stromänderung ist (Mikrosekunden, Nanosekunden, 
Pikosekunden pro 10mA) um so dichter muss der Kondensators an das IC, 
dafür darf er kleiner sein.

Inmitten auf der Platine können grössere hin,  statt 100nF also 10uF und 
im Netzteil 1000uF. Bei so unterschiedlichen Kapazitätswerten klingelt 
nicht, der ESR ist zu hoch.

von Falk B. (falk)


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Andre K. schrieb:
> Beim Thema Abblockkondensatoren bin ich mir gerade unsicher.

Ein weites, viel diskutiertes Feld.

> Generell sagt man ja an jedem IC an der Versorgung möglichst 100nF. Dies
> so nah wie möglich am IC.

Das passt in 90% der Fälle.

> Ist es vorteilhaft noch mehr verteilt auf dem PCB zu setzen?

Ja, aber dann eher Elkos.

> Oder eher
> sogar nachteilig?

Kann passieren, wenn man sich Resonanzen reinbaut.

> Wie ist es an ICs wo der Vin und der GND weit auseinander liegen? Der
> 100nF dann eher Richtung Vin setzen oder eher Richtung GND oder sogar am
> Besten genau Mittig zwischen die zwei Pins?

Ist egal. Hauptsache die Verbindung zu GND/VSS is möglichst kurz und 
breit, um die Induktivität zu minimieren.

> Oder ist es dann sogar
> Sinnvoll ein 100nF nahe an Vin und Zusätzlich einen 100nF nahe GND zu
> setzen?

Nein.

> Welche Entfernung ist mit „Nah“ eigentlich gemeint? (Leiterbahnlänge)

Pi mal Daumen 20mm und kleiner.

Stromversorgung für FPGAs
https://www.mikrocontroller.net/articles/Kondensator#Entkoppelkondensator

von P. S. (namnyef)


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Andre K. schrieb:
> Generell sagt man ja an jedem IC an der Versorgung möglichst 100nF. Dies
> so nah wie möglich am IC.
Als "first guess" sind 1x 100nF pro Versorgungs-Pins sehr oft 
ausreichend. Möglichst nah im IC ist richtig bzw. genauer gesagt 
möglichst niederinduktiv.

> Ist es vorteilhaft noch mehr verteilt auf dem PCB zu setzen? Oder eher
> sogar nachteilig?
Kommt drauf an. Mit den richtigen verteilten Kondensatoren kann man 
Resonanzen im Versorgungssystem entfernen bzw. verringern. Mit den 
falschen verteilten Kondensatoren kann man sich Resonanzen auch 
überhaupt erst erzeugen.

> Wie ist es an ICs wo der Vin und der GND weit auseinander liegen? Der
> 100nF dann eher Richtung Vin setzen oder eher Richtung GND oder sogar am
> Besten genau Mittig zwischen die zwei Pins?
Egal. Was zählt ist die "loop area".

> Welche Entfernung ist mit „Nah“ eigentlich gemeint? (Leiterbahnlänge)
Kann man pauschal nicht beantworten. Die "loop inductance" sollte immer 
möglichst klein sein. Was "klein genug" ist, bestimmt aber immer die 
Anwendung. Bei einem sich gemächlich ändernden Analogbauteil spielt es 
kaum eine Rolle wo der Blockkondensator sitzt (wenn es überhaupt einen 
braucht). Das kann bei einem hart schaltenden Digitalbauteil schon 
wieder anders aussehen. Da spielen dann Dinge rein wie Lagenaufbau, 
Via-Anordnung, Breite der Leiterbahnen, Gehäuse des Kondensators, ...

> Auf etlichen PCBs sieht man immer so viele Kerkos. Bei meinem habe ich
> jetzt gerade 3 Stück. Daher bin ich stutzig geworden.
Es geht eigentlich nur darum über einen breiten Frequenzbereich die 
Impedanz der Versorgung "niedrig genug" zu machen. "Niedrig genug" 
bedeutet, dass man sich eine Zielimpedanz definiert, die das 
Versorgungssystem im gewünschten Frequenzbereich nicht überschreitet.
Mit mehreren parallel geschalteten Kondensatoren kann man dann die 
Impedanz drücken. Beispielsweise verringert die Parallelschaltung 
mehrerer gleicher Kondensatoren die Impedanz über dem kompletten 
Frequenzbereich. Hat man unterschiedliche Kondensatoren kann es aber bei 
bestimmten Frequenzen zu Resonanzüberhöhungen kommen. Der Klassiker ist 
dabei der Kondensator, den das Versorgungslagenpaar bildet. Mit diesem 
baut man sich gerne mal eine Resonanz mit den diskreten Kondensatoren, 
wenn man nicht weiß was man tut.
Solche Resonanzen bekommt man mit zusätzlichen Kondensatoren mit 
geeignetem Frequenzgang in den Griff.

: Bearbeitet durch User
von oszi40 (Gast)


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Es ist wie mit der Medizin. Dosis und am rechten Ort.
-Zu hohe Kapazitäten könnten auch das Netzteil/Reglung ärgern.
-Spannungsabfall auf der Masseleitung? Massepunkt optimal?

von Gustl B. (-gb-)


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Weil es noch nicht genannt wurde:

https://www.youtube.com/watch?v=BcJ6UdDx1vg
https://www.youtube.com/watch?v=1xicZF9glH0
https://www.youtube.com/watch?v=wopmEyZKnYo

Zusammenfassung:

Ist nicht so einfach. Wichtig ist es den Stromkreis zu betrachten, also 
auch die Masseanbindung. Der sollte möglichst klein gehalten werden.
Näher ist gut, mehrere unterschiedlche Kondensatoren sind auch üblich 
und gut.

Sonst:
Guck was im Datenblatt empfohlen wird, guck was der Hersteller auf 
deinem Demoboard gemacht hat, suche andere Produkte die den gewüschten 
IC enthalten und guck nach was da gemacht wurde.

von Arno H. (arno_h)


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Joachim Franz:"EMV-Störungssicherer Aufbau elektronischer Schaltungen" 
ist ein m.M.n. gut verständlich geschriebenes Grundlagenbuch. Suche nach 
einem pdf. https://www.springer.com/de/book/9783834898029
Etwas älter sind die Veröffentlichungen von Prof Dirks auf emv.biz, hier 
ist eine kostenlose Registrierung erforderlich. Vieles davon stand auch 
in Fachzeitschriften.
OT: War schon mal jemand auf seinen Seminaren oder hat die SW im 
Einsatz?

Arno

von Christian B. (luckyfu)


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Das kann man nicht pauschal beantworten. Wenn du z.B. Differentielle 
Signale über Lagenwechsel führst und dabei die Referenzlage von einer 
GND zu einer VCC Lage wechselt muss, bzw. sollte, man sehr nah an diesem 
Lagenwechsel einen Kondensator platzieren, damit der Rückstrom HF 
Technisch dem Signal folgen kann ohne erst zum nächsten IC ausweichen zu 
müssen. Ansonsten sollte man größere Kapazitäten verstreut auf der 
Platine vorhalten. Dabei muss man aber aufpassen, dass man sich nicht 
irgendwelche schwingfähigen Gebilde baut. Um das zu verhindern nimmt man 
deshalb gern Elkos.

Man muss sich dafür vorstellen, was passiert, wenn an einem IC - 
Transistor ein Pegelwechsel stattfindet: In dem Moment wird ein 
Kondensator, nämlich der Leiterzug (Innerhalb oder Ausserhalb des ICs) 
nach dem Transistor, mit Elektronen geflutet. das geht bei modernen ICs 
sehr schnell, die sind in wenigen ns bzw. noch schneller eingeschalten. 
Die Elektronen dafür müssen irgendwo her kommen. Der IC holt sie sich 
vom Versorgungspin und dieser idealerweise vom nächstgelegenen 
Abblockkondensator, bis dieser leer ist. Im besten Fall ist nun aber 
bereits ein größerer, und damit langsamerer, Kondensator in einiger 
Entfernung der nun den kleinen Kondensator stützt. So baut sich eine 
Kette auf. Man kann sich das wie einen Trichter vorstellen, der immer 
Flacher wird. Wenn du nun keine größeren Kondensatoren zur Verfügung 
hast, saugt dieser eine Pin andere, für ihn erreichbare 
Abblockkondensatoren leer. Wenn das passiert und direkt der nächste 
Schaltvorgang einsetzt beginnt deine Spannungsversorgung zu schwanken. 
Das sorgt dann für Störungen im System die bis hin zum totalen Ausfall 
führen können weil Bauteile für Bruchteile von ms ihre 
Mindestbetriebsspannung nicht mehr halten können und dann in irgendeinen 
undefinierten Zustand springen.

Wenn man nun aber mit den Kondensatorewn Schwingungsfähige Strukturen 
erstellt kann es auch passieren, dass bei bestimmten Aktivitätsmustern 
solch eine Kette in Resonanz kommt. Was dann passiert sollte man im 
Physikunterricht gelernt haben. Deshalb muss man hier abwägen welche 
Kondensatoren wo platziert sinnvoll sind. Im Zweifel kann man einen 
bestückten Kondensator aber immer noch weg lassen, einen nicht 
vorgesehenen dazu zu bauen ist ungleich problematischer. Natürlich ist 
es eine ganz andere Frage, wie leicht man so eine Resonanz aufspüren 
kann. Ich verwende deshalb gern für bestimmte ICs oder Baugruppen durch 
mit Ferriten und Kondensatoren gebaute Pi Filter getrennte 
Versorgungsspannungsinseln. So kann man die Probleme auf einzelne 
Baugruppen eingrenzen und somit leichter finden und beheben. Ausserdem 
verhindern diese Filter, dass sich unterschiedliche Baugruppen 
gegenseitig "triggern"

: Bearbeitet durch User
von Andre K. (andre1980)


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Danke, ihr habt mir sehr geholfen.

Beitrag #6407879 wurde von einem Moderator gelöscht.
von Falk B. (falk)


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Pastetenbäcker schrieb im Beitrag #6407879:
> Es gibt auch Stützkondensatoren zu Drauf-Streuen. Damit kann man die
> Schaltung so lange verzieren, bis sie stabil arbeitet:

Alter Hut, das sind Streukapazitäten! ;-)

von Daniel D. (danieldx)


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Oder man macht's wie der Bestückungsautomaten Hersteller Mechatronika in 
Polen, und verbaut gleich überhaupt keine Abblockkondensatoren :-) Dann 
kann's auch keine Resonanzen von den Kondensatoren geben wenn keine 
vorhanden sind und zumindest ein jämmerlicher Kunde in diesem Forum 
versucht das sogar noch zu rechtfertigen . o ( Bürovorsteher ).

Aber zurück zum eigentlichen Thema, und weiterführende Informationen:

Vor kurzem gab's Videos von Robert Feranec:
https://www.youtube.com/watch?v=wbYzPwuEHPw
https://www.youtube.com/watch?v=Tt8X6_maj6c

im Grunde eine Wiedergabe von dem was Christian B. vorher geschrieben 
hat.
Ich hab diesbezüglich vor ein paar Jahren ein paar Bücher gelesen und 
verinnerlicht, jedoch jedes mal wenn die Themen jemand anderer vorträgt 
lerne ich immer noch ein Stückchen dazu. Praktisch gesehen bin ich noch 
nie auf diese Probleme gestoßen (jedenfalls nicht so wie Robert das in 
seinen Videos demonstrieren konnte).

: Bearbeitet durch User
von Uwe Bonnes (Gast)


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Zum Abblocken schmeisse ich auch gerne 3-Anschluss Kondensatoren wie 
Murata NFM in den Ring(auf die Platine). Damit bekommt man ein viel 
geringeres ESL, den man aber nicht mit schlechten Design wieder kaputt 
machen sollte.

von Wilhelm S. (wilhelmdk4tj)


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Hallo zusammen,

>> Welche Entfernung ist mit „Nah“ eigentlich gemeint? (Leiterbahnlänge)

> Pi mal Daumen 20mm und kleiner.

Endlich mal jemand, der zumindest eine 'halbwegs präzise' Definition der 
Angabe 'möglichst nah' von sich gibt.
20mm ist ja schon mal eine Hausnummer. Wenn man die Interpretation des 
Begriffs  'möglichst nah' in diesem Forum verfolgt, reicht das ja von 
'vom anderen Ende der Platine' bis zu 'man könnte ja noch ein bisschen 
vom Gehäuse abfräsen' um näher ans Leben zu kommen.
Aus meiner Erfahrung als Funkamateur war Ende der 1960er Jahre 7MHz noch 
normal; 30MHz, das war richtig Hochfrequenz, nur für Experten. Es wurde 
entkoppelt ohne Ende. Möglichst kurze Drähte, mit jedem Millimeter wurde 
gegeizt. Dann kamen  mit der C-Lizenz die 144MHz Leute und erklärten die 
ganze Kurzwelle zu Gleichstrom. Die Koppel Cs wurden kleiner, entkoppelt 
wurde nicht weniger sondern anders.
Jeder weiss heute, was man machen sollte; zu wenig ist schlecht, zuviel 
(besonders des Falschen) kann auch schlecht sein.
Die Hauptsache: Es funktioniert!

Vielen Dank an dich, Falk

73
Wilhelm

von Falk B. (falk)


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Uwe Bonnes schrieb:
> Zum Abblocken schmeisse ich auch gerne 3-Anschluss Kondensatoren wie
> Murata NFM in den Ring(auf die Platine). Damit bekommt man ein viel
> geringeres ESL, den man aber nicht mit schlechten Design wieder kaputt
> machen sollte.

Ja, eben. Ich hab schon Platinen gesehen, die eigentlich keine 
Super-Duper HF-Kompoenten drauf hatten, nur bissl Mikrocontrollerkram 
und Co. Dort waren "natürlich" querkontaktierte Keramikkondensatoren 
drauf, die Creme de la Creme für HF-Anwendungen. Wenn man dann aber 
genau hingeschaut hat WO die lagen und WIE die mit der Schaltung 
verbunden waren, konnte man nur lachen oder auch weinen, je nach 
Gemütslage ;-)

https://media.rs-online.com/t_medium/R7582492-01.jpg

von René F. (Gast)


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Falk B. schrieb:
> Dort waren "natürlich" querkontaktierte Keramikkondensatoren
> drauf, die Creme de la Creme für HF-Anwendungen. Wenn man dann aber
> genau hingeschaut hat WO die lagen und WIE die mit der Schaltung
> verbunden waren

Kenne einen Ingenieur (Dr. Prof.), der verwendet die Teile ebenso gerne, 
auch wenn nicht notwendig, dies führt öfter mal dazu, das unser 
Bestücker wegen eines Ersatztyps nachfragen muss, weil abgekündigt oder 
nirgends verfügbar.

von Christian B. (luckyfu)


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Murata verwende ich nur noch selten. Die machen gern mal 
Abkündigungs-Rundumschläge. Ich hab während der Corona Zeit im 
Homeoffice mal unsere Bauteillibrary, gewachsen über die letzten 10 
Jahre, angefangen auszumisten. Bei den Kondensatoren waren fast alle 
Muratas abgekündigt. Neue nehm ich von denen gar nicht mehr auf.

Wilhelm S. schrieb:
> Aus meiner Erfahrung als Funkamateur war Ende der 1960er Jahre 7MHz noch
> normal; 30MHz, das war richtig Hochfrequenz, nur für Experten.

Das Problem dabei ist, dass nicht die Taktfrequenz, mit welcher die 
Schaltung betrieben wird, den Ausschlag über die Verteilung der 
Kondensatoren gibt, sondern die Schaltgeschwindigkeit der einzelnen 
Gatter. Die wiederum liegt heute fast komplett im einstelligen ns 
Bereich. Das wiederum bedeutet, dass hier mit Frequenzen im 3-stelligen 
MHZ Bereich gerechnet werden muss. Ein umstand, der leider sehr oft 
übersehen wird.
Dann kommen die Fragen, weshalb eine Schaltung stört wie Sau, wenn sie 
doch nur mit ein paar kHz betrieben wird...

: Bearbeitet durch User
von Hans W. (Firma: Wilhelm.Consulting) (hans-)


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Und wenn dann wer ein 4+ layer design macht, bei dem er, wie vor 20 
Jahren modern, einen layer mit gnd und einen layer mit vcc flutet, dann 
hast du den perfekte störer :)

Oder noch besser: getrennte masseflächen für digitale "baugruppen".

73

von Andreas F. (andgset)


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Hans W. schrieb:
> Und wenn dann wer ein 4+ layer design macht, bei dem er, wie vor 20
> Jahren modern, einen layer mit gnd und einen layer mit vcc flutet, dann
> hast du den perfekte störer :)
>
> Oder noch besser: getrennte masseflächen für digitale "baugruppen".

Kannst du das bitte ausführen? Was spricht gegen Masse- und 
Versorgungslagen, was gegen getrennte Masseflächen? Letztere sind mir 
schon immer etwas suspekt, vor allem wenn die Baugruppen untereinander 
kommunizieren.

von W.S. (Gast)


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Andre K. schrieb:
> Auf etlichen PCBs sieht man immer so viele Kerkos. Bei meinem habe ich
> jetzt gerade 3 Stück. Daher bin ich stutzig geworden.

Es kommt doch immer drauf an, was man da grad an Schaltung hat. Nach 
meiner Erfahrung gibt es keinerlei generelle Regel, die man bloß 
sklavisch befolgen muß und schon stellt sich der Erfolg ein.

Das magst du jetzt nicht gern hören, weil du dir unsicher bist und nach 
einem greifbaen Halt suchst. Aber vielleicht helfen die folgenden 
Daumen-Regeln etwas:

1. Achte auf eine möglichst durchgängige Massefläche, denn ein sauberes 
Massepotoential ist für alle Schaltungen wünschenswert. Denk aber 
nicht bei "durchgängig" an eine reine Massefläche, sondern besser so, 
daß die Wege von den Masseanschlüssen all der Bauteile zueinander 
möglichst glatt und nicht "zermäandriert" sein sollten. Sozusagen Inseln 
wo andere Verbindungen drin laufen, sind OK, solange die Ströme in der 
Masse beidseitig drumherum fließen können. Flächenfüllung mit GND nach 
korrektem Routen der Masseanschlüsse ist OK. Flächenfüllung mit VCC oder 
anderen sonstigen Rails ist eher sehr unsinnig. Da kann man ganz normale 
Leiterzüge nehmen und dann in der Nähe des zu versorgenden BE einen 
Stützkondensator setzen.

2. Bei Mikrocontrollern mit vielen VCC-Anschlüssen sollte man auch 
mehrere Kondensatoren nehmen, aber das muß kein Rudel sein. Wenn die VCC 
Pins an allen 4 Seiten vorkommen, dann nehme ich zumeist auch 4 
Kondensatoren. Das reicht, auch wenn es insgesamt 6 oder 7 mal VCC Pins 
gibt.

3. Bei OpV's kommt es auf Typ und Anwendung an, einen AD8000 wird man 
auf alle Fälle abblocken, bei einem lahmen NF-OpV wird man das nicht so 
nötig sehen.

4. Mit ein bissel Erfahrung kriegt man ein Gefühl dafür, ob und wo 
eventuell noch weitere Abblock-Kondensatoren sinnvoll sind. Pauschal 
gesagt, braucht man so etwas eher selten.

5. Mit  nah an den abzublockenden Pins ist nicht gemeint, daß man sich 
dafür krumm machen müßte, ein Zentimeter ist auch OK. Wichtig ist dort, 
daß der Massenanschluß ebenfalls einen kurzen Weg zum Kondensator hat.

6. Die berüchtigten 100nF/0603 sind nicht ohne Grund für unsereinen die 
erste Wahl: sie sind mechanisch klein genug für die Schaltung, groß 
genug für die Pinzette beim Löten, elektrisch groß genug, um ordentlich 
die allermeisten BE abblocken zu können und elektrisch klein genug, um 
bei den Frequenzbereichen der meisten BE noch als Kondensator zu wirken. 
Obendrein sind sie DIE Massenware und überall erhältlich zu moderaten 
Preisen.

Also, laß deine Intuition wirken und übertreibe es mit den Kondensatoren 
nicht.

W.S.

von allesKäse (Gast)


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W.S. schrieb:
> 2. Bei Mikrocontrollern mit vielen VCC-Anschlüssen sollte man auch
> mehrere Kondensatoren nehmen, aber das muß kein Rudel sein. Wenn die VCC
> Pins an allen 4 Seiten vorkommen, dann nehme ich zumeist auch 4
> Kondensatoren. Das reicht, auch wenn es insgesamt 6 oder 7 mal VCC Pins
> gibt.

Eine sehr gute Idee sich den Angaben des Herstellers zu widersetzen!
Ach du bist W.S. damit bist du entschuldigt.

von Christoph Z. (christophz)


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Wie schon geschrieben wurde, grundsätzlich mal ins Datenblatt bzw. in 
die Application Notes sehen. Die meisten Hersteller geben Empfehlungen 
ab.

Ich arbeite mit FPGAs, da ist es etwas schwieriger, da erst der mit der 
Anwendung programmierte FPGA sein reales Verhalten hat 
(Schaltfrequenzen, Anzahl gleichzeitig schaltende Signale etc.).

Dabei ist mir mal ein, aus meiner Sicht, sehr gutes Application Note von 
Xilinx in die Hände gekommen:
Power Distribution System (PDS) Design
https://www.xilinx.com/support/documentation/application_notes/xapp623.pdf

Hier darf auch mal Simuliert werden um dem Bauchgefühl etwas 
Unterfütterung zu geben.

Was "nah" ist wird auch behandelt.

Dass es auch bessere und schlechtere Orte für Vias bei 
Stützkondensatoren gibt wird auch behandelt.

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